Audi RS7, BMW M5 Competition, Mercedes AMG GT 63 S
Die schnellsten Limos der Welt im Test

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Der RS 7 ist Zurück – und wie! Mit 600 PS, einer vollvernetzten Fahrdynamik und der Breitbaukarosserie ist er stärker, intelligenter und spektakulärer als zuvor! Die schlechte Nachricht: auch die Konkurrenz hat nicht geschlafen!

Audi RS 7 Sportback, BMW M5 Competition, Mecedes AMG GT 63 4-Türer Coupe, Exterieur
Foto: Achim Hartmann

Wirklich viel konnte die Sportabteilung ja nicht für die Krise, die da aus hinlänglich erörterten Gründen über Audi hereinbrach. Andersrum hatte man ihr aber auch wenig entgegenzusetzen, sodass man vom strauchelnden Mutterschiff mit hineingeritten wurde in den Schlamassel. Nach vier Jahren Geisterbahn schimmert nun aber Licht am Ende des Tunnels. Zumindest scheint man in Neckarsulm nach Zeiten permanenten Zickzacks wieder auf Kurs zu sein: Die zuletzt so wackelige Unternehmensspitze ist mit dem Duo Hoffmann und Seebach jetzt nach dem Prinzip „Doppelt hält besser“ besetzt; sämtliche Motorisierungen, die zwischendurch alle mal weg waren vom Schaufenster, sind mittlerweile wieder im Geschäft; gleichzeitig beginnt das Modellspektrum Früchte zu tragen – darunter zwei besonders prächtige, zwei, denen der Stimmungsumschwung regelrecht ins Gesicht geschrieben ist.

Unsere Highlights

Die Rede ist von RS 6 und RS 7 – dem Karacho-Kombi und seinem Technikzwilling nachnamens Sportback, der sich nun anschickt, aus dem Schatten des ach so großen Avant hervorzutreten. Und seine Chancen stehen besser denn je. Im Gegensatz zum Vorgänger, den man mit der schmalen Serienkarosserie in eine Nebenrolle zwängte, steht der Neue fortan gleichberechtigt da: dicke Backen rundum, yeah!

Unterschiede? Reduzieren sich auf Formalitäten im Rückenbereich, die Preisdifferenz von 2.500 Euro und auf die diffusere Vergleichbarkeit in einem Segment, das vom Karosserie-Varianten-Reichtum lebt, wächst und gedeiht. Ein Konsens lässt sich inmitten des Design-Multikulti kaum noch finden. Jeder spricht eine andere Formensprache, jeder sowieso seine ganz eigene. Wir haben uns daher einfach von dem stilistischen Kladderadatsch gelöst und die Limousine als das begriffen, was sie trotz aller Verrenkungen immer bleiben wird: ein viertüriger Nicht-Kombi.

Eine komplizierte Situation

Sodann, rein in den Hexenkessel eines Tests, der zwar nicht das gesamte Spektrum abdeckt, dem sich der RS 7 ab sofort gegenübersieht, aber dessen Eckpfeiler. Auf der einen Seite: der M5, die Konstante in Auflage sechs. Klassisch geschnitten, dank Competition-Zusatz 625 PS stark, mit einer Preisstruktur, die jener des Audi ähnelt, und dem Nimbus, seit jeher Maßstab seiner Klasse zu sein.

BMW M5 Competition, Exterieur
Achim Hartmann
Der M5, die Konstante in Auflage sechs. Klassisch geschnitten und dank Competition-Zusatz 625 PS stark.

Sein Gegenüber: der Mercedes mit dem Faustschlag-Charme, der sein Limousinen-Dasein als Coupé auslebt, sich aber für etwas noch Besseres hält. Das merkt man am abgehobenen Grundpreis, der mit 167.000 Euro unfassbare 46.000 Euro jenseits des RS 7 liegt. Und man soll, ich wiederhole: soll es auch am Namen merken. AMG versteht ihn nämlich ganz explizit als GT, also als Abkömmling des Sportwagens, was jedoch nur der halben Wahrheit entspricht. Im Inneren des Fünf-Meter-Kreuzers steckt nämlich keineswegs eine Transaxle-Konstruktion, wie sie den Zweitürer durchzieht, nein, seine Technik-Unterwäsche entstammt der E-Klasse, wurde aber – die andere Hälfte der Wahrheit – umfassend differenziert: bessere Aerodynamik, mehr Steifigkeit, schärferes Fahrwerk, dazu der stärkste AMG-V8 ever, dessen 639 PS per Allradantrieb übertragen werden, den auch die beiden anderen mitbringen.

Mecedes AMG GT 63 4-Türer Coupe, Exterieur
Achim Hartmann
AMG versteht den GT 63 S ganz explizit als GT, also als Abkömmling des Sportwagens, was jedoch nur der halben Wahrheit entspricht. Im Inneren steckt nämlich keineswegs eine Transaxle-Konstruktion, wie sie den Zweitürer durchzieht.

Hmmm, Allradantrieb also! An diesem Punkt wird die Situation für den RS 7 zu einer ungewohnten, zu einer ungemütlichen. Bislang war Audi in dieser Klasse gern mal der Einzige, der die Kraft auf den breiten Schultern vier angetriebener Räder ins Feld führte. Das mochte für manche Sequenzen in Vergleichstests zwar nicht immer von Vorteil gewesen sein, Stichwort Gewichtsnachteil. Im echten Leben jedoch war es stets ein gutes Argument – erst recht seitdem die Leistungszahlen ein Ausmaß annahmen, das mit einer Antriebsachse kaum noch zu bewältigen war.

Denn auch wenn wir uns immer noch mit breitem Grinsen an Hinterradantriebs-Gorillas wie den einstigen Jubiläums-M5 erinnern, der selbst beim Rausbeschleunigen aus 120er-Zonen noch schwarze Striche zog, so kommt man bei genauerem Nachdenken doch zu dem Schluss, dass so was eigentlich keiner braucht in einer Welt, die ja auch mal nass sein kann.

Dass die Konkurrenz den Schritt zum Allrad eines Tages mitgehen würde, war also wohl vorherzusehen. Was in der Form nicht vorherzusehen war: dass dieser Schritt in einen Sprung ausarten würde. M und AMG haben nämlich nicht einfach nur den Audi Quattro abgekupfert, sondern eigene Systeme entwickelt – Systeme, die dem RS 7 nicht nur den USP stehlen, sondern auch die Show.

Audi RS 7 Sportback, BMW M5 Competition, Mecedes AMG GT 63 4-Türer Coupe, Exterieur
Achim Hartmann
Dass die Konkurrenz den Schritt zum Allrad eines Tages mitgehen würde, war vorherzusehen. Was in der Form nicht vorherzusehen war: dass dieser Schritt in einen Sprung ausarten würde.

Entscheidend ist die Kraftverteilung, gewissermaßen also die Länge der jeweiligen Hebel. Und zum Leidwesen des Audi sitzen BMW und Mercedes an längeren. Beide können je nach Fahrzustand und Modus bis zu 100 Prozent des Drehmoments auf der Hinterachse abladen, während sich der Audi in einem vergleichsweise engen Fenster bewegt: Bis zu 70 Prozent gelangen nach vorn, nie mehr als 85 ans Heck. Das schränkt nicht nur seinen Bewegungsradius am Limit ein, es ist vor allem auch nichts Neues.

Steuerung aus der Zentrale

Dass sich der RS 7 ad hoc agiler anfühlt als sein Vorgänger, hat jedenfalls andere Gründe. Einer liegt in der Steuerung seiner fahrdynamischen Einflussfaktoren. Bisher arbeiteten der Antrieb, das Sportdifferenzial und der hydraulische Wankausgleich als Solisten. Jeder tat, was er konnte, aber eben ohne zu wissen, was der jeweils andere tat. Das ändert sich jetzt. Ab sofort laufen die fahrdynamischen Handlungsstränge in einer zentralen Steuereinheit zusammen, wo sie einander ergänzend verwoben und situationsgemäß initiiert werden.

Das ist schön, das funktioniert prima, allerdings agieren die Systeme der Konkurrenz eben auch nicht nach dem Chaos-Prinzip. Im Gegenteil. Beim BMW zieht das Aktivdifferenzial gemeinsam mit allen anderen Kennlinien am Antriebsstrang, im Falle des AMG kann man über die Dynamics-Funktion zusätzlich sogar einstellen, wie fest. „Basic“ animiert alle Influencer zu einem gütlichen Umgang miteinander, die Master-Stufe lässt die Hunde los.

Bedeutet: Von den Trümpfen des Audi sticht bei diesen Gegnern nur ein einziger – die neue Hinterachslenkung. Sie ist zwar auch kein Alleinstellungsmerkmal, hat mit ihren stattlichen Mit- und Gegenlenkwinkeln aber mehr Einfluss als anderswo. Viel mehr sogar, wie uns der artverwandte S6 vor ein paar Ausgaben zu beweisen wusste, als er sich mit dem Heck-Meck sogar veritable Drifts aus dem Kreuz leierte.

Audi RS 7 Sportback, Exterieur
Achim Hartmann
Von den Trümpfen des Audi sticht bei diesen Gegnern nur ein einziger – die neue Hinterachslenkung. Sie ist zwar auch kein Alleinstellungsmerkmal, hat mit ihren stattlichen Mit- und Gegenlenkwinkeln aber mehr Einfluss als anderswo.

Allerdings sind die Rahmenbedingungen für derlei Kunststückchen hier nicht ganz so günstig. Die Spur des RS 7 ist deutlich weiter, die Reifen sind breiter, das Fahrwerk hält kräftiger dagegen. Dadurch generiert der Audi zwar mehr Grip, die Lockerheit im Handling geht aber ein Stück weit flöten – zumindest Richtung Grenzbereich.

Auf der Landstraße noch fröhlich in Ecken wirbelnd, kommt man auf der Rennstrecke recht schnell an einen Punkt, wo man sich zwischen gefühlter Dynamik und Maximal-Performance entscheiden muss. Die Krux: Die verschiedenen Stellhebel brauchen Ruhe, um ins Spiel zu kommen. Zärtlich einlenken, progressiv herausbeschleunigen – dann spürt man, wie sich der Kurvenverlauf um die unterirdischen Flaschenzüge wickelt, wie die Eindrehbewegungen aus dem Rückraum die Lenkung untergraben und wie man sich die Realität zurechtbiegen kann. Sobald man pusht, kommt die Apparatur aber nicht mehr recht zum Zug. Stattdessen drückt der Boden der Tatsachen durch: die heftigen 2.154 Kilo Leergewicht und deren ungeschickte Verteilung. Zwar hält sich das alte Leid mit dem Untersteuern in erstaunlich engen Grenzen, dennoch fährt der RS 7 deutlich prüder als die Konkurrenz, die in Hockenheim nicht weniger als eine wilde Orgie feiert.

Audi RS 7 Sportback, BMW M5 Competition, Mecedes AMG GT 63 4-Türer Coupe, Exterieur
Achim Hartmann
Auf der Landstraße noch fröhlich in Ecken wirbelnd, kommt man beim RS 7 auf der Rennstrecke recht schnell an einen Punkt, wo man sich zwischen gefühlter Dynamik und Maximal-Performance entscheiden muss.

Beim BMW erinnert dich anfangs wenigstens noch eine minimale Einlenklabilität daran, dass es sich hier im weitesten Sinn um eine Limousine handelt. Im weiteren Kurvenverlauf jedoch, wenn der M5 buchstäblich die Hufe schwingt, kommen ernsthafte Zweifel an dieser Tatsache auf. Noch irrwitziger: der AMG, der sich mit jedem Lenkraddreh weiter aus der Form zu brechen scheint. Auf den ersten Blick eher von klobiger Eleganz, legt er auf Kommando den dicken Mantel ab – und einen sagenhaften Poledance hin.

Wie der M5 profitiert auch er von der Möglichkeit, sich mit der vielen Power selbst in den Hintern zu treten, nur kommt dieses Talent bei ihm noch spontaner zur Geltung. Du brauchst dich nicht zu zügeln, musst nicht erst einen Haken durch eine Öse fädeln, um die Systeme in einen Arbeitsbereich zu ziehen. Nein, mit Einlenken und Gasgeben ist es schon getan. Dabei verkommt der GT keineswegs zu einem Fahrdynamikreaktor, der einfach Unmengen von Performance rausrotzt. Nein, man kann mit den Drehmomentbrocken jonglieren, kann die zähe Masse mit Lastwechseln auflockern, ihn artig fahren oder völlig ausgeflippt. Alles geht. Nur das mit dem Begreifen, das ist kompliziert.

Performance hat zwei Seiten

Aber: Die Medaille hat auch eine Kehrseite. Beiden, dem GT wie dem M5, hängt ihre Sportlichkeit nämlich in den Knochen. Sie begleitet sie. Immer. Auch dorthin, wo man sie gar nicht so dringend bräuchte. In den Alltag, der für Autos dieser Couleur, korrigieren Sie mich, durchaus zum Lebensraum gehört.

Und tataaa, schon steht der abgehängte Audi auf einmal ganz hoch im Kurs. Auf der Rennstrecke fehlt ihm die innere Spannung seiner Kontrahenten, diese starre Bindung zwischen Antrieb, Fahrwerk und Chassis, abseits davon entspannt genau dieser Umstand die Stimmung. Statt mit einer kreuz- und querversteiften Karosseriestruktur in Spurrillen herumzulümmeln oder kanthölzern abzurollen, bleibt er trotz des an sich recht starren DRC-Fahrwerks anschmiegsam. Selbst sein Motor, ein Vierliter-V8 mit zwei innenliegenden Twin-Scroll-Turboladern und 600 PS, wirkt wie mit Perwoll gewaschen. Er klingt softer und dreht flauschiger als der aggressiv hochhämmernde AMG, schiebt obenraus nicht gar so pervers wie der 4,4-Liter des BMW, trügt aber auch nicht im Schein: 3,6 Sekunden auf 100 und 12,4 auf 200 bedeuten nur Rang drei!

Audi RS 7 Sportback, BMW M5 Competition, Mecedes AMG GT 63 4-Türer Coupe, Exterieur
Achim Hartmann
Der Audi tritt auf High Heels in Größe 22 an, AMG und BMW begnügen sich mit 20 Zoll. Bremse? Jeweils Keramik, jeweils mit vorzüglichen 100-0-Werten.

Das mag einerseits leistungsgerecht sein, schließlich verquicken AMG und BMW mehr PS mit weniger beziehungsweise viel weniger Gewicht. Andererseits schüren die Werte auch Zweifel am wahren Ausmaß der Relationen. Oder um das Blatt vom Mund zu nehmen: Der GT prasselt in 10,7 Sekunden auf 200, der M5 gar in 10,5, womit beide einem myriadenfach leichteren McLaren 600LT am Ende näher liegen als dem Audi RS 7! Doppelt bitter: Auch in den Rundenzeiten macht die Power den Kohl fett. Ja, der Audi fährt braver, büßt beim Einlenken ein und auch im Kurvenverlauf. Aber: Der Großteil seines durchaus eklatanten Rückstands ereilt ihn auf …? Genau, auf den Geraden, was zumindest die Deutlichkeit der Niederlage am Ende etwas relativiert. Dennoch: Auf lange Sicht wird man sich was einfallen lassen müssen bei Audi Sport. Aktuell ist das Ende der Krise jedenfalls leichter zu erreichen als das Fahrdynamikniveau dieser Konkurrenten.

Fazit

Ich erinnere mich noch gut an den Plausch mit den RS-7-Entwicklern bei der Präsentation. Tenor damals: Mit den vernetzten Fahrdynamiksystemen könne man praktisch jedes Handling abbilden; artig, vogelwild – alles gehe. Gemessen an solchen Möglichkeiten ist der Auftritt des Audi am Ende etwas zahm. Er bewegt sich agil, lässt die Athletik des M5 jedoch ebenso vermissen wie den Höllenfeuereifer des GT.

Technische Daten
Audi RS 7 Sportback 4.0 TFSI Quattro BMW M5 Competition M5 CompetitionMercedes AMG GT 63 S 4Matic+ S
Grundpreis128.000 €128.900 €167.017 €
Außenmaße5009 x 1950 x 1424 mm4966 x 1903 x 1469 mm5054 x 1953 x 1447 mm
Kofferraumvolumen535 bis 1390 l530 l455 bis 1324 l
Hubraum / Motor3996 cm³ / 8-Zylinder4395 cm³ / 8-Zylinder3982 cm³ / 8-Zylinder
Leistung441 kW / 600 PS bei 6000 U/min460 kW / 625 PS bei 6000 U/min470 kW / 639 PS bei 5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h250 km/h315 km/h
0-100 km/h3,6 s3,2 s3,1 s
Verbrauch10,6 l/100 km11,3 l/100 km
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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten