Alfa Romeo 4C und Giulietta QV im Fahrbericht
Spaßmacher trifft Charakterkerl

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Das gleiche turbofeurige 240-PS-Sportlerherz in zwei grundverschiedenen Autos. Wie fühlt sich das an? Wir sind der Sache auf den Grund gegangen. Vorhang auf für Alfa Romeo 4C und Giulietta Quadrifoglio Verde.

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Foto: Rossen Gargolov

Wenn das mal gut geht: Da steht dieser weiße Flachmann auf der Betonpiste des Flughafens in Lahr, und sein Vierzylinder dreht entschlossen, fast ein bisschen verzweifelt hoch. Der Grund: Beschleunigungsmessung 0 auf 100 km/h. Das Hilfsmittel: Launch Control. Sie pegelt die Drehzahl perfekt ein, wählt den optimalen Schleif- und Einrückpunkt beim Doppelkupplungsgetriebe. 4,5 Sekunden sollen dabei rauskommen. Ziemlich gut für ein 240-PS-Auto. Allerdings eins, das knapp über 1.000 Kilogramm wiegt und in dem hinter dem Rücken des Fahrers ein ganz besonderer 1.742-Kubik-Turbovierzylinder klemmt. Im Alfa Romeo 4C schreit das Ding wie entfesselt, röhrt, stöhnt, pfeift, zischt und stottert am Begrenzer wie ein Derwisch.

Alfa Romeo 4C mit Kohlefaser-Monocoque

Sie sind Single und stehen auf Turbos? Dann können Sie dem Abblasventil des Alfa Romeo 4C direkt einen Antrag machen. Selten hat ein Lader in einem Serienauto so frivol abgeblasen. Es zwitschert und trällert im Nacken des Piloten wie sonst höchstens bei Rallye-Autos. Allein das ist ein Grund, wie ein Kind mit dem Gaspedal zu spielen, ohne Not rauf- und runterzuschalten. Nur um der Turbine beim Druckaufbau und dem Ventil beim Ablassen zuzuhören. Klingt kindisch? Ist es auch. Und wie! Herrlich.

Alfa Romeo hat beim 4C alles gegeben und damit auf vieles verzichtet. Vor allem auf Gewicht. Als einziger Sportler in der bezahlbaren Liga trägt der 3,99 Meter lange Alfa Romeo 4C ein Monocoque aus kohlefaserverstärktem Kunststoff. Nur rund 65 Kilogramm schwer, unerhört steif und ganz nebenbei wunderschön anzusehen mit seinem glanzschwarzen Fasergeflecht unterm glänzenden Klarlack, der überall im körpernahen Carbon-Kokon hervorschimmert.

Alfa Romeo 4C kommt in 4,4 Sekunden auf 100 km/h

Aber auf Glanz und Schick kommt es jetzt nicht an, jetzt gilt es. Die Schaltwippe gezogen, der Eintonner hechtet los. Kurz vor dem Erreichen des Drehzahlbegrenzers, wenn der digitale Drehzahlmesser schon bedrohlich Farbe bekommt, legt das Getriebe selbstständig und zackig den nächsten Gang nach, drückt es die Insassen erneut in den Alcantara-Bezug der Sitze. Jackpot. Die Zielmarke ist erreicht, der Alfa Romeo 4C bekommt seine 4,4 Sekunden auf 100 km/h sowie 12,7 Sekunden auf die Quartermile gutgeschrieben und kann erst mal in Ruhe abkühlen.

Zeit für die buchstäblich große Schwester des Alfa Romeo 4C. Auch wenn sie in mattgrauem Lack eher wie ein Kerl rüberkommt, so bleibt sie doch die Giulietta. Weiblich. Wenn auch als Quadrifoglio Verde mit Spoilern, Carbon-Zierrat sowie großen Rädern. Das Wichtigste aber ist das Herz des grünen Kleeblatts: Der 1,8-Liter-TBi-16V des Showstars 4C. Einfach umgetopft, doch anders als dort – im Zentrum, direkt hinterm Rücken des Fahrers –, hockt er bei der Giulietta vor dem Piloten.

Rund 1,4 Tonnen wiegt der Giulietta

Doch was ist passiert? Die Maschine dreht und schiebt ja auch hier nicht ganz ohne Schmackes, doch der Derwisch trägt mit einem Mal Anzug. Noch mal zur Erinnerung: der gleiche Motor, das gleiche Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe. Aber ganz ohne Drama. Laderpfeifen? Hm. Kaum. Zwitschern? Nix. Klingt der 1.742er im Alfa Romeo 4C wie ein Turbolader mit angeschlossenem Motor, so röhrt der Vierzylinder in der Giulietta wie ein Sauger. Ja, wer möchte, darf sich mit etwas gutem Willen sogar an früher erinnert fühlen. An die famosen Doppelnocker von Alfa zum Beispiel. Für irgendwas muss ja das vierblättrige Kleeblatt auch gut sein.

Vorsicht, unterschätzen sollte man den 4,35 Meter langen Viertürer trotzdem nicht. Der leicht kopflastige 1,4-Tonner lenkt ordentlich ein, greift sich die Wunschlinie für einen vorderradgetriebenen Kompakten recht trocken und präzise, für sich genommen sportiv-dynamisch. Allerdings arbeitet der Doppelkuppler bei ihm ziemlich träge, schaltet bisweilen willkürlich rauf und runter, nimmt sich einen Moment Bedenkzeit. Da vollstreckt der Alfa Romeo 4C ganz anders. Zackzack und ab. Oder sollten wir sagen zickzack? In ihrer Euphorie und Konsequenz ließen die Alfisti nicht nur die Servounterstützung für die Lenkung weg, sondern gleich noch einen halbwegs tolerablen Geradeauslauf auf unebener Piste. Ist der Asphalt glatt, ist alles Bombe, dann lenkt das Ding bissig und ansatzlos wie ein Terrier ein, untersteuert nur mäßig, bleibt neutral, kommt auf Gaspedalbefehl mit dem Hintern raus. Hui, macht das Laune.

Fliegengewicht, der Turbopunch und das offensive Fahrwerks-Layout passen. Pilot und Alfa Romeo 4C kommen sich nah und näher, verschmelzen irgendwann, wenn der Fahrer es will. Der Gasfuß steuert den Puls des Motors, du atmest im Rhythmus des Turboladers, wirst eins mit dieser Maschine und denkst: Toll, warum können andere das nicht?

Giulietta als echter Charakterdarsteller

Bis die ersten Flickstellen kommen, Wellen oder was auch immer die Fahrbahnoberfläche verrunzeln. Jetzt bekommt man am kleinen Lenkrad beide Hände voll zu tun. Buchstäblich. Der Alfa Romeo 4C scheint ständig abbiegen zu wollen. Bloß, dass da keine Abbiegung ist. Der Alfa-Ingenieur nennt die geringe Reibung und die fehlende Dämpfung im servolosen System als Gründe. Wir tippen eher auf sportive Werte bei Sturz und Nachlauf. Egal, wie – für Unterhaltung in den stramm gepolsterten, jedoch überraschend mäßig seitenführenden Sitzen ist gesorgt. Und für Krafttraining, denn schnelle Manöver kosten Muskeleinsatz.

Jetzt schlägt die Stunde der Top-Giulietta. Ihre Servolenkung geht nicht zu leicht, schont aber die Fahrerkondition ebenso wie die generös geschnittenen und komfortabel gepolsterten Sitze. Zwar können sie die Froschhaltung hinterm Lenkrad nicht verhindern, aber die gehört ja irgendwie zum Alfa wie der Romeo. Ach ja, beim Beschleunigen zieht sie mit 6,3 Sekunden auf 100 natürlich nach dem Alfa Romeo 4C den Kürzeren und bremst auch nicht so rabiat wie der Mittelmotor-Giftzwerg. Für den Status des Charakterdarstellers im Segment der teils Baukasten-getriebenen Hot Hatches genügt es dennoch.

Schön, dass es so etwas noch gibt. Rebellen, die trotz einer Motorenherz-Spende nicht auf strengen Baukastensystemen aufbauen, kleine Charakterecken inbegriffen. Und der Alfa Romeo 4C? Er ist und bleibt einfach unvergleichlich. Kaum ein Auto bietet mehr Unterhaltung fürs Geld und für die gefahrene Geschwindigkeit. Liebe ihn oder hasse ihn – vergessen wirst du ihn nicht.

Fazit

Schon klar, wir vergleichen hier Apfel mit Birne. Doch angesichts des identischen Motors müssten Alfa Romeo 4C und Giulietta Quadrifoglio Verde doch zumindest ähnlich schmecken. Dass sich die Alfa im Handling unterscheiden, war ja klar, doch wie sehr sich der Motorcharakter im wechselnden Umfeld tatsächlich ändert, überrascht.

Technische Daten
Alfa Romeo 4C Coupé Launch EditionAlfa Romeo Giulietta 1.8 TBi 16V Quadrifoglio Verde
Grundpreis61.000 €32.500 €
Außenmaße3989 x 1864 x 1183 mm4351 x 1798 x 1465 mm
Kofferraumvolumen110 l350 bis 1045 l
Hubraum / Motor1742 cm³ / 4-Zylinder1742 cm³ / 4-Zylinder
Leistung177 kW / 240 PS bei 6000 U/min177 kW / 240 PS bei 5750 U/min
Höchstgeschwindigkeit258 km/h244 km/h
0-100 km/h4,4 s6,3 s
Verbrauch6,8 l/100 km7,0 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten