Guillaume Pelletreau im Interview
„Elektroauto wird zur mobilen Cashcow“

Nissan-Geschäftsführer Guillaume Pelletreau über die Technik zur Einbindung von Elektrofahrzeugen ins Stromnetz.

Nissan Leaf Acenta, Interwiev, ams0119
Foto: Nissan
Reichen Strommengen und Netze aus, wenn das Geschäft mit Elektroautos die Dynamik bekommt, die sich jetzt abzeichnet?

Das kommt darauf an, wen Sie fragen. Schwarzmaler prophezeien ein Black-out-Szenario. Wir sind allerdings optimistischer: E-Autos werden in Zukunft dafür sorgen, dass die Energiewende auch Realität werden kann und auf Dauer funktioniert. Heute verfügen wir faktisch über Strom im Übermaß. Diesen verkaufen wir zu Spottpreisen ins Ausland. Der Anteil erneuerbarer Ressourcen wie Windkraft oder Sonnenenergie wächst kontinuierlich, nur nutzen wir sie einfach nicht effektiv. Das Thema der Zukunft ist also nicht „Reicht der Strom“. Die Frage lautet vielmehr: „Ist der Strom zum richtigen Zeitpunkt dort, wo er gebraucht wird?“ Deswegen läuft in Zusammenarbeit mit TenneT, einem großen Netzübertragungsdienstleister, ein Pilotprojekt mit dem Nissan Leaf und seiner Fähigkeit, Strom wieder zurück ins öffentliche Netz zu geben. Da geht es um Netzstabilität.

Unsere Highlights
Für Hausbesitzer mit Photovoltaikanlage klingt es verlockend, ihr E-Fahrzeug als Speicher zu nutzen. Die Technik des Leaf beherrscht prinzipiell reverses Laden. Wann wird man diese Technik in Deutschland nutzen können?

Anlagen zur Steuerung der bidirektionalen Ladung sind bis dato sehr teuer und daher eher etwas für gewerbliche Anwender. Bereits 2019 bringen wir jedoch eine Lösung für den Privatbedarf. Mit Hilfe dieses bezahlbaren Vehicle2Home-Systems (V2H) können dann auch Eigenheimbesitzer den Solarstrom, erzeugt von der heimischen PV-Anlage auf dem Dach, in der Batterie ihres Nissan-E-Fahrzeugs speichern. Bei Dunkelheit oder bei geringer Sonneneinstrahlung kann dann der in der Fahrzeugbatterie gespeicherte Strom für den Betrieb der Haushaltsgeräte genutzt werden. Das alles läuft automatisiert im Hintergrund über die V2H-Box ab.

Sind die Technik in den Fahrzeugen, das Zubehör in Form von Wallboxen oder der Anspruch der Netzbetreiber auf höchstmögliche Sicherheit die Bremsen bei der Realisierung von Vehicle2Grid?

Die Technik steht bereit, doch die Gesetzgebung hemmt den Fortschritt. Wir halten den deutschen Strommarkt für überreguliert. Anderswo in Europa, etwa in Dänemark oder Großbritannien, profitieren die Fahrer bereits heute von den bidirektionalen Fähigkeiten der Nissan-E-Autos. V2H ist dabei ja nur ein denkbarer Ansatz für einen Zusatznutzen. Die Integration ins öffentliche Netz verspricht ein noch viel größeres Einsatzspektrum. Hier ließen sich Einnahmen für den Fahrer realisieren, indem er die Batterie zur Teilnutzung an den Stromanbieter oder Netzbetreiber „vermietet“. Das E-Auto als mobile Cashcow – klingt doch lukrativ.

Werden wir also bald schon einen Leaf sehen, der als Batteriespeicher dient?

Diesen Leaf sehen Sie vor sich. Schon heute können alle Nissan E-Autos dank der Schnellladebuchse nach dem CHAdeMO-Standard bidirektional laden – sprich Strom aufnehmen oder auch wieder abgeben. Was noch fehlt, sind bezahlbare Verbindungsstücke. Diese bringen wir bald selbst auf den Markt. Zudem setzen wir uns dafür ein, dass der Einsatzbereich ausgeweitet wird. So werden Batterien aus dem Leaf zur Energiewende in Deutschland und damit für eine nachhaltigere Zukunft einen Beitrag leisten.

Vita

Guillaume Pelletreau arbeitet seit 2005 für Nissan. Der 47-Jährige verantwortet als Geschäftsführer den Vertrieb und das Marketing der japanischen Automobilmarke in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Davor war er für die Unternehmensstrategie und -planung von Nissan in Europa zuständig und baute das erste Innovation Lab für Nissan in Europa auf. Mit seiner Frau, drei Söhnen und einer Tochter lebt der Franzose in Lausanne.