BMW M235i Gran Coupé & Mercedes-AMG CLA 35 im Test
Style oder Sport?

Beide zielen aufs junge Publikum ab. Beide satteln 306 PS, die quer verbauten Vierzylindermotoren entspringen. Beide verteilen maximal 50 Prozent der Antriebskraft auf die Hinterachse. Doch nur einer kann gewinnen.

BMW M235i Gran Coupe, Mercedes-AMG CLA 35, Exterieur
Foto: Hans-Dieter Seufert

Kleine Brötchen backen sie bei großen Herstellern nicht gerne. Deshalb gibt es selbst für Fahrzeuge, die für sie unbekanntes Terrain betreten, keine Schonfrist, sondern einen Auftrag mit auf den Weg. Das 2er Gran Coupé soll dem CLA das junge, aktive und lifestylebewusste (Städte-)Publikum ausspannen und ihm als Topversion M235i auf Landstraßen und der Rennstrecke vor der Nase herumfahren. Ziel sei es, "in der Fahrdynamik die Messlatte seiner Klasse zu legen", heißt es dazu. Damit ist der Rahmen für diesen Test gesteckt.

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Schau ma mal, ob’s hinhaut. Startknopf drücken, und der Vierzylinder-Turbo posaunt aus der Abgasanlage. O’zapft is, aber nur für den kleinen Durst: In Summe zwei Maß, mehr sind nicht drin im Fässle. Drei Maß, verteilt auf sechs Zylinder in einem 2er: Die schütten nur die Spaßvögel M2 Competition sowie CS und das Auslaufmodell M240i ans Partyvolk aus. Der M235i verzichtet aufs Alleinstellungsmerkmal und tut es dem CLA 35 gleich. Vier Türen, vier Zylinder, quer eingebauter Motor. 306 PS für Lifestyler, aber auch für Sportfahrer?

Die Landstraße liegt vor ihnen

Es ist angerichtet: Der Klassiker im deutschen Automobilbau – BMW gegen Mercedes – wird diesmal mit zwei Autos ausgetragen, die weder Limousine sind noch klassisches Coupé. Rahmenlose Türen, fließende Dach­linie: Da ecken die Mitfahrer auf den Rücksitzen zwar bei aufrechter Sitzposition und einer Körpergröße von mehr als 1,85 Metern am Dachhimmel an. Aber was soll’s? Soll eben eleganter aussehen. Und wir fahren ja sowieso lieber, als das Geschehen aus dem Rückraum zu beobachten.

Der Herausforderer legt vor. Die Landstraßenkurven schlängeln sich durch Wälder und vorbei an Maisfeldern. Der M235i verzögert, lenkt ein – und als die Vorderachse droht, ins Untersteuern abzudriften, bremst die Elektronik das kurveninnere Vorderrad spürbar ab, damit ihn die Außenseite mit Schwung in die Kurve drückt. Funktioniert ganz gut, kann einem am Ausgang aber auf den Magen schlagen. Dort sollte man nicht zu früh zu viel Gas geben, sonst verzetteln sich die Performance Control – so nennt BMW das System der gezielten Bremseingriffe – und die mechanische Torsen-Differenzialsperre an der Vorderachse. Die Folge: Beim Beschleunigen wirkt der Vierzylinder dann zugeknöpft und schüttet die Leistung nicht gleich aus. Deshalb warten, bis das Fahrwerk die Querbeschleunigung tatsächlich verdaut hat, und den Lenkwinkel zurücknehmen, bevor man sich von der Kraft des Allradantriebs heraustragen lässt.

Der M235i rockt nicht

Das aktuelle Topmodell der Baureihe F44 macht das schon ordentlich auf der Landstraße, doch es rockt nicht, wie zum Beispiel ein M240i (Baureihe F87). Und den gibt es mit Sechszylinder und Hinterradantrieb sogar für weniger Geld, und mit Allrad zum praktisch selben Grundpreis. Etwas mehr Freiheiten für Beine und Kopf und ein etwas größerer Kofferraum (430 statt 390 Liter) sind keine Verkaufsargumente für echte Sportfahrer.

BMW M235i Gran Coupe, Exterieur
Hans-Dieter Seufert
Das Heck des M235i lässt sich eher mitschleppen, als selbst kleine Haken zu schlagen. Er verhält sich wie ein Fronttriebler, der die Hinterachse nur bei Bedarf zuschaltet – maximal zu 50 Prozent.

Dass man mit dem M235i auf Ex­traschleifen verzichtet, stattdessen schnurstracks wie vom Navi vorgegeben zum Ziel fährt, liegt daran, dass das Heck keinen aktiven Part einnehmen will. Es lässt sich eher mitschleppen, als selbst kleine Haken zu schlagen. Das Problem: Der M235i löst sich gefühlt nie von seiner Ausgangsbasis. Er verhält sich wie ein Fronttriebler, der die Hinterachse nur bei Bedarf zuschaltet – maximal zu 50 Prozent.

Mehr Drive im AMG

Man muss das Heck schon überreden, ja fast schon zwingen, damit so etwas wie gezieltes Übersteuern einsetzt. Zum Beispiel über eingestreute Lastwechsel, die das Heck entlasten, damit es mitarbeitet. Oder über einen etwas schärferen Lenkeinschlag am Kurveneingang von Haarnadeln. Dann zuckelt der 2er wenigstens mit den Hinterbeinen. Das Flair? Nun ja ... So ein M235i xDrive kostet in der Basis mehr als 50.000 Euro. Dafür erwartet man mehr Sportlichkeit, als geboten ist.

Mercedes-AMG CLA 35, Exterieur
Hans-Dieter Seufert
Der AMG ist in jeder Beziehung eine Spur williger, akribischer, angriffslustiger, beweglicher – und deshalb spaßiger. Die Vorderachse bringt ihn präzise in die Kurve, das Heck drängelt wenigstens leicht mit.

Der CLA ist jetzt beileibe auch kein Landstraßen-Romantiker für unzählige Stunden zu zweit. Keiner, der einen als letzter Gedanke in den Traum verabschiedet und einem als Erstes beim Aufwachen in den Sinn kommt. Trotzdem: Der AMG ist in jeder Beziehung eine Spur williger, akribischer, angriffslustiger, beweglicher – und deshalb spaßiger. Die Vorderachse bringt ihn präzise in die Kurve, das Heck drängelt wenigstens leicht mit – und kurz bevor der Fahrer wieder den rechten Fuß verstärkt einsetzt, verteilt die Lamellenkupplung im Hinterachsgetriebe die Momente. Maximal zu 50 Prozent nach hinten wie beim BMW, allerdings dem Gefühl nach proaktiver, was zu mehr Drang und damit zu mehr Drive führt. Ein echter Dynamiker ist er deshalb nicht. Aber im Vergleich zum BMW das sportlichere Auto.

Der AMG erzeugt den Eindreh­effekt ebenfalls über einen Bremseingriff – am kurveninneren Hinterrad –, fühlt sich natürlicher und leichtfüßiger an. Beide haben mit ihrem versteiften Vorderbau gegenüber der Basis einen sportlicheren Grund­charakter, ohne den Komfort gänzlich zu vergessen. Allein schon ihrer aufpreispflichtigen Adaptivdämpfer wegen. Der junge (vermögende) Kunde will ja schließlich nicht von jeder kleinen Unebenheit durchgeschüttelt werden wie der Cocktail vom Bar­keeper.

Sowohl bei zügiger Fahrt als auch im Alltagstrott wirkt der CLA 35 straffer, rollt auf Bodenwellen etwas geschickter ab und merzt Einkerbungen im Asphalt eine Spur geschmeidiger aus. Da sind sie wieder, die feinen Nuancen.

Eine Spaßparade war es bislang nicht. Deshalb zwischendurch eine kleine Aufheiterung. "Hey, Mercedes. Erzähl uns mal einen Witz." Das MBUX schaltet sich ein: "Wie nennt man einen Spanier ohne Auto?" ... "Car-los." Das hellt die Stimmung doch gleich auf. Daimlers Multimedia-System ist nicht nur für – zugegeben – flache Witze zu haben, sondern setzt auch ernsthafte Befehle zuverlässig um. Trotzdem: Ich vermisse den Dreh-Drück-Steller, den es im BMW noch gibt. Die Bedienung über das Touchpad auf der Mittelkonsole oder die kleinen Touch-Felder am Lenkrad ist mir zu kleinteilig, zu umständlich, zu sehr Ablenkung.

"BMW 235i" wäre passender

Mit seiner flacheren Schnauze kommt einem der CLA ein Stück weit geschmeidiger und schlanker vor als der 2er, der voluminöser und kräftiger auftritt. Der Eindruck verfestigt sich im Vergleich der Motoren. In unteren Gängen ist die Leistungsentfaltung sehr ähnlich. Beide schieben traktionsstark an. Beide drehen bis etwa 6.500. Beide trennt in der Beschleunigung auf 200 km/h nur eine Zehntel: 20,6 zu 20,7 Sekunden pro BMW. Bitter für den M235i: Der hinterradgetriebene M240i mit 340 PS nimmt ihm dreieinhalb Sekunden ab.

Im Vergleich der Vierzylinder hat der BMW etwas mehr Dampf an der Kette. 50 Newtonmeter mehr Drehmoment machen sich vor allem dann bemerkbar, wenn in höheren Gangstufen bei unter 2.000 Touren Tempo aufgenommen werden soll.

BMW M235i Gran Coupe, Mercedes-AMG CLA 35, Exterieur
Hans-Dieter Seufert
Die Landstraßenkurven gehören dem AMG, der Motorenvergleich geht knapp an den M. Bei sportlicher Fahrt auf der Landstraße wirkt die Bremse des CLA einen Tick stoffeliger als die des M235i.

Die Landstraßenkurven gehören dem AMG, der Motorenvergleich geht knapp an den M. Auf der Bremse überzeugt weder der eine noch der andere, was aber zum Teil an den hohen Temperaturen von 33 Grad am Messtag gelegen haben kann. Bei sportlicher Fahrt auf der Landstraße wirkt die Bremse des CLA einen Tick stoffeliger als die des M235i.

Die Entscheidung fällt im Slalom und auf der Rennstrecke in Hockenheim. Der CLA 35 schlängelt sich mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 69 km/h um die Hütchen. Nicht schlecht, aber auch keine Offenbarung. Ein Hyundai i30 Fastback N, den es für unter 35.000 Euro gibt, schafft dieselbe Übung mit 70,4 km/h (sport auto 8/2019). Der M235i fällt noch mehr ab. Er schleppt zwar 52 Kilogramm weniger an der Vorderachse mit sich herum, doch kaschiert seine Kopflastigkeit deutlich ungeschickter als der AMG. Der 2er wirkt träger beim Umsetzen. Er ist insgesamt 1,1 km/h langsamer, was ihn gleich mal drei Punkte kostet. Es scheint die Erfahrung zu fehlen. Der CLA ist in seiner Grundform schon sieben Jahre alt, während BMW erst 2019 auf die UKL2-Plattform für Front- und Allradantrieb, die auch den Einser trägt, umgeschwenkt ist. Das hat der Sportlichkeit geschadet. Der M240i durchläuft den Slalom mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 69,8 km/h.

Auf der Runde muss der CLA nicht mal einen raushauen, um den M235i in Schach zu halten, der am Limit deutlich stärker untersteuert. 1,1 Sekunden nimmt der gelbe Viertürer dem weißen ab, der also nicht die Messlatte für Fahrdynamik in seinem Segment legt. Der BMW verlässt mit hängendem Kopf – ist ja wegen des neuen Konzepts ein tatsächlich schwer zu tragender – den Hockenheimring. Die junge Zielgruppe mag er ansprechen, nicht aber diejenigen, die ihre Freude am Fahren ausleben wollen. So hart es klingt: Er hat das M im Namen, aber nicht im Blut. Deshalb wäre "235i xDrive" die passendere Modellbezeichnung. Wer Sport dem Lifestyle vorzieht, sollte besser das echte, zweitürige Coupé kaufen: wahlweise als M240i oder als M2.

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Fazit

Beim Preis schenken sie sich nichts. Der CLA 35 reißt es auf der Landstraße, im Slalom und auf der Rennstrecke raus. Dort fährt er sich agiler, ohne einen tatsächlich umzuhauen. Der BMW hat sein Alleinstellungsmerkmal aufgegeben – Sechszylinder, Hinterradantrieb – und gleich mal eine Niederlage kassiert. Es gibt preisgünstigere Alternativen zu beiden, wie den Hyundai i30 Fastback N, der zwar nicht Premium ist, dafür aber Fahrspaß über alles stellt.