Volkswagen überarbeitet 5-Jahres-Plan
Elektroauto-Offensive kostet 7.000 Jobs

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VW wird in den nächsten fünf Jahren 44 Milliarden Euro in die Elektromobilität investieren. Der Aufsichtsrat folgt damit den Plänen des Vorstandsvorsitzenden Herbert Diess. Im Zuge der Elektro-Offensive sollen aber auch 7.000 Jobs wegfallen. Die Hintergründe.

11/2018, Herbert Diess, Vorstandsvorsitzender des VW-Konzerns
Foto: Volkswagen AG

Die angekündigte Pressekonferenz nach der Aufsichtsratssitzung des VW-Konzerns am 16.11.2018 in Wolfsburg fing mit zweistündiger Verspätung an. Ein Zeichen dafür, dass um einzelne Beschlüsse sicherlich zwischen VW-Chef Herbert Diess und Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh gerungen wurde. Nach „intensiven Beratungen“, wie VW später verkündete, sind doch einige interessante Entscheidungen gefallen.

Neue Investitionen

Der Volkswagen-Konzern wird in den kommenden fünf Jahren insgesamt 44 Milliarden Euro in die Elektromobilität investieren. Das beinhaltet die entsprechenden vollelektrifizierten Fahrzeuge, aber auch Ausgaben für die Entwicklungsleistungen in den Themen autonomes Fahren, neue Mobilitätsdienste sowie der Digitalisierung rund um Fahrzeug, Produktion und Vertrieb. Die 44 Milliarden Euro entsprechen in etwa einem Drittel der geplanten Gesamtausgaben in den nächsten Jahren. Volkswagen investiert so viel, weil das erklärte Ziel lautet: Bis 2025 mehr als 50 reine Elektrofahrzeuge im Konzern entwickelt zu haben und den Kunden entsprechende Vielfalt zu bieten.

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„Wir prüfen die Beteiligung an einer Batteriefertigung“, so Diess. Er verriet weiterhin, dass er auch einen Einstieg in eine eigene Batteriezellfertigung nicht ausschließen würde und dies intern ebenso geprüft wird. Die Beteiligung könnte Diess mit einem der strategischen Batteriezellen-Lieferanten (SKI, CATL, LG Chem, Samsung) ausarbeiten. Hintergrund: Allein für den Volkswagen-Konzern prognostizieren wir bis 2023 einen jährlichen Bedarf von knapp 150 Gigawattstunden. Aktuell gibt es in Europa aber erst Kapazitäten für 20 Gigawattstunden.

Neue Werkbelegung beschlossen

Zur Effizienzsteigerung und Komplexitätsreduktion in den VW-Konzernwerken wurde eine – für VW recht umfangreiche – Produktionsrotation beschlossen. Neben Zwickau werden auch die Produktionswerke in Emden und Hannover auf die Fertigung von E-Fahrzeugen umgestellt. Der Passat, der bisher in Emden vom Band lief, wird ab 2023 zusammen mit dem baugleichen Skoda Superb im tschechischen Kvasiny montiert. Die Produktion des Skoda Karoq und des Seat Ateca, die aktuell in Kvasiny neben dem Superb gebaut werden, will Diess in ein neues Mehrmarkenwerk in Osteuropa verlagern. Die Standortsuche für das neue Werk läuft bereits. Und Hannover bleibt auch in Zukunft die Heimat des „Bulli“. Ab 2022 wird dort die I.D. Buzz-Familie in mehreren Varianten vom Band laufen.

Die Wertschöpfungstiefe liegt beim E-Auto um bis zu 30 Prozent niedriger als bei herkömmlichen Fahrzeugen. Das hätte also den Abbau von Arbeitsplätzen zur Folge gehabt. „Mit dem Betriebsrat haben wir daher vereinbart, die Standorte Zwickau, Emden und Hannover zum größten E-Produktionsverbund Europas umzubauen“, sagte Diess nach der Aufsichtsratssitzung in Wolfsburg. Das heißt: Es gibt keine betriebsbedingten Kündigungen in Emden und Hannover bis 2028. Wie die FAZ berichtet, sollen in den kommenden drei Jahren an den Standorten Emden und Hannover dennoch rund 7.000 Stellen abgebaut werden. Das soll über die natürliche Fluktuation und Altersteilzeit geschehen. Befristet Beschäftigte sollen Verträge bei Porsche und im VW-Werk Kassel angeboten bekommen.

Diess kündigt Preissteigerungen an

Der Konzernchef betonte außerdem, die geplante Zusammenarbeit mit dem US-Hersteller Ford in Europa beziehe sich ausdrücklich auf leichte Nutzfahrzeuge. In diesem Segment gebe es große Verschiebungen und interessante Perspektiven. „Im Zuge der umfangreichen Allianz mit Ford werden wir die Kosten senken, über Skalen die Performance steigern und unser Angebot für gewerbliche Kunden ausbauen“, so Diess. Das heißt im Klartext: Der VW-Pick-up Amarok bekommt durch die Möglichkeiten innerhalb der Ford-Kooperation weitere Derivate. Zudem sagte Diess, dass auch weitere Kooperationsfelder außerhalb des Segments identifiziert wurden. Und meinte damit die Zusammenarbeit bezüglich autonomer Fahrdienste oder Mobilitätsleistungen. „Auch hier sehen wir Potenzial für Zusammenarbeit“.

„Um die hohen Aufwendungen für die Zukunft finanzieren zu können und wettbewerbsfähig zu bleiben, muss Volkswagen effizienter, produktiver und profitabler werden“, sagte Diess. Der Volkswagen-Konzern arbeite daher mit Nachdruck an der Ergebnisverbesserung in allen Marken und Gesellschaften. Dazu wurden Programme aufgesetzt, um die vereinbarten Ziele abzusichern. „Die Zahl unserer Mehrmarkenwerke wird in den nächsten Jahren zunehmen. Unser Ziel ist es, die Produktivität im Werkeverbund bis 2025 um 30 Prozent zu steigern“.

Auch hier gab der Konzernchef die Hintergründe preis: Die operative Marge im Konzern müsse bei rund sieben Prozent liegen – über den gesamten Planungszeitraum. Es sei sehr harte Arbeit, so Diess, diese auch zu erreichen, „aber anders werden wir es nicht schaffen“. Indirekt kündigte Diess Preiserhöhungen durch die gesamte Palette der Marken an. „Ich muss schon sagen, dass wir unsere Preispositionierung überarbeiten müssen“, so Diess, „und bei manchen Modellen die Preise so nicht zu halten sind“.

Was bisher geschah

Volkswagens Elektroauto-Fahrplan sah bislang so aus: 2020 kommt der I.D. in Golf-Größe. Im selben Jahr will VW insgesamt 100.000 Stromer auf die Straßen bringen. 2025 soll es eine Million Elektro-VWs pro Jahr sein. Dass VW-Vorstandschef Herbert Diess bei dem Thema noch viel größer denkt, wurde kürzlich in einem Interview mit dem US-Branchenmagazin „Automotive News“ klar. In den Werken seien Kapazitäten für 50 Millionen Elektroauto-Plattformen gebucht, bei den Batterieherstellern CATL (bedient China), LG und Samsung (beide bedienen Europa) seien ebenso viele Batterien bestellt. „Wir werden weltweit groß im Geschäft mit Elektroautos sein, weil wir sehr stark in China sind“, sagte Diess. Ganz neu ist die Kooperation mit dem Batteriezellen-Hersteller SK Innovation (SKI) aus Südkorea, mit dem der Volkswagen-Konzern einen weiteren strategischen Lieferanten für E-Fahrzeuge auf Basis des Modularen Elektrifizierungs-Baukastens (MEB) nominiert. SKI wird den Bedarf für Nordamerika und einen Teil des Bedarfs für die Produktion von rein elektrischen Fahrzeugen in Europa decken.

Der MEB bringe insgesamt viel bessere Möglichkeiten für Synergien. Man rechne bei einem Vertreter der I.D.-Reihe mit einer Kostenersparnis von etwa 40 Prozent im Vergleich zum E-Golf, allerdings bei doppelter Reichweite und größerem Platzangebot. „Wir haben die beste Aufbaustrategie für Elektrofahrzeuge“, sagte Diess. Deshalb sei man auch grundsätzlich offen, den MEB für andere Hersteller zu lizenzieren. Außerdem glaubt Diess, dass der Elektro-Trend den SUV-Boom stoppen werde, weil Limousinen eine um bis zu 50 Meilen höhere Reichweite schaffen können als große SUVs.

Medien: VW plant Elektroauto für 18.000 Euro

Diess machte aber ebenso klar, dass VW nicht sofort alles auf die Karte Elektroauto setzen werde. Man entwickle auch die Benzin- und Dieselmotoren weiter und mache sie energieeffizienter. Das forderten auch die Märkte, in denen Elektroautos auf absehbare Zeit kein Thema sind, auch wegen einer mangelnden Ladeinfrastruktur. Außerdem sieht er in der gesamten Autoindustrie, aber speziell im VW-Konzern noch Nachholbedarf beim Thema Digitalisierung des Verkehrs: „Wir sind noch nicht hundertprozentig darauf vorbereitet, dass das Auto ein Endgerät zur Internetnutzung ist.“

Unterdessen meldet die Nachrichtenagentur Bloomberg, dass VW ein Elektroauto für etwa 18.000 Euro plane. Insidern zufolge soll es sich dabei um einen Crossover-Kleinwagen handeln, der im Emdener Werk gebaut werden soll. Dort wird später auch die mittelgroße Elektro-Limousine I.D. Aero produziert. Der bisher in Emden gebaute Passat wandert nun offiziell 2023 nach Tschechien ab.