Alfa Romeo 4C und Porsche Cayman S im Test
Radikal leicht trifft radikal dynamisch

Durch die radikale Reduktion aufs Wesentliche schuf Alfa Romeo mit dem 4C einen leichten Mittelmotor-Sportwagen, der mehr Emotionen bietet als anderswo ganze Modellpaletten – und federleichte Agilität sowieso. Reicht das, um den Chefdynamiker in dieser Klasse, den Porsche Cayman S, abzuhängen?

Alfa Romeo 4C, Porsche Cayman S, Frontansicht
Foto: Hans-Dieter Seufert

Die Waage, das unbekannte Wesen. Zumindest dem Exemplar im heimischen Badezimmer widmen einige Redaktionsmitglieder – der Autor inklusive – weit weniger Aufmerksamkeit, als sie vielleicht sollten. Dieser Tage allerdings drehte sich alles um die Waage, jedenfalls um die, der sich unsere Testwagen ausgesetzt sehen. Was war passiert? Alfa schickte endlich einen 4C vorbei, jenen vorwiegend aus teurer Kohlefaser gebackenen Sportwagen-Traum, der nicht nur Fans der Marke wuschig macht. Und eben jenen, dem seine Konstrukteure ein Trockengewicht von nur 895 Kilogramm bescheinigen, bei dem sie bislang aber jeden Wiegevorgang erfolgreich vereitelten. Jetzt ist es also raus, fahrfertig und mit vollem Tank rollen 1.024 Kilogramm Alfa Romeo 4C von unserer Messwaage – fantastisch! Das ergibt ein Leistungsgewicht von rund 4,3 kg/PS.

Damit liegt der herrlich kompakte Italiener auf dem Niveau des Porsche Cayman S, des bisherigen Helden unter den (halbwegs) bezahlbaren Mittelmotor-Sportwagen. Beim Preis unterbietet ihn der Alfa Romeo 4C gleich mal ausstattungsbereinigt um schlappe 17.000 Euro, und bereits beim Einsteigen raubt der Alfa dem Porsche zumindest einen Teil seines Sportwagen-Status. Über den breiten Schweller muss man sich tief in den Alfa einfädeln, sitzt dann mitten in einer hochwertig verarbeiteten Kohlefaser-Kiste, bekommt ein winziges Zweispeichenlenkrad gereicht – und sieht fast nichts, außer nach vorn. Nun gut, dort soll es ja auch hingehen. Also Zündschlüssel drehen, und der hochaufgeladene 1,7-Liter-Turbomotor startet mit lautem, sonorem, ein bisschen Gruppe-B-mäßig sprotzeligem Sound. Uhh, das wird ein Fest, ganz bestimmt.

Alfa Romeo 4C ohne Getriebe-Alternative

Jetzt auf der Mittelkonsole die Taste mit der Ziffer 1 drücken, der Gang ist drin, dann einmal auf "A/M", denn in einem Sportwagen schaltet man selbst, basta. Eine Alternative zum Doppelkupplungsgetriebe? Gibt es nicht. Seltsam, wo die Italiener doch sonst beim Alfa Romeo 4C jedes überflüssige Gramm Gewicht verbannen (und beispielsweise Spurstangen sowie Stabis hohl bohren). Jedenfalls modifizierten die Ingenieure das TCT getaufte Getriebe gegenüber den Varianten im Mito und in der Giulietta, das lässt hoffen. Tatsächlich hetzt es geradezu fluchtartig durch die sechs Gänge, reagiert sofort auf die Schaltbefehle des Fahrers und bietet optimalen Kraftschluss. Dabei ploppt der 4C kurz aus seinen beiden Endrohren, dann geht der Klang- und Beschleunigungsrausch weiter. Mit lautem Zischen und Pfeifen baut der Lader Druck auf, braucht einen Moment, bis das Maximum von 1,5 bar anliegt.

Ein Turboloch also? Eigentlich nicht. Vielmehr legt der Alfa Romeo 4C bereits aus dem Stand wacker los, um dann regelrecht zu explodieren, wenn der Balken des virtuellen Drehzahlmessers die 2.500/min abhakt. Laut Datenblatt stehen bei 2.200 Umdrehungen 350 Newtonmeter bereit, was der Direkteinspritzer mit doppelter Nockenwelle die Insassen jederzeit spüren lässt. Ebenso archaisch-brachial, wie das Aggregat schnaubt und pustet, fühlt sich auch die Beschleunigung an, wenngleich der 4C die Werksangabe von 4,5 Sekunden für den Standardsprint recht deutlich, nämlich um eine halbe Sekunde verfehlt – trotz (oder wegen?) der Launch Control.

Was treibt eigentlich der Porsche derweil? Er hadert noch damit, dass er in diesem Vergleich die Rolle der gediegenen Limousine aufgedrückt bekommt. Jedenfalls hat diesen Eindruck jeder, der direkt vom Alfa Romeo 4C umsteigt. Mehr Platz, eine höhere Sitzposition, eine bessere Rundumsicht durch größere Glasflächen, dicke Fußmatten, ein beledertes Armaturenbrett und so weiter – stopp. Denn dann springt der Sechszylinder an, jener freisaugende Traum mit 3,4 Litern Hubraum, der es gar nicht erwarten kann, bis zu seinem Limit von 7.800 Umdrehungen getrieben zu werden.

Jetzt also der Wählhebel des PDK … Moment mal, ein Schalthebel mit H-Schema? Schön, dass es trotz wachsender Beliebtheit von Doppelkupplungsgetrieben noch Handschalter in die Redaktion schaffen. Und ja, mit PDK würde der Cayman noch schneller sprinten. Wenn allerdings der knuffige Schalthebel mit geradezu nebensächlicher Leichtigkeit durch die Gassen flutscht, jede davon praktisch von selbst trifft, treten die reinen Fahrleistungen in den Hintergrund.

Jeder Gang bietet sofort den optimalen Anschluss, und der Fahrer erlebt seinen Porsche ungefilterter. Netter Gag: Im Sport-Plus-Modus sorgt die Elektronik dafür, dass der Motor beim Herunterschalten eine Portion Zwischengas zugeworfen bekommt – nur falls die Hacke-Spitze-Show noch nicht ganz sitzt. Das mit 12,5:1 verdichtete Triebwerk freut sich jedenfalls unbändig über jedes bisschen Gas, tobt sofort los, fräst sich mit doppelrahmig-heiserem Klang die Drehzahlskala empor, legt bei 4.000 Umdrehungen noch eine Schippe Intensität obendrauf und beschleunigt den Cayman S in glatten fünf Sekunden von null auf 100 km/h – patt.

Alfa Romeo 4C mit Turbo-Vorteil

Beim Durchzug allerdings muss der Porsche etwas zurückstecken, hier spielt der Alfa Romeo 4C seinen Turbo-Vorteil aus. Dafür geht ihm wiederum spürbar die Luft aus, wenn der Cayman erst so richtig aufdreht, doch auch der Italiener erreicht seine Höchstgeschwindigkeit mühelos. Mehr noch: Er vernichtet das Tempo mit irrsinniger Gewalt. Mit klar definiertem Druckpunkt und nahezu ohne nachlassende Wirkung realisiert die Bremsanlage mit Vierkolben-Festsätteln an der Vorderachse Verzögerungswerte von bis zu 11,7 m/s².

Da kommt selbst der Porsche nicht mit, dessen Bremsleistung (bis zu 11,6 m/s²) sich wohl kaum der Luschigkeit verdächtig macht. Nur auf wechselseitig unterschiedlich griffigem Untergrund hadern Porsche Cayman S und Alfa Romeo 4C mit ihrer auf maximale Verzögerung ausgelegten ABS- und ESP-Regelstrategie sowie dem, nun ja, lebendigen Mittelmotor-Konzept – Punktabzug bei der Stabilität. Hinsichtlich messbarer Dynamik und subjektivem Fahrspaß wüten die Triebwerke jedoch exakt an der richtigen Stelle in der Karosserie. Hinzu kommt, dass die Fahrwerksauslegung beider Kontrahenten Kurvengeschwindigkeiten ermöglicht, bei denen allein der Gedanke daran in manchen Staaten unter Strafe steht.

Glauben Sie nicht? In der Kohlefaser-Wanne des Alfa Romeo 4C zweifelt nach der ersten Kehre niemand an seinem Potenzial. Ausgerüstet mit optionalem Sportfahrwerk und aufpreispflichtiger 18/19-Zoll-Mischbereifung, wütet der knapp vier Meter kurze Zweitürer über Land, als wäre die Guardia Finanza hinter ihm her, bleibt unglaublich kleisterhaft neutral, ignoriert Lastwechsel-Provokationen – zumindest auf trockener Strecke. Einzig in ganz engen Ecken beginnt der 4C leicht zu untersteuern, das war’s. Dann greift das ESP im Neutral-Modus sanft ein, auf "Dynamic" lässt die Elektronik den Fahrer meist in Ruhe, doch erst in "Race" bleibt sie inaktiv. Dann simuliert sie lediglich eine Differenzialsperre.

Cayman mit 383 Kilogramm mehr Gewicht

Der Cayman nutzt die mechanische Variante, aber nur in Verbindung mit Schaltgetriebe und gegen 1.309 Euro Aufpreis. Trotz des um 383 Kilogramm höheren Gewichts und des höheren Schwerpunkts verkneift sich auch der Cayman Seitenneigung weitgehend. Überhaupt klebt er dem Alfa Romeo 4C am Heck, zieht ähnlich neutral seine Bahn, deutet etwas früher leichtes Übersteuern an, was sich mithilfe der herrlich direkt und unstressig ausgelegten, elektromechanischen Servolenkung jederzeit bestens parieren lässt. Eigentlich muss der Pilot am Kurveneingang nur einlenken, den Rest erledigt er mit dem Gaspedal.

Beim Alfa funktioniert das weit weniger gelassen, was nicht einmal an den hohen Haltekräften der Servolosen Lenkung liegt. Zudem bringen der wüste Leistungseinsatz und die nicht immer optimale Gangspreizung etwas Hektik in den Alfa Romeo 4C – oder Emotionen, je nach Anspruch. Der Cayman bleibt dagegen so entspannt wie württembergisches Weidevieh, auch dann, wenn der Belag wellig wird. Die Lenkung lässt keine Stöße oder Anregungen der Vorderräder durch, meldet allerdings brav Kurskorrekturen. Im Alfa ist dagegen der Teufel los. Alles, was auf die Vorderräder einprasselt, überträgt sich direkt bis in Hände und Arme, weshalb es viel Mühe bereitet, den 4C davon abzuhalten, entweder in den Graben oder in den Gegenverkehr zu hopsen.

Mögen sich echte Männer vielleicht brüsten, damit umgehen zu können – diese Fahrwerks- und Lenkungsabstimmung ist schlicht Quatsch. Sie ändert aber ebenso wenig wie die erstaunlich Seitenhalt-armen Sitze an dem rührenden Erlebnis, endlich in einem Automobil dieser Marke zu sitzen, das mit großer Ernsthaftigkeit seiner Idee gerecht wird. Im Alfa Romeo 4C stecken nicht nur jede Menge Kohlefasern, sondern beste Sportwagen-Gene, die zudem vom Verzicht auf viele Kompromisse profitieren.

Fahrdynamische Vorteile gegenüber dem weitaus teureren, aber auch komfortableren, sichereren, dennoch kaum weniger leidenschaftlichen Cayman bringt ihm das allerdings nicht. Und noch eines zum Schluss: Die Zuladung des Alfa Romeo 4C von 151 Kilogramm ist ein schlechter Scherz. Vielleicht hätte der Waage in diesem Fall etwas mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden sollen.

Connectivity-Check

Das Radio im Alfa Romeo 4C: kleines Display, aber großer Funktionsumfang. Ich weiß, was Sie jetzt denken: Im 4C macht der Motor die Musik, und die kürzeste Route zum Ziel enthält selten die schönsten Kurven. Alles richtig, doch wer sich mit dem Alfa seinen Traum vom Alltagssportler erfüllt, will vielleicht doch mal Radio hören, Musik vom Handy abspielen oder telefonieren. All das kann er mit dem Infotainment-Gerät im klassischen DIN-Format, das vom französischen Freisprechspezialisten Parrot stammt. Die Erfahrung ist auch zu spüren: So ließen sich die beiden Testhandys iPhone 5 S und Samsung Galaxy S5 problemlos koppeln und per Sprachbefehl zur Anwahl von Telefonbuchkontakten einspannen. Auch die Klangqualität von Freisprecheinrichtung, Radio sowie MP3-Musik überzeugte und schaffte die Voraussetzung, angesichts der brachialen Fahrgeräusche überhaupt etwas zu verstehen. Verständnis ist auch angesichts der Bedienung gefragt.

Schon einen Radiosender abzurufen wird zur Knobelaufgabe, von den vielen sonstigen Funktionen ganz zu schweigen: Per Surf-Stick oder gekoppeltem Handy geht das Parrot nämlich ins Internet, ruft Google-Karten, Wetterberichte oder Webradio-Stationen auf. Die Benutzeroberfläche basiert wie die vieler Smartphones auf Android, muss jedoch auf eine Touchscreen-Steuerung verzichten. Über die wenigen Tasten und den großen Drehregler wird die Suche in Menüs zur Qual. Zudem stürzte das Radio im Test ab und ließ sich nur per Reset wiederbeleben. Sie hatten also doch recht: Wir lassen lieber den Motor musizieren und knipsen das Radio im Alfa Romeo 4C aus.

Vernetzung ausbaufähig: Technik-Nerds mit hoher Frustrationstoleranz kommen mit dem Alfa-Romeo-4C-Radio auf ihre Kosten. Android-Betriebssystem und Internetzugang schaffen vielfältige Spielmöglichkeiten. Im puristischen Mittelmotor-Sportler wirkt es jedoch deplatziert.

Fazit

1. Porsche Cayman S
471 von 1000 Punkte

Porsche Cayman S – der universelle Sportwagen-Kick für jeden Tag. Es überrascht kaum, dass ihm seine Ausgewogenheit den Sieg in diesem Vergleich bringt. Es überrascht aber schon, wie unerhört dynamisch der Cayman dennoch fährt. Ebenfalls unerhört: die Kosten, natürlich.

2. Alfa Romeo 4C
447 von 1000 Punkte

Alfa Romeo 4C – der emotionale Quickie aus Italien. Der günstige 4C saugt seinen Fahrer auf, lässt ihn unmittelbar an der Brillanz des Leichtbau-Mittelmotor-Konzepts teilhaben, so sehr, dass die Ausfahrt mit schmerzenden Armen und nassem Shirt endet. Grober Unfug: die Lenkung und die Zuladung.

Technische Daten
Porsche Cayman S SAlfa Romeo 4C Coupé
Grundpreis64.118 €63.500 €
Außenmaße4380 x 1801 x 1295 mm3990 x 1868 x 1184 mm
Kofferraumvolumen425 l110 l
Hubraum / Motor3436 cm³ / 6-Zylinder1742 cm³ / 4-Zylinder
Leistung239 kW / 325 PS bei 7400 U/min177 kW / 240 PS bei 6000 U/min
Höchstgeschwindigkeit283 km/h258 km/h
0-100 km/h5,0 s5,0 s
Verbrauch9,0 l/100 km6,8 l/100 km
Testverbrauch11,8 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten