Porsche 911 Turbo 3.3 trifft Porsche 718 Cayman
300-PS-Sportwagen - wie war es früher, wie heute?

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Porsche 911 Turbo 3.3 und 718 Cayman stammen aus unterschiedlichen Schichten und liegen fast 40 Jahre auseinander. Ihre Leistungszahl jedoch verbindet sie. Eine Geschichte über PS, ihre Bedeutung und die Art, sich darzustellen.

Porsche 911 Turbo 3.3 - Porsche 718 Cayman - Sportwagen
Foto: Rossen Gargolov

Machen wir uns nichts vor: Am Ende zählt immer die Leistung. Auch wenn wir Drehmoment fühlen, Handling predigen, Performance feiern, sie ist und bleibt die harte Währung. Und wie das mit Devisen so ist, unterliegt sie auch einer gewissen Inflation. Wobei sie nicht an Wert verliert, sondern an Wertigkeit. Heißt in Bezug auf dieses Duo: 300 PS sind so viel, wie sie immer waren, nur während sie bei Porsche vor rund 40 Jahren den ultimativen Gipfel darstellten, sind sie heute nur noch der unterste Rand einer Sportwagenpalette, die aktuell bis 700 PS reicht.

Keine Helfer im 911 Turbo 3.3

Und noch etwas hat sich geändert mit den Jahren: die Wahrnehmung von Leistung, die Dramaturgie ihrer Entfaltung und somit auch ihre Wirkung auf ein Auto und auf uns. Die Gründe? Zum einen sind allerorts die Gewichte gestiegen. Und Gewicht ist natürlicher Feind der Leistung, sodass sich die enormen PS-Zahlen oft schon dadurch relativieren. Zum anderen hat man mit den Jahren eine regelrechte Armada an Systemen entwickelt, die sicherstellen, dass uns die wuchernden Leistungszahlen nicht eines Tages über die Köpfe wachsen.

Schauen Sie sich bloß mal diesen Porsche 718 Cayman an. Er ist vollgestopft mit einer Masse an Helferlein, die auf unterschiedliche Art und Weise dazu dienen, seine Performance zu steigern, sie zu überwachen, auszunutzen und für den Fahrer erreichbar zu machen. Im 911 Turbo 3.3 von 1978 hingegen gibt es nichts. Kein Netz, keine doppelten Böden, noch nicht mal ABS. Die einzigen Kontrollinstanzen sind die eigenen Gliedmaßen, der Grenzbereich ist eine Klippe und Dynamik nichts anderes als der größte gemeinsame Nenner aus Mut, Vernunft und Fähigkeit. Hach ja, diese alte Zeit. War sie wirklich so gut?

911 Turbo kocht den 928 ab

Wir sind im Zuffenhausen der 1970er-Jahre. Hinter den Kulissen macht Porsche gerade alles für die Revolution des eigenen Sportwagenprinzips bereit. Der 928 steht in den Startlöchern. Sein Auftrag: den 911 beerben, ablösen, vergessen machen. Doch weil man die Heckmotorikone nicht einfach in der Versenkung verschwinden lassen will, erschafft man ihr zum Abtritt einen Höhepunkt – den 911 Turbo. Den Turbo. Breite Hüfte, Walschwanz, geschmiedete Fuchs-Räder, dazu im Heck ein aufgeladener Dreiliter-Boxer mit 260 PS und einer Leistungsentfaltung, die bis heute Stoff für Schauergeschichten liefert: Hier der Ritter, dort die Bestie, und am Schluss wird dreckig gelacht.

Porsche 911 Turbo 3.3 - Sportwagen - B6-Turbo
Rossen Gargolov
Der Zweiliter-Turbo des 718 lebt komplett zurückgezogen im Untergrund. Fotos von ihm existieren nicht. Und auch der 3.3 im 930 versteckt sich größtenteils hinter Lüfterrad und Ladeluftkühlung.

Genau 1.000 Exemplare des intern 930 genannten Turbos hätten gebaut werden sollen. 1977 stand die Stückzahl bei 2.876, sodass man seine Frist verlängerte – in Form einer Ausbaustufe. Dazu wurde der Hubraum auf 3.299 Kubik vergrößert, die Ladeluft gekühlt, gleichzeitig stieg das Verdichtungsverhältnis um 0,5 auf 7,0 : 1. Resultat: 300 PS, mit denen der 911 seinem designierten Nachfolger endgültig den Kampf ansagte. Wie es ausgeht, wissen wir: Der Turbo überdauert den Putschversuch des 928 ebenso wie die Ölkrise, in die er hineingeboren wurde. Inzwischen regiert seine Dynastie in sechster Generation, erreichte mit 607 PS jüngst einen neuen Leistungshöhepunkt, muss sich aber immer öfter nachsagen lassen, dass sie mit den Jahren immer ruhiger werde.

Plötzlich voller Druck im 911 Turbo 3.3

Damals ist Ruhe höchstens trügerisch, eine Ruhe vor dem Sturm. Beiges Leder, gesetztes Grün, gemütliches Brummeln im Heck. Das Monster am Ende nur ein Märchen? Der Motor wirkt zunächst muffig, der Schub kommt dumpf, die Nadel des Drehzahlmessers klettert lethargisch. Eins. Anderthalb. Zwei. Jetzt wird das Brummeln zum Brummen. Aber dann, kurz nach drei, hört man es kommen. Irgendwas geht auf einmal vor sich im Heck des Porsche 911 Turbo 3.3. Das Brummen wird dunkler, rauer, zorniger. Ein Zischen, dann diese seltsame Anspannung im Kraftfluss, die sich bei knapp Viertaaaaaaauuuuuu ... send Umdrehungen entlädt. Auf einen Schlag, heftig, urgewaltig. Eine Supernova aus Drehmoment, dargeboten als Basejump entlang der Horizontalen. Alles wird von der Ladedruckwelle mitgerissen. Erst das Auto, dann die Gefühlswelt, alles kulminiert in diesem Moment. Danach muss man sich jedenfalls erst mal sammeln, den Magen zurückdrehen.

Und glücklicherweise unterstützt so ein Porsche 718 Cayman die Verdauung des Schocks. Vier Zylinder, das käferige Rasseln des Boxers. Das beruhigt. Keine Frage, der Cayman stammt aus einer anderen Welt, unterhält aber durchaus Parallelen zum Urviech. Der mittige Drehzahlmesser ist die berühmteste, doch auch die Sitze haben sich über die Jahre kaum verändert. Weder ergonomisch noch formell. Und im Gegensatz zum modernen 911, der sich zunehmend von seinem Piloten distanziert, liegt das kompakte Mittelmotorcoupé weiterhin mit der Türverkleidung am Oberarm an – genau wie der Turbo. Recht so.

Sogar in den Fahrleistungen gehen die beiden auf Tuchfühlung. Die 1,8 Sekunden Unterschied beim Sprint auf 200 sind jedenfalls zu vernachlässigen, wenn man bedenkt, dass der Referenz-Cayman a) mit Doppelkuppler arbeitet, dadurch b) eine Launch Control den Start erledigt und c) so ein moderner Pirelli doch besseren Grip hat als sein Vorfahre aus den 70ern.

Die Unterschiede im Fahrverhalten

Allerdings – und damit wären wir bei der Quintessenz dieser Geschichtsrunde – unterscheidet sich das Erlebnis wie Tag und Nacht. Oder besser: wie Himmel und Hölle. Der Zweiliter des Porsche 718 Cayman verteilt den Turboschub über sein komplettes Drehzahlband. Eine minimale Verzögerung im Ansatz, und schon rollt er sich als dichter Drehmomentteppich bis zum Begrenzer aus. Vollflächig, dicht und gleichmäßig. Der Porsche 911 Turbo 3.3 erzeugt noch mehr Kraft, bündelt diese jedoch – und das ist der springende Punkt – auf einem halb so breiten Drehzahlbereich. Und damit klarzukommen ist die Kunst. Oder der Reiz. Der Cayman bietet Vortrieb immer an, oben, unten, in der Mitte, während die Aufladung des Elfer Licht und Schatten hat. Die eine Seite ist die dunkle seiner Macht, das tiefschwarze Turboloch, der ladedruckleere Raum. Gegenüber wütet ein Unwetter biblischen Ausmaßes. Und zwischen diesen beiden Wetterlagen liegt eine Schwelle, die je nach Last entweder zum Abhang oder zur Schanze wird.

Porsche 911 Turbo 3.3 - Porsche 718 Cayman - Sportwagen
Rossen Gargolov
Zwei Sportwagen aus zwei unterschiedlichen Epochen mit gleicher Leistung.

Auf Geraden lernt man irgendwann, mit dieser Sprunghaftigkeit umzugehen. Dann weiß man, wie weit man drehen muss, damit man beim Schalten nicht wieder in den Krater rutscht; und man kann die Keule dosieren, instrumentalisieren vielleicht sogar. Kompliziert wird es jedoch, wenn Kurven ins Spiel kommen.

Das Gemeine: Von Haus aus ist der Turbo eher milde gestimmt. Beim Einlenken untersteuert er fromm und muss an der servofreien Lenkung in die Querbeschleunigung gezwungen werden. Um Dynamik aufzubauen, braucht er dann jedoch Nachdruck von der Hinterachse, – also die Hilfe des Ungetüms. Und hier liegt die Trennlinie zwischen Spreu und Weizen.

Wer zweifelt, gibt besser direkt klein bei. Alle anderen lassen den KKK-Lader nun die Backen aufpusten und pumpen das Heck über Gasstöße herum. Der Blasebalg als Stemmeisen, aber bitte Vorsicht damit. Zwei Regeln, um heile aus der Nummer rauszukommen: Hüte dich vor den Gezeiten, vor allem vorm Einsetzen der Ladedruckflut, und hüte dich vor dem Gedanken, du hättest die Oberhand! Denn die hast du nie.

Ganz im Gegensatz zum Cayman, der sich einem restlos ausliefert. Sich und seine Dynamik gleich mit. Wie ein Slotcar schient er sich an die Ideallinie, lenkt pedantisch, liegt unbeirrbar. Blutige Anfänger entlocken ihm locker 90 Prozent seines Potenzials, während man sich im Turbo bereits auf halbem Weg zum Grenzbereich das erste Mal Gedanken über seinen Nachlass macht. Oder anders gesagt: Vor 40 Jahren genügten 300 PS, um Männer zu Helden zu machen, heute sind sie zu wenig, um einen durchtrainierten Sportwagen vom Vorwurf des Hausfrauen-Porsche zu befreien.

Technische Daten
Porsche 718 Cayman CaymanPorsche 911 Turbo 3.3
Grundpreis55.520 €
Außenmaße4379 x 1801 x 1295 mm4291 x 1775 x 1310 mm
Hubraum / Motor1988 cm³ / 4-Zylinder3299 cm³ / 6-Zylinder
Leistung220 kW / 300 PS bei 6500 U/min220 kW / 300 PS bei 5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit275 km/h260 km/h
0-100 km/h4,7 s
Verbrauch6,9 l/100 km