9 Infotainment-Systeme im Test
Wer hat das beste Infotainment?

Online-Dienste, Sprachassistenz und XXL-Displays: Infotainment-Systeme haben eine steile Karriere hinter sich. Doch wie gut funktionieren die Dienste? Unterstützen sie den Fahrer im richtigen Moment mit den benötigten Informationen? Und wie klappt die Bedienung? Wir machen den Test bei neun Autos unterschiedlicher Klassen.

Mercedes S-Klasse, Interieur
Foto: Hans-Dieter Seufert

So haben wir getestet

Heutige Infotainment-Systeme haben einen riesigen Funktionsumfang, der jedoch auch Entbehrliches enthält, etwa die Steuerung von Smart-Home-Geräten. Im Test vergeben wir nur für wichtige Dienste Punkte, im Navigationskapitel beispielsweise für Echtzeit-Verkehrsmeldungen oder Hilfen bei der Parkplatzsuche. Ein umfangreiches Medienangebot mit hochwertigem Soundsystem sowie eine gute Freisprechanlage samt Außenantenne waren uns ebenso Punkte wert wie ein auffassungsfreudiger Sprachassistent. Da die Autos aus ganz unterschiedlichen Klassen stammen, fließen Preise und Kosten nicht in die Abschlussbewertung ein.

Unsere Highlights

Wer regelmäßig Fernsehwerbung schaut, könnte fast meinen, unsere Autos seien inzwischen zu wahren Genies gereift: Sie sprechen mit den Insassen, kennen ihren Musikgeschmack oder wissen, wo gerade eben eine Parklücke frei geworden ist. Der Fahrer lenkt, die Technik denkt – so die Botschaft. Doch funktioniert das alles wirklich so gut? Zuschriften von enttäuschten Lesern, aber auch die Redaktions-Erfahrungen mit störrischen Systemen und zickiger Software zeichnen zumindest in Teilen ein anderes Bild. Grund genug, sich neun aktuelle Autos einmal näher anzusehen:

Audi e-tron Sportback

Audis Elektro-SUV beeindruckt mit vielen Online- und Medienangeboten. Verliert etwa der DAB-Tuner sein Signal, wechselt der Hybrid-Empfänger auf Internetradio. Das Hauptdisplay wirkt inzwischen jedoch fast klein: In der Mercedes S-Klasse steht der Navi-Karte eine fast doppelt so große Fläche zur Verfügung. Trotzdem schafft es der e-tron, Route und Straßenauslastung übersichtlich darzustellen. Manche Funktionen sind jedoch versteckt: Um sich Tipps für freie Parklücken zu holen, muss zunächst lang auf den Bildschirm getippt werden, bis der entsprechende Menüpunkt erscheint, den es ebenfalls zu drücken gilt. Da Parkdaten nur für wenige Straßen abgerufen werden, wiederholt sich das Spiel bis zum Parkplatz oft mehrmals. Angesichts der komplexen Menüs stellt der Sprachassistent nur zum Teil eine Hilfe dar, da er weniger versteht als die besten Systeme. Top: Die Phone-Box koppelt Handys kabellos mit der Außenantenne und lädt sie induktiv, selbst wenn sie in einer Hülle stecken. Allerdings dauert es rund eine Minute, bis man mit dem gekoppelten Handy nach dem Einsteigen telefonieren kann.

BMW M340i Touring

Mit dem kleinen Touchscreen sowie vielen mechanischen Tasten mutet das BMW-Infotainment traditioneller an als das der übrigen Kandidaten. Für die Bedienung während der Fahrt sind der blind ertastbare iDrive und die Schalterleiste nebst Lautstärke-Drehregler jedoch eine Wohltat. Zudem erreicht der flexible Sprachassistent als einziger die maximale Punktzahl. Bei der Medienwiedergabe wird ein Webradio-Tuner vermisst, dafür unterhält der Dreier mit dem integrierten Streamingdienst von Spotify. Die Handy-Anbindung an eine Außenantenne sorgte im Test für eine sehr gute Gesprächsqualität. Smartphones mit etwas dickerer Schutzhülle wurden in der Ablagebox jedoch nicht zuverlässig geladen. Auch der Touchscreen reagierte immer wieder verzögert. Die Navigation ist dafür sehr gut mit den Anzeigesystemen im Dreier verknüpft, Abbiegehinweise erfolgen selbst bei komplexen Kreuzungssituationen eindeutig. In Sachen Routenwahl kommt aber auch der BMW nicht an das Google-System im Polestar heran.

Kia Sorento

Die Koreaner gehen mit der neuen Infotainment-Generation, genannt Uvo, einen Schritt in die richtige Richtung. Das zeigt sich insbesondere an der ansprechenden Remote-App, die den Fahrer etwa per Last-Mile-Navigation am Smartphone bis zum Ziel leitet, wenn der Parkplatz mindestens 200 Meter entfernt ist. Überhaupt funktioniert die Navigation auch im Auto sehr ordentlich unter Miteinbeziehung von Echtzeit-Verkehrsdaten. Zumindest solange man auf der Hauptroute unterwegs ist. In unserem Test erwiesen sich die Alternativrouten oftmals als unnötig kompliziert. Die Handhabung der Navi-Funktion wird durch dynamische Touchfelder erschwert, die keinen festen Platz auf dem Screen haben. Die Darstellung an sich gibt wiederum wenig Anlass zur Kritik. Dank gutem Kontrastverhältnis sind die Inhalte bereits mit einem schnellen Blick zu erfassen. Leider zählt die Auffassungsgabe dagegen überhaupt nicht zu den Stärken des Sprachassistenten. Selbst bei betont deutlicher und lauter Aussprache kommt während der Fahrt selten ein Befehl an.

Land Rover Defender

Die Sprachsteuerung erweist sich auch im Defender als Achillesferse, denn auf eine Online-Anbindung wurde verzichtet. Das Infotainment Pivi Pro greift entsprechend auf eine starre Kommandostruktur zurück, die der Anwender auswendig lernen muss. Da steht es dem Jaguar-Land-Rover-System sehr gut zu Gesicht, dass die Informationsarchitektur so logisch und übersichtlich gestaltet ist. Darstellung und Menüführung sind hier die großen Stärken. 90 Prozent der alltäglichen Funktionen sollen mit höchstens zwei Klicks erreichbar sein. Ein selbstlernender Algorithmus setzt die Shortcuts dabei entsprechend den ermittelten Nutzervorlieben. Jene Algorithmen beein- flussen auch die Routenführung und identifizieren beispielsweise häufig durchfahrene Gebiete. Sind Sie dort unterwegs, bleibt die Ansage automatisch stumm.

Mercedes S-Klasse

Das Daimler-Flaggschiff bleibt seinem Ruf als Technologieträger treu. Funktionen wie Augmented-Reality-Einblendungen im Hauptscreen und dem Head-up-Display liefert im Test sonst keiner. Wobei mit Blick auf die tägliche Anwendung besonders der Sprachassistent der zweiten MBUX- Generation einen Lorbeerkranz verdient hat. Der funktioniert nämlich so gut, dass man die S-Klasse fast schon für einen veritablen Gesprächspartner halten könnte. Doch egal über welche Schnittstelle die Befehlseingabe erfolgt, die immense Rechenpower der Hardware gewährleistet augenblickliche Umsetzung. Dass Mercedes die analogen Bedienelemente weitestgehend aus dem Cockpit verbannt hat, kann den Erstkontakt allerdings verkomplizieren und erfordert in jedem Fall eine Eingewöhnung. Das bringt die S-Klasse am Ende denkbar knapp um den Sieg, ändert aber nichts am üppigen Funktionsumfang. Nur das induktive Laden eines Smartphones mit Hülle klappt nicht gut. Top dagegen: die Sprachqualität beim Telefonieren.

Polestar 2

Als einer der ersten Autohersteller setzt Volvo-Tochter Polestar auf ein Android-Betriebssystem von Google. Die ursprünglich für Smartphones entwickelte Software steuert nicht nur Navigation oder Telefon, sondern auch Fahrzeugfunktionen wie die Klimatisierung. Vorteil: Mit dem Google App Store und Google Assistant stehen im Polestar vom Start weg millionenfach bewährte Dienste zur Verfügung. Besonders profitieren Autofahrer von der Google-Navigation, deren Algorithmus im Test die besten Routen fand. Per Handy kann Google Maps zwar auch in anderen Autos genutzt werden, eine Integration ins übrige Infotainment ist dann jedoch nicht gegeben. Googles Sprachassistent versteht so gut wie alles, kann derzeit jedoch noch nicht sämtliche Fahrzeugfunktionen umsetzen. Auch die Fernsteuer-App fürs Handy mit Fahrzeugschlüssel-Funktion folgt erst in den nächsten Monaten. Bei Medienausstattung und Telefonqualität kommt der Polestar nicht an die besten Systeme heran.

Porsche Taycan

Porsche kann nicht nur schnell, sondern auch clever. Das Infotainment im Taycan überzeugt mit großem Funktionsumfang bei gleichzeitig übersichtlicher Darstellung. Musik-Streaming und Podcast-Player von Apple sind direkt integriert. Das Coole dabei: Höre ich im Radio ein Lied, das mir gefällt, kann ich es mit einem Klick meiner Streaming-Playlist hinzufügen. Überhaupt ist der Taycan ein Auto für Musikfreunde, zumindest mit dem optionalen Burmester-3D-Soundsystem an Bord. Dessen Audio-Wiedergabe überzeugt, egal ob bei Musik oder Telefonie. Beim Versuch, die Befehlseingabe via "Hey Porsche"-Sprachassistent vorzunehmen, darf man allerdings nicht zögerlich agieren. Braucht man zu lange für ein Kommando, quasselt der Taycan ungeniert dazwischen, was meist zu einem Abbruch der Spracheingabe führt. Dabei versteht das Auto seinen Besitzer generell ziemlich gut, denn auch der Porsche merkt sich das Nutzerverhalten und blendet entsprechende Empfehlungen zu Medien oder Routen separat ein.

Tesla Model 3

Auch im Model 3 setzt Tesla voll auf Touchscreen und verzichtet bis auf zwei Lenkradtasten komplett auf Schalter. Bedienung und Navigation profitieren vom großen Display, das Routen übersichtlich darstellt und sensibel sowie verzögerungsfrei auf Berührungen reagiert: Den Maßstab zu verändern oder Sonderziele in der Karte anzuklicken, gelingt einfach. Trotz Google-Maps-Anmutung scheint Tesla einen eigenen Routen-Algorithmus zu nutzen, dessen Ergebnisse nicht an die des Originals heranreichen. Bei Baustellen in der Stadt kannte das Infotainment beispielsweise keine geänderte Verkehrsführung. Zudem verlor der Tesla in Tunnels die Orientierung. Darüber hinaus überrascht das System mit Ausstattungslücken: Apple CarPlay oder Android Auto unterstützt es ebenso wenig wie die Sonderzielsuche entlang der Route. Die Gesprächsqualität beim Telefonieren fiel unterdurchschnittlich aus, dafür gehörte das spielfreudige HiFi-System zu den besten im Test.

VW Golf

Mit dem aktuellen Golf führt VW eine völlig neue Infotainment-Generation ein, die viel stärker als bisher auf Online-Dienste setzt. Zusätzliche Apps wie einen Alexa-Sprachassistenten runterladen? Kein Problem, ebenso wenig wie die Nutzung integrierter Streamingdienste von Tidal oder Apple. Das System verlangt jedoch eine längere Einarbeitungszeit, bis man weiß, wo und wie man über den Bildschirm wischen muss, um zusätzliche Menüseiten aufzurufen. Zudem reagiert der Bildschirm hin und wieder verzögert auf Berührungen. Noch ärgerlicher waren jedoch die Verbindungsprobleme zum VW-Server, ohne den nicht mal Verkehrsmeldungen zur Navigation durchdringen. Und selbst wenn eine Online-Verbindung laut Anzeige gegeben war, verstand der Sprachassistent Kommandos oft sehr schlecht. Schade, denn mit seinen Basis-Qualitäten wie dem guten Radio- und Telefonempfang oder dem ausgewogen und druckvoll spielenden HiFi-System müsste sich das Golf-Infotainment nicht vor den besten Systemen verstecken.

Infotainment-Ergebnisse
AMS
Ergebnisstabelle des großen Infotainment-System-Vergleichs im Überblick. BMW M340i siegt knapp vor der neuen S-Klasse. Schlusslicht ist der Kia Sorento.

Fazit

Der Test von neun Infotainment-Systemen förderte einige Überraschungen zutage: Der Tesla ist weniger vernetzt als gedacht und verliert im Tunnel die Orientierung. Der Golf hat Software-Probleme und geht immer wieder offline. Bei Sprachassistenten gibt es insgesamt noch viel Luft nach oben. Polestar setzt voll auf Google und kannte daher die besten Routen. Testsieger BMW hält seine vielen Funktionen über das Miteinander von Touchscreen und Knöpfen bedienbar. Aber auch die S-Klasse überzeugt auf ganzer Linie. Knapp dahinter Porsche und Audi, während Kia und Land Rover mit preisgüns- tigeren Systemen etwas den Anschluss verlieren.

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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

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