Audi RS E-Tron GT, Porsche Taycan Turbo
Supersportliche Luxus-Stromer

Okay, die Verbindung zweier über 2,3 Tonnen schwerer Sportlimousinen mit einem Nachwuchs-Motorsportgerät scheint wenig naheliegend. Doch wer mit Audi RS E-Tron GT und Porsche Taycan Turbo auf dem Handlingtrack unterwegs war, sieht das womöglich anders.

Audi RS E-Tron GT, Porsche Taycan Turbo
Foto: Achim Hartmann

Geschichten mit verfeindeten Brüdern nehmen selten ein gutes Ende – in der Bibel nicht und erst recht nicht bei Heinrich Heine oder John Steinbeck. So weit soll es hier nicht kommen, Audi RS E-Tron GT und Porsche Taycan Turbo sind zwar technisch weitgehend baugleich, unterscheiden sich jedoch beinahe so sehr wie James Dean als Caleb und Richard Davalos als Aron in Elia Kazans "Jenseits von Eden"-Verfilmung.

Auf jeden Fall haben die Audi-Designer es geschafft, den E-Tron GT so einzukleiden, dass er auf den ersten Blick als Audi wahrgenommen wird. Er wirkt wie ein athletischer Bruder des S7 und weniger wie ein verkleideter Porsche. Für Design gibt es aus gutem Grund keine Punkte bei Vergleichstests, und dass der Audi eine Spur präsenter und auffälliger wirkt, liegt womöglich an seiner Seltenheit. Der Taycan ist im alltäglichen Verkehr viel häufiger anzutreffen, obwohl er das teurere Auto ist.

Unsere Highlights

Als Taycan Turbo kostet er mindestens 153.016 Euro, den RS E-Tron GT Quattro gibt es ab 140.000 Euro. Teurer sind bei Porsche zudem all die vielen Beigaben, die so ein Auto in dieser Preisklasse zusätzlich zur Serienausstattung benötigt. Dazu gehören im Fall des Testwagens auf diesen Seiten unter anderem die dynamische Chassiskontrolle mit Wankausgleich namens PDCC Sport (3.273 Euro), Keramikbremsen (6.783 Euro), 21-Zoll-Räder (3.225 Euro) und die Hinterachslenkung (2.332 Euro). So summiert sich der bewertete Preis unseres Taycan auf fast 169.000 Euro.

Topsitze in beiden E-Sportlern

Der Audi kommt unterm Strich etwas günstiger, der RS E-Tron GT kostet mit testrelevanten Extras knapp 152.000 Euro. Bei ihm werden unter anderem Keramikbremsen (5.600 Euro), das Carbondach (3.750 Euro), die Allradlenkung (1.390 Euro) sowie das große Assistenzpaket für 5.010 Euro aufgeführt. Was in seiner Sonderausstattungsliste fehlt, ist der Wankausgleich, den es beim E-Tron GT schlichtweg nicht gibt. Serienmäßig verfügen beide Elektrowagen aber über Dreikammer-Luftfedern. Keine schlechten Voraussetzungen für gepflegten Fahrkomfort also, zumal sich die viertürigen Coupés eher als komfortable Reise-GT denn als handlingoptimierte Sportwagen verstehen.

Audi RS E-Tron GT
Achim Hartmann
Audi RS E-Tron GT: 475 kW, 830 Nm, Batterie 83,7 kWh, Reichweite (Testverbrauch): 315 km, ab 140.000 Euro.

Komfort beginnt bekanntlich beim Sitzen. Wer vorn sitzt, kann sich in beiden Autos über sehr gute, vielfach einstellbare und haltstarke Sportsitze freuen, das geht in dieser Klasse kaum besser. Begrüßenswert auch, dass Audi und Porsche bereits serienmäßig mit exzellenten Sitzen ausgestattet sind. Der RS E-Tron GT auf diesen Seiten verfügt zusätzlich über die pneumatisch einstellbaren Sportsitze Pro für 2.000 Euro.

Weniger gut haben es die Fondpassagiere, auch da unterscheiden sich Audi und Porsche nur unwesentlich. Beim Taycan gestaltet sich der Zustieg wegen der niedrigeren Dachlinie etwas schwieriger. Doch der Audi eignet sich ebenfalls eher für kleiner gewachsene Mitfahrer, denn die Kopffreiheit hinten scheint in den Viertürer-Coupés reichlich knapp.

Selbst die Ladeabteile sind mit 435 und 450 Litern nicht gerade üppig dimensioniert, lassen sich aber jeweils durch geteilt umklappbare Fondlehnen vergrößern. Für größere Transportaufgaben scheinen beide weniger geeignet, vor allem wegen der sehr knapp bemessenen Ladeluken. Golfbags dürften durchpassen, Kühlschränke eher nicht. An Zuladung mangelt es nicht, jeweils mehr als 500 Kilo verkraften E-Tron GT und Taycan.

Wann wir denn nun endlich zum Fahren kommen? Genau jetzt. Der exzellente Federungskomfort der beiden elektrischen Zwillinge offenbart sich bereits im Stadtverkehr. Trotz der großen 21-Zoll-Räder rollen beide E-Sportler vergleichsweise geschmeidig ab, Kanaldeckel und ähnliche Widrigkeiten überbügeln die Luftpolster beinahe schon limousinig weich, jedenfalls solange man im Komfortmodus der Adaptivfahrwerke unterwegs ist. Der E-Tron gibt sich dabei eine Spur geschmeidiger, ein Eindruck, der sich auch bei Autobahn- und Überlandfahrt bestätigt.

Der Taycan rumpelt auf Querfugen etwas nachdrücklicher, die Unterschiede zum E-Tron bleiben gering. So lässt es sich gut aushalten, auch auf längeren Etappen, zu denen die Wagen mit ihren je 83,7 kWh fassenden Akkupacks durchaus in der Lage sind. Nach WLTP sollte man damit rund 450 km weit kommen, im Audi tendenziell etwas weiter als im Porsche. Schließlich bietet der Taycan-Antrieb etwas höhere Leistungsdaten: 500 statt 475 kW sowie 850 statt 830 Nm maximales Drehmoment.

Nicht so schnell wie gedacht

Doch auch das ist eine Wahrheit der Elektromobilität: Wenn man mit einem der beiden Testkandidaten auf der Autobahn unterwegs ist, dabei im Bereich der Richtgeschwindigkeit herumbummelt – und 130 km/h fühlen sich hier wie Bummeln an –, dann tut man gut daran, spätestens alle 300 km einen Ladestopp einzuplanen.

Daran ändern fast 700 kg Batteriegewicht zwischen den Achsen nichts, und auch nicht das vergleichsweise schnelle Laden mit bis zu 270 kW Ladeleistung. Die Navis in Audi und Porsche machen das Auffinden entsprechender Lademöglichkeiten leicht. Die Stationen lassen sich in die Routenempfehlung einbauen, so wird auch der Akku rechtzeitig zum Laden vorkonditioniert – theoretisch jedenfalls. Die Ladesäulen zeigen während des Tests indes selten mehr als 150 kW Ladeleistung an, selbst wenn sowohl sie als auch E-Tron und Taycan dazu in der Lage sein sollten.

Wer im Bundesfernstraßennetz noch schneller fährt, muss mit häufigeren Ladepausen rechnen. Dazu ein anekdotisches Beispiel aus dem Alltag: Nach der Testfahrt auf dem Handlingkurs in Boxberg erfolgt das Laden bis 95 Prozent Batteriekapazität an der Autobahnraststätte Jagsttal. Anschließend steht eine Fahrt nach München an, laut Navi 294 km. Sollte kein Problem sein, doch da der Taycan-Fahrer die Tachonadel, wann immer möglich und erlaubt, im Bereich zwischen 130 und 150 km/h hält, empfiehlt der Porsche bald eine Ladepause an der Autobahnraststätte Lonetal West, bevor es knapp wird. Okay, wird gemacht.

Nach 158 km parkt der Taycan vor den Ladesäulen, rund 40 Prozent State of Charge zeigt er an. Es dämmert spätherbstlich früh, die Tankstelle mit Kasse und Kaffeeautomat ist mehrere Hundert Meter entfernt. Eine Viertelstunde laden, dann geht es mit rund 75 Prozent auf die letzten 140 km. Eine gute Stunde später in München ist es dunkel, beruhigende 25 Prozent Akkuladung stehen noch zur Verfügung. Fahrzeit inklusive Laden: drei Stunden, zwanzig Minuten.

Porsche Taycan Turbo
Achim Hartmann
Porsche Taycan Turbo: 500 kW, 850 Nm, Batterie 83,7 kWh, Reichweite (Testverbrauch): 303 km, ab 153.016 Euro.

Ähnliches lässt sich von Fernfahrten mit dem RS E-Tron GT berichten, der ja über die gleiche Batterie verfügt, nach WLTP jedoch – wie erwähnt – etwas sparsamer unterwegs ist: 20,6 kWh je 100 km weist sein Datenblatt aus, 22,9 jenes des Taycan Turbo. Der gefühlte Unterschied im Alltag? Kaum vorhanden. Messbar ist der Unterschied dennoch, im Testmittel verstromerte der Audi 29,8, der Porsche hingegen 30,3 kWh/100 km. An der heimischen Wallbox erweist sich der Taycan Turbo als der Schnellere, weil er mit dem optionalen On-Board-AC-Lader bis 22 kW ausgerüstet ist (1.666 Euro). Beim RS E-Tron steht die 22-kW-Option für 1.270 Euro in der Liste, sie war jedoch im Testwagen nicht verbaut.

Der Porsche bremst besser

Etwas kleiner zeigten sich die Unterschiede freilich bei den Testfahrten auf dem engen Handling-Parcours auf dem Prüfgelände in Boxberg. Sicher kein ideales Terrain für die beiden je über 2,3 Tonnen schweren Viertürer. Umso erstaunlicher hingegen die Performance, die sie dabei auf den Asphalt bügeln. Dabei sind die gefühlten Unterschiede größer als die gemessenen. Denn während sich die beiden Elektro-Zwillinge bei den Pflichtübbungen Standardslalom und Spurwechsel bei den reinen Messwerten in km/h als fast ebenbürtig erweisen, fühlen sie sich im Handling doch ganz unterschiedlich an.

Audi RS E-Tron GT, Porsche Taycan Turbo
Achim Hartmann
Trotz der großen 21-Zoll-Räder rollen beide E-Sportler vergleichsweise geschmeidig ab.

Dank seines aktiven Wankausgleichs zeigt der Porsche praktisch keine Seitenneigung bei schneller Kurvenfahrt, lässt sich extrem präzise einlenken, bleibt sehr lange neutral und zickt selbst bei abrupt provozierten Lastwechseln nicht herum. Ganz so gekonnt kann sich der Audi bei den gleichen Übungen nicht in Szene setzen. Er neigt früher zum Übersteuern, lässt sich mit seiner weniger präzisen und nicht ganz so rückmeldefreudigen Lenkung zudem weniger exakt auf der Ideallinie führen als der Porsche.

Zudem scheinen seine Fahrdynamiksysteme eine Spur vorsichtiger ausgelegt zu sein. Die engagierte Fahrt über Landstraßen bestätigt diesen Eindruck: Der Taycan wirkt insgesamt leichtfüßiger und entspannter, wobei die Unterschiede minimal sind und wohl nur im direkten Vergleich auffallen.

Was bei der Landstraße viel eher auffällt: die besser dosierbare Bremse des Porsche. Beide Testwagen verfügen – wie bereits bemerkt – über optionale Bremsanlagen mit Carbon-Keramik-Scheiben, eine bei Elektroautos eher ungewöhnliche Beigabe. Der Taycan belohnt die Investition mit knackigem Druckpunkt und feinster Dosierbarkeit, der Übergang vom elektrischen zum hydraulischen Bremsen ist nicht spürbar. Und wenn man voll reinlangt, steht der Porsche aus 100 km/h nach 32,5 Metern. Das ist ein absoluter Topwert, den der Audi hier nicht erreicht: Er benötigt für die gleiche Übung mit 34,5 zwei Meter mehr.

Allerdings erweist sich der RS E-Tron GT während der Testfahrten als das einfacher handhabbare Auto. Nicht nur, weil er etwas komfortabler ist, er ist zudem intuitiver und sicherer zu bedienen. Beim Taycan Turbo stören die verschachtelten Menüs von Infotainment und Bordcomputer, die Klimabedienung und nicht zuletzt der am Armaturenbrett versteckte Kippschalter für Vorwärts- und Rückwärtsfahrt. Das löst Audi besser. Allzu ähnlich sollten die beiden Brüder dann wohl doch nicht sein.

Fazit

1. Porsche
669 von 1000 Punkte

Mit seinem feineren Handling, den besseren Bremsen und der runderen Ausstattung sammelt der Taycan Turbo mehr Punkte. Seine Nachteile: höhere Kosten und mehr Verbrauch.

2. Audi
659 von 1000 Punkte

Den ausgewogeneren Komfort und das geringfügig größere Raumangebot hat der RS E-Tron GT. Zudem ist er preiswerter und sparsamer. Nicht so gut: das Ladetempo an der Wallbox.

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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

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