Audi E-Tron und Mercedes EQC mit Caravan im Test
E-SUV mit Caravan. Geht das?

Neben dem Tesla Model X sind Audi E-Tron und Mercedes EQC die einzigen Elektroautos, die es mit Fullsize-Caravans aufnehmen. Aber taugen Reichweite und Ladezeiten der beiden Premium-SUV überhaupt für die Campingreise?

Audi E-Tron
Foto: Achim Hartmann

Nun, da Fahrzeuge mit batterieelektrischem Antrieb das Pflichtprogramm aus Fahrsicherheit, Fahrkomfort, Fahrerlebnis und Nutzwert immer besser, oft sogar sehr eindrucksvoll absolvieren, wagen sich die Hersteller an die Kür. Auf einmal tauchen Anhängevorrichtungen und -lasten in Preislisten und technischen Daten auf; die Verkäufer bei Audi und Mercedes wittern ein Ass im Ärmel, Caravaner die Chance, ihre Urlaubsreise künftig elektrisch anzutreten.

Unsere Highlights

Die Voraussetzungen sind gut: Respektable 1.800 Kilogramm dürfen Audi E-Tron und Mercedes EQC ziehen. Damit liegen sie aktuell weit vorn bei den Strom-SUV. Nur das Model X von Tesla tütet die beiden deutlich jüngeren Premium-Autos aus Deutschland mit seinen 2,25 Tonnen Anhängelast ein. Doch der E-Flügeltürer aus den USA spielt hier und heute keine Rolle. Mit ihm haben wir uns bereits 2017 mit Anhänger über die Alpen gewagt. Im Internet ist die Geschichte dazu gespeichert. Google & Co. helfen beim Finden.

Anders als die Anhängelasten sind die Stützlasten des heutigen Test-Duos für SUV respektive ausgewachsene Caravans zu niedrig: Der Mercedes EQC darf nur 72 Kilo auf den 990 Euro teuren Haken nehmen, der vollelektrisch ein- und ausschwenkt, sobald das über die Schalter in der Fahrertür oder der Heckklappe angefordert wird. 200 Euro weniger kostet die Anhängevorrichtung bei Audi, die mit 80 Kilogramm beaufschlagt werden darf. Doch dafür muss sie auf Knien von Hand unter den Stoßfänger gesteckt werden, was die sensorgesteuerte Heckklappe des Öfteren als Aufforderung zum Öffnen versteht. Das Ankuppeln gelingt mit dem E-Tron besser, weil gefahrlos, da seine Rückfahrkamera die Anhängekupplung voll im Blick hat.

Mercedes EQC
Achim Hartmann
Anders als beim E-Tron bleibt die Anhängekupplung durch die Rückfahrkamera beim EQC unsichtbar.

Der EQC dagegen hält sein rundes Hinterteil so ungünstig ins Bild, dass der Kugelkopf dahinter verschwindet. Apropos Kamera: Caravaner sollten den E-Tron mit den konventionellen Außenspiegeln bestellen und Zusatzspiegel daran befestigen. Die optionalen Kamera-Ausleger sind zu kurz, um am 2,50 Meter breiten Diamant, unserem Wohnwagen, vorbeizuschauen.

Beide SUV gehen mit je zwei E-Motoren und 300 kW (408 PS) auf ihre Eigenmasse (Mercedes: 2.509 kg, Audi: 2.598 kg) samt jener des Diamant am Haken los. Und wie! Ein beherzter Tritt aufs Fahrpedal, und das bei Elektromotoren sofort anliegende maximale Drehmoment pulverisiert die Massenträgheit der jeweils über vier Tonnen schweren Gespanne. Wer nicht "lupft", knackt im EQC-Gespann dank 760 Newtonmetern Drehmoment nach nur 9,1 Sekunden die Hundertermarke.

Der E-Tron (664 Newtonmeter) ist mit 11,3 Sekunden deutlich, aber eigentlich irrelevant langsamer, da immer noch brutal schnell. Und vor allem nahezu lautlos. Lediglich Abroll- und Windgeräusche, begleitet vom leichten Sirren der Antriebe, bestimmen das Fahrgeräusch. Traktion und Wintertauglichkeit sind übrigens kein Problem: Durch die Anordnung der stufenlos arbeitenden E-Motoren an Vorder- und Hinterachse haben beide SUV Allradantrieb.

Nach dem Spaß mahnen die Bordcomputer mit schnell schrumpfenden Reichweiten zum sparsamen Dahinrollen. Sehr hilfreich sind dabei die Paddel am Lenkrad. Sie steuern kein Getriebe, aber die Stärke der Bremsenergie-Rückgewinnung. Netter Nebeneffekt: Bereits in Rekuperationsstufe eins ist das Ein-Pedal-Fahren möglich. Heißt: Vom Gas gehen genügt, um via E-Motoren zu verzögern. Die großen Bremsscheiben dienen dann nur als Sicherheits-Back-up. In der zweiten Stufe reicht die Bremsenergie der E-Maschinen sogar, um die Gespanne an den steilen Gefällen des Stuttgarter Kessels zu bremsen und dabei gleichzeitig die Traktionsbatterien zu laden.

Wie weit geht’s wirklich?

Audi E-Tron
Achim Hartmann
Durch die Anordnung der stufenlos arbeitenden E-Motoren an Vorder- und Hinterachse haben beide SUV Allradantrieb.

Die Reichweite ist aktuell der größte Schwachpunkt der E-Boliden: Während EQC und E-Tron solo unter idealen Bedingungen jeweils mehr als 400 Kilometer weit kommen, wandelt sich das Bild, sobald der Caravan den Innenspiegel füllt. Auf der gemischten Verbrauchsrunde mit Stadt-, Landstraßen- und Autobahnanteilen verbrauchte der Audi E-Tron 41,9, der Mercedes EQC 44,9 Kilowattstunden – jeder mit einem Fendt Diamant 560 im Schlepp. Das entspricht etwa der Verdopplung der auf identischer Strecke ermittelten Solo-Verbräuche, womit sich die Reichweite nahezu halbiert. Zum Vergleich: Ein kräftiger Diesel-SUV quittiert Zugaufgaben mit einem Verbrauchsaufschlag von rund 38 Prozent.

Da es zum Urlaubsziel meist über die Autobahn geht und dort auch die Ladestopps relativ gut planbar sind, mussten sich beide Gespanne auch auf diesem Terrain beweisen. Im ersten Durchgang galt es, einen Lkw zu finden, die Tempomaten mit Abstandsradar zu aktivieren und die Strecke mit möglichst viel Windschatten zu fahren. Nach einer Zwischenladung am Schnelllader ging es auf dieselbe, jetzt windschattenlose Runde mit Tempo 100. Die spannende Erkenntnis: Rechnerisch ist auf der schnellen Caravan-Runde nach 189 (Audi) beziehungsweise 170 Kilometern (Mercedes) der Energiespeicher leer. Etwa 70 Kilometer weiter pro Akkuladung kommt, wer sich rechts in die Kolonne einreiht.

Dabei ist zu beachten, dass sich die Reichweiten im vorliegenden Test aus den absolvierten Teilstücken errechnen. Das Leerfahren der Batterien haben wir mit den Gespannen bewusst vermieden – die Vierfach-Bergung wäre zu aufwendig und gefährlich gewesen. Die Werte für Vollladung und Ladezeiten stammen daher aus einem früheren auto motor und sport-Test.

Wobei die Reichweite von E-Fahrzeugen ohnehin deutlicher schwankt als die von Verbrennern. Außentemperatur, Verkehrsfluss, Topografie und Energiebedarf von Heizung, Klimaanlage und Multimedia-System sind beispielhaft für beeinflussende Faktoren. Und was, wenn die Akkus zum Ladestopp rufen? Dann wird’s meist stressig. Denn nur mit viel Glück kann man sich das Abkuppeln ersparen. So wie wir an der Raststätte Gruibingen, wo wir dafür aber alle Ladeplätze blockierten. Auf der Autobahn besonders problematisch: Wer den Caravan vor dem Laden auf einem Lkw-Parkplatz abstellen muss, riskiert nicht nur Ärger mit den Truckern, sondern auch, gegen die Fahrtrichtung zurückrollen zu müssen.

Mercedes EQC
Achim Hartmann
Selbst mit Starkstrom aus der 22-kW-Ladesäule dauert Laden Stunden. Meist muss der Caravan aus Platzgründen abgekuppelt werden.

Beim Aufladen selbst überzeugt der Audi mit der durchweg besseren Performance. Er verträgt höhere Ladeströme (AC 11/7,4 kW; DC 150/110 kW) und verkürzt damit die lästige Wartezeit. Dabei ist zu beachten, dass die Ladeleistung gedrosselt wird, je voller der Akku ist, um den Verschleiß der Batterie zu minimieren. Beim EQC beginnt dieser Prozess bereits bei 40 Prozent. Audi dagegen hält seine hohe Ladeleistung bis über 80 Prozent konstant und flacht die Kurve anschließend deutlicher ab. Steht nur Starkstrom (AC 22 kW) zur Verfügung, sind die Ladezeiten von mehreren Stunden meist schon nicht reisetauglich. Eine schnelle Teilladung (bis ca. 80 Prozent) ist angesichts der geringen Gesamtreichweite ebenfalls keine Option für Caravaner. Übrigens: Ganze 48 Stunden dauert die Vollladung (laut Audi) an einer 230-V-Stromquelle, was diese Variante zur Notlösung macht.

Das Fahren gestaltet sich im größeren E-Tron eine Spur komfortabler: Sein serienmäßiges Luftfahrwerk schluckt Unebenheiten besser als jenes des EQC. Der Mercedes wiederum punktet mit dem kräftigeren Antritt, der sich allerdings auch im höheren Energiebedarf niederschlägt. Gleichstand herrscht bei den Assistenten. Auf Wunsch halten Audi und Mercedes nicht nur den Abstand, sondern auch Geschwindigkeitslimits ein. Aber: Der Audi fällt beim Schilderlesen gern mal auf Ausfahrten herein und bremst, während der EQC den zuvor erkannten Anhänger ignoriert und auch Limits oberhalb der 100-km/h-Marke übernimmt.

Am Ende reicht es für den E-Tron knapp zum Sieg. Er lädt schneller, federt komfortabler und hat eine brauchbare Rückfahrkamera. Für den EQC sprechen sein kräftiger Antritt und sein günstigerer Preis. Zudem steht er auf der Liste der förderfähigen Elektrofahrzeuge. Audi fördert den Kauf eines E-Tron stattdessen derzeit aus eigener Tasche.

Umfrage
Audi E-Tron oder Mercedes EQC - welchen nehmen?
1232 Mal abgestimmt
Audi E-Tron 55 Quattro Advanced, Exterieur
Den Audi!
Mercedes EQC, Exterieur
Den Mercedes!

Fazit

Beide E-SUV sind perfekte Zugfahrzeuge. Eigentlich. Die Motoren liefern ab Start mächtig viel Drehmoment, und der verschleißfreie, stufenlose und traktionsstarke Antrieb ist zum Ziehen ein Traum – wäre da nicht die Reichweite: Alle 200 Kilometer eine Zwangspause von mehr als acht Stunden (22 kW Starkstrom) ist selbst mit Schlafgelegenheit im Schlepp indiskutabel. Weitere Fallstricke: uneinheitliche Bezahlsysteme und enge Ladeplätze, die jedes Mal das Abkuppeln des Caravans erfordern.

Technische Daten
Audi E-Tron 55 Quattro AdvancedMercedes EQC
Grundpreis82.950 €66.069 €
Außenmaße4901 x 1935 x 1629 mm4762 x 1884 x 1624 mm
Kofferraumvolumen658 bis 1725 l500 bis 1460 l
Höchstgeschwindigkeit200 km/h180 km/h
0-100 km/h5,8 s5,1 s
Verbrauch0,0 kWh/100 km0,0 kWh/100 km
Testverbrauch35,9 kWh/100 km
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten