Absatzschwäche von E-Autos
Keiner will die deutschen E-Autos

Es ist wie verhext, meint auto motor und sport-Chefredakteurin Birgit Priemer: Die Einnahmen der deutschen Hersteller aus dem klassischen Verbrennergeschäft verharren auf hohem Niveau. Die Elektromobilität lahmt dagegen. Woran liegt das? Scheitert die Antriebswende?

Hyundai Ioniq Elektro, Kia e-Niro, Tesla Model 3, VW ID.3
Foto: Achim Hartmann

An publikumswirksamen Premieren mangelt es nicht: Oliver Zipse (BMW) stellte die Neue Klasse werbewirksam im Rahmen der CES 2023 in Anwesenheit von Arnold Schwarzenegger vor. Mercedes-Vorstandschef Ola Källenius nutzte die Bühne der IAA in München, um mit dem Concept CLA Class einen Ausblick auf die elektrische Serienversion 2025 zu geben und Oliver Blume ließ in seiner Funktion als Porsche-Chef extra nach Singapur bitten, um den Nachfolger des Macan als Elektroauto im Rahmen einer Premierenfeier in Szene zu setzen.

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Ansonsten herrscht – Katerstimmung nach 15 Jahren Bemühungen rund um die Elektromobilität (in unserer Bildergalerie: Die wichtigsten E-Autos des Jahres). Es gibt kein Ziel, das erreicht wurde: Viele Probleme bei der Entwicklung des Macan und des baugleichen Audi Q6 E-Tron führten zu einer um zwei Jahre verzögerte Markteinführung. 15 Millionen Elektroautos waren von der Ampel-Koalition für das Jahr 2030 auf deutschen Straßen geplant. Es dürften eher sieben Millionen sein, nur noch Optimisten rechnen mit 10,5 Millionen. Batteriespezialist CATL streicht ein drittes Batteriewerk in Deutschland, weil die Nachfrage nach E-Autos bei VW so schwach ist, VW selbst bereitet das Werk Zwickau wegen des schlechten E-Auto-Absatzes dauerhaft auf einen Zwei – statt Dreischichtbetrieb vor. Es stehen weitere Kündigungen für befristete Beschäftigte im Raum. Als erste Reaktion senkt VW massiv die Preise: Beim schwächelnden ID.3 (Absatz minus 4,3 Prozent 2023 in Deutschland) um 7.020 Euro, beim ID.5 um 7.735 Euro.

Lahmt der Absatz, weil die vom Verbrenner verwöhnten Automobilhersteller aus Deutschland nur halbherzig die E-Auto-Strategie verfolgen? Jein. Fragt man Mercedes-Entwicklungschef Markus Schäfer oder auch Audi-Vertriebsvorständin Hildegard Wortmann, dann erhält man ein klares Bekenntnis zur E-Mobilität. Synthetische Kraftstoffe spielen in ihrer Ideenwelt keine Rolle, weitere Investitionen in andere Technologien würden nur noch tiefere Löcher in die eh schon klammen Geldbeutel reißen. Wer aber tieferen Einblick in die Szene hat, kann verfolgen, wie gerade die Laufzeiten für traditionelle Verbrenner wieder verlängert werden (ohne öffentliche Premierenfeiern übrigens), bislang nicht geplante Modellpflegen Eingang in die Produktpläne finden.

Marken wie Mercedes wurden lange dafür kritisiert, dass mit dem neuen MMA-Baukasten, auf dem der CLA nächstes Jahr anrollt, "nur" die Strategie "Electric first" und nicht "only" gelte. Diese nicht vollkommen konsequente Bauweise koste zum Beispiel Kompromisse bei der Aerodynamik, ließen Kritiker noch letztes Jahr verlauten.

Was aber, wenn der mit hohen Stückzahlerwartungen verbundene CLA in der E-Version nicht läuft? Dann hält Mercedes einen wichtigen Joker im Ärmel: In einer Kooperation mit Geely, einem der Hauptaktionäre des Unternehmens, ist auch der Einsatz von Vierzylindern als Hybrid-Modelle geplant, die auch bei Volvo und Lynk & Co zum Einsatz kommen sollen. BMW hat solche Pläne bei der Neuen Klasse auf wichtigsten Konkurrenten des CLA noch nicht angekündigt. Hier setzt man auf den reinen E-Antrieb.

Als Qual der Wahl könne man den Optionsreigen der deutschen Automobilhersteller bezeichnen. Die Frage ist nur, ob sich die Unternehmen nicht an falscher Stelle verzetteln. Um vereinbarte Klimaziele zu erreichen, braucht es die Dekarbonisierung des Verkehrs. Reine Elektromarken wie Tesla werden deshalb mit voller Wucht Stromer entwickeln, die leichter als bislang sind, weniger rohstoffintensive Materialien verwenden und bei schnellerer Ladegeschwindigkeit auf höhere Reichweiten kommen.

Unternehmen, die diesen Trend verpassen, laufen Gefahr, dass der Zug der Zeit komplett an ihnen vorbeirast. Anlass zur Sorge mit Blick auf die zuletzt schwächelnde Innovationskraft der deutschen Automobilindustrie gibt es jedenfalls genug.

Fazit

Es rächt sich, dass Deutschland so lange am E-Auto gezweifelt hat. Die Käufer sind verunsichert, die Industrie hinkt bei der Batterieentwicklung hinterher, viele Arbeitnehmer sehnen die erfolgreichen Zeiten des Verbrenners zurück, eine übergreifende wirtschaftspolitische Strategie fehlt. Aber global gesehen kommt das E-Auto – zumindest auch, der Anteil von elektrisch angetrieben Fahrzeugen an den Neuzulassungen wird signifikant steigen. Ob und wann sie den Verbrenner ablösen, ist dabei eigentlich unerheblich: Die deutschen Hersteller müssen erfolgreiche E-Autos bauen, sonst verlieren sie diesen signifikanten Marktanteil – mindestens.

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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

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