BMW M8 Competition im Supertest
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Mit einer Rundenzeit von 7.32,79 Minuten ist der BMW M8 Competition der schnellste BMW im Supertest auf der Nordschleife. Was macht ihn so schnell? Der Supertest löst das Rätsel.

BMW M8 Competition, Exterieur
Foto: Hans-Dieter Seufert

An was mich die Nordschleifen-Runde mit dem BMW M8 Competition irgendwie erinnert? Meine Leistungsmärsche bei der Bundeswehr mit 25 Kilo Marschgepäck auf dem Buckel. Heute heißt der Rekrut M8 und steht vor der Herausforderung, die Eifel mit 1.891 Kilo zu bezwingen. Und wissen Sie was? Trotz seines gewichtigen Marschgepäcks schlägt sich das Coupé herausragend. Nach genau 7.32,79 Minuten (aufgerundet 7.33 min) jagt der M8 Competition als schnellster BMW aller Zeiten im Supertest auf der Nordschleife über die Ziellinie.

Unsere Highlights

Zweiter Gedanke zum M8 Competition: Wenn die Entwicklungsmannschaft schon einem Beinahe-Zweitonner so großartig das Laufen lernen kann, was wäre, wenn sie endlich mal einen echten Sportwagen bauen würden? Zuffenhausen hat den Dauerbrenner 911, Affalterbach begeistert mit dem AMG GT – und wo steht der reinrassige Mittelmotorsportler mit Hinterradantrieb aus Garching? Eingelagert in der Ahnengalerie der Unvollendeten.

Es ist nicht eine Frage des Wollens, sondern des Dürfens, warum kein legitimer Nachfolger des seligen M1 in absehbarer Zukunft das Licht der Serienreife erblickt. Nicht nur den Fahrdynamikentwicklern merkt man bei diesem Thema an, wie sehr sie dafür brennen würden, sondern auch für M-Chef Markus Flasch würde sicherlich ein Traum wahr werden.

Flasch, jungdynamischer Racer-Typ, der 2018 mit 37 Jahren jüngster M-Chef aller Zeiten wurde, lebt die Marke derzeit wie kaum ein M-Boss zuvor. Auf seinem Instagram-Kanal präsentiert er sich nicht nur mit lässigem "Drift-happens-Shirt", sondern verrät, dass er privat ein Z3 M Coupé fährt und was sein Traumauto ist. In der Instagram-Story rauscht dann ein M1 Procar mit brüllendem Reihensechser vorbei. Wir geben die Hoffnung eines M1-Revivals nicht auf!

Benchmark im Segment

BMW M8 Competition, Exterieur
Hans-Dieter Seufert
Der aktuelle M8 ist ein enger Technikverwandter des F90-M5 und immerhin 16 Kilo leichter. „Gewichtstechnisch sind wir Benchmark im Segment“, verkünden die M-Macher stolz.

Aktuell markiert mit dem M8 ein Mix aus Gran-Turismo-, Sportwagen- und Limousinen-Genen die Speerspitze bei BMW. Wir feiern den M8 aber schon dafür, dass er es in die Serie geschafft hat. Das M8-Derivat der von 1989 bis 1999 gebauten Kult-Vorgängerbaureihe E31 geht mit seinem 640 PS starken Sechsliter-V12 als ewiger Prototyp in die Historie ein.

Der aktuelle M8 ist ein enger Technikverwandter des F90-M5 und immerhin 16 Kilo leichter. "Gewichtstechnisch sind wir Benchmark im Segment", verkünden die M-Macher stolz. Natürlich sind auch 1.891 Kilogramm eigentlich zu viel Gewicht für den Rennstrecken-Besuch. Kaum ein Fahrzeug verheimlicht sein Gewicht in diesem Segment aber so überraschend gut wie der M8 Competition.

Anfahrt Schwedenkreuz, Fuchsröhre, Kesselchen, Bellof-S, Döttinger Höhe – an die klassischen Highspeed-Passagen der Nordschleife muss man sich mit dem M8 erst einmal rantasten, da der Vortrieb bestialisch ist. Kein Wunder, der intern S63B44T4 genannte 4,4-Liter-V8-Biturbo ist das bis dato stärkste M-Triebwerk. Ansatzlos schieben 625 PS Nennleistung an. Gutes Ansprechverhalten, weitgehend lineare Kraftentfaltung – die immense Power präsentiert der bereits aus dem M5 Competition bekannte Motor mit Attributen, die für eine gut beherrschbare Fahrbarkeit im Grenzbereich sorgen.

BMW M8 Competition, Exterieur
Hans-Dieter Seufert
Aufgrund des in Europa verpflichtenden Ottopartikelfilters (OPF) klingt der M8 mit deaktivierter Auspufftaste flüsterleise, mit geöffneten Klappen drehzahlunabhängig nur dezent brummend.

Und wie klingt der V8-Biturbo? Mit deaktivierter Auspufftaste flüsterleise, mit geöffneten Klappen drehzahlunabhängig nur dezent brummend. Für die akustische Zurückhaltung ist nicht die M-Truppe verantwortlich, sondern die europäischen Regelhüter. Unwort des Jahrzehnts: Ottopartikelfilter (OPF). Hört euch mal bei YouTube an, wie herrlich die US-Modelle des M8 ohne OPF durch die M-Sportabgasanlage bollern, spratzeln und brabbeln dürfen.

Die ZF-Achtgangautomatik vom Typ 8HP76 kennen wir bereits aus den F90-M5-Modellen. Schalten oder schalten lassen? Beim M5 Competition fiel die Wahl für die schnellsten Schaltvorgänge auf den manuellen Modus, da der Automatikmodus die Gänge auf der Rennstrecke zu zögerlich herunterschaltete.

Für den M8 Competition wurde die Schaltlogik dahingehend appliziert, dass die Achtgangautomatik nun auch teilautonom die Gänge wechseln kann – wie es beispielsweise bei den Getrieben von Porsche oder Mercedes-AMG schon seit Längerem der Fall ist. Und wie funktioniert die vermeintlich schnellste Gangart auf der Rennstrecke? Bei perfekter Drehzahl und idealem Schaltpunkt das Getriebe im Automatikmodus autonom hochschalten lassen, aber runterschalten durch manuellen Eingriff an der linken Lenkradwippe.

Das Competition-Modell unterscheidet sich vom Basis-M8 nicht nur durch seine 25 PS höhere Leistung, sondern auch durch die Antriebslager, die eine von 580 auf 900 N/mm erhöhte Federrate aufweisen. Die dadurch straffere Anbindung des Aggregats an die Fahrzeugstruktur soll nicht nur zu einem noch spontaneren Ansprechverhalten des Motors und einer unmittelbareren Übertragung seiner Kraft auf den Antriebsstrang führen, sondern auch das Einlenkverhalten präzisieren.

BMW M8 Competition, NŸrburgring
Hans-Dieter Seufert
Gegenüber dem M5 profitiert der M8 von spezifischen Steifigkeitsmaßnahmen: Federn, Dämpfer, Stabis – sämtliche Fahrwerksteile wurden gegenüber den M5-Modellen geändert.

Obwohl schon die Vorderachse des M5 Competition kein stumpfes Schwert war und sich die Power-Limousine Einlenk- oder Leistungsuntersteuern weitgehend verkniff, lenkt der M8 Competition noch direkter ein. Chapeau: Den Fahrdynamikentwicklern ist es gelungen, die Vorderachspräzision nochmals zu steigern.

Egal ob langsame oder schnelle Nordschleifen-Ecken – so neutral und fahrstabil hat sich noch nie ein Serien-BMW im Grenzbereich auf der Nordschleife bewegt. Auch nicht das rennstreckenaffinste M-Modell der letzten Jahre namens M4 GTS. Wie der querdynamische Fortschritt geglückt ist? Der Radstand des M8 ist 150 Millimeter kürzer als beim M5. Außerdem liegt der Schwerpunkt 25 mm tiefer, und der Höhenstand ist 3 mm niedriger als beim M5 Competition. Zudem profitiert der M8 von spezifischen Steifigkeitsmaßnahmen. Federn, Dämpfer, Stabis – sämtliche Fahrwerksteile wurden gegenüber den M5-Modellen geändert.

Highlight: Allrad-Abstimmung

Das Thema Hinterachslenkung stand während der Entwicklungsphase mal kurz zur Diskussion, wurde dann aber aus Gewichtsgründen verworfen. Keine Hinterachslenkung, keine aktive Wankstabilisierung, keine Luftfederung – den M-Fahrdynamikentwicklern ist es mit einer gut abgestimmten Mechanik und für heutige Verhältnisse recht traditionellen Fahrwerkstechnologien gelungen, den M8 Competition an die querdynamische Spitzenposition in seinem Segment fahren zu lassen.

Absolutes Highlight bleibt für mich der bereits in den M5-Modellen präsentierte variable Allradantrieb M xDrive mit den drei Allradmodi (4WD, 4WD Sport, 2WD). Unter Last glänzt der M8 Competition nicht nur mit einer sehr hohen Traktion. Durch die hinterradbetonte Antriebsauslegung kann man außerdem sehr früh wieder aus langsamen Kurven herausbeschleunigen. Dabei drängt der M8 nicht etwa in ein Leistungsuntersteuern, sondern zieht sich neutral aus der Kurve heraus, bevor er im letzten Teil des Kurvenverlaufs sogar leicht mit dem Heck drückt.

BMW M8 Competition, NŸrburgring
Hans-Dieter Seufert
Ideale Abstimmung der Adaptivsysteme für die Nordschleife? „DSC off“, Allrad im 4WD-Modus, Motor, Fahrwerk, Lenkung und Bremse im Sport-Modus.

Wie beim M5 Competition gefällt auch im M8 Competition die Präzision der elektromechanischen Lenkung. Während die M5-Modelle noch mit drei Lenkungskennlinien (Comfort, Sport, Sport Plus) ausgestattet waren, stehen in den M8-Varianten mit dem Comfort- und Sport-Modus "nur" noch zwei Lenkungskennlinien zur Auswahl. Für den Rennstreckenbesuch war die Sport-Kennlinie ohnehin meist die richtige Wahl, da in "Sport Plus" die Lenkkräfte meist etwas überspitzt wirkten.

Ideale Abstimmung der Adaptivsysteme für die Nordschleife? "DSC off", Allrad im 4WD-Modus, Motor, Fahrwerk, Lenkung und Bremse im Sport-Modus. Größte Neuheiten in den ­M8-Modellen ist das sogenannte inte­grierte Bremssystem. Dahinter versteckt sich das Brake-by-Wire(BBW)-System MK C1 von Continental. Bei dem elektronischen Bremssystem sind die Funktionen der Bremsbetätigung, des Bremskraftverstärkers sowie des Regelsystems (ABS, ESP) in einem Modul zusammengefasst. Der jeweils ­erforderliche Bremsdruck wird über einen elektrischen Aktuator ausgelöst.

Vorteile des Systems: Der Bremsdruck kann in rund 150 Millisekunden und damit doppelt so schnell wie bei einer traditionellen Hydraulikbremse aufgebaut werden. Außerdem wiegt das System 30 Prozent weniger (spart beim M8 zwei Kilo). Durch das Zusammenfassen von verschiedenen Komponenten in einem Bauteil trägt das System zur Kostenreduktion bei. Außerdem senkt das BBW-System Verbrauch und Emissionen durch Verringerung des Restmoments.

Wichtig für Sportfahrer: Wie ist das Bremsgefühl? Wenn man es nicht weiß, würde man im M8 kein BBW-System vermuten. Nur die zwei einstellbaren Bremskennlinien (Comfort und Sport) verraten, dass es sich nicht um ein herkömmliches Bremssystem handeln kann. Bremse in Sport-Einstellung: straffes Pedalgefühl, gute Dosierbarkeit, spontane Rückmeldung. Bremse im Comfort-Modus: Den Unterschied spürt man vor allem beim Anbremsen während langsamen Rollens (beispielsweise im Alltag vor einer Ampel). Während im Sport-Modus die Bremse spontaner anspricht, was gerne zu einem leichten Kopfnicken der Passagiere führt, spricht die Bremse im Comfort-Modus sanfter an, und das Pedalgefühl ist etwas weicher.

BMW M8 Competition, Hockenheimring
Hans-Dieter Seufert
Man kann für das Fahrzeugsegment erstaunlich spät bremsen, doch richtig späte Bremspunkte gehen anders.

Im Comfort-Modus ist mehr Pedalweg nötig, um Bremsdruck aufzubauen. Im Antrittsbereich ist der Bremsmodus Sport rund 5 Prozent direkter ausgelegt als der Modus Comfort. Keine Kennlinie fühlt sich synthetisch an.

Auf der Nordschleife und in Hockenheim überzeugt der mit der optionalen Keramikbremsanlage ausgestattete M8 Competition im Grenzbereich mit einer fein abgestimmten ABS-Regelung. Man kann für das Fahrzeugsegment erstaunlich spät bremsen, doch richtig späte Bremspunkte gehen anders. Angesichts der herausragenden Querdynamik vergisst man die 1,9 Tonnen fast – speziell in Hockenheim beim Anbremsen auf die Spitzkehre kann aber auch der M8 Competition die Gesetze der Physik nicht außer Kraft setzen. Spätestens "auf der Bremse" wünscht man sich wieder, dass die BMW-Speerspitze deutlich weniger wiegen würde.

Gewichtsreduzierter M5?

Auch wenn ein reinrassiger BMW-Sportwagen weiterhin ein Traum bleiben wird, erfüllt sich zumindest in absehbarer Zeit der Wunsch nach einer weiteren Gewichtsreduktion. Dass noch eine M5-CS-Variante kommen soll, ist mehr als ein offenes Geheimnis. Gerüchten zufolge soll die neue Clubsport-Version 50 Kilo oder sogar noch ein bisschen mehr abspecken. Klingt nach einer neuen BMW-Speerspitze ganz nach sport auto-Geschmack!

Fazit

78 Punktemaximal 100 Punkte

Machen wir es wie in einem Personalgespräch: erst loben, dann kritisieren. Lob gibt’s für den Spagat zwischen Alltagstauglichkeit und Rennstrecken-Performance. Zur Kritik: Trotz seiner Nordschleifen-Zeit, die vor wenigen Jahren noch echten Sportwagen vorbehalten war, bleibt das Coupé ein Kompromiss. Auch wenn der M8 sein Gewicht gut kaschieren kann, ist er eigentlich zu schwer für die Rennstrecke. Ein reinrassiger BMW-Sportwagen – das wär’s!