Gebrauchte E-Autos
Lohnt sich der Kauf eines gebrauchten Stromers?

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Immer mehr E-Autos der ersten Generationen landen auf dem Gebrauchtwagenmarkt. Der richtige Zeitpunkt für einen Kauf? E-Auto-Gebrauchtwagensituation und beliebte Modelle im Check.

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Foto: Achim Hartmann

Wer elektrisch unterwegs sein, die langen Wartezeiten bei Neufahrzeugen jedoch umgehen möchte, dem bleibt aktuell nur der Gebrauchtwagenmarkt. Doch auch dort ist das Angebot rar. Jürgen Karpinski, Präsident des Zentralverbands Deutsches Kfz-Gewerbe – kurz ZDK –, weiß um die aktuelle Situation: "Das Angebot an gebrauchten E-Autos sinkt. Die fehlenden Neuwagen führen zu einer weiterhin starken Nachfrage auf dem Gebrauchtwagenmarkt."

Das große Gebrauchtwagen-Spezial

Gebrauchte E-Autos heiß begehrt

Unsere Recherchen geben Karpinski recht, zeigen aber auch: Wer sich ein wenig Mühe macht, wird fündig. Händler, die mit den Herstellern direkt zusammenarbeiten, profitieren von der aktuellen Situation noch am ehesten. Als Jahreswagen im Konzern genutzt, landen einige Gebrauchtstromer beispielsweise auf dem Hof von Autohaus Maushardt in Bruchsal: "Wir haben im Schnitt immer zirka 60 gebrauchte E-Autos vor der Haustür", sagt Alexander Parzigas, Teamleiter Vertrieb.

Das Autohaus in der Nähe von Karlsruhe hat sich auf junge Gebrauchtwagen – allen voran der Marke Smart – spezialisiert. "Wir haben die Autos vorrätig und können ein Fahrzeug binnen zwei Wochen ausliefern", sagt Parzigas und fügt hinzu: "Die gebrauchten Stromer gehen weg wie warme Semmeln." MO/OVE hat die beliebtesten gebrauchten E-Autos genauer unter die Lupe genommen. Alle Infos dazu finden Sie in der Bildergalerie.

Mögliche Bedenken beim Kauf kennt Parzigas ganz genau. Wenn Kunden zu ihm kommen, stellen sie immer die gleichen Fragen: Wie viel Zeit nimmt das Laden in Anspruch? Wie weit komme ich mit dem Auto? Und gibt es für das Gebrauchtfahrzeug eigentlich auch noch eine Förderung?

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Achim Hartmann
Das Angebot gebrauchter E-Autos auf dem Markt sinkt. Dennoch zeigen die Recherchen: Wer sucht, der findet.

Auch gebrauchte Stromer förderfähig

Ja, richtig gelesen, auch gebrauchte E-Autos können bei der Zweitveräußerung einen Zuschuss erhalten – unter gewissen Voraussetzungen: Besitzt das Auto eine Erstzulassung nach dem 4. November 2019, ist nicht älter als ein Jahr und hat sowohl weniger als 15.000 Kilometer auf dem Tacho als auch in der Vergangenheit noch nicht von einem Umweltbonus in einem anderen EU-Staat profitiert, gibt es die E-Auto-Prämie.

Besser noch: Mit der Innovationsprämie wurde – rückwirkend zum 4. Juni 2020 – der Bundesanteil am Umweltbonus auch für junge Gebrauchte befristet bis Ende 2022 verdoppelt. Im Idealfall erwischen Interessenten einen kompetenten Verkäufer, der über die Fördervoraussetzungen Bescheid weiß.

Alexander Parzigas jedenfalls kennt die Prämien ganz genau. Bereits seit 2012 verkauft er E-Autos und verdient sein Geld – im Vergleich zu seinen noch weitestgehend analog aufgestellten Mitstreitern – überwiegend im Internet. Bis zu 120 Fahrzeuge verlassen pro Monat den Hof, mehr als 90 Prozent davon werden digital verkauft. In Corona-Zeiten der entscheidende Vorteil.

Hier finden Interessenten gebrauchte E-Autos

Gerade im World Wide Web wächst der Bestand zum Verkauf stehender E-Autos stark an. Wer als Suchender beim Händler leer ausgeht, sollte sich einmal auf Fahrzeug-Plattformen umschauen: "Das Angebot an gebrauchten E-Autos wächst kontinuierlich. Im Vergleich zu September 2020 verzeichnen wir einen Anstieg der Listings von 78,3 Prozent", teilt ein Sprecher von mobile.de bereits im November 2021 mit. Die Stromer warteten demnach durchschnittlich 79 Tage auf einen Käufer. Im Vergleich zum Vorjahr sanken die Standtage damit um 12,8 Prozent.

Restwerte im freien Fall

Eine vergleichsweise schnelle Verfügbarkeit und eine zusätzliche Förderprämie – der ideale Zeitpunkt also für einen E-Gebrauchtwagen-Kauf? Andreas Radics, geschäftsführender Gesellschafter bei der Berylls Group, ordnet die Entwicklung ein: "Es mag paradox klingen, aber der Erfolg der Umweltprämie für E-Autos und Plug-in-Hybride kennt einen klaren Verlierer: das Secondhand-E-Auto", so der Marktbeobachter.

"Vor allem die Restwerte älterer E-Mobile sind im freien Fall. Schließlich haben die Förderprämien dazu geführt, dass die Kunden eher Neuwagen kaufen, die dank Prämie kaum teurer sind als ein drei Jahre altes Modell." Gebrauchte Elektroautos stünden daher länger beim Händler als mancher Diesel oder Benziner – auch wenn die aktuelle Situation, getrieben durch die schlechte Verfügbarkeit von Neuwagen, vielen Gebrauchten derzeit eine kürzere Standzeit beschere.

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auto motor und sport / Schwacke

E-Auto: schlechte Wertstabilität – noch

Kurzfristig werde sich an der generell eher schlechten Wertstabilität von E-Fahrzeugen nichts ändern, glaubt Radics: "Die permanente Erweiterung des E-Modell-Portfolios erhöht den Druck auf den Gebrauchtwagenmarkt für E-Autos weiter. Dazu kommen die technologischen Verbesserungen."

Der Grund: Vor allem die Antriebsakkus sind in den vergangenen Jahren nicht nur billiger, sondern auch viel leistungsstärker geworden. Mit der Folge, dass die Fahrzeug-Neupreise auf einem vergleichbaren Niveau bleiben, sich aber gleichzeitig die Reichweite und die Alltagstauglichkeit rapide verbessern. Dieser Trend beginnt allerdings abzuflachen.

Die Batterie, das A und O

Was er damit meint: Der Akku ist das Herzstück eines jeden E-Autos. Wie es um seine Gesundheit und damit auch um die verfügbare Restreichweite des Stromers steht, wissen beim Gebrauchtkauf allerdings nur die wenigsten. Doch ein beschädigter oder schwacher Akku kann im Ernstfall immense Kosten verursachen.

MO/OVE hat deshalb als erstes Magazin überhaupt gemeinsam mit dem Unternehmen Aviloo für beliebte Stromer am Gebrauchtwagenmarkt die Akku-Daten ausgewertet. Das Start-up arbeitet seit 2017 an einer Technik, mit der der sogenannte State of Health (SOH), also der Gesundheitszustand einer Batterie, festgestellt werden kann.

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Tyson Jobson
Das österreichische Start-up Aviloo hat ein Tool entwickelt, mit dem sich der Akku-Zustand von gebrauchten Elektroautos ermitteln lässt.

Das Ergebnis: Die Spreizung der SOH-Werte am Markt von gleichen Fahrzeugen mit ähnlichen Laufleistungen ist extrem. Zwar gibt es durchaus positive Resultate – zum Beispiel beim Hyundai Ioniq Elektro mit 28 kWh – zu vermelden. Hier wiesen alle Fahrzeuge einen SOH-Wert von über 90 Prozent auf. Selbst dann, wenn das Auto bereits deutlich mehr als 120.000 Kilometer auf dem Buckel hatte.

Doch beim BMW i3 mit 18,8 kWh nutzbarer Akku-Kapazität zeigt sich ein anderes Bild. Ein Modell bringt es hier auf einen starken SOH-Wert von 94 Prozent, ein anderes dagegen nur auf 65 Prozent – bei einer vergleichbaren Laufleistung von 96.000 Kilometern.

Ein kompletter Tausch gleicht dann einem wirtschaftlichen Totalschaden und kostet teilweise mehr als 20.000 Euro. Zur Wahrheit gehört allerdings auch: In den seltensten Fällen ist es notwendig, die ganze Batterie zu tauschen. Oft genügt es, einzelne, deutlich kostengünstigere, Module zu ersetzen.

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Ich wüsste nicht, was dagegenspricht!Nein, auf keinen Fall! Ich warte, bis sich die Akku-Technik weiter verbessert hat.

Fazit

Wie so oft ist ein Gebrauchtwagenkauf eine ganz persönliche Entscheidung, bei der individuelle Faktoren entscheiden. Wer beispielsweise ohnehin nicht die volle Akku-Kapazität am Tag benötigt und nur kurze Strecken zurücklegt, kann einen niedrigen SOH verkraften und ihn sogar als Argument bei der Preisverhandlung nutzen. Wer trotz Neuwagen-Förderung nicht so viel Geld für eine für ihn neue Technologie auf den Tisch blättern möchte, findet inzwischen Gebrauchte, die es für den aktuell aufgerufenen Preis künftig wohl nicht mehr geben wird.