BMW 730d im Test
Erste Klasse kostet immer Aufpreis

Wer sich einen BMW 730d gönnt, erwartet eine edle, perfekt verarbeitete Reiselimousine mit sportlichen Talenten. Genau so stellte sich der 730d zu Beginn unseres Dauertests vor – nach 100.000 Kilometern überraschte er vor allem mit seinem Verbrauch.

BMW 730d
Foto: Hans-Dieter Seufert

Der BMW 730d ist kein Aufreißer, sondern eher ein behutsamer Zuzieher. Ein freundlicher Luxus-Reisewagen, der seine vier schweren Türen selbstständig und lautlos ins Schloss zieht und damit auch nicht die eigene Großmutter als kraftlos bloßstellt. Mit dieser charmanten Hilfsbereitschaft startete die Limousine am 18. November 2009 in den 100.000 Kilometer-Dauertest – einige Wochen zuvor wurden ihre Bleche zusammengeschweißt, meterweiße Kabel verlegt, Leder gespannt, Spacegrau Metallic angerührt (1.080 Euro Aufpreis), die Klimaanlage befüllt, ein Dreiliter-Diesel samt Sechsgang-Automatik verheiratet und die Fahrgestellnummer eingepresst.

70.500 Euro kostete ein 730d-Grundpaket im Herbst 2009, heute werden dafür mindestens 73.600 Euro fällig. Schon in den ersten Tagen des Dauertests wird klar, dass eine Reise mit dem stattlichen BMW 7er das eigene Preisgefühl schärft. Bei jedem Eintrag ins Fahrtenbuch brennt sich der aufgedruckte Testwagenpreis ein. 105.500 Euro! Typische Reaktion: So teuer ist dieser 730d? Liegt der Startpreis nicht bei rund 70.000 Euro?

35.000 Euro für Extras

Nach zwei Atemzügen und einem Rundumblick wird die Sache klar. Man verstellt bequeme Komfortsitze, füttert ein großes Navigationsgerät mit Adressen, bekommt von einem Head-up-Display Geschwindigkeit und Tempolimits ins Blickfeld projiziert, freut sich über das Schadstoffklasse-Euro 6-Paket, aktiviert alle möglichen Assistenzsysteme und und und. Kurz: In der automobilen Oberklasse verschwinden 35.000 Euro schneller in Extras, als man diesen BMW 730d ausgeparkt hat.

Egal, wer mit dem BMW 730d die Tiefgarage verlässt: Er rollt vorsichtig, beeindruckt von der wuchtigen Karosse, dankt noch einmal der Rückfahrkamera (420 Euro) und fühlt sich auch in den Gassen der Altstadt wie der Kapitän eines Dampfers mitten in Venedig. Der angenehme Teil der Dienstreise startet meist hinter dem Ortsausgangsschild und wird mit der Autobahnauffahrt zur Wellness-Tour. Hier ist der BMW 730d zu Hause, hier verliert er gefühlt einige 100 seiner 1.982 Kilogramm (Leergewicht) und gleitet leicht und leise dahin.

Noch vor dem ersten Ölwechsel für rund 400 Euro (24.774 Kilometer) stellt sich die Wahl des kleinen Diesels als prächtige Entscheidung heraus. Sechs Zylinder teilen sich drei Liter Hubraum und servieren bei nicht mal 1.800 Umdrehungen satte 540 Newtonmeter Drehmoment. Damit braucht das Gaspedal nicht mal Kickdown, um den schweren Wagen leichtfüßig nach vorn sprinten zu lassen. Unbeeindruckt von so viel Kraft gestaltet das Sechsgang-Automatikgetriebe die meisten Gangwechsel sehr harmonisch, was die Kollegen einstimmig schätzen.

Hinterradantrieb des BMW 730d im Winter problematisch

Gewöhnungsbedürftig finden viele den kurzen Wählhebel mit Tippfunktion, nach ein paar Monaten der Gewöhnung ebbte die Kritik darüber ab. Schon der erste Winter des BMW 730d offenbart die Schwäche seines Hinterradantriebs. Während er an den trockenen Herbsttagen auch die kraftvollsten Sprints verlustfrei auf den Asphalt bringt, rutscht er auf verschneiten Wegen schneller weg, als man Allrad buchstabiert – daran ändert auch die gute ESP-Abstimmung nichts. X-Drive, so nennt BMW seinen 4x4-Antrieb, gibt es allerdings erst für den stärkeren 740d. Dieses Upgrade sollten Bergbewohner und Skifans einplanen.

Für den ersten Schaden bei Kilometerstand 41.952 sorgt ein fußballgroßer Stein, der beim Rückwärts-Rangieren mit einem kurzen Rumms den Endstücken des Endschalldämpfers viel zu nahe kommt. Die Werkstatt tauscht tags darauf die Abgasanlage, da sich die alte mehrere Zentimeter nach vorn geschoben hatte: „Alles wieder okay.“ Rund 15.000 Kilometer später verlangt der BMW 730d per Bordmenü rundum nach frischen Bremsbelägen. Dabei werden auch die vorderen Bremsscheiben getauscht, die ebenfalls verschlissen sind. Die Reparatur kostet mit 1.145,42 Euro so viel wie ein Pärchenurlaub am Mittelmeer.

BMW 730d ist optimales Reise- und Langstreckenauto

Auch der BMW 730d ist in den folgenden Monaten öfter Richtung Italien unterwegs – dabei werden stets seine sehr bequemen Reisesitze gelobt. Beim Komfort des adaptiven Fahrwerks teilt sich die Redaktion in zwei Lager: Die einen finden es komfortabel genug, die anderen zu straff, vor allem über 180 km/h. Einig sind sich alle über die Eigenarten der Lenkung, die sich beim Rangieren immer ruppiger anfühlt und an beiden Anschlägen Geräusche macht. Bei 61.574 Kilometer wird daraufhin die Hydraulikpumpe der Servolenkung getauscht – bei diesem einzigen außerplanmäßigen Werkstattbesuch bringt das Auslesen des Fehlerspeichers eine defekte Lambdasonde zum Vorschein, die ebenfalls gewechselt wird.

Auf die Hilfe des Spurwechselassistenten verzichten die meisten Kollegen, er warnt den Fahrer, wenn er Fahrbahnmarkierungen überrollt – gerade bei einem breiten Fahrzeug wie dem BMW 730d kommt das jedoch öfter vor. Während das Head-up-Display einstimmig gelobt wird und die Nachtsichtkamera so gut wie nie Verwendung fand, erfährt der Fernlichtassistent von den Kollegen in der Redaktion viel Kritik: Er blendet zu spät ab.

Im letzten Drittel des Dauertests durchziehen den BMW 730d leichte Vibrationen und Geräusche im Leerlauf, die Werkstatt prüft im Rahmen eines Ölwechsels den Riementrieb und entspannt einen Halter für die Hydraulikleitungen. Nachdem das Problem in den folgenden 8.000 Kilometern immer wieder auftritt, richtet die Werkstatt zwei Hydraulikleitungen neu aus, die sich berührten und Vibrationen erzeugten.

Durchschnittlich 9,7 Liter Verbrauch

Staunen erzeugt nach 100.000 Kilometern die Bilanz des Turbodiesels. Trotz vieler schneller Autobahnetappen verlangt er nie nach Motoröl, hat keine Leistungsschwächen – im Gegenteil, zum Ende zieht er noch besser als am Anfang – und begnügt sich durchschnittlich mit 9,7 L/100 km. Zurückhaltend bewegt, zeigt der BMW 730d im Bordcomputer Verbräuche mit einer Sieben vor dem Komma. Eine große, schwere Limousine mit dem Durst eines Kleinwagens – Hut ab.

Auf weit höherem Niveau liegen naturgemäß der Wertverlust und die Unterhaltskosten, vor allem die Rechnungen der beiden teuren Bremswechsel vermiesen die Bilanz. Am Ende des Dauertests trösten zwei Fakten. Erstens: Platz zwei in der Mängelstatistik. Zweitens: Ab rund 38.000 Euro gibt‘s den aktuellen BMW 730d gebraucht – sicher ist auch einer dabei, der die Türen so charmant zuzieht.

Lesererfahrungen mit dem BMW 730d

Nach drei Vorgängermodellen fahre ich seit 17.000 Kilometern den aktuellen BMW 730d. Bis jetzt konnte ich den einmaligen Fahrkomfort und die extreme Reichweite ohne Störung genießen. Bei zirka 20 Prozent Stadtverkehr und 50 Prozent Landstraßenanteil ergibt sich bislang ein Durchschnittsverbrauch von nur 7,8 L/100 km. Gegenüber meinem ersten BMW 730d Baujahr 2002 ist der Verbrauch damit um knapp zwei L/100 km gesunken. Ein Fahrzeug der Oberklasse mit dem Verbrauch eines Kleinwagens – das ist wirklicher automobiler Fortschritt.
Michael Strauss, 70469 Stuttgart

Im April 2010 habe ich meinen BMW 7er in München abgeholt und bin seitdem 15.000 Kilometer damit gefahren. Ich habe noch nie ein besseres Auto besessen, die Verarbeitungsqualität ist perfekt, Probleme gab es bislang keine.
C.-D. Ostermann, 59063 Hamm

Mitte 2009 gab ich meinen Audi A8 nach Leasingende zurück; da der neue noch nicht lieferbar war und Mercedes für mich nicht in Frage kommt, entschied ich mich nach ausgiebiger Probefahrt für den aktuellen BMW 7er. Anfang August übernahm ich dann den reichhaltig ausgestatteten 730d, der zuvor als Vorführwagen zugelassen war. Seitdem bin ich rund 35.000 Kilometer damit gefahren und vom niedrigen Verbrauch positiv überrascht. Im Schnitt genügen dem Wagen 8,7 Liter. Den besten Verbrauch erzielte ich im Ausland, bei konstant 100 km/h brauchte der BMW 7er gerade mal 6,4 L/100 km. Auch das aktive Fahrwerk ist ein Highlight, denn man merkt das hohe Gewicht nicht ansatzweise. Im Vergleich zum Audi A8 enttäuscht mich jedoch der Qualitätseindruck im Innenraum. Die Kunststoffverkleidungen erscheinen teilweise minderwertig und kratzempfindlich, zudem mangelt es ihnen an Passgenauigkeit, und eine Verkleidung im Kofferraum unter der Hutanlage wurde eingespart. Die Ablagefächer in den Türen sind offen und sehen schnell unordentlich aus, wenn sie gefüllt sind – im Audi konnte man diese verschließen. Zudem ist der Kofferraum ein Witz, Reisen mit vier Personen und Gepäck kann man aufgrund des ungünstig schmal geschnittenen Abteils vergessen. Wegen diverser störender Geräusche stand der BMW bislang insgesamt 14 Tage in der Werkstatt.
Klaus Knüpfer, 64823 Gross-Umstadt

Die aktuelle BMW 7er- Baureihe ist optisch gelungen. Der wirklich bärenstarke Diesel meines 740d braucht trotz Allradantrieb durchschnittlich nur 8,5 Liter. Leider wurde die Freude über den Wagen durch diverse Elektronikmängel erheblich getrübt. Bereits nach knapp drei Wochen kam das Fahrzeug wegen eines Totalausfalls des Kombiinstruments in die Werkstatt, nach fünf Tagen bekam ich es wieder – unrepariert, weil das Ersatzteil auf unbestimmte Zeit nicht lieferbar war. Wenig später fielen sämtliche über das i-Drive gesteuerten Funktionen wie Telefon, Navigation und Entertainment aus. Bis heute wurden diese Mängel nicht vollständig behoben. Inzwischen wurde bereits das dritte Kombiinstrument verbaut, ebenfalls erfolglos. Insgesamt stand der BMW fünf Wochen in der Werkstatt. Mittlerweile ist die Wandlung des Fahrzeugs eingeleitet.
Johannes Wohlfarth, 69469 Weinheim

Fazit

Dass sich der BMW 730d schnell als edler, leiser und kräftiger Reisewagen bewährt, war zu erwarten. Überrascht haben nach 100.000 Kilometern sein geringer Verbrauch – sieben L/100 km sind bei entspannter Fahrweise zu schaffen – und die Probleme mit der Lenkung, die bis zuletzt mit kleinen Vibrationen nicht zur ansonsten hochwertigen Qualität des Siebeners passt. Ärgerlich für BMW: Wenn der eine außerplanmäßige Werkstattbesuch nicht gewesen wäre, hätte der 730d den Spitzenplatz in seiner Gruppe eingenommen. Die vielen Extras für zusammen 35 000 Euro haben bei nahezu jeder Gelegenheit Freude bereitet – beim Wiederverkauf bringen sie jedoch keinen Vorteil.

Technische Daten
BMW 730d
Grundpreis74.900 €
Außenmaße5079 x 1902 x 1476 mm
Kofferraumvolumen500 l
Hubraum / Motor2993 cm³ / 6-Zylinder
Leistung190 kW / 258 PS bei 4000 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h
Verbrauch5,6 l/100 km