Aston Martin DBX im Test
Luxus-SUV mit AMG-Genen

Gekieste Auffahrten raufknirschen, smart rüberkommen und auf der Piste herzhaft zubeißen konnten die Typen aus Gaydon schon immer. Mit dem DBX dringt Aston Martin nun in den Kosmos jenseits von Asphalt und beengten Fondplätzen vor. Und zieht bei Bedarf gleich vier amtliche Kiesfurchen.

Aston Martin DBX, Test ams 0221
Foto: Maximilian Balázs

DBX: für manche lediglich Insignie des neuen Aston Martin. Zeitenwende. Transformation. Platz, Allradantrieb, Offroad-Potenz. Doch die Älteren unter uns, ehemalige Hinterbandkontrolleure und Pegel-Pingel, denken bei dbx an die alten Zeiten, 80er-Jahre. An ein Rauschunterdrückungssystem aus einer analogen Ära, in der man noch selbst mitschnitt. Mixtapes, verpasste Einsätze bei der Aufnahme, Moderatoren, die in die Aufnahme brabbelten. dbx war Dolby-Konkurrent, kam aber nie aus den Hufen und verschwand.

Unsere Highlights

Im Gegensatz zu Aston Martin. Das Totenglöckchen läutete bisweilen schon aus der Ferne, Bedenkenträger raunten, Pedanten monkten. Es gab mal einen Chef bei uns, der sagte: Ausrufezeichen nur benutzen, wenn die Marsianer landen. Egal. Wir hauen jetzt eins raus, so wie Aston den ersten SUV! Natürlich mit handgeschaltetem V12-Sauger. Halt, so weit geht die Authentizität dann doch nicht. Wozu auch, bei einem Partner, der so tolle Care-Pakete schickt von Mercedes und AMG. Konkret: das Comand-Bediensystem vor MBUX und den Antriebsstrang, bestehend aus dem famosen Vierliter-V8-Biturbo plus Neungangautomat. Alles Teile der Technologiepartnerschaft mit Daimler (Stimmrechtsanteil bei Redaktionsschluss: knapp zwölf Prozent). Also: Soo schräg ist Aston gar nicht. Na ja, vielleicht die Limousine Lagonda, spätestens wenn die Clubmitglieder beim Treffen das gleichnamige Lied schmettern.

Vierrädrige Smartphones überlassen die Briten jedenfalls konsequent anderen. Sie bauen Automobile. Genügt vollkommen. Zumal nun der Markenrevoluzzer aus dem neuen Werk in Wales kommt – für alle, denen ein Cayenne zu profan, der Bentayga zu konzernig, der Urus zu krass und ein Range zu rangig ist. Einfach einsteigen, dem Beifahrer was von Doppelquerlenker-Split-Link-Vorderachse, Multilenker-Hinterachse, 48-Volt-Wankstabi und Vollnarben-Lederpolstern der Marke Bridge of Weir sowie der neuen Naturwollmischung zuraunen – und genießen.

Nach Druck auf den Startknopf und bei einer geeigneten Strecke wird der Co schnell merken, was Phase ist. Buchstäblich, in 4,5 Sekunden auf 100. Einfach so, ohne Launch Control. Das Talent der 700-Newtonmeter-Fachkraft aus Affalterbach (mit Kohlefaser-Kardanwelle) genügt dafür. Noch faszinierender: die Gesamtkomposition des DBX. Mit steifer Aluminiumkarosse als Bühne, aufwendiger Fahrwerks-Hardware, Dreikammer-Luftfederung, Adaptivdämpfern, Wankstabis und elektronisch gesteuerten Diffs als Protagonisten.

Hertzinfarkt war gestern

Flashback zum Start: Früher röhrte so ein Aston-Motor dabei erst mal buchstäblich volles Rohr, verschaffte Alarmanlagen Hertzinfarkte, sensiblen Nachbarn Nahtoderfahrungen. Inzwischen hat es der Pilot am Zeigefinger. Langer Druck auf den Glasstartknopf für die Inkognito-Zündung, kurzer Stüber, nun ja, Präsenz. Wrooaarr. Und damit zurück zur Streckenpräsenz. Dort hat der DBX einen Ruf zu verlieren, schließlich griffen die Coupés im Rennsport des Öfteren Pokale ab. Jüngst erst der Vantage mit der GTE-Pro-Weltmeisterschaft. Nicht zu vergessen die legendären Auftritte im zweiten Jahrzehnt dieses Jahrtausends, als die beiden Werks-Vantage N24 "Rose" und "Kermit" bei den 24 Stunden auf der Nordschleife Lorbeer einfuhren.

Auch der damalige CEO Ulrich Bez stand mit seinem Gasfuß am Bodenblech. Aston ist halt keine Pussy-Marke zum Boutiquen-Flanieren, man sucht den Positionskampf auf der Piste. Ehrensache, dass die Truppe um Entwicklungschef Matthew "Matt" Becker den DBX-Prototyp über 8.000 Kilometer enthusiastische Nürburgring-Tests abverlangte. Achtung: Man kann ingeniöse Prüffahrten mit Lastenheft und Themenstellungen abarbeiten. Oder enthusiastisch testfahren ...

Enthusiasmus? Immer!

Aston Martin DBX, Test ams 0221
Maximilian Balázs
Der tieffrequent bollernde, turbopfeifende und abblaszischelnde V8-Aston zelebriert Handling über Handlichkeit, ganz ohne Hinterachslenkung.

Wir wissen genau, wie so was geht, haben es bei unseren Testfahrten zwar eine Nummer kleiner rund um Stuttgart, doch der Enthusiasmus flammt an Bord des DBX bereits beim Rausfahren aus der Redaktionstiefgarage auf.

Schon jetzt ist klar, der tieffrequent bollernde, turbopfeifende und abblaszischelnde V8-Aston zelebriert Handling über Handlichkeit, ganz ohne Hinterachslenkung. Logisch, so wie die Quick-Ratio-Lenkung mit ihrer 14,4 : 1-Übersetzung anspricht. Interessant, dass dieser Eindruck sofort da ist und sich während des gesamten Tausende Kilometer langen Prozederes lediglich zementiert und differenziert, aber nie nachlässt. Trotz üppiger drei Meter Radstand suggeriert, nein, überträgt der DBX agile Handling-Frische statt sedierten Buddha-Feelings.

Wir fahren raus auf die Alb, dorthin, wo sich unsere Lieblingspisten verstecken, Steigungen, Spitzkehren und Wechselkurven, jene tückischen Belagwechsel am Umsetzpunkt. Kurz: eine Gegend, die weit diesseits der StVO-Grenzen vielen Autos den Offenbarungseid abnimmt. Dem DBX nicht, so viel spoilern wir schon mal.

Apropos: Spoiler braucht der DBX natürlich auch, die Ingenieure verzichteten jedoch auf aktives Zeug, erledigten die Aerodynamik statisch: vom glatten Unterboden und den Luftgardinen im Frontspoiler (inklusive Tagfahrlicht und Blinkern) über die Luftauslässe an den Flanken bis zum Heckspoiler samt Flip. Sinnvoll, neben geringem Luftwiderstand und geräuschhemmender Aero-Akustik bei einem 291 km/h schnellen 2,3-Tonner eine Portion Abtrieb reinzupacken – nur für den Fall, dass man bei Tempi jenseits 200 mal präzise manövrieren oder spontan vom Gas muss. All das erledigt der DBX mit Ruhe und Präzision.

Und dann, auf längeren Autobahnetappen, nickt beim einen oder anderen erst die Lenkung um die Mittellage, dann der Fahrer ein. Kennen Sie das? Beim DBX passiert das nicht. Er braucht kein künstliches Vitalizing-Programm mit Parfüm und Sitzgeruckel, er ist der perfekte Beifahrer, dessen Lenkung stets aufs Beste unterhält, am Thema bleibt. Keine Chance, wegzudämmern. Und keine Gefahr von Verkrampfung wegen permanenter Korrektur der Linie.

Aston Martin DBX, Test ams 0221
Maximilian Balázs
33,7 Meter Bremsweg aus 100 km/h bei kalter Anlage und 57,7 Meter aus 130 bei warmer garantieren jederzeit zuverlässige Stopps.

Warum wir das erwähnen: weil sich der DBX besonders anfühlt. Wie eingangs erwähnt vergleichbar mit den goldenen HiFi-Zeiten, als habhafte Mechanik und Elektronik auf dem Schild getragen wurden und nicht chinesische Billig-Touchscreens mit Bling-Bling-Programmen die Götzen waren.

Mal ganz sachlich: Die DBX-Lenkung gibt Oberflächeninformationen weiter, ohne zu stören, reagiert aus der Mittellage heraus lebendig, liefert jederzeit transparente Rückmeldung, die in einer sauberen Linie resultiert. Läuft es im GT-Standardprogramm samt Motor- und Getriebeapplikation angemessen entspannt, kommt in "Sport" dann, klar, Sport dazu. Weniger Servo, strafferes Set-up, weniger nachgiebige Wankstabilisierung, mehr Kraft an die Hinterachse.

Wohin das führen kann, zeigt "Sport+": ESC weg, volle Kraft nach hinten, Ansprechverhalten scharf, Wankstabilisierung auf DB11-Level. In "Sport+" sollten die Pirellis warm (es gibt Sommer-, Winter- und All-Season-Reifen) und der Pilot reaktionsschnell sein. Nun wird der DBX zu Mister Hyde mit Hinterradantrieb samt Torque Vectoring per E-Differenzial. Sie möchten querfahren? Aber hallo. Sie möchten gerade nicht querfahren? Blöd jetzt. Was würde Herr Röhrl sagen: Übersteuern ist, wenn der Beifahrer Angst hat, Untersteuern, wenn ich Angst habe. Walter hätte im DBX keine Angst.

Okay, zurück zum Test. Die Dreikammer-Luftfederung bleibt mit den Adaptivdämpfern stets Herr sämtlicher Straßenlagen, verzichtet auf wankiges Flauschen und knochige Straffheit, trifft die goldene Mitte. Wem die insgesamt nicht taugt, der kann sich die einzelnen Teile auch in "Individual" nach Gusto zusammenpuzzeln. Einzig die großen und schweren Räder (bis zu 40 Kilo rotierende und ungefederte Masse) vereiteln perfektes Abrollen. Zudem überrascht das unkultivierte Motorbrummen während der Zylinderabschaltungsphasen. Dafür bremst der Aston mit seiner Stahlbremse vehement und standfest.

Überdies dürfen DBX-Besitzer Begriffe benutzen wie kein Aston-Pilot vor ihnen. Nein, nicht, was Sie jetzt denken. Sondern: Böschungswinkel 26 und 27 Grad, Rampenwinkel 18. Eine richtige kleine Rampensau also mit einer Höhenvarianz von 9,5 Zentimetern, dank der E-Stabis mehr Freigang an den Rädern und einer Furtfähigkeit von 50 Zentimetern. Hinzu kommen die Bergabfahrhilfe, zwei Offroad-Programme samt Verteilergetriebe – 47 zu 53 Prozent Standard, bis 100 Prozent situativ nach hinten.

Cutaway und Panorama

Aston Martin DBX, Test ams 0221
Maximilian Balázs
Bequeme Sitze mit ausreichend Raum nach vorn und oben (trotz Panoramadach). Und dank Cutaways bleiben die Hosenbeine sauber.

Hinten? Da war doch was. Tata! Der erste kommode Aston-Martin-Fond. Großer Kofferraum und bequeme Sitze mit ausreichend Raum nach vorn und oben (trotz Panoramadach). Aston Martin befragte dazu sogar extra Frauen und Kinder. Ob sie die gute Idee für die ausgeschnittenen Türen (Cutaway) ohne schmuddelige Schweller hatten? Hosenbeine bleiben jedenfalls sauber. Klasse.

So wie der 10,25-Zoll-Zentralbildschirm. Nix mit Touch, der DBX setzt auf Dreh-Drück-Steller und Knöpfe, wir sind doch nicht am Smartphone. Die Kopplung mit demselben läuft problemlos, die Grafik des Instrumenten-Displays soll an Aston-Sportwagen erinnern. Richtige Uhren wären schöner gewesen, dafür läuft alles problemlos, von der Sprachsteuerung bis zur Menüführung und den Assistenzen. Matrixlicht gibt es keins, dafür eine spielfreudige 800-Watt-Musikanlage mit 14 Lautsprechern samt lederbezogenen Gehäusen.

Man muss halt Prioritäten setzen. Aston Martin hat dies beim DBX gekonnt hinbekommen. Respekt dafür.

Vor- und Nachteile
Karosserie
Hochwertiges, geschmackssicheres Interieur
Eingängige Bedienung
Übersichtliche Instrumente
Funktionssicheres Infotainment
Luftiges Raumgefühl
Einfacher Einstieg
Gut nutzbarer Laderaum
Steife Aluminiumkarosserie
Kaum offene Ablagen
Fahrkomfort
Komfortable Federung
Bequeme Sitze
Niedriges Geräuschniveau
Eingeschränkter Abrollkomfort mit 22-Zöllern
Antrieb
Kraftvoller, drehmomentstarker Motor mit hervorragender Getriebeapplikation
Unkultivierte Zylinderabschaltung
Fahreigenschaften
Ausgeprägte Handlichkeit
Präzise Lenkung
Sichere, kalkulierbare Fahreigenschaften
Zielführende Fahrprogramme und Regelsysteme
Sicherheit
Umfangreiche Assistenz
Hervorragende Bremsen
Helles LED-Licht, jedoch ohne Matrixfunktion
Umwelt
Langlebige Konstruktion
Hoher Kraftstoffverbrauch
Kosten
Umfangreiche Serienausstattung
Drei Jahre Wartung im Kaufpreis enthalten
Stattlicher, jedoch klassenüblicher Kaufpreis

Fazit

Gelungene Premiere: Der erste SUV von Aston Martin transferiert Eleganz und Dynamik auf ein neues, durchweg alltagstaugliches Level, definierter Fahrspaß und zarte Offroad-Talente inklusive.

Technische Daten
Aston Martin DBX
Grundpreis204.500 €
Außenmaße5039 x 1998 x 1680 mm
Kofferraumvolumen638 bis 1530 l
Hubraum / Motor3982 cm³ / 8-Zylinder
Leistung405 kW / 550 PS bei 6500 U/min
Höchstgeschwindigkeit291 km/h
0-100 km/h4,5 s
Verbrauch11,8 l/100 km
Testverbrauch14,9 l/100 km