Selbstbau R8-Klon
Dieser Audi R8 war mal ein A4

Dass Schein manchmal trügt, ist bekannt. Doch selten gelingt es so überzeugend, einen aufwendigen Sportwagen einfach selbst zu bauen. Lesen Sie hier, wie ein talentierter Mechaniker einen rund zwanzig Jahre alten A4 in einen täuschend echten R8 verwandelt.

Dieser Audi R8 war mal ein A4
Foto: Hersteller, Andreas Jüngling

Alles begann mit einer Vernunftentscheidung. Ein sportwagenbegeisterter Familienvater aus New Brunswick, Kanada war auf der Suche nach einem guten ersten Auto für seine Tochter, die gerade ihre Führerscheinprüfung bestanden hatte. Ein simpler Kleinwagen von der Stange wäre Vater und Tochter zu öde gewesen, aber ein wenig Sicherheit und halbwegs moderne Technik sollten trotzdem dabei sein. Man wurde fündig und erwarb einen Audi A4 B5 mit dem kräftigen und langlebigen 1.8-Liter-Turbo-Vierzylinder mit 180 PS und Quattro-Allrad.

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Bastler erschafft Eigenbau-Einzelstücke für seine Töchter

Bis hierhin klingt die Geschichte nach einer soliden Entscheidung eines liebenden Familienvaters. Doch der talentierte Schrauber, der gern anonym bleiben möchte (Name der Redaktion bekannt), erzählte uns ausführlich von seinem einzigartigen Talent: kreativer Karosseriebau. Einige Beispiele gefällig? Der Kanadier baute seinen rennmäßig hergerichteten Porsche 914.6 auf ein zeitgenössisch gestaltetes Schrägheck um – eine Art Ur-Cayman. Für seine andere Tochter baute er mit Heimwerkermitteln einen nicht mehr taufrischen BMW E30 auf M3-Optik mit ausgestellten Kotflügeln und originalgetreuem Heckaufsatz um. "Das Ziel war, meinen Kindern ein cooles Auto zu geben, das die Möglichkeit bot, ihre Fähigkeiten als Autofahrer zu verbessern. Das war mir lieber als dass sie einfach Beifahrer in den gekauften Autos ihrer Freunde sind", erklärte der Sportwagenfan. Ein Toyota Previa war ihm offenbar nicht spacig genug, weshalb er ihm aus einer Laune heraus die Frontmaske eines BMW X5 verpasste und das Endprodukt "X7" taufte, lang bevor BMW das echte Modell auf den Markt brachte.

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Es hätte viel schlimmer kommen können! Den manchmal spöttisch "Space-Egg" genannten Toyota Previa verwandelte der Karosserie-Künstler mit Komponenten eines X5 kurzerhand in einen BMW X7, lang bevor das echte Modell das Licht der Welt erblickte. Witziger Fakt: Im Gegensatz zum Fake-R8 ist der Toyota Previa tatsächlich ein Mittelmotor-Auto.

So blieb auch der A4 der Tochter nicht lange original. "Ich stellte fest, dass man noch vor einigen Jahren sehr günstige originale R8-Teile kaufen konnte, wenn sie leicht beschädigt waren. Niemand kam auf die Idee, den teuren Sportwagen mit zurechtgebogenen Teilen zu reparieren", erklärt der Erbauer. So erwarb er zunächst die Frontschürze und den Kühlergrill des Mittelmotorsportlers und verlieh der Mittelklasse-Limousine ein neues Gesicht.

Kurz darauf stellte er fest, dass der Radstand des A4 gegenüber dem R8 nur gut drei Zentimeter kürzer ist. So entstand die kreative Idee, die Silhouette des R8 auf die Flanken eines weiteren, rasch für 700 Dollar gekauften A4 zu übertragen und alsbald die Säge anzusetzen, um der neuen Formgebung Raum zu schaffen. Ein Bekannter schweißte ihm einen soliden Überrollkäfig, um den das Dach, die Seitenteile und der Motorraum für den V10 gebaut wurden. Der Erbauer bewerkstelligte dies fast ausschließlich mit günstigen Gebrauchtteilen. Unsere Kollegen vom US-Magazin "The Drive" berichteten Ende Juli über den R8-Klon: "Jahrelange Arbeit und Wagenladungen voller beschädigter R8 Teile resultierten in einem Auto, das in vielerlei Hinsicht noch beeindruckender als ein echter R8 ist."

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Haste keinen, bau dir einen! Ausgelegt auf dem Werkstattboden sind hier alle wichtigen R8-Anbauteile, kurz bevor sie den Weg ans Auto fanden.

Fake-Bremse in Originaloptik

Damit die Räder in den voluminösen Radhäusern im R8-Format nicht allzu verloren aussehen, entschied er sich für Zubehörfelgen, die dem Original in Größe und Form recht genau entsprechen. Damit die Straßenlage authentisch wirkt, verbaute er Distanzzscheiben. Die wiederum fertigte der Kanadier aus gebrauchten R8 Bremsscheiben. "Sie waren verzogen und außerdem ziemlich schwer, aber zusammen mit den großen Bremssätteln geben sie ein stimmiges Bild ab", erklärte er. Diese Fake-Bremse wurde einfach über die unveränderte A4-Bremse gestülpt.

Details wie diese finden sich immer wieder. Die A4-Basis ist schmaler als der R8, weshalb einige Bauteile möglichst unauffällig modifiziert, oder ganz neu angefertigt werden mussten. Die Einsätze der vorderen Lufteinlässe fertigte der praktisch veranlagte Erbauer kurzerhand selbst mit Kunstharz, gegossen in Formen aus Kinderknete. Bezahlbare Frontscheinwerfer waren nicht zu finden, so kaufte er ein paar beschädigte Leuchten und verpasste ihnen selbstgebaute Streuscheiben aus Lexan und UV-Schutzfolie.

Auch der Innenraum blieb nicht unangetastet. Die charakteristische offene Schaltkulisse wurde per 3D-Drucker nachgefertigt. Anstelle des sündhaft teuren gefrästen Alu-Schalthebels des Originals sitzt eine umgearbeitete Kosmetikdose aus der Badezimmerabteilung eines Kaufhauses – natürlich mit Schaltschema und passender Optik. Das Sportlenkrad entstammt einem Audi TT, gewürzt mit ein paar Extra-Knöpfen und einer selbstgemachten R8-Plakette, die wiederum ursprünglich einem S8 entstammte.

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Von außen betrachtet gibt es kaum etwas, was darauf schließen ließe, dass hier kein originaler Audi R8 parkt. Auffällig sind allein die Scheibenwischer, die in serienmäßiger Einbauposition einfach keinen Platz im vollgepackten Bug hätten. Stattdessen wurde ein gänzlich selbstgebauter Mechanismus genutzt.

Ein Hamsterrad als Antrieb

Unterm Strich entstand über insgesamt fünf Jahre Bauzeit ein Fake, der so detailgetreu dem Original entspricht, dass selbst Besitzer echter R8 meistens darauf hereinfallen. "Die meisten Leute glauben, sie haben es mit einem echten Sportwagen zu tun", so der Besitzer des Einzelstücks. "Erst wenn ich den Motor starte, und unauffällig losrolle, wird die Täuschung klar. Dann ist das Interesse aber besonders hoch." Unter der Fronthaube verbirgt sich natürlich kein Kofferraum, sondern der brave, nur leicht modifizierte Vierzylinder. Dem Fake-R8 fehlen also sechs Zylinder – was ist das also dort unter der gläsernen Heckklappe? Dort sitzt ein ebenfalls täuschend echter Abguss des Originalmotors: ein Kunststoffdeckel. Darunter sitzt der selbst eingeschweißte Benzintank, sowie ein kleines Goodie, das Aufschluss über den wahren Charakter des Wagens gibt. Ein Hamsterrad nebst Nagetier als Antriebseinheit. "Es macht jedes Mal wieder Spaß, den Leuten zu zeigen, woraus mein Auto wirklich besteht. Erst dann verstehen die meisten auch den Sinn des Kennzeichens "A4N2R8", was auf den ersten Blick gar nicht so auffällt." Die Kosten für diesen einzigartigen Eigenbau hat der Besitzer lieber nicht zusammengerechnet. "Nachdem ich für rund 3.200 Dollar die meisten Teile der Außenhaut zusammengekauft hatte, habe ich aufgehört nachzurechnen", gibt er zu.

Zu den Zukunftsplänen des Fake-Künstlers zählt unter anderem der Bau eines Audi-Ur-Quattro-Klons auf Basis eines Ford Mustang aus den 80er-Jahren.

Fazit

Ein funktionierender fahrbarer Eigenbau auf Basis eines modernen PKW, der über Airbags, Fahrsicherheitssysteme und Allradantrieb verfügt, ist schon für sich betrachtet eine beeindruckende Sache. Doch sind wir ehrlich, oft wirken solche Projekte eher mit der heißen Nadel gestrickt. Nicht so bei diesem R8. Nach Angaben des Erbauers hat das Auto schon die Besitzer echter R8 getäuscht. Trotz des angerauten Auspuffsounds kann er akustisch aber seine Herkunft nicht verbergen. Der Eigner nimmt's mit Humor.

Wir danken James Gilboy von "The Drive" für das Herstellen des Kontakts.

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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten