Virgin Hyperloop schon am Ende?
Nur noch Fracht, halbe Belegschaft weg

Inhalt von

Virgin Hyperloop ist in der Krise: Durch seine Röhren soll nur noch Fracht jagen, die halbe Belegschaft musste bereits gehen.

Virgin Hyperloop
Foto: Virgin Hyperloop

Der Tunneltransporter Virgin Hyperloop verabschiedet sich von der Idee Passagiere mit aberwitzigen Geschwindigkeiten durch Vakuumröhren zu transportieren. 111 Angestellte sind bereits gekündigt – das ist die Hälfte der Belegschaft. Stattdessen möchte Virgin Hyperloop jetzt eine Art übergroße Rohrpost für den Transport von Fracht entwickeln, wie die Financial Times mit Berufung auf das Unternehmen und zwei der entlassenen Mitarbeiter berichtet.

Unsere Highlights

Zynische Begründung für Rausschmiss

Ein Unternehmenssprecher begründet die Richtungsänderung allerdings nicht mit technischen oder finanziellen Schwierigkeiten, sondern damit, dass während der Corona-Pandemie zahlreiche Lieferketten gerissen seien und dass damit der Bedarf an einem schnellen Frachttransport gestiegen sei. Und dank weniger Mitarbeiter sein man jetzt kostengünstiger und agiler.

Paletten-Transport in Saudi-Arabien

Im November 2020 hatte Virgin Hyperloop testweise erste Passagiere transportiert. Vor einem halben Jahr veröffentlichte die Firma einen Werbefilm, der den Transport von Menschen zwischen weit entfernten Städten mit über 1.000 km/h in Aussicht gestellt hatte. Aktuell ist die Firma erheblich zurückhaltender: Man wolle eine Verbindung zwischen der saudi-arabischen Hauptstadt Riad und der 850 Kilometer entfernt gelegenen Hafenstadt Dschidda bauen – für den Transport von Paletten. Hintergrund: Der in Dubai ansässige Logistikkonzern DP World ist Hauptanteilseigner an Virgin Hyperloop. Das mit dem Frachttransport eingenommene Geld soll dann, vielleicht in zehn Jahren, zur Entwicklung eines Personentransport-Hyperloop dienen.

Virgin Hyperloop
Virgin Hyperloop
Neue Ausrichtung: Virgin Hyperloop konzentriert sich jetzt auf den Transport von Fracht. Die DP-World-Cargospeed-Kisten weisen darauf hin, dass das Logostik-Unternehmen DP World aus Dubai der Hauptanteilseigner an Virgin Hyperloop ist.

Umstellung auf Fracht löst keine Probleme

Mit dem Transport von Fracht sind allerdings weiterhin viele Probleme des Hyperloop-Systems ungelöst. Wie sich in großen und tausende Kilometer lange Röhren dauerhaft ein Vakuum erzeugen lässt, ist unklar. Außerdem gibt es viele Frachtsorten, die nicht ungeschützt einem Vakuum ausgesetzt werden können: Früchte und Flüssigkeitsbehälter müssten beispielsweise trotzdem in einer dichten Kapsel untergebracht sein. Somit könnten die Kosten für die Fracht-Kapsel nur unwesentlich geringer ausfallen als für eine zum Transport von Menschen. Und die Kosten sind das Hauptproblem: Der Transport von Fracht ist kostenmäßig durchoptimiert. Egal ob über Land, Wasser oder in der Luft: Sämtliche etablierten Transportarten für Güter sind erheblich günstiger als eine neue Lösung mit Vakuumröhren und Magnetbahn-Kapsel. Die Zeitersparnis dürfte den Kosten-Mehraufwand bei weitem nicht ausgleichen. Aus diesem Grunde ist es fraglich, ob die für Saudi-Arabien geplante Strecke jemals in Betrieb geht. Wenn nicht, steht die gesamte Hyperloop-Idee möglicherweise vor dem Aus. Tesla-Chef Elon Musk hat sich aus dem Hyperloop-Thema längst zurückgezogen – mit der Begründung, er hätte keine Zeit, sich weiterhin darum zu kümmern.

Pläne waren mal groß

Der Hyperloop gehörte zu den Projekten, mit denen Tesla-Chef Elon Musk den Verkehr revolutionieren wollte. Dank Elektroautos, Raketen, Tunnels und eben des Hyperloops soll der Verkehr in Zukunft schneller und umweltfreundlicher ablaufen. Beim Hyperloop rast eine Passagierkapsel durch eine nahezu luftleere Röhre – den Start des Projekts hat Musk vor sieben Jahren eingeläutet. Beim Wettbewerb um die beste Hyperloop-Kapsel glänzten auch regelmäßig Entwürfe aus Europa. Im US-Bundesstaat West Virginia entstand ein Certification Center genanntes Testgelände mit einer langen Hyperloop-Röhre.

Hyperloop Certification Center in West Virginia
Virgin Hyperloop One
2022 möchte Virgin Hyperloop One mit dem Bau des Certification Center im US-Bundesstaat West Virginia beginnen.

Milliardär Richard Branson investiert

Hyperloop One gehört zu den Firmen, die an der technischen Umsetzung des Hyperloop arbeiten. US-Milliardär und Virgin-Gründer Richard Branson hat sich an dem Unternehmen beteiligt und es inzwischen in Virgin Hyperloop One umbenannt. Virgin Hyperloop One hat 500 Millionen Dollar (aktuell umgerechnet zirka 424 Millionen Euro) in ein Testgelände investiert, das ab 2022 entstehen sollte. Die auf dem Gelände befindliche Röhre sollte ausdrücklich auch US-Behörden für das Ausstellen von Sicherheitszertifikaten zur Verfügung stehen. Die Erlaubnis zum Passagiertransport wollte Virgin Hyperloop 2025 erhalten, 2030 sollte dann der reguläre Passagiertransport starten.

07/2019, Hardt Hyperloop-System
Hardt Hyperloop
Hardt Hyperloop aus den Niederlanden hat die erste voll funktionstüchtige europäische Hyperloop-Kapsel gebaut.

Hardt Hyperloop

Der erste funktionstüchtige Hyperloop Europas kommt aus den Niederlanden. Eigenen Angaben zufolge hat das Start-up Hardt Hyperloop alle wichtigen Elementen in sein System integriert. Der erste Tunnel befindet sich in Delft, gelegen im Westen der Niederlande zwischen Rotterdam und Den Haag. Dabei handelt es sich zwar nur um eine 30 Meter lange Gerade, diese hat dafür aber Originalgröße. "Nach zwei Jahren Forschung und harter Arbeit sind wir die ersten in Europa, die ein funktionierendes Hyperloop-System entwickelt haben", sagt Mars Geuze, der CCO von Hardt Hyperloop.

Spurwechsel ohne Geschwindigkeitsverlust

Besonders stolz sind die Niederländer auf ihre Spurwechsel-Technologie namens "Hyperloop Lane Switch" (HLS). Damit können die Kapseln, die sich in den Röhren bewegen, ohne zusätzliche oder bewegliche Komponenten von einer Spur zur anderen wechseln, ohne ihre Geschwindigkeit verringern zu müssen. Sie können dadurch auch mühelos ihre Routen wechseln sowie in das Netz ein- oder daraus wieder aussteigen. Apropos Netz: Ziel von Hardt Hyperloop ist es, in naher Zukunft ein komplettes Netz in Europa aufzubauen, das insgesamt etwa 10.000 Kilometer lang sein soll. Aus der ersten geplanten Verbindung zwischen Amsterdam und Paris wird vorerst allerdings nichts.

07/2019, Hardt Hyperloop-System
Hardt Hyperloop
Ende Juni wurde in Delft das erste funtionierende Hyperloop-Systems Europas eröffnet.

Hardt Hyperloop arbeitet mit namhaften Partnern an seinem Projekt. Zu den Unterstützern gehört nicht nur ein Konsortium aus der Royal BAM Group, Tata Steel und Royal IHC, sondern auch der Zulieferer Continental sowie die Deutsche Bahn mit ihrer Division DB Engineering & Consulting, die an Hardt sogar beteiligt ist.

Forschungszentrum mit 3-km-Teststrecke

Hohe Geschwindigkeiten können in dem kurzen Tunnel natürlich nicht erzielt werden. Die sollen aber im "European Hyperloop Center" möglich sein. Das Forschungs- und Entwicklungszentrum mit drei Kilometer langer Strecke, für das noch ein Standort gesucht wird, soll bis 2021 entstehen. Dort sollen auch konkurrierende Entwickler ihre Systeme testen können und Standards für die europäische Hyperloop-Infrastruktur und -technologie gesetzt und überprüft werden können.

Umfrage
Hyperloop - wirklich die Zukunft des Reisens?
4504 Mal abgestimmt
Ja. Die Technik wird funktionieren und das wird sich durchsetzen.Nein. Bei dem Thema gibt es viel zu viele Fragezeichen.

Hyperloop-Systeme sollen sich mit Geschwindigkeiten von gut 1.000 km/h bewegen können. Ziel ist es, ein Streckennetz zu errichten, das die Metropolen miteinander verbindet. Hyperloop soll sich so zu einer klimafreundlicheren Alternative zum Flugzeug entwickeln. Das technische Prinzip: Kapseln bewegen sich in Röhren, die auf Pfeilern stehen und in denen ein Teilvakuum herrscht, mit Tempi nahe der Schallgeschwindigkeit. Dabei gleiten sie entweder auf Luftpolstern durch die Röhre oder schweben elektromagnetisch angetrieben hindurch. Die meisten Forscher und Unternehmen scheinen derzeit die zweite Variante zu favorisieren.

Bekannt geworden ist das Thema durch Tesla-Gründer Elon Musk, der in den USA ein Hyperloop-Netz aufbauen wollte und einen Wettbewerb unter Forschungseinrichtungen ausrichtete, wer die vielversprechendste Technologie dafür liefern kann. Forscher der TU München waren hier eifrig dabei und gehören zu den erfolgreichsten Teilnehmern.

Fazit

Keine Passagiere mehr, sondern nur noch Fracht: Kürzlich wollte Virgin Hyperloop noch Standards für den Transport von Menschen mit hohen Geschwindigkeiten in Vakuumröhren schaffen, jetzt soll es nur noch eine große Rohrpost sein. Das für die Neuausrichtung des Unternehmens die Hälfte der Belegschaft gehen musste, ist ein klares Zeichen: Virgin Hyperloop geht das Geld aus. Anscheinend glauben Investoren nicht mehr so recht an die Zukunftsfähigkeit der Idee.

Vielleicht auch, weil viele technische Fragen beim Hyperloop nach wie vor nicht geklärt sind. Die Umstellung auf Frachttransport ändert allerdings nichts an Fragen nach der Evakuierung kilometerlanger Röhren mit großem Durchmesser. Und einige Frachtsorten brauchen einen vor Vakuum geschützten Transport. Außerdem dürften die Kosten pro zurückgelegtem Kilometer mit einer Magnetbahn-Kapsel in einer Vakuumröhre erheblich höher sein als mit jedem anderen Transportmittel.

Hyperloop-Initiator und Tesla-Chef Elon Musk hat sich anscheinend nicht umsonst bereits vor längerer Zeit aus den Hyperloop-Projekten zurückgezogen.

Die aktuelle Ausgabe
MOOVE 01 / 2024
MOOVE 01 / 2024

Erscheinungsdatum 07.12.2023

Seiten