Aston Martin DB11 im Test
V12-Brite mit Turbo-Power

Um den DB9 war es etwas finster geworden. Seit 2004 hatte er Aston Martin als Basis vieler Derivate treu gedient, zuletzt aber an Glanz verloren. Doch jetzt erhellt sein Nachfolger DB11 die Straße. Er ist völlig neu und kommt mit einem Biturbo-V12.

Aston Martin DB11, Frontansicht
Foto: Hans-Dieter Seufert

Nein, jetzt kommt kein James-Bond-Einstieg. Die Zeiten, als man ein neues Zwölfzylinder-Modell von Aston Martin mit Martini-getränkter Agentenlyrik verbrämen musste, sind vorbei. Der DB11 folgt dem DB9 nach, ist neu und erhält, was er verdient: einen klischeefreien Test. Wenn auch einen emotionalen.

Aston Martin DB11, Seitenansicht
Hans-Dieter Seufert
Dank dem eigenständigem Design erkennt man auch bei Nacht sofort, dass es sich hier um einen Aston Martin handelt.

Zwar beginnt jede Fahrt mit lapidarem Türöffnen. Doch bei diesem Aston Martin hat das eine hypnotisierende Wirkung, es benebelt die Sinne. Der herauswabernde Lederduft bündelt die Aufmerksamkeit auf die olfaktorische Wahrnehmung. In seiner Konzentration erreicht der würzig-herbe Geruch ein Extrait de Parfum; man folgt der Begierde der Nase in den Innenraum.

Tolles Interieur im DB11

Das Leder-Bukett wird den kompletten Test begleiten; selbst nach Stunden im Aston stufen die Rezeptoren die Duftmoleküle nicht in den Bereich des Gewöhnlichen ab, scheinen kaum zu ermüden. Immer wieder sendet der Riechkolben dem Hirn die Nachricht: „Leder“. Preziosen wie der Aston Martin DB11 werden auch als Oldtimer nie müffeln, sondern selbst nach monatelangem Einwintern beim ersten Türöffnen einfach nur duften. In Zeiten von abriebfest beschichtetem und geruchsneutralem Leder ist so etwas durchaus erwähnenswert.

Sofort schafft das naturverbundene Aroma eine Bindung zum DB11. Er beeindruckt, schüchtert aber nicht ein, obwohl man sich im Cockpit erst einmal staunend umblickt. Dabei stellt man fest, warum es so stark nach Leder riecht: Praktisch alles ist mit Tierhaut bezogen, Lüftungsdüsen, Instrumente und Bedienelemente ausgenommen. Man fühlt sich mittendrin in einem Schmuckkästchen; dennoch sieht der Aston nicht nach neuem Geld, sondern nach altem Reichtum aus: weil er außen mit wenigen, aber umso eleganteren Linien auskommt. Und weil er das Armaturenbrett nicht mit Chromleistchen und Holztäfelchen überfrachtet.

V12 schiebt raumgreifend an

Dieser Aston hat Stil, beweist ihn auch im Tonfall: Mögen andere ihre Potenz durchs Megafon herausbrüllen – der DB11 startet nachbarschaftskompatibel mit angenehmem Gebrabbel. Zumindest wenn man ihn per lang anhaltendem Druck auf den Startknopf darum bittet. Doch auch sonst verkneift sich der eigens entwickelte 5,2-Liter-V12 den Radau seiner Vorgänger, welche Kritik an ihrem gebremsten Vortrieb niederbrüllten. Nicht schön, eher laut.

Beim Neuen ist das umgekehrt – und auch sonst vieles anders. Zwar sitzt das Triebwerk, die Tradition pflegend, vorn und das Automatikgetriebe von ZF hinten. Doch entgegen allen Aston-Gepflogenheiten nimmt der Zwölfender erstmals Turbolader zu Hilfe; fiktive (Werksangaben) und reale Welt (Messdaten) dürften damit anders als bei den alten V12-Saugern erstmals in Einklang stehen.

Aston Martin DB11, Cockpit
Hans-Dieter Seufert
Leder wohin das Auge reicht. Das Interieur überzeugt mit reichlich Luxus, welchem sich die Digitalinstrumente leider nicht anpassen.

Tatsächlich schiebt der Biturbo raumgreifend an. Zwar lässt er sich etwas Zeit, bis die beiden Lader zur Attacke blasen; doch schon das Grundmoment des 5,2-Liters schafft eine stabile Beschleunigungsbasis – Hubraum ist eben selbst bei einem Turbotriebwerk durch nichts zu ersetzen. Unaufgeregt legt der DB11 los, ohne schreiende Hinterreifen, ohne Überrumpelung des Fahrers. Als Messwert ausgedrückt sind es vier Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 (Werksangaben: 3,9 sec).

Wer von der enormen Statur auf das Gewicht schließt, liegt richtig: Trotz Aluminium-Chassis zeigt die Waage 1.899 Kilogramm an. Deshalb geht der Aston Martin DB11 großartig, aber nicht dramatisch, entfaltet seine Kraft lebhaft, aber nicht hektisch, dreht lustvoll, aber nicht hysterisch. Er reagiert beim Gasgeben etwas zurückhaltend, pflegt keinen direkten Schlagabtausch mit dem Fahrer. Anders als einige DB9-Derivate mimt der DB11 keinen Supersportwagen. Stattdessen ist er ein Super-GT mit enormer, aber nie überbordender Leistung.

Gute Balance

Selbst bei vollem Ladedruck überwältigt das Drehmoment nicht die 295er-Hinterreifen, stürzt der DB11 seinen Fahrer nicht aus dem seelischen Gleichgewicht. Traktions- und Leistungsvermögen stehen in zweckmäßiger Balance. Nie ist schlagartiger Haftungsverlust zu befürchten – ganz zu schweigen von der fiesen Konterneigung einiger Sportler. Was auch daran liegt, dass das ESP Ausbruchsversuche im Keim erstickt. Wem diese Strategie zu konservativ ist, der findet im Track-Modus einen willfährigen Sparringspartner (den ESP-Modus konfiguriert man etwas umständlich im Untermenü).

Wir haben den Aston Martin auch ohne Netz und doppelten ESP-Boden bewegt (in Boxberg). Weil in diesem Fall respektheischende 700 Nm ungezügelt über die Hinterachse herfallen, kalkuliert man hierfür gerne die Auslaufzonen eines Handlingkurses ein. Doch der Aston Martin DB11 umschifft sie, bremst seinen Fahrer nach zu forschem Einlenken schlicht mit sanftem Untersteuern ein. Wer dagegen nach dem Scheitelpunkt zu viel Gas gibt, ruft die Hinterachse auf den Plan; sie vergrößert dann stetig den Kurvenradius. Der Drift lässt sich über die gefühlsechte Lenkung sowie die harmonische Leistungsentfaltung gut dosieren. Oder beenden.

Bodenständiger Sportler

Von Hinterlist keine Spur – der Aston zeigt sich bodenständiger, als es seine abgehobenen Leistungsdaten vermuten lassen. Sie wollten im englischen Gaydon keinen kippeligen Supersportwagen auf die Räder stellen. Dennoch würde sich der DB11 auf der landstraßenähnlichen Piste von Boxberg ernsthaft mit einem Lotus Elise Cup zoffen (gleiche Rundenzeit, 0.46,8 min) sowie einen deutlich sportlicher positionierten Vantage S (0.47,1 min) knapp überflügeln.

Aston Martin DB11, Motor
Hans-Dieter Seufert
Der V12-Biturbo leistet stolze 608 PS und 700 Nm. Der DB11 bleibt trotzdessen gut beherrschbar.

Während auf der Rundstrecke das schiere Gewicht den Vorwärtsdrang limitiert, ist es auf der Hausstrecke die Breite des DB11. Es dauert einige Kilometer, bis man die Abmessungen verinnerlicht hat und die Achsen perfekt zwischen Mittelstreifen und Bankett platziert. Eine kurvige Straße, die man am Morgen noch etwas eckig genommen hat, flutscht erst am Abend wie aus einem Guss.

Mühelose Schnelligkeit

Dann, wenn man nicht mehr mit den Maßen kämpft, fällt das Können des Fahrwerks auf: Es egalisiert Bodenwellen ohne Aufhebens und fördert die mechanische Traktion der Hinterachse mit sanftem Ansprechverhalten. Das erlaubt mühelose Schnelligkeit.

Sorgen die geschmeidigen Bilstein-Stoßdämpfer auf der Landstraße für saugende Spurhaltung, so formen sie den Aston auf der Autobahn zum GT. Gran Turismo, also gemacht für die große Reise zu zweit, für die Fahrt mit hohem Tempo bei niedriger Belästigung. Spätestens jetzt fällt die körpergerechte Ergonomie des Neuen auf, die passende Sitzposition, der angenehme Kompromiss aus bequemer Polsterung und Seitenhalt. Und hier an dieser Stelle erhält auch das Infotainment-System Aufmerksamkeit: Es stammt aus der Kooperation mit Mercedes, bringt der altehrwürdig-englischen Marke jene Modernität, die sie vor hoffnungsloser Rückständigkeit bewahrt. Leider verdrängen in diesem Zug digitale Anzeigen die Rundinstrumente.

Auch beim Spritverbrauch zeigt sich der große Aston dem Zeitgeist aufgeschlossener als seine Vorgänger. 13,4 Liter auf 100 Kilometer sind es im Schnitt, sportlich bewegt werden 17,2 l/100 km daraus. Die tägliche Routine schüttelt der Aston Martin DB11 so locker aus dem Ärmel wie die weite Urlaubsreise, ohne die Fahrt zur Beiläufigkeit zu degradieren. Er gestaltet sie in lässig-luxuriöser Umgebung äußerst angenehm. Und dabei nährt der DB11 die Erkenntnis, dass er zwischen dem fiebrigen Ferrari F12 und dem gesetzten Bentley Continental GT das Thema Super-GT ganz selbstbewusst interpretiert – in einer Linienführung, die schon jetzt Ewigkeits-Charakter besitzt.

Keine verkrampfte Sportlichkeit

Aston Martin hat es geschafft, den analogen Stil des DB9 in die Neuzeit zu transferieren, ohne ihn zu weit zu digitalisieren. Der Aston Martin DB11 hechelt keinem Ideal hinterher, das in straßenfernen Marketingbüros ersponnen wurde, beugt sich nicht verkrampfter Sportlichkeit. Dieser Charakterkopf wird sich selbst ohne Schützenhilfe von James-Bond-Klischees am Markt behaupten.

Vor- und Nachteile
Karosserie
Aston Martin DB11
gutes Raumangebot vorn
edle Innenraumanmutung
einfacher Einstieg vorn
gut zugänglicher Kofferraum
einfache Bedienung samt Spracheingabe
wenig luxuriös wirkende Digitalinstrumente
eingeschränkte Rundumsicht
praktisch keine Beinfreiheit
auf den beiden Rücksitzen
Fahrkomfort
guter Federungskomfort
hohe Reisetauglichkeit
bequeme und gut stützende Sitze
kultiviertes Motorgeräusch
Antrieb
angenehme, gleichmäßige Leistungsentfaltung
stämmiger Durchzug
enormer Schub
Fahreigenschaften
weich einsetzender Grenzbereich
einfache Fahrbarkeit
mitteilsame Lenkung
hohe Agilität
stabiler Geradeauslauf
Sicherheit
wirksame und standfeste Bremsanlage ESP
Eingriffe wählbar von rigide bis dezent
Umwelt
künftiger Klassiker und damit nachhaltig, weil lange Nutzungsdauer
hoher Verbrauch
Kosten
kostenlose Wartung für 5 Jahre
enorm hoher Kaufpreis
teure Optionen
keine allgemeingültige Kaskoeinstufung

Fazit

Der DB11 ist ein klassischer Gran Turismo moderner Ausprägung – mit einem seidigen, kraftvollen Zwölfzylinder. Und mit einem angenehmen Reisekomfort. Und guter Agilität. Zu (klar!) hohen Kosten.

Technische Daten
Aston Martin DB11 Coupé 5.2 V12
Grundpreis218.595 €
Außenmaße4739 x 1940 x 1279 mm
Kofferraumvolumen270 l
Hubraum / Motor5204 cm³ / 12-Zylinder
Leistung447 kW / 608 PS bei 6500 U/min
Höchstgeschwindigkeit322 km/h
0-100 km/h4,0 s
Verbrauch11,4 l/100 km
Testverbrauch13,4 l/100 km