BMW M3 Competition im Antriebsvergleich
Hinterrad- oder doch lieber Allradantrieb?

Ja, BMW bietet den M3 Competition tatsächlich heckgetrieben oder alternativ als Allradversion an. Wobei sich bei Letzterer die angetriebene Vorderachse auf Tastendruck wieder abhängen lässt – für reinen Hinterradantrieb. Verwirrend? Stimmt. Was das bringt? Wir klären Sie gerne auf.

BMW M3 Competition Hinterrad- und Allradantriebvergleich
Foto: Hans-Dieter Seufert

Die Diagnose scheint klar: Der allradgetriebene BMW M3 Competition macht den hinterradgetriebenen überflüssig, denn auch der Allradler kann auf Hinterradler machen. In einem speziellen Fahrmodus lässt sich sein angehängter Vorderradantrieb wieder abhängen. Warum also bietet BMW überhaupt noch das traditionelle Modell an?

Mit/ohne angetriebener Vorderachse, das ist ja nicht mehr ganz neu unter den Allrad-Sportlern. Der Mercedes-AMG E 63 kann dieses Kabinettstückchen beispielsweise, ebenso der BMW M5 Competition. Das Mittendifferenzial stellt auf Wunsch kein Drehmoment nach vorn durch, und die Antriebswellen laufen leer mit. Alle Kraft gelangt nach hinten, wo der Schmauch seine Bahn zieht, wenn man das denn möchte.

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Rauch will der Allradantrieb ja eigentlich nicht aufsteigen lassen, stattdessen das Drehmoment so gekonnt verteilen, dass es auf der Straße landet. Beim M3 Competition gibt es reichlich zu verteilen: 650 Nm, denn der Sport-Dreier ist mittlerweile groß und schwer. Ersteres sorgt für Klaustrophobie auf engen Landsträßchen, dagegen hilft nichts. Zweiteres sorgt für Massen-Trägheit, dagegen hilft Druck auf der Kurbelwelle.

BMW M3 Competition Hinterradantrieb
Hans-Dieter Seufert
BMW M3 Competition: 510 PS, 650 Nm, 0–100 km/h in 3,9 s, 100–0 km/h in 34,5 m, ab 90.500 Euro.

Wollen sie adäquat dynamisiert werden, so verlangen 1.714 Kilogramm nach schierer Power. Die liefert der Dreiliter-Biturbo mit nun 1,7 statt 1,3 bar Ladedruck. Pusten beide Schaufelräder mit hochroten Wangen, dann drückt es den Magen in die Blümeranz. Geradeaus.

Mehr Technik und Gewicht

Seitwärts dagegen drückt vorwiegend das Heck des Hinterradlers. Warum? Weil sich bei Frontmotor-Sportlern die Masse vorne konzentriert und nicht auf der angetriebenen Hinterachse, der sozusagen Anpressdruck fehlt. Deshalb gibt es den Competition wahlweise mit zupackender Vorderachse als xDrive, also als Allradler (hier kurz: AWD für All-Wheel Drive).

Nachteil: zusätzlich rund 50 kg (Gewichtsdelta der Testwagen: 62 kg) an Antriebstechnik, die herumgewuchtet werden wollen. Und das zieht minimal steifer ausgelegte Federn nach sich. Die Rate ist an der Vorderachse um ein sowie an der Hinterachse um zwei Newton pro Millimeter höher.

BMW nennt die Sport-Limousine nach aktueller Nomenklatur zwar M3, doch Größe, Gewicht und Leistungsdaten meinen eigentlich M5. Vom Vermächtnis eines E36 in der lustvoll saugenden 321-PS-Version oder gar des E46 als giftelnden CSL entfernt sich der aktuelle Riesen-M3 immer stärker – hin zu einem Gewaltausbruch auf vier Rädern, den entschlossene Fahrwerkstechnik unter Kontrolle halten muss. Allerdings hat BMW sowohl die Radführung als auch die Regelungstechnik beeindruckend hinbekommen: Die mechanische Traktion des AWD scheint unerschöpflich.

Das xDrive-System packt sich den Radius und saugt sich darauf fest. Da wackelt nix, da bleibt keine Luft, da sitzt die Karosserie einfach in ihren Federn. Und da verharrt sie stoisch. Egal wann man ans Gas geht, es schleudert den Allradler in den Kurvenausgang. Nicht zu verwechseln mit: Er schleudert im Kurvenausgang, denn das macht eher der RWD – mit kalten Reifen.

BMW M3 Competition Allradantrieb
Hans-Dieter Seufert
BMW M3 Competition M xDrive: 510 PS, 650 Nm, 0–100 km/h in 3,4 s, 100–0 km/h in 34,6 m, ab 94.500 Euro.

Dafür muss nicht einmal das ESP abgeschaltet sein; es reicht ein euphorischer rechter Fuß auf halbseidenem Untergrund, und schon testet das Heck das Reaktionsvermögen des Fahrers. Der Hinterradgetriebene, kurz: RWD für Rear-Wheel Drive, hat mit dem Drehmoment-Schwall seine liebe Not. Es sei denn, seine Michelin Pilot Sport 4S sind wohltemperiert, denn sie wollen hartnäckig warm gefahren werden, bevor sie zubeißen.

Schulter-Work-out

Laut BMW fühlen sich die Gummis zwischen 40 und 90 Grad Celsius wohl – da muss man bei Herbstwetter erst einmal hinkommen. Wer auf der Landstraße 40 Grad erreicht, hat schon einen Work-out der Schultermuskulatur hinter sich. Und er hat im RWD Herausforderungen gemeistert sowie Versuchungen widerstanden. Kurven bestehen dabei aus der Herausforderung, die Balance zwischen der rutschenden Vorder- und Hinterachse auszutarieren. Geraden gehören zu den Versuchungen, denen man permanent widerstehen muss, um nicht in unerlaubte Temporegionen vorzustoßen.

Am besten absolviert man zunächst einen Rosenkranz aus engen Kurven und meidet jede Form von Gerade. Körniger Asphalt hilft beim Anwärmen – er ist der Freund des Sportfahrers, bietet das Positivstück zum Reifenprofil. Und auf dieser Körnung spielt der wohltemperierte RWD seinen Vorteil voll aus: Das unnachgiebige Eindrehen – das macht der AWD nicht vorbehaltlos.

Wobei wir jetzt schon gedanklich von der Landstraße auf die Rennstrecke gewechselt sind – zunächst für Fahreindrücke nach Hockenheim, am nächsten Tag für Rundenzeiten nach Boxberg. Auf dem Handlingkurs ist es ein Leichtes, die Michelins für ihre Aufgaben zu erwärmen; entsprechend scharwenzelt die Hinterachse des RWD nicht mehr so ziellos durch den Scheitelpunkt wie vorhin beschrieben. Vielmehr weist ihr die Choreografie einen definierten Platz in der Kurvenabfolge zu.

BMW M3 Competition Hinterrad- und Allradantriebvergleich
Hans-Dieter Seufert
Fürs Fotografieren in Hockenheim reichte das Licht noch, dann verhinderte die Dämmerung aber das Fahren von Zeiten.

Schon beim Anbremsen hakt sich die Vorderachse in den Radius ein, kurz darauf dreht das Heck leicht mit. Der M3 giert nach innen, und sein Pilot bestimmt die folgende Sequenz: Öffnet er die Lenkung, dann fädelt sich die Hinterhand brav in den eigentlichen Radius ein. Schiebt er stattdessen Drehmoment nach, dann hockt sich der Competition in den Rennfahrerdrift, nimmt die Kurve dezent übersteuernd. Oder, Variante drei, er geht hart ans Gas und driftet. Wobei der RWD weich in die Gleitreibung wechselt und nicht zu gefürchteten Kontern tendiert.

Legt man das hohe Einlenktempo des RWD auch beim xDrive an, riskiert man Untersteuern. Wer schnell sein will, muss seinen Fahrstil dem höheren Gewicht der Vorderachse anpassen. Das erfordert zuweilen Zurückhaltung bis zum Scheitelpunkt; dort allerdings kann man früher ans Gas und nachhaltiger pushen, denn vier Räder übertragen mehr Vortriebsmoment als zwei.

Der Swing im Heck

Diese unerbittliche Ruhe prägt den Fahrcharakter auf der Rennstrecke noch deutlicher als auf Landstraßen, lässt den M3 fast schon etwas belanglos wirken. Man könnte den AWD ergebnisorientiert nennen, positiv ausgedrückt. Negativ betrachtet, fehlt dem Heck der Swing, der bislang zum Erbe des M3 gehörte. Aber es gibt ja noch den Modus 4WD Sport. Hier hält das Zentraldifferenzial die Vorderachse spürbar kürzer mit Drehmoment. Ganz im Sinne des kammschen Kreises hat sie mehr Spielraum zur Seitenführung, packt am Kurveneingang fester zu.

Gleichzeitig dreht das Heck leicht ein, verkleinert den Radius – minimal, aber spürbar. Und da wäre schon ein Hauch vom M3-Gefühl, das wir vermisst haben. Doch verglichen mit dem RWD wirkt die Vorderachse des AWD selbst in 4WD Sport noch immer nicht völlig unabhängig. Drücken wir auf 2WD, nehmen sie also komplett aus der Kette. Komplett? Jein, Newtonmeter fließen zwar nicht mehr, doch die leer mitlaufenden Antriebswellen erzeugen Reibung und haben Drehmasse. Außerdem stehen die beiden Bauteile den Querlenkern im Weg – beim RWD können sie direkter verlaufen.

Halten Sie uns für Asphaltlauscher, aber man spürt das in der Lenkung. Sie scheint nicht ganz freigängig, hat nicht die feinmotorische Rückmeldung des RWD. Richtungswechsel wirken im Allradler gemütlicher, obwohl er direkter übersetzt ist. Übrigens gilt das für alle drei Modi; in keinem lenkt der AWD so kategorisch ein wie der RWD – und ist doch in den Modi 4WD und 4WD Sport schneller. Weil eben entscheidender ist, dass man früher und härter ans Gas kann.

BMW M3 Competition Hinterrad- und Allradantriebvergleich
Hans-Dieter Seufert
BMW nennt die Sport-Limousine nach aktueller Nomenklatur zwar M3, doch Größe, Gewicht und Leistungsdaten meinen eigentlich M5.

Entsprechend geben wir folgende Empfehlung: Wer den M3 gegen die Stoppuhr sowie (ganzjährig) im Alltag fahren möchte, wählt den Allradler. Wer dagegen ein Tracktool sucht, das nicht etwa die Rundenzeit minimiert, sondern den Fahrspaß (bei warmen Reifen) maximiert, der sollte zum rein hinterradgetriebenen Modell greifen.

Schön, dass BMW den Traditionalisten noch im Programm hat.

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Fazit

Unter perfekten Bedingungen – trocken, warm, griffiger Asphalt – macht der rein hinterradgetriebene M3 mehr Spaß, weil er spontaner und unmittelbarer einlenkt, Kommandos präziser umsetzt, enger am Lenkrad hängt. Er ist erste Wahl für Fahrspaß-Puristen. Sucht man dagegen ein Erstauto, das dem fiesen Alltag samt schlechter Gripverhältnisse, niedriger Temperaturen, rutschigem Asphalt und Regen Paroli bieten kann, sollte man zum Allradler greifen. Dieser ist auf abgesperrter Strecke zwar deutlich unspektakulärer, aber tatsächlich sogar schneller unterwegs.

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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

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