Sportlichkeit in allen Klassen
Es lebe der Sport

Inhalt von

Jens Dralle steht nicht nur auf den gleichnamigen Song von Rainhard Fendrich, er ist sich auch sicher: Der Autoindustrie wird es noch sehr lange sehr gut gehen – und zwar aufgrund zahlreicher Sportmodelle.

Porsche Cayman GT4 Fahrbericht
Foto: Daniel Wollstein

Natürlich muss der Dralle so argumentieren, logisch, schließlich hängen davon sein Arbeitsplatz und somit seine Weißbier-Wurstsalat-Versorgung ab. Und überhaupt: Was sollen denn die sport auto-Leser denken, wenn hier Front gegen sportliche Automobile gemacht würde? Stopp. Ich sauge mir hier nichts aus den Fingern, denn Sportlichkeit liegt klar im Trend, klarer vielleicht sogar als das Elektroauto. Ein Trend, den übrigens nahezu alle Hersteller erkannt haben, ganz gleich, ob sie nun eher dröge (Dacia) oder betont ökologische (Tesla) oder Sowohl-als-auch-Autos (Toyota) bauen.

Unsere Highlights

Die chronisch klammen Elektro-Buben von Tesla beispielsweise vermarkten ihr Model S ja schließlich nicht einfach nur als luxuriöses Transportmittel, sondern als sehr dynamische Sportlimousine, vor der sich bitte schön die Porsche-Panamera-Piloten dieser Welt fürchten sollen. Dacia präsentierte vor ein paar Tagen eine R.S.-Variante des Sandero, mit Saugmotor gar, obwohl die rumänische Renault-Tochter längst Downsizing-Turbomotoren im Angebot führt. Und Toyota zündelt auf breiter Front, startet in Le Mans, kehrt in die WRC zurück, legt zusammen mit BMW die Supra neu auf und bietet in Japan eine ganze Reihe sportlicher Derivate (selbst von der automobilen Mutter Beimer, dem Prius) auf.

Emotionalität sticht

Warum? Weil der Konzern erschüttert fest stellen musste, dass sich die japanische Jugend – wenn überhaupt – nur für emotionale Produkte begeistern lässt. Bei Hyundai in Südkorea werkelt dagegen nun seit einigen Wochen der ehemalige Entwicklungschef der BMW M GmbH Albert Biermann. Sein Auftrag: Diverse Sport-Ableger bekannter Modelle zu entwickeln. Und in Europa? Nun, Skoda verkauft inzwischen beinahe ein Viertel des Cleverle-Kombis Octavia als dynamisches RS-Derivat, bevorzugt zwar mit dem 184 PS starken Diesel statt des 220-PS-Benziners, aber immerhin. Das Volk will Dynamik, begreift das Automobil als solches, wenngleich die Gelegenheiten schwinden, die neue Sportlichkeit auszuleben.

So schiebt auch Opel munter S- und OPC-Varianten nach, obwohl sich der Hersteller gerade aus dem Rundstreckensport zurückzieht, doch das ist ein anderes, trauriges Thema. Die Quattro GmbH weiß überhaupt nicht, wann sie all die bestellten RS7 und RS6 bauen soll, auch die AMG-Hallen platzen aus allen Nähten. Über elf Prozent aller verkauften Audi Q5 – hören Sie Marcus Schurig vor Schmerzen gekrümmt jaulen? – verlassen als S-Variante mit V6-Diesel die Ausstellungsräume.

Viel schlimmer, nicht nur für den Kollegen Schurig: Die Flotte kraftstrotzender SUV wächst in den nächsten Jahren geradezu bedrohlich, Audi bringt diverse S- und RS-Bomber, auch Mercedes-AMG zieht mit und BMW füllt mit den Pseudo-Offroadern die M-Performance-Nische. Solange das allerdings Geld in die Kassen spült, um echte Sportwagen zu bauen – bitte schön! Apropos: Porsche verdient sich zwar gerade am Macan dumm und dusselig, aber: Das Kontingent des Cayman GT4 war derart schnell vergriffen, dass nicht nur über eine Neuauflage bei der nächsten Generation nachgedacht wird. Vom nächsten Elfer könnte es ein ähnlich gestricktes Derivat geben, oberhalb des GTS und unterhalb des GT3 angesiedelt, von der Motorsporttruppe gebaut, mit Saugmotor und manuellem Schaltgetriebe ausgerüstet.

Das letzte Hundertstel? Egal!

Damit wären wir beim nächsten Phänomen angekommen: Sportwagenkäufer hetzen nicht zwangsläufig der letzten Hundertstelsekunde hinterher, sondern sind schlicht auf der Suche nach Sex. Sie wollen zupacken, erleben, zähmen und eben nicht von ihrem Auto erklärt bekommen, dass es ohne sie schneller zum Höhepunkt käme. Na also, sag ich doch: "Es lebe der Sport!"