Audi A8 50 TDI Quattro und Mercedes S 350d im Test
Dieselmotoren in der Oberklasse

Selbst nach vier Generationen und einem Vierteljahrhundert auf dem Markt ist der Audi A8 50 TDI Quattro noch immer der Herausforderer des Establishments, wenn es gegen die Mercedes S-Klasse geht.

Audi A8 50 TDI Quattro, Mercedes S 350 d 4Matic, Exterieur
Foto: Hans-Dieter Seufert

Lass sie niemals sehen, wie sehr du dich anstrengst. Erst wenn das Publikum Macht, Brillanz oder staatstragende Erhabenheit als leichtfällige Selbstverständlichkeit versteht, wirkt das souverän. Nein, Sie haben sich nicht in die Zweiwochenschrift „Der populäre Potentat“ verirrt. Es geht um A8 und S-Klasse, und um zu verstehen, was sie darstellen, müssen wir uns klarmachen, woher die beiden Autos kommen. Der Mercedes nämlich von nirgends, er war immer da. Seit Kaisers Zeiten zählen die Reichen, die Schönen, die Mächtigen zu den Kreisen, die ein Mercedes bewegt – ein Status, den jede S-Klasse vererbt bekommt und den man nicht in ein Auto hineinentwickeln kann. Er entwickelt sich.

Bei Audi versuchen sie seit dem ersten A8 von 1994 den vermeintlichen Rückstand beim Status mit Vorsprung durch Technik auszugleichen. So fährt die vierte Generation des A8 richtig viel an Innovation auf.

Aus Tradition zur Revolution

Das zeigt sich weniger am Designstil, der selbst Traditionalisten nicht erschüttern dürfte. Wenn es um Revolutionen geht, setzt Audi nicht auf Außen-, sondern Innenwirkung. Das aus Alu gefertigte Grundgerüst, den Space Frame, ersetzt eine Rohkarosse in Multimaterialbauweise aus Alu, Magnesium, Stahl und CFK. Damit steigert Audi die Torsionsfestigkeit um 24 Prozent, gibt aber das Alleinstellungsmerkmal des Space Frame auf – wie das Bestreben, die leichteste Limousine der Klasse zu bauen. So wiegt der A8 50 TDI Quattro nur 14 kg weniger als der S 350 d 4Matic.

Aber es passt ja zum A8, sich immer neue Ziele zu setzen. Erst wollte er der leichteste Luxusliner sein, später der sportlichste, nun der innovativste. Deswegen beginnt der Vergleichstest auch im Flackerlicht der Neonröhren in unserer Tiefgarage. Es gibt so viel einzustellen im Audi, das klappt nicht erst während der Fahrt.

Den MMI-Drehregler hat Audi aussortiert – ein verkraftbarer Verlust. Was aber nicht heißt, dass die neue Bedienarchitektur besser wäre. Ist sie nämlich nur im Stand. Da kann man sich erstaunlich schnell und intuitiv durch die Menüs auf den beiden übereinander angeordneten berührsensiblen Monitoren fingern. Beim Drücken wird das Display minimal bewegt, um dem Finger einen Bestätigungsimpuls zu geben, dazu spielt ein Lautsprecher ein Klickgeräusch ein. Sie finden, das sei ein recht großer digitaler Aufwand, um etwas Analoges nachzuahmen? Da wollen wir nicht widersprechen. Vor allem weil diese schweren metallenen Drehregler beim vorherigen A8 das Gefühl aufkommen ließen, er sei solide genug, um nicht geleast, sondern vererbt zu werden. Das mag sich nun nicht mehr einstellen, während die Klimaregelung versucht, dich mit ihren kleinen Berühr- und Schiebeflächen um den Finger zu wickeln.

Im Stand geht das noch, während der Fahrt aber lenkt die Bedienung stark ab – zu tiefgründig und verschachtelt die Menüs, zu groß die Funktionsfülle. Wenn Audi sagt, die Bedienung bedeute ein neues Nutzerlebnis, mag das stimmen. Aber ein echter Fortschritt wäre gewesen, alles an Bedienung auszusortieren, was man eh nie verstellt, also eine Auswahl des Relevanten zu treffen, anstatt das Verfügbare anzuhäufen.

Intuitiver gelingt allerdings auch der Umgang mit der S-Klasse nicht – wegen fitzeliger Wischtasten auf dem Lenkrad für Bordcomputer, Assistenz und Navi und der umständlichen Kombination aus Dreh-Drücker drunter und der kleinen Touchfläche drüber. So, nun mal die Startknöpfe drücken. Im Bug der S-Klasse selbstzündet der Reihensechser, den sie zum Facelift im Sommer bekam. Das Fundament seiner Macht sind 600 Nm, die bei 1.200/min bereitstehen. Da er bei 3.400/min alle 286 PS beisammenhat, ist Hochdrehen nicht das Thema bei diesem Diesel. Stattdessen ruht er in der frühen Kraft. So baut der S 350 d mit Gelassenheit ein vehementes Tempo auf, reagiert souverän statt sensibel aufs Gas. Derweil schaltet die Automatik weich und gelassen durch ihre neun Stufen.

Das passt, ja, eigentlich zu allem an der S-Klasse und der Erhabenheit, die sie vermittelt – dem Fahrer schon durch die hohe Position der etwas haltarmen Vordersessel. Am Ende der Haube reckt sich der Stern dem Horizont entgegen, auf den der Wagen zustürmt. Dabei hält die Luft- federung Garstigkeiten verrunzelter Straßen von den Insassen fern, wankt wenig, flauscht selbst über kurze, harte Unebenheiten. Hier ist der S eine Klasse für sich.

Da würde es nicht wundern, wenn der Mercedes das mit dem Handling nicht so draufhätte. Also wundern wir uns auch nicht, dass er Richtungsänderungen gelassen ausführt, im Streben nach hoher Fahrsicherheit ohne allzu große Ambitionen an Präzision in der indirekten Lenkung.

Audi A8 50 TDI Quattro, Mercedes S 350 d 4Matic, Exterieur
Hans-Dieter Seufert
Ein elganter Auftritt ist mit dem Audi A8 und der S-Klasse garantiert.

Raumangebot üppig, aber nicht so erhaben wie erwartet, Material- und Verarbeitungsgüte hoch, aber nicht überragend, die Bremsen stark, aber nicht so vehement wie die des Audi, der Motor effizient, aber nicht so sparsam – es gibt einige Punkte, in denen die S-Klasse ihr Alter zeigt. Das gilt sogar für die Assistenzausrüstung, die nicht so umfangreich ist wie die des Audi und nicht zuverlässiger: Auf der Testfahrt wollte der aktive Spurwechselassistent einen Corsa von der Nebenbahn schubsen – nicht ganz das, was man sich früher ehrfürchtig unter „eingebauter Vorfahrt“ bei einem Mercedes vorstellte.

Der A8, nun mal antriebslos

Der Drang zur Perfektion treibt den A8 an. Und klar, der V6-TDI, den Audi zur Effizienzsteigerung mit einem 48-Volt-Mild-Hybrid kombiniert. Wobei es da nicht ums Boosten des Dreiliter-Diesels geht – dazu besteht so gar kein Anlass bei ebenfalls 600 Nm, 286 PS, noch drangvollerer Kraftentfaltung und der tatkräftigeren Achtstufenautomatik, die schneller reagiert als das Getriebe des Mercedes.

Das 48-Volt-System besteht aus einem 10 Ah großen Lithium-Ionen-Akku und einem Riemen-Startergenerator an der Kurbelwelle. Vom E-Werk kommt die Energie, um alle Systeme am Laufen zu halten, wenn der A8 im Schiebebetrieb zwischen 55 bis 160 km/h bis zu 40 Sekunden mit abgeschaltetem Motor antriebsentkoppelt rollt oder ihn beim Heranrollen an eine rote Ampel früh ausknipst. Das Sparpotenzial zeigt der Testverbrauch von 7,6 l/100 km – das ist bemerkenswert wenig und lässt die 8,0 l/100 km des S 350 d fast schon gierig erscheinen.

Was der Audi sonst noch auffährt: optional das vollvernetzte AI-Fahrwerk, das jedes Rad einzeln per elektromechanischem Aktuator be- und entlasten und bei einem drohenden Seitencrash eine Seite des Autos um acht Zentimeter anheben kann. Der Testwagen kam mit Standardfahrwerk, das ja wie der Mercedes serienmäßig mit Luftfederung ausstaffiert ist. Der A8 bringt ein strafferes Grund-Set-up mit, spricht auf kurze Unebenheiten herber an, kontrolliert Karosseriebewegungen noch besser – in jedem der Fahrmodi, die keine allzu große Spreizung haben. Der A8 bleibt da immer bei sich, überlässt das Schmusige der S-Klasse.

Wie bei seinem Konzern- und Plattformkollegen Porsche Panamera gibt es für den Audi Allradlenkung. Sie steigert mit parallel einschlagenden Hinterrädern die Stabilität bei Spurwechseln auf der Autobahn und in schnellen Kurven. In engen Biegungen lenken die Hinterräder entgegengesetzt ein, erhöhen so Agilität und Wendigkeit. Tatsächlich fühlt es sich – auch wegen der guten Rundumsicht – auf der Landstraße nicht so an, als gelte es, einen 2,1-Tonner mit 10,1 Quadratmetern Grundfläche den Berg hinaufzuwuchten. Stattdessen wirkt der Audi viel kompakter, biegt entschlossen, aber nicht abrupt in Kurven, umrundet sie neutral, schnell, sehr sicher und drückt sich dann wuchtig heraus. Die makellose Traktion sichert der Allradantrieb, der bei normaler Fahrt 60 Prozent der Kraft an die Hinterachse schickt. Auch die Lenkungsrückmeldung passt – das war beim Vorgänger ja eher ein Genuschel. Jetzt gibt der A8 klare Ansagen, ohne sich über jedes Asphaltkörnchen auszulassen oder bei Stößen zu verhaspeln.

Die hervorragenden Bremsen sollten wir noch erwähnen, das wie bei der S-Klasse brillante LED-Licht sowie die sehr umfassende Assistenzausstattung. Allerdings stiegen selbst ausgereifte Systeme wie der Spurhalter mitunter aus. Im überladenen Geflimmer der Digitalinstrumente geht der Hinweis darauf leicht unter.

Kleinigkeiten nur? Na, gerade um die geht es doch beim Anspruch, die innovativste Luxuslimousine zu bauen. Ob der A8 dem gerecht wird? Er gewinnt gegen die souveräne S-Klasse. Aber es liegt eben im Wesen der Perfektion, unerreichbar zu sein – egal wie sehr man sich anstrengt.

Fazit

1. Audi A8 50 TDI Quattro
487 von 1000 Punkte

Die perfekte Limousine? Weniger will der A8 nicht sein, zeigt, was derzeit bei Assistenz und Infotainment geht, bietet Komfort und Handling. Der Sieg wirkt ingeniös berechnet.

2. Mercedes S 350d 4Matic
470 von 1000 Punkte

Die perfekte S-Klasse? Weniger will er nicht sein, überragt beim Federungskomfort. Beim Handling mag der Rückstand egal sein, bei Sicherheitsaustattung und Bremsen nicht.

Technische Daten
Mercedes S 350 d 4Matic Audi A8 50 TDI Quattro
Grundpreis89.399 €90.600 €
Außenmaße5125 x 1899 x 1496 mm5172 x 1945 x 1473 mm
Kofferraumvolumen510 l505 l
Hubraum / Motor2925 cm³ / 6-Zylinder2967 cm³ / 6-Zylinder
Leistung210 kW / 286 PS bei 3400 U/min210 kW / 286 PS bei 3750 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h250 km/h
0-100 km/h6,1 s6,0 s
Verbrauch5,5 l/100 km5,6 l/100 km
Testverbrauch8,0 l/100 km7,6 l/100 km