VW 1.5 TSI Evo2
Das frische Herz für den neuen Passat

Volkswagen hat den 1.5 TSI komplett überarbeitet und fit für die nächsten Jahre im neuen MQB-Baukasten gemacht. Wir erklären die technischen Details des Vierzylinder-Benziners, der auch in den Hybrid-Modellen arbeitet.

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Foto: Schönfeld/Volkswagen

Auch Volkswagen setzt mittlerweile verstärkt auf den Elektroantrieb. Doch noch verkauft der Konzern deutlich mehr Autos mit Verbrennungsmotoren. Auf Benziner-Seite soll weiterhin die TSI-Familie EA211 das Rückgrat des komplett überarbeiteten Modularen Querbaukastens bleiben. Dafür wurde der Vierzylinder jetzt fit für Euro 7 und neue Modelle wie Passat oder Tiguan gemacht.

Ganz freiwillig geschieht das natürlich nicht. Vor allem die EU-Vorgaben und die Gesetze in den USA sind streng. Zudem kommt diese Motoren-Familie weltweit zum Einsatz, mit bisher rund fünf Millionen produzierten Motoren gehört sie zu den erfolgreichsten im Konzern.

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Als der 1.5 TSI den 1.4er ablöste

Mit der Motorengeneration EA211evo TSI hat Volkswagen schon 2017 die Messlatte für emissionsarme Ottomotoren höher gelegt. Im 1.5 Vierzylinder evo TSI 96 kW wurde erstmals das effizienzsteigernde TSI evo-Brennverfahren eingesetzt. Dieses zeichnet sich aus durch hohe Verdichtung, frühem Schließen der Einlassventile – dem so genannten Miller-Zyklus – und wird ergänzt durch Abgasturboaufladung mit variabler Turbinengeometrie (VTG).

Mit dem Start des Dreizylinder-Motors EA211evo 1.0 TSI im Golf 8 fokussierte sich drei Jahre später die Weiterentwicklung der Motorenbaureihe vor allem auf die CO2- und Schadstoffreduzierung. In den Konzern-Fahrzeugen auf Basis des Modularen Querbaukastens (MQB) sind die Motoren in verschiedenen Antriebsstrang-Topologien bis hin zum Plug-in-Hybrid (PHEV) im Einsatz.

Der jüngste Schritt: 1.5 TSI Evo2

Weil Stillstand eher Rückschritt bedeutet, wurden mit der neuesten Ausbaustufe Evo2 weitere Optimierungen vor allem in Sachen Verbrauch und Ansprechverhalten vorgenommen, die seit Mitte 2022 in einigen Konzernmodellen eingeführt wurden. Eines der Ziele bei der Entwicklung der EA211-Motorenfamilie war auch die Realisierung der Elektrifizierung vom 48V-Mildhybrid zum Plug-in-Hybrid. Wegen des weltweiten Einsatzes bildet auch die Standardisierung seiner grundlegenden technischen Features die Grundlage für Varianzreduzierung und eine Reduzierung des Entwicklungsaufwands und ermöglicht den Einsatz von Standardsoftwaremodulen und Entwicklungsmethoden.

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Volkswagen

Riemengetriebenes Starter-Generator-System des 1.5 TSI evo2.

Das TSI Evo-Brennverfahren mit einem Einspritzdruck von 350 bar ist kombiniert mit einem Turbolader mit variabler Turbinengeometrie, um einen Lambda-1-Betrieb über das gesamte Motorkennfeld zu gewährleisten. Damit wird ermöglicht, einen Leistungsbereich von 66 kW bis 130 kW abzudecken. In Kombination mit einer Plug-in-Hybrid-Elektrifizierung ist die Systemleistung auf 200 kW (272 PS) erweiterbar.

Plasma-Beschichtung und Brennraumkühlung

Im bereits aus dem 1.5 l TSI Evo1 bekannten Brennverfahren wurde jetzt im Dienst der Optimierung von Verbrennung und Wirkungsgrad die Brennraumkühlung optimiert. Dazu wurden die Kolben mit eingegossenen Kühlkanälen versehen. Ganz dem Ziel der verbesserten Effizienz dient auch die Plasmabeschichtung der Zylinderlaufflächen in allen Leistungsklassen, die Reibungswiderstände nochmals verringert.

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Der Abgasturbolader mit variabler Turbinengeometrie (VTG) ist längst auch Benzinmotoren möglich.

Entscheidender Faktor zur Optimierung ist aber der Miller-Zyklus mit dem frühen Schließen der Einlassventile und einer hohen Verdichtung. Das ermöglicht die Reduzierung der Drehmomentreserve durch eine Phasenverschiebung der Nockenkonturen beim Umschalten zwischen Vier- und Zweizylinderbetrieb. Damit kommen wir zu einem weiteren Technikbaustein zur Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs, die weiterentwickelte Zylinderabschaltung ACTplus.

Zylinderabschaltung verfeinert

Bei niedrigen und mittleren Lasten und Drehzahlen werden der zweite und dritte Zylinder nicht befeuert. Der Fokus der Neuentwicklung lag darauf, das Ab- und Zuschalten der beiden Zylinder zu verbessern, um einen gleichmäßigen Motorlauf zu gewährleisten und damit die Umschaltung kaum noch spürbar ist. Die Begrenzung des Zweizylinderbetriebs auf die maximale Motordrehzahl von ca. 3.200 /min ermöglicht eine Erhöhung der Ventilöffnungs- und -schließ-Geschwindigkeit im Zweizylinderbetrieb. So können die Wirkung des Miller-Zyklus und der Verbrauch weiter optimiert werden. In den aktiven Zylindern steigt der Wirkungsgrad, während die mittleren Zylinder weitestgehend verlustfrei mitlaufen – beim erneuten Gasgeben werden sie blitzschnell reaktiviert.

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Die eingegossenen Kühlkanäle in den Kolben sorgen für eine Begrenzung der Brennraum- und Kolbentemperatur.

Während die grundlegenden geometrischen Daten in der modularen Montagematrix gleich bleibt, erlaubt die Realisierung des TSI evo-Brennverfahrens eine substanzielle Erhöhung des Verdichtungsverhältnisses von 10,5 auf 12,0:1, ohne dass die Gefahr des Klopfens besteht. Das führt zu einem deutlich verbesserten Wirkungsgrad, der sich in einer Reduzierung des spezifischen Verbrauchsminimums von 11g/kWh ausdrückt.

Wie schaltet VW die Zylinder im Passat ab?

VW nutzt seit dem TSI Evo2 das System ACT-Plus zum Steuern des Abschaltens der Zylinder. Dabei wird nicht nur einfach die Einspritzung und Zündung abgeschaltet, sondern im Grunde das Gaswechselsystem, also die Ventile werden stillgelegt. Das funktioniert über das Verschieben der beiden Nockenwellen per Aktuator, was die eigentliche Nocken vom Schlepphebel schiebt.

So dreht die Welle zwar weiter, die Ventile öffnet sie allerdings nicht mehr. Durch das Abschalten der beiden mittleren Zylinder des Vierzylinders wird der Motor zu einem Zweizylinder mit einem Hubzapfenversatz von 0 Grad. Gewissermaßen ein Gleichläufer mit symmetrischen Zündabständen von 360 Grad, der Motor läuft so also sehr gleichmäßig.

Was ist eine Plasma-Beschichtung im Motor?

Eine Plasma-Beschichtung ersetzt im Grunde die Praxis einer Laufbuchse aus Grauguss in einem Gehäuse aus Aluminium. Und löst das Prinzip das Problem der unterschiedlichen Ausdehnung unter Wärme von Stahl und Alu, denn so entstanden bisweilen kleine Luftspalten zwischen Buchse und Gehäuse, was das Leiten der Wärme verzögerte. Bei der Plasma-Beschichtung wird Wasserstoff mit Argon verbrannt und gut 15.000 Grad heißes Plasma erzeugt, was mit feinen Stahlstäuben versetzt ist.

Die geschmolzenen Stähle werden wie eine Pulverbeschichtung auf das Aluminium geschmolzen. Das Pulver besteht je nach Mischung unter anderem aus Stahl, Kohlenstoff, Silizium und Mangan. Die Schicht wird nur 250 Mikrometer dick, also 0,25 Millimetern. Anschließend wird die Lauffläche auf 150 Mikrometer gehohnt. Hintergrund ist die geringere Reibung im Zylinder, wenn ein Alukolben in einem Stahlzylinder läuft.

Kat und Partikelfilter

Mit den EU7-Grenzwerten sollen auch bei Benzinmotoren die Stickoxide (NOx) im Stadtverkehr endgültig auf ein unbedenkliches Maß reduziert werden, ebenso die Kleinstpartikel unter 23 nm Durchmesser. Die Abgasnachbehandlung beim Evo2-Konzept baut daher auf ein Katalysatorsystem in einem Modul mit einer motornahen und damit kaltstartfreundlichen Abgasreinigung (MAR). Die signifikante Reduzierung der Abgasemissionen zielt also insbesondere auf den realen Kundenfahrbetrieb.

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Reaktionsschnell und wirkungsvoll: die sehr motornahe Abgasnachbehandlung mit Dreiwegekat und Ottopartikelfilter.

Durch die Verbindung von TSI-Evo-Brennverfahren und VTG-Turbolader und daraus resultierend das Ermöglichen des Lambda-1-Betriebs, können die NOx- und CO₂-Emissionen gleichermaßen reduziert werden. Die motornahe Anordnung des effizienten Dreiwege-Katalysators und der direkt nachgeschaltete Partikelfilter erlaubt es, die erforderliche Edelmetallbeladung ohne Nachteile bei den Emissionen deutlich zu reduzieren. Zudem gelingt das Regenerieren des Ottopartikelfilters sehr viel effizienter.

Zukunftssicheres Konzept

Um die Motorenfamilie TSI Evo2-Motoren für künftige Entwicklungen vorzubereiten, sind sie nun auch auf den Betrieb mit Kraftstoffen ausgelegt, die regenerativ hergestellte Anteile enthalten können. In einem ersten Schritt sollen solche erneuerbaren Komponenten fossilen Basisbrennstoffen beigemischt werden.

Ein "R"-Label wurde eingeführt, um den regenerativen Anteil eines Kraftstoffs zu beschreiben und somit Transparenz für die Kunden zu schaffen. Die Beimischung von bis zu 33 Prozent regenerativer Komponenten ist technisch machbar. (Normen EN 590 und EN 228) Shell brachte schon im Mai 2021 mit seinen Partnern Volkswagen und Bosch einen R33-Benzinkraftstoff mit dem Handelsnamen Blue auf den Markt.

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Fazit

Der Verbrennungsmotor ist also lange noch nicht tot. Volkswagen will ihm jedenfalls – trotz der Fokussierung auf E-Autos – mit der weltweiten Verbreitung der neuesten Entwicklungsstufe noch ein langes Leben bescheren. Der 1.5 TSI Evo2 wird dem neuen Passat und dem neuen Tiguan noch tapfere Dienste erweisen.

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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten