Rekorde auf der Nürburgring-Nordschleife
Marketing-Turbo für den Porsche Taycan

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Auf der Nordschleife tobt die Bestzeitenjagd mit Serienautos – als Marketing-Turbo für neue Modelle. Welche sind die schnellsten straßenzugelassenen Fahrzeuge auf der legendären 20,6 Kilometer langen Strecke? Mit welchen Tricks kämpfen sie? Wir nennen Ihnen alle Rekordhalter.

Porsche Taycan - Nürburgring-Nordschleife - Rekord
Foto: Porsche

Beinahe monatlich brüsten sich die Automobilhersteller damit, mit ihren straßenzugelassenen Serienfahrzeugen bestehende Bestzeiten pulverisiert und neue Rekorde aufgestellt zu haben. Doch warum das ganze Tamtam? Warum lechzen zahlreiche Automobilhersteller nach den Rekorden auf der Nürburgring-Nordschleife?

Die Zeitenhatz taugt für die PR-Schlacht. Nürburgring-Nordschleife – das ist längst ein Gütesiegel, ein Label für Sportlichkeit. Außerdem gehen die Hersteller ohnehin auf den Eifelkurs zum Ausprobieren ihrer neuen Modelle. Zusammen im Industrie-Pool für 18 Wochen im Jahr. Die über 20 Kilometer lange Bahn eignet sich aufgrund ihrer Charakteristik mit einem Mix aus schnellen und langsamen Passagen bestens dazu, einen Prototyp auf Herz und Nieren zu testen. Ganz nebenbei noch eine neue Bestmarke setzen – das ist bestes Marketing und poliert das Firmenimage auf. Und das Ego, versteht sich.

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Inzwischen suchen die PR-Abteilungen nach jeder kleinen Lücke im Nordschleifen-Rekordbuch, um eine Bestzeit für sich zu verbuchen. Zum Beispiel Skoda, dessen Kodiaq RS die Rekordmarke für SUV zwar um gute 100 Sekunden verpasste, dafür aber den Spitzenplatz unter den siebensitzigen SUV für sich beansprucht. Oder AMG, das zwar die Rekord-Marke von Jaguar unter den Limousinen verfehlte, dafür aber eine neue Kategorie auserkor.

Die Hersteller tendieren mittlerweile dazu, unabhängige Instanzen zu ihren Rekordfahrten einzuladen, um die Glaubwürdigkeit zu erhöhen. Notare beglaubigen die Rundenzeiten. Früher konnte man in den meisten Fällen nur anhand von Youtube-Videos prüfen. Wer wusste da schon, wann ein Hersteller mal ein Schräubchen zu sehr aufgedreht hatte, um dem eigenen Fahrzeug den Extra-Kick zu verleihen?

In den meisten Fällen werden die Rekorde auf der 20,6 Kilometer langen Variante gefahren. In diesem Fall liegen Start- und Ziellinie im Streckenabschnitt T13 getrennt voneinander. Ansonsten misst die Strecke 20,83 Kilometer. Wer sind die Rekordhalter auf der Nordschleife?

Schnellster Sportwagen, Rekordhalter allgemein

Im September 2017 hatte sich Porsche den Rekord von Lamborghini zurückgeholt. Der 700 PS starke GT2 RS unterbot den Huracán Performante um fünf Sekunden. Lamborghini ließ das nicht auf sich sitzen, rüstete den Aventador zum SVJ auf und knallte eine Rundenzeit von 6.44,97 Minuten hin.

Porsche 911 GT2 RS MR - Supersportwagen
Manthey Racing
Porsche 911 GT2 RS mit MR Performance Kit: kein Sportwagen mit Straßenzulassung ist auf der Nordschleife schneller.

Lamborghini freute sich nur ein paar Monate. Dann kreuzte Porsche mit Verstärkung von Manthey Racing auf der Nürburgring-Nordschleife auf. Und der GT2 RS holte sich den Rekord für den schnellsten straßenzugelassenen Sportwagen zurück. Porsche-Testfahrer Lars Kern lenkte den Biturbo-Supersportwagen in 6.40,3 Minuten um die Strecke. Einziges Teil, das nicht straßenzugelassen war, war der Rennsitz, den man zur Sicherheit des Fahrers verbaut hatte.

Manthey Racing machte den GT2 RS mit zahlreichen Modifikationen noch flotter, als die Ausgangsbasis es ohnehin schon ist. In Meuspath entwickelte man ein Aerodynamik-Paket für den Über-Elfer und ein baute ihm ein spezielles Gewindefahrwerk. Dazu stellte man den GT2 auf Magnesium-Räder, überarbeitete die Bremsen, installierte einen Zusatzwassertank und optimierte das Setup.

Schnellster Allradler & Sauger

Lamborghini musste den Gesamtrekord an Porsche abtreten. Sant’Agata Bolognese darf sich trotzdem mit zwei Bestmarken schmücken. Der Aventador SVJ mit 770 PS und 720 Newtonmeter Drehmoment ist der schnellste Allradler auf der Nordschleife. Und gleichzeitig der schnellste Serien-Sportwagen mit einem Saugmotor. Noch ein paar Eckdaten zum SVJ. Er beschleunigt in 2,8 Sekunden aus dem Stand auf Landstraßentempo, überfliegt die 200er Marke nach 8,6 Sekunden und fliegt mit über 350 km/h über Geraden – sofern sie lang genug sind. Laut Lamborghini soll der über 1,5 Tonnen (Trockengewicht) schwere Supersportwagen aus 100 km/h in nur 30 Metern in den Stilstand bremsen.

Schnellster Hybrid

Es gibt so ein paar Streitfälle, einer davon ist der McLaren P1 LM (LM für Lanzante Motorsport). Die Firma Lanzante Motorsport baute den ausschließlich für die Rennstrecke tauglichen P1 GTR zu einem Supersportwagen um, der sogar auf öffentlichen Straßen fahren darf. Größere Flügel verhalfen dem englischen Hybrid in der finalen Testphase als Prototyp XP1LM zu einer Rundenzeit von 6.43,2 Minuten.

Ein Auto für die Rennstrecke, das aber durch Umbauten eine Straßenzulassung hat: zählen oder nicht zählen? Das ist eine Definitionssache. Zählt der P1 von Lanzante Motorsport, von dem es fünf Stück gibt, dazu, wäre er das schnellste Hybridauto auf der Nordschleife. Ansonsten gebührt diese Ehre dem Porsche 918 Spyder.

Der 887 PS starke Supersportwagen mit 4,6-Liter-V8 und zwei Elektromotoren umrundete die Nordschleife im September 2013 in 6.57 Minuten. Eine Fabelzeit, die fünf Jahre später um 17 Sekunden gedrückt wurde. So schnell schreitet die Sportwagen-Entwicklung voran.

Schnellstes Elektroauto

Das chinesisch-amerikanische Start-up Nio beansprucht den Rekord für das schnellste Elektroauto auf der Nordschleife für sich. In 6.45,8 Minuten soll der EP9 die Nordschleife bezwungen haben. Das 1 Megawatt starke Elektroauto, das vier je 250 Kilowatt starke E-Maschinen antreibt, beschleunigt laut Hersteller in 7,1 Sekunden auf 200 km/h und erreicht in der Spitze 313 km/h.

Schnellste viertürige vollelektrische Sportwagen

Die Zeit des Nio war nicht zu schlagen. Dafür hat Porsche mit seinem ersten Elektrosportwagen Taycan eine Bestmarke in einer eigens erhobenen Kategorie aufgestellt. Testfahrer Lars Kern lenkte den allradgetriebenen E-Sportler in 7:42 Minuten über die 20,6 Kilometer lange Variante. Damit ist der Taycan der schnellste viertürige vollelektrische Sportwagen. Bei dem Testfahrzeug handelte es sich um ein Vorserien-Modell.

Schnellster Fronttriebler

In dieser Kategorie wechseln sich die Hersteller regelmäßig ab. Mal war Seat vorne, mal Renault, mal Seat, dann Honda. Zuletzt hatten die Japaner das beste Ende für sich unter den Fronttrieblern. Der Type R mit 320 PS starkem Vierzylinder-Turbo schmiss sich in 7.43,8 Minuten um die 73 Kurven. Aus Sicherheitsgründen verbauten die Japaner einen Überrollkäfig und schmissen stattdessen das Infotainmentsystem und die Rücksitze raus. Um das Zusatzgewicht des Überrollkäfigs auszugleichen, wie es heißt.

Im April 2019 schlug Renault abermals zurück und setzte mit dem neuen, 300 PS starken Renault Mégane R.S. Trophy-R mit 7:40.100 Minuten eine neue Bestzeit für frontangetriebene Serienfahrzeuge auf der Nürburgring-Nordschleife. Und jetzt sind die Chinesen von Lynk&Co plötzlich Rekordhalter. Mit dem Lynk & Co 03 Cyan Concept, einem verkappten TCR-Renner mit 528 PS für die Straße, wurde die Nordschleife in 7:20,143 Minuten umrundet. Am Steuer saß Ex-WTCC-Chapion Thed Björk. Streng genommen ist das Fahrzeug aber noch ein Prototyp. Eine Produktion für die Straße ist noch nicht sichergestellt.

Schnellste Limousine

Der Lynk & Co 03 ist aber nicht nur ein Frontriebler, sondern auch eine viertürige Limousine. Damit löst er in dieser Kategorie mit seiner Zeit von 7:20,143 Minuten auch den Jaguar XE SV Project 8 als Rekordhalter ab. Jaguars XE SV Project 8 erzielte eine Rundenzeit von 7.21,23 Minuten. Später legten die Engländer nach. Entwicklungsfahrer Vincent Radermecker ritt laut Topgear bei einem zweiten Versuch in 7.18,36 Minuten über die Strecke. Die viertürige Serienlimousine ist 600 PS stark, weltweit auf 300 Exemplare limitiert und kostet über 180.000 Euro. Den Fünfliter-V8-Kompressor seines stärksten Serienautos überhaupt koppelt Jaguar an eine Achtgangautomatik. Das XE SV Project 8 mit verstellbarem Front- und Heckspoiler ist über 320 km/h schnell. Karbon-Keramik-Bremsscheiben mit einem Durchmesser von 400 Millimeter und sechs gewaltigen Bremskolben an der Vorderachse verzögern die schnellste Serienlimousine der bisherigen Nordschleifen-Geschichte.

Schnellster Serienviersitzer

V8-Biturbo, 639 PS, ein Drehmoment von 900 Newtonmeter, Allradantrieb, 315 km/h in der Spitze: Ein Auto mit solchen Eckdaten muss einen Rekord für sich beanspruchen – dachte sich wohl auch Mercedes-AMG.

Gegen Jaguars Project 8 reichte es nicht ganz. Auf die englische Sportlimousine fehlen dem AMG GT 63 S 4Matic+ ein paar Sekunden. Man reagierte schnell und machte den Viertürer zum schnellsten Serienviersitzer auf der Nürburgring-Nordschleife.Das Project 8 hat nur zwei Sitze. Ex-Rennfahrer und Entwicklungs-Ingenieur Demian Schaffert lenkte einen vollausgestatteten Mercedes-AMG GT 63 S 4Matic+ in 7.25,41 Minuten durch die Grüne Hölle.

Schnellster SUV

Den Zweikampf zwischen Alfa Romeo und Mercedes-AMG, zwischen Italien und Deutschland hat Affalterbach für sich entschieden. Alfa legte mit dem 510 PS starken und 600 Nm drehmomentstarken Stelvio QV vor. Die Rundenzeit von 7.51,7 Minuten säte Zweifel. Manche waren der Meinung, dass da ein bisschen beim Video getrickst wurde. Beweise gab es keine. Deshalb gehörte Alfa der Rekord.

Bis AMG den GLC 63 S 4MATIC+ mit seinem Allzweck-V8-Biturbo auf die Rennstrecke schickte. In der Version mit 510 PS und 700 Nm. Der schwäbische SUV schaffte eine Rundenzeit von 7.49,369. Ein Unterschied von nicht einmal zwei Sekunden zum Alfa auf einer Strecke von über 20 Kilometern Länge.

Schnellster Siebensitzer

Rennfahrerin Sabine Schmitz prügelte den 240 PS starken Skoda Kodiaq RS in 9.29,84 Minuten über die Nordschleife. Kein Vergleich zu den Rundenzeiten von AMG und Alfa. Doch in Tschechien ist man kreativ. Der Kodiaq RS ist der schnellste Serien-Siebensitzer am Nürburgring.

Schnellster Kombi

Auch sport auto mischt sich unter die Rekordhalter. Für die Ausgabe 12/2017 schickte sich Christian Gebhardt an, den Rekord für Kombis zu brechen. Es gelang. Unser Supertester führte das 612 PS und 850 Nm starke Mercedes-AMG E 63 S T-Modell in 7.45,19 Minuten über die Nürburgring-Nordschleife. Die Bestmarke des Seat Leon ST Cupra 280 – gefahren von Jordi Gene – wurde um 13 Sekunden unterboten.

Nur mal so: Der Allrad-Kombi wiegt über 2,1 Tonnen, ist fast fünf Meter lang und hat ein Gepäckvolumen von maximal 1.820 Liter – und ist trotzdem schneller als ein Porsche 997 GT3 RS (7.48 Min.). Fazit: "Es dauert nur wenige Meter, dann hat man auf der Nordschleife vergessen, dass man überhaupt in einem 2,1 Tonnen schweren Kombi sitzt. Dank der sehr guten Fahrwerksabstimmung schluckt das E 63 S T-Modell sämtliche Bodenwellen und Kuppen am Ring unaufgeregt weg."

Schnellstes US-Auto

Die Viper ist im Ruhestand. Kurz vor der Rente geigte das US-Car ein letztes Mal groß auf. Der V10-Supersportler scheiterte zwar an der Siebenminuten-Grenze, verabschiedete sich in 7.01,3 Minuten aber in Würde. Zudem hält die Viper ACR den Rekord für den schnellsten Handschalter am Ring. Nette Anekdote: Fans finanzierten per Spende das Projekt.