Audi S6 Avant TDI gegen Mercedes E 400 d T
Große Diesel-Kombis mit Sechszylinder im Vergleich

In seiner Neuauflage tritt der Audi S6 Avant mit einem bärenstarken Diesel und damit direkt gegen den Mercedes E 400 d T an. Neben viel Gepäck transportieren beide auch reichlich Emotionen.

Audi S6 Avant TDI, Mercedes E 400 d T, Exterieur
Foto: Achim Hartmann

Vieles, sagt man, sei schlicht eine Frage des Standpunkts. Ist etwa die Birne aus der Sicht des Apfels schlechter, weil sie kein Apfel ist? Oder andersherum? Beurteilen wir den Audi S6 Avant aus der Sicht des Mercedes E 400 d T? Oder das T-Modell aus der Sicht des Avant? Fest steht zumindest: Wir vergleichen hier ein agiles Modell, das auch komfortabel ist, mit einem komfortablen Modell, das auch agil ist.

Wie es zu dieser Paarung kommt? Das liegt daran, dass es den sportlichsten A6 in Deutschland nur noch mit Dieselmotor gibt – und dass es dezidiert sportliche E-Klassen gerade nicht mit Diesel gibt. Trotzdem ist so ein E 400 d als T-Modell mit 700 Nm und Allradantrieb ein echter Rivale für den S6 Avant, denn selbst ohne AMG-Label ist die E-Klasse alles andere als unsportlich. Das haben wir während diverser Vergleichstests bereits festgestellt.

Unsere Highlights
Audi S6 Avant TDI, Exterieur
Achim Hartmann
Der Audi S6 ist in Deutschland nur noch mit Dieselmotor erhältlich.

Elektrische Luftpumpe

Nun wollen wir überprüfen, ob das T-Modell auch bei Audis neuem Sportkombi mithalten kann. Dessen Vorgänger hatten bis zu zehn Zylinder unter der Fronthaube, zuletzt immerhin noch einen Biturbo-Achtzylinder. Jetzt ist beim S6 so ziemlich alles anders: Diesel, sechs Zylinder, nur ein Monoturbo, den ein elektrisch angetriebener Luftverdichter unterstützt. Weniger Leistung als bisher, aber deutlich mehr Drehmoment – 700 Nm.

Sind alle Tränen über den Verlust der dicken Benziner vergossen, könnte eine nüchterne Erkenntnis reifen: Der schulterzuckenden Logik, wonach Sportmodelle immer größer, schwerer, folglich stärker und kaum sparsamer werden, kann man heute nicht mehr mit reiner Gewissensweste folgen.

Der dieselnde S6 dagegen passt in unsere Zeit, denn er unterfüttert den Hochleistungsgedanken mit Effizienzanstrengungen. Wer also auf langen Strecken mit großem Gepäck schnell unterwegs sein und dennoch zeitgemäß einstellige Durchschnittsverbräuche erzielen möchte, der findet in diesem raumgreifenden, dynamisch ausgelegten Diesel-Kombi das passende Fortbewegungsmittel.

Audi S6 Avant TDI, Auspuff
Achim Hartmann
Eine elektrisch angetriebene Luftpumpe, soll den lahmen Ladedruckaufbau überbrücken.

Vorbehalte? Ja, denn seit Einführung des WLTP-Testverfahrens, für das die Motoren neu abgestimmt wurden, hatten wir uns in einigen tiefen Turbolöchern verirrt: Audis Dieselmodelle wirkten zugeschnürt, wollten nicht mehr losfahren, brauchten an der Ampel irritierend lange, bis sie unter dem Huphinweis des Hintermanns endlich Meter machten. Nun verweist der Hersteller auf die elektrisch angetriebene Luftpumpe, die den lahmen Ladedruckaufbau überbrücken soll.

Der E-Booster sitzt in der Ansaugstrecke hinter dem Ladeluftkühler, pustet also auf kurzen Wegen in den Brennraum, sofern ihm das Bypass-System Luft zum Verdichten zuführt. Damit schüttet er laut Hersteller das Turboloch eines konventionellen Abgasturboladers zu. Haben wir nicht genau darauf gewartet?

Vor dem Losfahren werfen wir noch kurz einen Blick in die Heckabteile. Das mag bei Sportmodellen unpassend klingen, doch bevor Sie nun Ihren Shit in den Storm schicken, folgt hier unser Credo: Der Laderaum ist alleiniger Existenzgrund eines Kombis.

Mercedes E 400 d T, Kofferraum
Achim Hartmann
Die E-Klasse schafft im umgeklappten Zustand ganze 155 Liter mehr als die Konkurrenz aus Ingolstadt.

Erkenntnis: Der Mercedes hält das größere Gepäckvolumen bereit, darf mehr zuladen, bietet bei umgeklappten Rücksitzlehnen einen ebenen Ladeboden und darunter Verstaufächer samt zusammenfaltbarem Einkaufskorb. Weil größere Fensterflächen die Übersichtlichkeit erhöhen und die E-Klasse leichter zu bedienen ist, geht das Karosseriekapitel an das T-Modell – mit deutlichem Vorsprung. Diesen gleicht der Avant mit einigen serienmäßigen Assistenten fast wieder aus, welche bei der E-Klasse Aufpreis kosten.

Lautsprecher im Radhaus

Einsteigen, zünden. Im Audi sechszylindert der V6 mehr als dass er dieselt. S-Hardliner werden dennoch erst beschwichtigt sein, wenn sie den Dynamik-Modus aktiviert haben; dann übertönt ein Lautsprecher unter dem Armaturenbrett und ein weiterer im hinteren Radhaus raue Frequenzen mit V8-Grummeln. Dem stellt Mercedes seinen minimal ruhiger laufenden Reihensechszylinder entgegen, setzt statt auf zwei virtuelle Zusatzzylinder auf ein zweistufiges Turbosystem.

Kurz nach Anlegen des Gasfußes kommt die kleinere der beiden Turbinen auf Touren, und der E 400 d schiebt sämig los, lässt sein Drehmoment gleichmäßig anschwellen – bis auf jene 700 Nm, welche auf dem Papier bereits bei 1.200/min anliegen, aber selbst in der Realität nur wenige Hundert Umdrehungen später den Magen flau werden lassen.

Das beeindruckt nachhaltig, dürfte aber vom S6 noch in den Schatten gestellt werden. Schließlich rotiert hier der Elektroverdichter laut Audi schon 250 Millisekunden nach dem Gasgeben und überbrückt das Turboloch des Monoladers.

Audi S6 Avant TDI, Mercedes E 400 d T, Exterieur
Achim Hartmann
Nach 5,4 Sekunden wird der digitale Tachometer beim Audi dreistellig. Der Mercedes benötigt 0,1 Sekunden länger.

Geben wir also Gas und – … – Sie ahnen es bei der Schreibpause: Es dauert, bis der V6 seine versprochenen 700 Nm liefert. Der elektrisch angetriebene Verdichter ist zu schwachbrüstig, um das Turboloch zuzuschütten. Er überwindet lediglich die jüngst hinzugekommene WLTP-Lethargie – beim Anfahrverhalten wären wir gefühlt wieder in der Zeit vor dem neuen Messverfahren angelangt. Und dafür dieser enorme technische Aufwand?

Agilität kostet extra

Die Automatik versucht servil, den Motor im saftigen Bereich zu halten, schaltet gern und vor allem häufig. Das lähmt beim Herausbeschleunigen aus engen Kurven den Vorwärtsdrang zusätzlich. Und es dämpft die Drehmoment-Euphorie, welche man mit dem 700-Nm-Versprechen kauft – man erwartet in sich ruhende Durchzugskraft, erhält aber stattdessen Drehzahlen-Aktionismus.

Möglicherweise resultiert schon daraus der um 0,7 Liter höhere Durchschnittsverbrauch pro 100 Kilometer, aber auch das um 55 Kilogramm höhere Gewicht des S6 spielt sicher eine Rolle. Trotzdem erstaunt der Blick auf die Auswertung der Fahrdynamik-Tests: Das T-Modell hält beim Sport-Avant mit, ist beim doppelten Spurwechsel sogar einen Hauch schneller. Selbst später bei einer engagierten Runde auf der Landstraße lässt der E 400 d nicht abreißen, folgt dem S6 problemlos und bleibt dabei wie sein Fahrer völlig entspannt.

Mercedes E 400 d T, Exterieur
Achim Hartmann
Im Testmittel verbraucht der Mercedes 8,2 Liter Diesel und benötigt somit 0,7 Liter weniger als der Audi.

Trost für Audi-Fans: Der S6 erscheint animierender – dank der direkteren Lenkung und des strafferen Fahrwerks, aber auch dank teurer Extras wie der mitlenkenden Hinterräder (1.900 Euro) sowie des Sportdifferenzials (1.500 Euro), einer Art Torque Vectoring. Ein Momentüberschuss am kurvenäußeren Hinterrad lässt das Heck eindrehen, was den S6 einerseits spontan die Richtung ändern lässt, andererseits dem Tarieren im Grenzbereich einen gewissen Kitzel verleiht – das Heck pendelt zuweilen raumgreifender als gedacht.

Beim subjektiv empfundenen Fahrspaß bleibt das T-Modell etwas zurückhaltend, weil es Kurven fast schon kaltschnäuzig erledigt, Richtungswechsel ohne Aufhebens aus dem Ärmel schüttelt. Dabei fällt die leicht inhomogene Elektrounterstützung der Lenkung auf. Das kennen wir bislang nicht von der E-Klasse. Ob es daran liegt, dass die Vorderräder des 4Matic-Testwagens auch Antriebsaufgaben übernehmen?

Andererseits marschiert der Mercedes auf der Autobahn selbst dann noch stur geradeaus, wenn der Audi nach leichten Korrekturen verlangt. Und er behandelt seine Passagiere nachsichtiger. Je derber die Bodenwellen werden, desto schonungsloser raubt er ihnen dank Luftfederung (1.785 Euro) ihre Bedeutung.

Audi S6 Avant TDI, Mercedes E 400 d T, Exterieur
Achim Hartmann
Der Avant gibt die Pace vor, der und das T-Modell folgt - fast schon erschreckend locker.

Halten wir überspitzt fest: Agilität kostet im S6 zusätzlich 2.400 Euro, Komfort in der E-Klasse 1.785 Euro.Nun sind beide schon serienmäßig teuer, dennoch nach Ansicht ihrer Hersteller nicht ausreichend gerüstet, um in den Wettkampf zu ziehen. Beide schicken die Testwagen mit Akustikverglasung und Options- sitzen. Das T-Modell erhöht seine Reichweite zudem mit einem größeren Tank. Entsprechend bewerten wir beim S6 Avant als Grundpreis 83.895, beim E 400 d T dagegen 72.256 Euro. Dass der Audi prinzipiell ab Werk besser ausstaffiert wird, lässt sich übrigens im Punktevorsprung bei „Ausstattung“ ablesen.

Addieren wir weiter auf: Am Ende fehlen dem S6 sechs Punkte auf einen Gleichstand – diese verliert er durch seinen Motor: Der V6 legt zurückhaltender los, ist weniger effizient, stößt mehr Emissionen aus und verursacht etwas höhere Spritkosten.

Nicht nur aus Sicht des Mercedes betrachtet enttäuscht der V6 des Audi S6. Diesel hin oder her: In einem als sportlich deklarierten Modell muss das Triebwerk willig zur Sache gehen – mindestens so wie der Reihensechszylinder im E 400 d T.

Fazit

1. Mercedes E 400 d T 4Matic
476 von 1000 Punkte

Klar, dass das T-Modell der bessere Kombi ist. Doch es hält auch bei Fahrverhalten sowie Agilität locker mit dem Avant mit, federt besser, ist sparsamer und günstiger.

2. Audi S6 Avant TDI Quattro
470 von 1000 Punkte

Schwachstelle des S6 ist der Diesel-V6. Konkret: seine Anfahrschwäche. Positiv: die animierende Agilität sowie viele serienmäßige Sicherheits- und Assistenzsysteme.

Technische Daten
Audi S6 Avant TDI Quattro Mercedes E 400 d T 4Matic
Grundpreis77.584 €66.759 €
Außenmaße4954 x 1886 x 1445 mm4933 x 1852 x 1475 mm
Kofferraumvolumen530 bis 1665 l640 bis 1820 l
Hubraum / Motor2967 cm³ / 6-Zylinder2925 cm³ / 6-Zylinder
Leistung257 kW / 350 PS bei 3850 U/min250 kW / 340 PS bei 3600 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h250 km/h
0-100 km/h5,4 s5,5 s
Verbrauch6,5 l/100 km5,8 l/100 km
Testverbrauch8,9 l/100 km8,2 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten