Audi RS 5 Sportback
In Summe doch mehr S als RS

Als Sportback hat sich der Audi RS 5 von seinen angestammten Spielkameraden abgesetzt. Im Alltag kann er eine Sphäre der Unvergleichlichkeit etablieren. Auf der Rennstrecke bleibt er den RS-Anspruch schuldig – komischerweise mit Erfolg!

Audi RS 5 Sportback, Exterieur
Foto: Hans-Dieter Seufert

Bekomme ich, was ich erwarte? Die Antwort auf die Frage entscheidet über Kundenzufriedenheit, das hehre Ziel jeder Güterproduktion. Es ist schwer, die Erwartungshaltung des Kunden in den Griff zu bekommen – die Autohersteller können Liedchen davon singen. Produkte haben Stammbäume, die über Erinnerungen Erwartungen schüren, und die sind nicht so einfach aus dem Weg zu räumen.

2019 feierte die Sportfraktion bei Audi das 25-jährige RS-Jubiläum: 1994 wurde der RS 2 geboren. Richtig, das Bäckerauto mit Bums und Bohei von Porsche, ein für die Zeit und die Marke unverschämt wilder Hund. Es gab ruhmreiche Nachfolger, die in die gleiche Kerbe schlugen: den RS 4 von 2000, den alten RS 6. Den neuen RS 6!

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Was sollen sie können wollen?

Wenn ich an RS denke, ist das meine Erwartung. Bei Audi Sport scheinen sie noch nicht mit sich im Reinen, was sie können wollen sollen. Der neue Audi RS 6 ist ein Berserker, beste RS-Tradition. Andere RS-Modelle setzen auf Einvernehmlichkeit, so auch bisher der RS 5: für sich genommen ein guter Kompromiss, ein souveränes Auto. Im Vergleich wird das Urteil milchiger. Im Kontext der Audi-Baukästen können die RSler nicht aus ihrer Haut heraus, wie bei der Einbaulage des Motors und seinem Einfluss auf die Fahrdynamik.

Jetzt steht das facegeliftete Modell vor der Tür, das es als Coupé und, sehr trendy, als viertüriges Coupé gleich Sportback zu kaufen gibt. Wenn die Anzahl der Türen ein Indiz liefert, sollten wir eher keine Steigerung in Sachen bissige Schroffheit erwarten, korrekt? Auch die technische Kuchenform für den RS 5 hat sich nicht verändert: ganz frontaler Frontmotor, Allrad natürlich, agilisiert über das optionale Sportdifferenzial, und mit einer Kilo-Zahl von 1.700 plus nicht besonders schwerelos.

Audi RS 5 Sportback, Exterieur
Hans-Dieter Seufert
Ahnentreue: Neuer Singeframe-Kühlergrill mit RS-spezifischer Wabenstruktur und charakteristischen drei Luftschlitzen darüber.

Verharren wir kurz beim Scannen der modellspezifischen Neuheiten, die sich auf weiche Ränder wie das Design und das Bedienkonzept konzentrieren. Die neue dreidimensionale Schulterlinie in Form einer Welle? Der neue Singleframe? Das Kühlerschutzgitter mit der RS-spezifischen Wabenstruktur? Oder die Luftschlitze über dem Grill? Die abgedunkelten Matrix-LED-Scheinwerfer mit Laserlicht? Ja, alles sehr schön und hochwertig, willkommen bei Audi. Ästhetische Retuschen ja, Brachialisierung nein – da ändern auch die um 15 mm ausgestellten Radhäuser oder der neue Heckdiffusoreinsatz nichts.

Dann ist da noch das neue Bedienkonzept, das mit einem zehn Zoll großen MMI-Touch-Display glänzt und das, wenn Navigation plus an Bord ist, den Sportfahrer mit der RS-Monitor-Ansicht abholt, die Kerndaten wie Motor- und Getriebetemperaturen sowie Längs- und Querbeschleunigungswerte und Reifendrücke anzeigt. Der Blick auf die essenziellen Technik-Features offenbart allenfalls Nuancen, im Fokus steht das RS-Dynamikpaket, das auch das RS-Sportfahrwerk plus mit hydraulischer Dynamic Ride Control und dreistufig regelbarer Dämpfung sowie Dynamiklenkung, Sportdifferenzial und Topspeed-Enthemmung auf 280 km/h umfasst.

Doch das gab es so alles auch schon beim Vorgänger, genauso wie die RS-Keramikbremsanlage an der Vorderachse. Ach so, und 20-Zoll-Räder gibt’s auch noch mit Pirelli-P-Zero-AO-Reifen.

Wehrhaftes Untersteuern

Die Aufzählung macht klar: Da kann man keine Wunderdinge im Vergleich zum Vorgänger erwarten, oder? Betrachtet man die ermittelten fahrdynamischen Eckwerte, stellen sich folgerichtig nur marginale Änderungen und minimale neue Erkenntnisse ein. Der RS 5 bleibt ein tolles 95-Prozent-Auto: Bis dahin schaufelt er alle Anforderungen lässig weg. Wer aber das Kriegsbeil auspackt, muss behutsam zuschlagen: Auf keinen Fall darf der RS 5 auf der schnellen Runde in Hockenheim überfahren werden, denn der Abwehrmodus heißt in dem Fall Untersteuern.

Wer die korrekte Einlenkgeschwindigkeit trifft, darf dank Allrad mit Herzenslust rausballern, dank einer gewissen Lastwechselwilligkeit sind auch Änderungen der ballistischen Bahn immer noch machbar. Das macht sich übrigens auch mit einer leicht verbesserten Agilität beim 18-Meter-Slalom positiv bemerkbar. Die Hockenheim-Rundenzeit von 1.59,7 Minuten ist zwar schneller als beim Vorgänger, aber von einer Verschiebung der badischen Richterskala kann hier auch beim besten Willen nicht die Rede sein.

Im Vergleich zu den härter gesottenen Spielgesellen vom Schlage eines BMW M3 oder einer Mercedes-AMG C 63 Limousine gibt der RS 5 weiterhin den stil- und fahrsicheren Charmeur, was ja für sich betrachtet auch wieder als Differenzierungsmerkmal verstanden werden kann und vermutlich auch soll.

Nasenbär mit Vollbremsung

Audi RS 5 Sportback, Rad
Hans-Dieter Seufert
Hinter den schicken Vorderrädern warten Bremsscheiben aus Keramik, hinten gibt es weiterhin nur Stahl.

Eine relevante dynamische Auffälligkeit wäre noch im Bremsenkapitel zu vermelden: Harte Tritte aufs linke Pedal führen zu ebenso harten und ruppigen Eingriffen des ABS-Systems. In diesem sogenannten Notbremsmodus schlägt beim RS 5 die Physik mit der frontlastigen Gewichtsverteilung durch: Die dynamische Radlastverschiebung entlastet die Hinterachse schlagartig, die Elektronik muss das Phänomen über Regeleingriffe einfangen. Und es ist daher in diesem Zusammenhang eher kein Zufall, dass bei der aufpreispflichtigen RS-Bremse nur die vorderen Scheiben aus Keramik sind, hinten kommt weiter schnöder Stahl zum Einsatz. In der Gesamtschau ist also die Tendenz klar: Der Audi RS 5 wurde eher als sportlicher Gran Tourismo denn als zorniger Wadlbeißer für die Rennstrecke eingetütet. Die letzten fünf Prozent überlässt er gerne den anderen – und 90 Prozent der Kunden würden hier zustimmend nicken. Der souveräne Antrieb mit dem 2,9-Liter-V6-Biturbo (450 PS, 600 Nm) und der Achtgang-Tiptronic bügelt alle weiteren Falten aus dem grauen Alltag.

Für die meisten Audi-RS-5-Kunden scheint das am Ende aller Tage genau das zu sein, was sie eigentlich erwarten. Und am Ende bekommen sie von Audi genau das und auch genau deshalb.

Fazit

Wer die Messer wetzen will, wird in diesem Segment bei BMW oder Mercedes-AMG besser bedient. Wer ein erwachsenes, fahrsicheres Coupé mit vier Türen sucht, dazu einen vorbildlich starken Motor und obendrein nicht auf die optischen Attribute der Athletik verzichten will, ist beim Audi RS 5 goldrichtig. Komisch nur, dass er die RS-Insignien trägt – das S wäre passender.

Technische Daten
Audi RS5 Sportback
Grundpreis89.000 €
Außenmaße4783 x 1866 x 1387 mm
Kofferraumvolumen465 bis 1280 l
Hubraum / Motor2894 cm³ / 6-Zylinder
Leistung331 kW / 450 PS bei 5700 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten