Aston Martin DB11, Jaguar F-Type SVR, BMW M6 Competition
Wer ist GT und wer Sportwagen?

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Aston Martin meldet sich mit dem DB11 im 21. Jahrhundert an, Jaguar zündet die F-Type-Extremfassung SVR. Bringt die Druckwelle aus England den Platzhirsch BMW M6 Competition ins Wanken?

Aston Martin DB11, Jaguar F-Type SVR, BMW M6 Competition
Foto: Hans-Dieter Seufert

Zahlen seien das Wesen aller Dinge, hat ein gewisser Pythagoras einmal gesagt. Und auch wenn ich aus leidvoller Erfahrung weiß, dass es nicht ratsam ist, den Sätzen dieses Herren zu widersprechen, scheint er sich in diesem Falle zu täuschen. Denn über das Wesen dieser Vollformat-Coupés sagen Zahlen erst mal gar nichts aus. Eigentlich liegen die drei ja ganz eng beisammen: Gerade mal 33 PS trennen den Schwächsten, den Jaguar F-Type SVR, vom Leistungskrösus, dem Aston Martin DB11. In Relation zu den jeweiligen Gewichten verdichtet sich der Abstand sogar auf ein mickriges Zehntelkilo pro PS, die Drehmomente von maximal 700 Nm sind sogar identisch. Und im Sprint auf 200 fächert sich das Feld gerade mal um eine halbe Sekunde auf.

Aston Martin DB11, Jaguar F-Type SVR, BMW M6 Competition
Hans-Dieter Seufert
Die 3 unterscheiden sich kaum in ihren Werten. Die Unterschiede liegen im Fahrzeugwesen und Fahrverhalten.

Doch der Schein ihrer Ähnlichkeiten trügt. Und ich meine damit nicht die Unterschiede in Antriebsauslegung oder Zylinderzahl, sondern eben das Wesen, das sich in ihnen verbirgt. Lassen Sie mich kurz ausholen: Alle drei bewegen sich im Spannungsfeld zwischen Gran Turismo und Sportwagen, unterscheiden sich jedoch darin, in welche Richtung sie tendieren – wobei Zielsetzung und erreichtes Ziel bisweilen etwas auseinanderdriften.

F-Type SVR: Jaguars schärfste Waffe

Jaguar ist das beste Beispiel. Irgendwann – lang, lang ist's her – hat irgendjemand die Marschroute ausgegeben, dass die Marke dringend einen Sportwagen benötige, einen echten, richtigen, vollblütigen, so wie das in seinen frühen Jahren der E-Type gewesen ist. Der erste Versuch, die Marken-Ikone zu beerben, war der XJS und ging gleich mal gehörig in die Hose – nicht nur unter sportlichen Aspekten. Und auch die diversen XK, welche die undankbare Aufgabe in der Folge übernahmen, versanken recht schnell und recht regelmäßig in den großen Fußstapfen. Zwar waren sie bisweilen wunderbare Gran Turismo, der ersehnte Sportwagen ließ sich aber auch mit Gewalt nicht aus ihnen herausquetschen.

Was war die Folge? Man hat die ganze Chose wieder eingestampft, neu ausgerichtet und wieder auf dieselbe Mission geschickt – diesmal als F-Type. Der war wilder, radikaler, lauter als alles zuvor, was ihn auf Anhieb jedes GT-Verdachts enthob. Allerdings geriet er auch ein bisschen schwer – zumindest gemessen an jenen, denen er nacheiferte. Geradeaus ließ sich dieser Nachteil mit den Kompressormotoren prima kompensieren, Kurven jedoch setzten ihm zeitlebens zu, sodass sich die Hoffnung, es endlich geschafft zu haben, kurz vor dem Ziel immer wieder zerstreute. Einen Schuss hat man aber noch: Die finale Eskalationsstufe des F-Type, den SVR, der das letzte fehlende Quäntchen nun herausholen soll. Und im Gegensatz zu den einstigen RS-Modellen des XK, die wenig mehr konnten als ihre jeweilige Ausgangsbasis, und das Wenige kaum besser, hat er hier auch das Zeug dazu.

Competition-Kit verfeinert den M6

Bei BMW ist die Lage eine ganz andere. Hier geht es nicht ums Können, sondern ums Wollen. Seit dem M1 anno 1978 weigert man sich bei M standhaft, einen Sportwagen zu bauen, beherrscht das Prinzip aber so gut, dass immer wieder welche entstehen. Der M4 GTS hat seine Qualifikation diesbezüglich erst mehrfach nachgewiesen – rundenzeitlich ebenso wie im Handling. Und auch der M6 geriet doch weitaus sportlicher, als es mit seiner körperlichen Veranlagung eigentlich gehen dürfte – wenngleich nicht von Geburt an. Er kam als Biest zur Welt, als einer jener entzückenden Zeitgenossen, die gleich wild mit dem Heck um sich schlugen, wenn man sie im falschen Moment mit dem Gas erwischte. Schritt für Schritt brachte man ihm dann aber Benehmen bei.

Erst mit den Verfeinerungen des optionalen Competition-Kits, das neben der obligatorischen Leistungsspritze auf 600 PS auch Rekalibrierungen in Fahrwerk und Regelelektronik umfasst. Und später mit einer tief greifend modifizierten Hinterachse, die unter Last nun weit mehr Querbeschleunigung verträgt als ihr Pendant in der Anfangszeit.

Solche Reifeprozesse hat der DB11 noch vor sich. Er ist das Küken der britischen Manufaktur, der Nachfolger des erfolgreichsten Aston Martin aller Zeiten und praktisch verdammt dazu, das eines Tages selbst zu sein. Der interne Erfolgsdruck ist enorm, hier jedoch hat er wenig zu verlieren. Denn im Gegensatz zu den beiden anderen, die mit SVR- respektive Competition-Fassung bereits am Gipfel ihrer jeweiligen Evolution angekommen sind, definiert er hier den Ausgangspunkt, aus dem in den kommenden Jahren ein Vanquish und womöglich auch ein S-Modell entspringen werden.

Dementsprechend muss er ein wenig Luft lassen nach oben und biegt im angesprochenen Spannungsfeld daher dezidiert in Richtung Gran Turismo ab. Nun ist dieser Begriff in den letzten Jahren jedoch leider schwer in Mitleidenschaft gezogen worden: durch aufgedunsene Großraumlimousinen, die seine Initialen missbrauchten, durch dramatisch übergewichtige Nobelmobilien mit fehlgeleiteter Selbsteinschätzung oder dadurch, dass man ihn fälschlicherweise denjenigen anheftete, die es eben nicht zum Sportwagen gebracht hatten – als eine Art Trostpflaster, wenn man so will.

DB11 definiert GT

Der Aston Martin DB11 führt den Begriff GT jetzt wieder seiner ursprünglichen Bestimmung zu. Und die befindet sich ziemlich genau in der Mitte zwischen ultimativer Performance und purem Genuss. Oder anders: Er versteht sich als Goldener Schnitt aus Dynamik und Lässigkeit – wobei das eine das andere zu keiner Zeit einschränken oder gar ausschließen darf. Selbst wenn er attackiert, wird ein anständiger GT nie aggressiv, gleichzeitig bleibt er auch bei völliger Entspannung immer fokussiert – und diesen Spagat haben sie hinbekommen.

Für das, was wir hier veranstalten mit ihm, ist der DB11 jedoch nicht vorgesehen. Andererseits sind seine fahrdynamischen Voraussetzungen aber auch zu gut, um ihn nur für seinen hinreißenden Body, seine Ausstrahlung oder die Tatsachen zu feiern, dass die Ledertapete seines Innenraums so wunderbar würzig duftet und ausschließlich von schottischen Rindviechern stammt. Hinterachssperre, Torque-Vectoring-Funktion, Antriebsteile aus Carbon, Transaxle-Getriebe und dazu ein eigens entwickelter V12-Doppelturbo mit 608 PS, der aus Balancegründen komplett hinter die Vorderachse rücken musste – sorry, aber so verrenkt sich keiner, der nur die Corniche entlangschnulzen will.

Anders als bei BMW und Jaguar ist Understatement für ihn dabei oberstes Gebot. Seine Abgasanlage trägt er zweiflutig, während die anderen jeweils vier Rohre durch ihre Diffusoren recken; die Aerodynamik-Maßnahmen zeigen sich weitestgehend unterhalb des Alukleids statt wie beim F-Type SVR als prominentes Arschgeweih on top; und im Gegensatz zur überwiegenden Mehrheit in seiner Leistungsliga, die frühmorgens beim Anlassen erst mal die halbe Siedlung aus den Betten bellt, kann man – ich wiederhole: kann man – den Aston auch leise starten. Kurzum: Es geht ihm um die richtige Mischung aus Diskretion, Potenz und Stil und die richtige Dosis für all das.

Aston Martin DB11, Cockpit
Hans-Dieter Seufert
Das Interieur im DB11 wurde komplett überarbeitet und modernisiert. Hier bedient sich Aston Martin beim Kooperationspartner Mercedes-AMG.

Und die ist kompliziert zu finden. Der DB9, sein Vorgänger, verkünstelte sich jedenfalls dabei. Seine brunftige Fanfare korrespondierte nie mit dem balladesken Handling; die gegenläufigen Rundinstrumente vergaßen vor lauter Detailverliebtheit, dass sie primär Anzeigen waren; und auch das einstige Start-Zeremoniell, bei dem man eine kristallgläserne Schlüsselskulptur in die Mittelkonsole schob, wirkte – mit Abstand betrachtet – zuletzt schon sehr aufgesetzt.

Britisches Fahrgefühl im DB11

Ihn hier entschnörkelte man nun nachhaltig. Gestartet wird ganz profan per Knopfdruck, wovon ein Aston Martin noch lange nicht schnöde wird; im Instrumentenschacht steckt ein Display, das sich gemäß den Fahrmodi animiert, dabei aber weder zu schmucklos noch zu schrill erscheint; Infotainment und Assistenzsystematik basieren auf der Technologiesubstanz von Kooperationspartner Mercedes-AMG, funktionieren um Welten besser als das Flickwerk von einst, verschwäbeln aber keineswegs die Britishness; und auch das Fahrgefühl wirkt trotz des traditionellen Aston-Flairs klarer, moderner und vor allem sportlicher.

Tiefere Sitzposition, mehr Raum innen, eine Lenkung, die reichlich Fahrbahnkontakt durch ihre Elektromotorik lässt, und als Krönung die Stilsicherheit des Motors, der die natürliche Gewalt seiner 5,2 Liter Hubraum eben nicht mit Turboboost überschwemmt, sondern ihn ganz sachte darunterhebt. Im Ansatz mag ihm die Vorwitzigkeit des Jaguar- Kompressors zwar ebenso abgehen wie obenraus der unbändige Wille des BMW-Biturbos, dazwischen jedoch, wo 700 Nm wogen, entsteht ein ganz besonders stimmungsvolles Kapitel Fortbewegung.

Rowdy, Vulkan, Naturschauspiel

Beschleunigen wir die drei mal durch. Der Jaguar F-Type wird von seinem Drehmoment regelrecht vom Fleck gerissen, dem BMW M6 eruptiert es wie schaumig geschlagene Magma aus den Antriebskatakomben, im Aston hingegen wird man von ihm davongetragen – zärtlich, aber auf kräftige Art, fast so, als würde einen eine laue Brise mit der Stärke eines Orkans erfassen. Und diese Luftigkeit strahlt auch aufs Fahrverhalten ab. Alles arbeitet präzise und exakt, gibt der Querbeschleunigung Kontur, webt einen aber eher dem Straßenverlauf entlang, statt sich so richtig zu verstricken mit ihm.

Das Verblüffende: Trotzdem ist der Aston voll bei der Musik. Mit Stahlscheiben bremst er die Keramikanlagen von BMW und Jaguar in den Warm-Messungen aus; mit 4,0 Sekunden auf 100 fehlen ihm nur drei Zehntel auf den allradgetriebenen und 90 Kilo leichteren F-Type SVR; und selbst auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim, der Langhaubern mit seinem kantigen Layout nicht so wirklich auf den Leib geschneidert ist, turnt er munter mit. Die Karosseriebewegungen sind vielleicht etwas zu ausladend für den ganz großen Sport, sowohl beim Anbremsen als auch in Kurven – aber wir erinnern uns: Dynamik und Lässigkeit müssen ja stets in Einklang stehen. Und auch wenn ihm dieser Umstand sicherlich nicht hilft, nennenswert zu hemmen scheint er ihn genauso wenig. Sein dreistufiges Fahrwerk schert das 4,75-Meter-Coupé mit energischer Eleganz ins Eck, hält der Fliehkraft ebenso beharrlich stand wie ansteigender Last, um das Heck dann, wenn es den Bridgestones doch zu viel wird, etwas schwingen zu lassen – natürlich ohne dass die Haftung dabei zu abrupt abreißen würde oder gar Schweiß die Handflächen einnässte.

Zwei Dinge sind aber zu beachten: Zum einen reagiert der V12 sehr taub auf kurze Gasimpulse – das Getrippel, was manche gerne machen, wenn sie genau am Limit entlangspitzeln, verpufft also einfach. Zum anderen muss man die Bremse im Auge behalten. Sie keilt die gut 1.900 Kilo grundsätzlich sehr souverän in den Bremszonen, im Laufe der Runden zieht sich ihr Druckpunkt jedoch immer tiefer in den Pedalweg zurück, was ein klares Indiz für Überanstrengung ist. Am Ende notiert der DB11 dennoch eine gute Rundenzeit von 1.13,6 min. Das werden unterm Strich sieben Zehntel Rückstand auf den M6 sein, angesichts der Unterschiede in der Ausrichtung ist das weniger Schlappe als Triumph.

Dynamikkünstler M6

Der BMW ist dem DB11 konzeptionell zwar nicht unähnlich: quergesperrter Hinterradantrieb, stattliches Leergewicht, nahezu paritätisch verteilte Achslasten – allerdings kommt er ganz anders rüber. Technokratischer, satter, ambitionierter. Der 4,4-Liter-V8 grollt weit finsterer als die orchestrale Hochdreh-Fanfare des Aston-V12, das Doppelkupplungsgetriebe durchschlägt die Drehzahlbänder, während sie der Achtstufenautomat im DB11 eher zurechtschnibbelt, und statt sich mit lockerer Leine an der Ideallinie einzuklinken, zurrt der M6 sich richtig an ihr fest – sich und seinen Piloten gleich mit. Wobei sich die Kennlinien der Anknüpfungspunkte – also Lenkung, Dämpfung und Ansprechverhalten – jeweils noch mal gesondert straffziehen lassen.

Konsequenz: Während der DB11 auch im schärfsten Fahrwerksprogramm immer ein bisschen Spiel lässt zwischen Aktion und Reaktion, liegt im M6 beides ganz eng an. Ob das so viel stimmungsvoller ist? Schwer zu sagen, dynamischer ist es aber in jedem Fall.

Wenngleich der Vorsprung auf der Strecke nicht ganz so gravierend ausfällt, wie er zu sein scheint – oder wie er sein könnte. Denn dieser BMW M6 Competition erreicht sein eigentliches Niveau nicht ganz: Fünf Zehntel fehlen ihm auf seine bisherige Bestmarke. Spuren? Suche! Am Handling an sich fällt nichts auf, schon gar nicht negativ. Die Lenkung verlinkt einen extrem direkt mit den Vorderrädern, hakt ihn an seinen Michelins stabil in Kurven ein, während sich das Fahrwerk stets mit Erfolg gegen ein ungesundes Maß an Roll- und Nickbewegungen stemmt – was bei dem Trumm eine echte Leistung ist. Aufpassen muss man nur beim Anbremsen. Ist man spät dran, gerät die ABS-Regelung ins Stolpern, und die Fuhre tollpatscht geradeaus – das ist sicherlich kein Prädikatsmerkmal, aber auch nichts Neues beim M6 und deshalb kaum der Grund hinter der leicht abfallenden Rundenzeit.

Es hängt woanders, nämlich beim Herausbeschleunigen, und zwar im Wortsinn. Eigentlich ist der M6 ja der geborene Powerslider, früher – wie gesagt – sehr exzessiv, seit dem Update der Hinterachse in sehr gesundem Maß. Dieses Exemplar hier scheint den Quertrieb jedoch zu blockieren, künstlich, als wäre da noch was unterhalb des abschaltbaren ESP, eine Art Sicherheitsleine, die die Freigabe von Drehmoment in Abhängigkeit der Lenkwinkel begrenzt.

BMW M6 Competition, Frontansicht
Hans-Dieter Seufert
Das Handling im M6 ist direkt und stabil, aufpassen muss man beim Anbremsen, hier gerät das ABS gerne ins Stolpern.

Schon im M4 GTS fiel dieses Phänomen auf, und auch der M4 Competition gleitrieb kurvenausgangs längst nicht so ungezügelt wie das Grundmodell. Der Unterschied: Beide profitierten davon in der Fahrbarkeit und letztlich auch in der Rundenzeit, weil das System – wenn es denn eines ist – fast wie ein Rennsport-ESP agierte und einen blitzsauber an der Kante zur Gleitreibung entlangregelte. Den M6 hingegen engt diese Drosselung in seinen Möglichkeiten ein. Sie greift zu früh und zu stark, sodass vor allem nach der Sachs- und der Südkurve Zeit liegen bleibt – also genau dort, wo du mit zusammengezwickten Pobacken sonst noch das ein oder andere Zehntel holst.

Na ja, war der erste Gedanke danach, schade drum, aber was soll schon groß passieren. Den Aston hält er trotzdem in Schach, und der Jaguar wird ihm wegen dem bisschen Haustuning seitens der Special-Vehicle-Operatoren auch nicht gleich über den Kopf gewachsen sein.

Trotz Leichtbau speckt der F-Type nicht wirklich ab

Zumal sich der SVR im ersten Moment nicht großartig anders anfasst als sein Ursprung, der F-Type R AWD – vom Flaum des vielen Alcantara mal abgesehen. Das gestraffte und versteifte Fahrwerk mag im Vergleich etwas definierter in Verwerfungen dotzen; und auch die Lenkung hält die Vorderräder nun ordentlich fest, statt je nach Lenkwinkel mal mehr, mal weniger lose an ihnen herumzubaumeln. Die Leichtbau-Anstrengungen mit Dingen wie Kohlefaser-Karosserieteilen oder einem Endschalldämpfer aus Titan fallen aber genau wie das Power-Push-up zu gering aus, um wirklich spürbar zu sein. 25 PS und 20 Nm mehr bei – im konkreten Fall – sieben Kilo weniger gemessen an einer 550 PS starken, gut 1.800 Kilo schweren Ausgangsbasis sind in etwa so, als würde man Schlagobers auf einen Bottich voller Sahne klecksen und dann den Stiel aus der Geleekirsche obendrauf zupfen.

Jedenfalls bringen erst die Messungen Vorteile ans Licht: Mit 3,7 Sekunden tobt der SVR bis 100 nicht nur dem Standardmodell davon, das seinerzeit glatte vier benötigte. Auch die Konkurrenten gucken wegen seines Traktionsvorteils ziemlich in die Röhre. Im weiteren Sprintverlauf bleibt sein Vorsprung zwar weitgehend konstant, die gefühlte Tempozunahme ist im Vergleich zu Aston und BMW aber noch mal ein ganzes Eck massiver.

Das hängt mit dem fulminanten V8 zusammen, der einen mit Kraft regelrecht druckbetankt. Auch die kompaktere Karosserie spielt eine Rolle, zumal sie einen nicht ganz so fürsorglich abschottet gegenüber der Außenwelt wie die anderen zwei. Vor allem aber ist es der Klang, der den Unterschied macht und für den SVR sogar noch mal mit der Kratzbürste nachgekämmt wurde. Versoffenes Grölen beim Anlassen, blechernes Brodeln bei leichten Gasbefehlen, sperrfeuriges Geknatter bei Kick-down, Spratzeln beim Schalten und Nachgurgeln beim Gaswegnehmen – im täglichen Umgang mag das gehörig auf die Nerven gehen. Stimmt die Stimmung, ist es – mit Verlaub – einfach nur geil.

Beim SVR passt alles

Überhaupt distanziert sich der Jag recht klar von seinen viersitzigen Kollegen. In der Außendarstellung sowieso, aber auch im Fahrverhalten. Er wirkt nicht ganz so satt wie der BMW, nicht ganz so leger wie der Aston Martin, dafür beweglicher als die zwei – und als viele andere mehr. Bereits im Slalom lässt er aufhorchen, in Hockenheim vergeht so einigen Hören und Sehen dann komplett.

Bisher war die Rennstrecke seine Sache nicht. Bei den Hecktrieblern scheiterte es schlicht an der Traktion, bei den Allradlern am Zusammenspiel aus Kraftverteilung und Torque Vectoring, das einfach nicht klappen wollte. Man hatte immer das Gefühl, das eine System wisse nicht, was das andere tat, sodass man stets zwischen Unter- und Übersteuern hin- und hertaumelt. Der Fahrspaß, der daraus entstand, hatte jedenfalls eher etwas mit Klamauk zu tun.

Im SVR wird er nun jedoch zu britischem Humor – und zwar von allerfeinster Sorte. Bei ihm passt auf einmal alles. Beim Einlenken, wenn man ihn auf der Bremse Richtung Kurve zieht, drallt er mit Effet hinein; beim Rausbeschleunigen findet der Antrieb immer die richtige Balance aus Haftung und Slide; und selbst dazwischen, im Kurvenverlauf, wo ihm die im Vergleich eher kopflastige Gewichtsverteilung den Bewegungsapparat verklumpen müsste, fährt er extrem agil, findet dank der breiteren Reifen nun besser Halt – und bleibt dabei dennoch anspielbar für fahrerische Eingriffe.

Man kann ihn permanent nachjustieren, ihn an der Lenkung hinzupfen, wo man ihn haben möchte, und bei Bedarf mit dem Gas am Hintern kitzeln – ganz intuitiv und ohne dass man sich fürchten müsste. Geraden reißt der F-Type nieder, das konnte er schon immer besonders gut, doch statt in Kurven wie bisher herumzukaspern, zwirbelt er sich jetzt durch sie hindurch. Und obwohl sich Katzen-Assoziationen wegen ihres inflationären Gebrauchs in Jaguar- Storys eigentlich verbieten: Er und die Ideallinie sind tatsächlich wie Miezi und Wollfaden.

Rundensieg für den F-Type

Das Beste daran: Dieser Spieltrieb spornt ihn zu Höchstleistungen an. 1.11,4 min! Leute, das ist anderthalb Sekunden schneller als der BMW, der klare Testsieg und endgültig der erfolgreiche Abschluss einer nicht enden wollenden Mission – wer hätte das noch für möglich gehalten?

Doch nicht nur Jaguar hat Grund zum Feiern. Auch Aston Martin gelingt ein eindrucksvolles Comeback: Der DB11 ist ein formidabler GT, der einzig wahre derzeit, dem zu einem M6 Competition so allzu viel nicht fehlt – weder auf der Strecke noch in der Punktebilanz. Nur eines stinkt mir daran: Dass dieser Pythagoras schon wieder recht hat mit einem seiner Sätze – wie früher in der Matheklausur. Denn selbst wenn Zahlen vielleicht nicht das Wesen dieser drei hier definieren, ihre Wesenszüge unterstreichen sie definitiv.

Fazit

Diesmal gibt es gleich zwei Überraschungen: Die eine schenkt sich der Aston Martin DB11, der dank einer blitzsauberen Fahrwerksabstimmung, seines wolllüstigen V12-Motors und des athletischen Handlings in den Windschatten eines gewiss nicht unbeweglichen M6 Competition schlüpft – und dabei trotzdem alle Leitlinien eines Gran Turismo erfüllt. Überraschung Nummer zwei gelingt dem Jaguar: Immer wieder musste sich der F-Type anhören, dass er ein wunderbares Auto sei, barbarisch klinge, abartig vorwärtsgehe, bla, bla, bla. Und am Ende kam immer das große Aber. Diesmal jedoch scheffelt er 77 Punkte aus unseren Wertungsdisziplinen, das ist nur knapp weniger als bei einem Porsche 991 Carrera GTS – und damit absolutes Sportwagenniveau, ganz ohne Wenn, und vor allem: ganz ohne Aber!

Technische Daten
BMW M6 Coupé Competition M6Aston Martin DB11 Coupé 5.2 V12 Jaguar F-Type SVR Coupé SVR
Grundpreis147.400 €218.595 €138.400 €
Außenmaße4898 x 1899 x 1374 mm4739 x 1940 x 1279 mm4475 x 1884 x 1311 mm
Kofferraumvolumen460 l270 l408 l
Hubraum / Motor4395 cm³ / 8-Zylinder5204 cm³ / 12-Zylinder5000 cm³ / 8-Zylinder
Leistung441 kW / 600 PS bei 6000 U/min447 kW / 608 PS bei 6500 U/min423 kW / 575 PS bei 6500 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h322 km/h322 km/h
0-100 km/h4,1 s4,0 s3,7 s
Verbrauch9,9 l/100 km11,4 l/100 km11,3 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten