Speedcam Anywhere heißt die App, die als privat betriebenes Geschwindigkeits-Messgerät dienen soll. Smartphone-Nutzer müssen einfach nur das zu messende Objekt filmen und schon zeigt ein Auswertungs-Algorithmus die Geschwindigkeit des Objekts an – und mit Objekt sind hier insbesondere Autos gemeint. Im kalifornischen Silicon Valley beheimatete Entwickler von Algorithmen für künstliche Intelligenz sollen die Software zusammen mit britischen Wissenschaftlern entwickelt haben. Die Namen der Beteiligten sind geheim, da einige Entwickler behaupten, Droh-Emails von Personen bekommen zu haben, die mit den Einsatz-Szenarien der App nicht einverstanden sind.
Mit Nummernschilderkennung und Datenabgleich
Warum es an der Mess-App massive Kritik gibt, erschließt sich bei einem Blick auf ihre Funktionsweise: Die Kamera registriert nämlich beim Messvorgang auch das Nummernschild des gemessenen Autos, die Software gleicht dann umgehend die Daten automatisch mit der Datenbank der britischen DVLA (Driver and Vehicle Licensing Agency – Fahrer- und Fahrzeugzulassungsbehörde) ab. Beim Datenabgleich ermittelt die Software Marke, Modell und Radstand des gemessenen Fahrzeugs und erkennt, ob das Auto im Messgebiet zu schnell unterwegs war. Der Messfilm verbleibt im Speicher des Smartphones.
Melden von Geschwindigkeits-Übertretungen als Ziel
Ausdrückliches Ziel der Appentwickler ist es, dass Nutzer von Speedcam Anywhere den Messfilm bei erkannten Geschwindigkeitsübertretungen mit den Behörden teilen. Einer der anonymen App-Entwickler betont gegenüber der britischen Zeitung Guardian, dass die App eine Abschreckung gegen zu schnelles Fahren sein soll, um die Zahl der Unfälle zu reduzieren.
Behörden können Daten nicht gebrauchen
Bisher gibt es seitens der britischen Behörden kein Statement zu der App. Da weder Speedcam Anywhere noch die entsprechende Hardware, also die verwendeten Smartphones, von den Straßenverkehrsbehörden als Geschwindigkeitsmessgeräte zertifiziert sind, hat die Weiterleitung der Messdaten für die betroffenen Autofahrer keine Folgen.
Private Messgeräte sind ein alter Hut
Das Messen der Geschwindigkeit von Fahrzeugen von außen ist auch für Privatpersonen schon lange möglich. Eine kurze Google-Suche ergibt jede Menge Treffer – die Preise für ernsthafte Messgeräte beginnen bei zirka 90 Euro. Das Aufschreiben und Weiterleiten des Nummernschildes müsste hier der private Verkehrsüberwacher allerdings selbst übernehmen. Aber da auch in diesem Anwendungsfall die Geräte nicht von den Verkehrsbehörden zugelassen sind, befriedigt die Messung höchstens private Interessen – gerichtsverwertbare Ergebnisse liefert die Technik nicht. Hinzu kommt, dass Geschwindigkeitsüberwachungen, zumindest in Deutschland, hoheitliche Aufgaben sind, die Privatpersonen nicht gerichtsverwertbar durchführen können. Außerdem ist der automatische Abgleich von Daten zwischen einer privat betriebenen App und einer staatlich betriebenen Fahrzeugdatenbank in Deutschland undenkbar – das britische Recht ist in Sachen Datenschutz erheblich lockerer.
Speedcam Anywhere ist aktuell nur im britischen Google Play Store für Android-Geräte verfügbar – Apple scheint sich dieser umstrittenen App noch zu verweigern.
Fazit
Die App Speedcam Anywhere ermöglicht die Messung der Geschwindigkeit von Autos von außen, gleicht die Nummernschilddaten automatisch mit der Datenbank der Verkehrsbehörde ab und erstellt einen Messfilm, den der Smartphone-Besitzer im Falle einer erkannten Geschwindigkeitsübertretung mit der Verkehrsbehörde teilen soll. Wow – auf so viel private Überwachungsmentalität muss man erstmal kommen. Den hinter dem Projekt steckenden Entwicklern scheint jede Menge Unverständnis und Wut entgegenzuschlagen – inzwischen verstecken sie sich in der Anonymität.
Dabei haben diese Entwickler, zumindest teilweise, vorher angeblich an Algorithmen für künstliche Intelligenz gearbeitet. Komisch, dass ihnen mit ihrer echten Intelligenz nicht aufgefallen ist, wie sinnlos ihre Entwicklungsarbeit war. Schließlich sind weder die App noch die entsprechenden Smartphones und schon gar nicht deren private Verwender von irgendeiner Verkehrsbehörde für das Messen von Fahrzeuggeschwindigkeiten zertifiziert. In Deutschland käme noch hinzu, dass auch ein automatischer Datenabgleich mit der Fahrzeugdatenbank einer Behörde rechtlich nicht möglich ist. Deshalb dürfte diese eigenartige Petz-App sowohl bei denjenigen, die sie verwenden, als auch bei ihren Entwicklern eher zu Frust als zu mehr Verkehrssicherheit führen.