Interview mit Audi-Chef Markus Duesmann
„Der TT bekommt keinen direkten Nachfolger“

Markus Duesmann ist seit 1. April 2020 CEO der Audi AG und gleichzeitig VW-Konzernvorstand für Forschung und Entwicklung. Auto motor und sport sprach mit ihm in Ingolstadt sowie in einer virtuellen Konferenz in großer Redaktionsrunde.

Audi-Chef Markus Duesmann
Foto: Audi
Sie wollen Autos künftig nicht mehr nach Länge und Blechkleid sortieren, sondern nach dem technologischen Stand des Bordnetzes. Können Sie das unseren Lesern erklären, was diese Strategie für die künftige Modellpolitik von Audi bedeutet?

Die gilt zunächst einmal intern. Wir sind der festen Überzeugung, dass sich die Fahrzeuggenerationen künftig stark nach dem Bordnetz orientieren, weil hier die Entwicklung so schnell voranschreitet. Früher war das eher andersherum: Da hat man einen A8 entwickelt und ihn mit allen technischen Features ausgestattet, die es zu dem Zeitpunkt gab.

Unsere Highlights
Wenn wir uns das Audi-Modellprogramm anschauen – sind Sie dann der Meinung, dass Sie auf einige Modelle verzichten können, dafür aber andere notwendigerweise brauchen?

Unbedingt, ja. Gleich an meinem ersten Arbeitstag habe ich über unser Produktportfolio mit meinem Team diskutiert. Wir schärfen das Modellprogramm und positionieren die Marke Audi klarer. Der Konzern und Audi haben ein großes Commitment für batterieelektrische Fahrzeuge abgegeben. Die Zahl der Derivate bleibt ungefähr gleich. Aber da reine BEVs (batterieelektrische Fahrzeuge, Anm. der Red.) dazukommen, streichen wir im Bereich der konventionellen Modelle. Was zum Teil sicher auch weh tut.

Können Sie das konkretisieren?

Für eine Premiummarke ist entscheidend, dass sie emotional aufgeladen wird. Elektroautos wie der Audi e-tron GT werden das ohne Zweifel leisten. Weitere Leuchttürme haben wir bereits auf den Weg gebracht. Und doch: Modelle wie A4 und A6 bleiben auch in Zukunft wichtige Volumenträger unserer Marke.

Es gab immer das Gerücht, dass der TT zum SUV umpositioniert wird?

Das ist ein Gerücht, von dem ich noch nie gehört habe. Und ich finde, das würde dem Auto auch nicht stehen.

Audi TT
Audi
Das Segment kompakter Sportcoupés schmilzt – der TT und das davon abgeleitete Roadster-Modell stehen deshalb vor dem Aus.
Wie steht es dann um dieses Modell?

Das Segment schrumpft und steht sehr unter Druck. Deshalb müssen wir uns natürlich überlegen, wie lange wir dort etwas anbieten wollen – und ob wir nicht für andere Segmente coolere Ideen haben. Ich würde sagen, dass es nicht wahrscheinlich ist, dass der TT einen direkten Nachfolger bekommt.

Und was passiert mit dem R8?

Ich bin ein großer R8-Fan. Man muss das Konzept allerdings weiterentwickeln. So, wie das Auto aktuell konzipiert ist, wird es sicher nicht bleiben.

Was bedeutet das für Lamborghini? Dürfen die weiter diese puristische Verbrenner-Schiene fahren und Emotionen bedienen, weil sie aufgrund der niedrigen Stückzahlen in Sachen CO2 nicht so eine große Rolle spielen?

CO2 spielt in jedem Segment eine Rolle. Und tatsächlich müssen wir intensiv darüber diskutieren, wie wir auch Lamborghini weiterentwickeln und moderner machen können.

Audi hat viel Erfolg im SUV-Segment. Wollen Sie die Marke generell zu einer SUV-Marke entwickeln?

Ich sehe Audi überhaupt nicht als SUV-Marke. Wir bauen das, was Kunden wollen. Natürlich sehen wir eine hohe Nachfrage nach SUV, und der werden wir gerecht. Wir sind eine Marke, die dem Kunden außergewöhnliche Autos in allen Segmenten anbietet.

Nach den Erfahrungen, die Sie mit rein batterie-elektrischen Fahrzeugen wie dem e-tron gemacht haben: Sind Sie der Meinung, dass alle Modelle Ihrer Palette als E-Autos angeboten werden müssen?

Der e-tron ist schon jetzt ein sehr erfolgreiches Auto. Ich glaube, E-Mobilität ist nicht mehr aufzuhalten, die Kunden erwarten das in jedem Segment – und der Gesetzgeber auch. Und deshalb werden wir auch in jedem Segment rein elektrische Modelle anbieten. Wir kommen mit dem e-tron GT, einem superperformanten Auto, dem Q4 e-tron, einem volumenstarken Modell in der Kompaktklasse – wir stellen jetzt Jahr für Jahr E-Autos vor.

Audi R8
Audi
Der R8 wird auch künftig weitergebaut – allerdings unter Duesmann in einer Neukonzeption, von der auch Lamborghini profitieren dürfte.
Wir sprachen nach dem Tesla Battery Day mit Batterieexperte Prof. Maximilian Fichtner. Der sagt: "Selbst wenn das Unternehmen nur einen Bruchteil der verkündeten Zuwächse erreicht, ist das noch weit über dem, was die Konkurrenz hierzulande plant." Wie bewertet Audi die Weiterentwicklung der Zelltechnologie und der Batterieproduktion, die Tesla angekündigt hat?

Es ist kein Geheimnis, dass die Batterie immer mehr zu einem der wichtigsten Wettbewerbsfaktoren wird. Entsprechend machen wir die Batterie zu einer Kernkompetenz im Volkswagen-Konzern. Entscheidend ist, dass wir intern das Know-how in Sachen Batteriezelle umfassend etablieren, um auf Augenhöhe mit den heutigen großen Batterieherstellern agieren zu können. Insgesamt stellt der Volkswagen Konzern mehr als eine Milliarde Euro für Batteriezellaktivitäten bereit. Davon werden rund 900 Mio. Euro in das Joint Venture mit Northvolt zum Aufbau einer Batteriezellfabrik fließen. Mehr als 100 Millionen Euro investiert Volkswagen im ersten Schritt in die eigenen Entwicklungs- und Fertigungskompetenzen am Standort Salzgitter.

Wann ist mit einer Zellproduktion durch den VW-Konzern (ggf. mit Partnern wie bei Tesla) zu rechnen?

Ab 2024 soll die Produktion von Batteriezellen in der 16 Gigawattstunden Batteriezellfabrik starten, die wir im Rahmen des Joint Venture mit Northvolt aufbauen.

Sie haben mit dem Projekt Artemis eine Einheit für das beschleunigte Entwickeln zusätzlicher Auto-Modelle ins Leben gerufen? Wie sieht das erste, für 2024 angekündigte Modell aus?

Da dürfen Sie gerne weiter spekulieren. Was ich verraten kann: Es wird wegweisend für das Luxussegment sein und natürlich voll-elektrisch. Die Konzeptentscheidung fällt jetzt kurzfristig, wir haben aktuell zwei Richtungen, in die es gehen könnte. Wir werden vieles anders zu machen. Mit dem Projekt etablieren wir neue Prozesse für Soft- und Hardware. Und das, was wir dort entwickeln, passt natürlich in alle Produkte, auch im ganzen Konzern.

Audi Zukunft, Audi Landjet
Christian Schulte
2024 soll das Leuchtturmprojekt Artemis das erste Modell hervorbringen, ein hocheffizientes Elektroauto mit komplett neuer Elektronikstruktur und dem neuen Betriebssystem VW.OS.
Wir befinden uns mitten im Transformationsprozess – und da verkaufen sich ausgerechnet die Modelle der Audi Sport GmbH besonders gut. Wie erklären Sie sich das?

Wir haben ja ganz unterschiedliche Kunden – die RS-Flotte erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit. Aber natürlich ist der CO2-Ausstoß auch bei der Roten Raute ein Riesenthema. Wir arbeiten intensiv daran, dass sich unsere Kunden auch zukünftig in solchen Autos wohlfühlen können.

Wir diskutieren in der Redaktion oft über die Positionierung einzelner Audi-Modelle. Uns fehlt da, egal ob es ein AG- oder ein Sport-Modell ist, ein klarer Charakter. Teilen Sie die Ansicht?

In der Tat beschäftige ich mich mit den Experten damit, welchen Charakter wir in welchem Auto haben wollen. Insofern stellen Sie eine tolle Frage, mit der wir uns auch intensiv auseinandersetzen.

Die Entwicklung der Software wird in der Car.Software-Organisation im VW-Konzern für alle Marken gebündelt. Künftig könnte dieser Bereich durchaus kaufentscheidend sein. Wie heben Sie sich da Audi-spezifisch von den anderen Marken ab?

Die zugrundeliegende Elektronik-Architektur und ein Großteil der Funktionen wird gleich sein, doch das Mensch-Maschine-Interface unterscheidet sich bei jeder Marke, also die Benutzeroberfläche. Deshalb macht so eine übergreifende Organisation viel Sinn für den Konzern, wir schaffen damit enorme Synergien. Audi soll die Marke sein, die als erste beispielsweise hochautomatisierte Fahrfunktionen bekommt, mit dem Projekt Artemis im Jahr 2024. Danach wird diese Technologie maßgeschneidert für alle Segmente weitergereicht.

Audi-Chef Markus Duesmann
Audi
Corona ändert vieles: Das Redaktionsteam Jochen Knecht, Birgit Priemer und Gerd Stegmaier besuchte Duesmann in der Audi-Zentrale in Ingolstadt, die weiteren Redaktionsmitglieder wurden im zweiten Teil des Gesprächs live per Skype zugeschaltet.
Peter Mertens, einer Ihrer Vorgänger als Audi-Entwicklungschef sagt, man braucht fürs autonome Fahren nicht überall 5G, aber viel schnellere Datenübertragungen im Auto und schnellere Rechner mit weniger Leistungsbedarf. Brauchen sie also auch noch eine Hardware.org oder Kooperationen mit Spezialisten wie Nvidia so wie Daimler?

Wir wollen keinen Entwicklungspartner, der tief hinein in das VW.OS geht. Das müssen wir selbst können. Daher bauen wir unsere Software-Kompetenzen in der Car.Software-Org massiv aus. Mehr selbst zu entwickeln heißt aber nicht, alles selber zu machen. Die Car.Software-Org wird ihre Kompetenzen auch durch neue Technologiepartnerschaften stärken. Wichtig für uns sind hierbei zielgerichtete Partnerschaften mit Tech-Playern für bestimmte Themenbereiche.

Mercedes will die neue S-Klasse ab Sommer nächsten Jahres optional auch mit der Möglichkeit des automatisierten Fahrens auf Level 3-Niveau anbieten. Sie hatten das für den A8 schon 2017 avisiert, aber es fehlte an den gesetzlichen Rahmenbedingungen. Ziehen Sie jetzt nach?

Wir werden den aktuellen A8 nicht mehr an diese Technologie anpassen das geht aus Gründen unserer eigenen Qualitäts- und Sicherheitsansprüche nicht mehr. Wir planen inzwischen direkt einen Schritt weiter. Die Vorreiter-Rolle übernimmt hier klar das Artemis-Projekt.

Wo sehen Sie denn perspektivisch die Rolle des autonomen Fahrens? Dass ich automatisch von A nach B gebracht werde und dabei sogar schlafen kann? Oder dass mein Auto, während ich im Restaurant sitze, automatisch zum Laden fährt?

Langfristig wird es das sicher auch geben, dass ein Auto selbständig zum Laden fährt. Der eigentliche Mehrwert für den Kunden liegt allerdings darin, Zeit zu gewinnen, weil man selbst nicht mehr fahren muss. Und dafür ist er, ist sie auch bereit Geld auszugeben.

Stichwort Ladeinfrastruktur: Es gibt immer wieder das Gerücht, dass Sie bereit wären, über die Ionity-Kooperation hinaus Geld in die Hand zu nehmen, um zum Beispiel exklusiv an bestimmten Ladesäulen zu laden. Was für Ideen stecken im Rahmen des Artemis-Projektes?

Das ist eine von vielen Ideen. Die Ladesäuleninfrastruktur ist noch nicht so weit wie sie sein sollte. Deswegen brauchen wir vor allem die Anstrengung der öffentlichen Hand, aber eben auch Kooperationen wie Ionity und vielleicht auch noch eine proprietäre Ladeinfrastruktur für bestimmte Plätze, um den Kunden zufriedenzustellen. Es ist wichtig, dass alle auf diesem Gebiet Vollgas geben.

Viele E-Auto-Fahrer frustriert es, dass sie an einer Ladesäule auch noch eine Karte zur Aktivierung einsetzen müssen. Müsste Audi da nicht andere Lösungen entwickeln?

Das ist unser Anspruch. Den e-tron Charging Service kann man schon heute auch per App nutzen. Aber unser Ziel ist es natürlich, noch komfortablere Lösungen anzubieten. Daher führen wir in den kommenden Monaten den neuen Service Plug and Charge beim Audi e-tron ein. Damit authentifiziert sich das Auto an geeigneten Ladesäulen selbst. Es ist keine Karte mehr notwendig. Das Thema Laden ist für mich im Bereich der Elektromobilität der Schlüssel zum Erfolg.

Fans klassischer Verbrennungsmotoren freuen sich immer, wenn sie einen positiven Ausblick auf das Thema synthetische Kraftstoffe bekommen. Wie ist hier Ihre Haltung?

Wir konzentrieren uns voll auf die Elektromobilität, nur so können wir schnell und effizient einen nachhaltigen Beitrag zu den Klimazielen leisten. Langfristig sind daneben synthetische Kraftstoffe denkbar, wenn Verbrenner auch in fünfzehn Jahren noch ihren Platz haben sollen. Aber das wird nur klimaneutral zugelassen werden. Audi hat ja in verschiedenen Pilotanlagen den Proof of concept erbracht: e-gas, e-benzin, e-diesel. Jetzt ist die Mineralölindustrie gefragt, von fossilen auf synthetische Kraftstoffe umzusatteln. Denn diese können langfristig Fahrzeuge, die schon im Markt sind, CO2-neutral machen, auch Rennserien werden auf synthetische Kraftstoffe umstellen.

Haben Sie schon ein Einführungsszenario?

Ich denke, dass die synthetischen Kraftstoffe vor allem für den Flug- und Schiffsverkehr sowie im Schwerlastverkehr auf langen Strecken eine Rolle spielen werden. Im PKW-Bereich werden synthetische Kraftstoffe eher die Ausnahmen bleiben.

Haben Sie eigentlich einen Phantomschmerz, dass Audi nicht in der Formel 1 dabei ist?

Ich war gerne in der Formel 1, ich habe das geliebt. Aber nein, ich habe keine Phantomschmerzen, ich glaube, wir sind gut aufgestellt. Wir schauen uns das Motorsportengagement noch einmal detailliert an. Und alles Weitere – das erfahren dann Sie zuerst von uns.

Vita

Markus Duesmann (23. Juni 1969 in Heek/NRW) hat sein Maschinenbau-Studium 1991 an der FH Steinfurt abgeschlossen. Seine Karriere startete er 1992 als V12-Serienmotor-Konstrukteur bei Mercedes. Nach einer Station beim Dienstleister FEV GmbH in Aachen übernahm er 2004 den Posten des Hauptabteilungsleiters für neue Dieselmotoren bei DaimlerChrysler in Stuttgart. 2007 ging er als Leiter Formel-1-Antrieb zu BMW, 2016 wurde er dort Mitglied des Vorstands für Einkauf und Lieferantennetzwerk. Seit April 2020 ist Duesmann Chef der Audi AG und Konzernvorstand für Konzernforschung.

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