BMW X3, Genesis GV70 & Mercedes GLC im Test
Vierzylinder-SUV mit Luxus-Anspruch im Test

Hochklassig fahren, dabei erhöht sitzen: Das reklamieren BMW X3, Genesis GV70 und Mercedes GLC gleichermaßen für sich. Um die Gunst der anspruchsvollen Kunden buhlen die allradgetriebenen Testwagen hier mit Diesel-Vierzylindern – sie liefern um die 200 PS sowie mindestens 400 Nm.

Mercedes GLC 220 d, BMW X3 XDrive20D, Genesis GV70 2.2 D, VT, ams0124
Foto: Achim Hartmann

Wo beginnt eigentlich automobiler Luxus? Auf die Zugehörigkeit zur gleichnamigen Klasse lässt er sich schon lange nicht mehr reduzieren. Immer wieder finden sich Ausreißer aus darunterliegenden Kasten, die den Willen zum Guten und Schönen aus den Design-Träumereien bis in die Serienfertigung aufrechterhalten. Genesis jedenfalls, die Nobel-Tochter von Hyundai, scheint ihren Auftrag genau darin zu sehen: den hohen Preis bei jedem Türöffnen überzeugend zu rechtfertigen. Weshalb die Antwort der eingangs gestellten Frage lautet: Unter den Allrad-SUV beginnt der Luxus spätestens beim hier getesteten Genesis GV70 2.2 D AWD. Und wie sieht die Einordnung der Konkurrenten BMW X3 xDrive20d sowie Mercedes GLC 220 d 4Matic aus?

Unsere Highlights

Aluminium-Nadelstreifen

Mercedes GLC 220 d
Achim Hartmann

Würden Sie mit diesem feinen SUV ins Gelände abbiegen? Ein Fahrprogramm samt 4x4-Anzeigen gibt es dafür.

Mercedes hat ja einen historisch so fundierten Bezug zum Luxus, dass man ihn gar nicht mehr begründen müsste, wären da auf dem Weg von der glorreichen Vergangenheit in die Jetztzeit nicht einige Qualitäts-Ausrutscher passiert. Entsprechend gehen wir bei jedem Modell auf Abklärungstour und werden im GLC schnell fündig – im positiven Sinne: Das Armaturenbrett, das sich als Holzpanel mit (aufpreispflichtigen) Aluminium-Nadelstreifen knapp unterhalb des Horizonts von links nach rechts durchs Bild zieht, rechtfertigt die Zuweisung zur Luxusliga.

Erst die Mercedes-Sitze stehen bei der Opulenz hinter den Clubsesseln des Genesis zurück, wenngleich deren abgesteppte Rautenoptik erstens teuer über die Kombination aus zwei Paketen für fast 5.000 Euro erstanden werden will. Zweitens die Polsterung dem optischen Kuschelfaktor nur bedingt gerecht wird. Und drittens die Schwärmerei über die Qualität ab Tempo 130 abrupt verstummt; dann nämlich fängt die Motorhaube an zu zittern – das egalisiert die Bepunktung aufs Niveau von Mercedes.

Ähnliche Nachlässigkeiten finden sich im BMW nicht. Ohnehin waren die Modelle aus München gemeinhin solide verschraubt. Alleine die eingesetzten Materialien gaben über die Jahrzehnte zuweilen Anlass zum Kopfschütteln. Nicht so beim X3, oder besser gesagt, nicht mehr. Beim letzten Facelift zog etwas Chromzierde ein, was keinesfalls zum übertriebenen Bling-Bling führte. Vielmehr werten die Akzente den Gesamteindruck auf, wiewohl die Finger nach wie vor auf reichlich harten Kunststoff und auf unentgratete Bauteile stoßen. Unter Luxus würde man das eher nicht subsumieren.

Das Klein-Klein der Bediensatelliten mag zwar an Strahlkraft hinter der großzügigen Flächigkeit der cleanen Cockpits im Genesis und Mercedes zurückstehen – eine Frage der Qualität ist es andererseits nicht. Eher eine des Geschmacks.

Davon abgesehen bringt es einen positiv bepunktbaren Nebeneffekt mit sich, wenn im Wortsinn begreifbare Elemente zur Steuerung von Fahrzeugfunktionen eingefügt werden. Ja, in dieser Hinsicht lässt BMW beim X3 noch einmal die eigene Großartigkeit aufblitzen – obwohl das analoge Konzept nur noch eine Reminiszenz an bessere Zeiten ist, denn neuere Modelle wurden längst Opfer des Trends zum Tablet-Touchen. Wie reizvoll erscheint dagegen die unterschwellige sowie ablenkungsarme Bedienung via Favoriten- oder Klimatisierungstasten und Lichtschalter, die sich auch während der Fahrt gut erfingern lassen. Nicht zu vergessen, der praktische Controller, den – grmpf! – der Controller bei späteren Modellen schon teilweise weggespart hat.

Aus dem Handgelenk

 Genesis GV70 2.2 D
Achim Hartmann

Genesis kopiert viele gute Ideen, die andere schon wieder über den Haufen werfen. Dazu gehören der Dreh-Drück-Steller, Menütasten und ein direkter Zugriff auf die Klimasteuerung.

Bei Genesis betrachten sie den Dekonstruktivismus mit Befremden. Dort hat man sich den Dreh-Drück-Steller aus München zu eigen gemacht, weil sich damit das Infotainment aus dem Handgelenk heraus befehligen lässt. Nicht eingeschlossen ist die Luftzufuhr der Klimaanlage; sie will im Genesis GV70 über einen separaten Touchscreen justiert werden. Wenigstens liegen die verantwortlichen Felder im direkten Zugriff – also ähnlich wie im Mercedes, wobei dort sogar die Temperatur per Spracheingabe oder Touchen geregelt werden muss. Immerhin ist das Infotainment auch mit beiden Daumen vom Lenkrad aus steuerbar – via kapazitiven Flächen, die nicht immer spontan ansprechen.

Das zuständige Display sitzt zwar tiefer als bei der Konkurrenz, ist dafür quadratisch – nur so lässt sich die Navigationskarte in allen Himmelsrichtungen optimal nutzen. Ohnehin präsentiert sich die Vielfalt im GLC sorgfältig strukturiert bis hinein in den Offroad-Modus, der eventuelle Ausflüge auf Abwegen mit dem Einblenden von Lenk- und Neigungswinkel unterstützt. In etwas weniger individualisierbarer Form macht das auch der GV70, der X3 dagegen belässt es bei Onroad-Optionen.

Dahingehend weckt er freilich eine gewisse Erwartungshaltung, schließlich definiert sich BMW laut Werbung über die Fahrfreude. Und so greift man beherzt ins Lenkrad, was im übertragenen wie im direkten Sinne gilt, weil der X3 für Richtungswechsel durchaus etwas Schmackes im Arm fordert. Hoho, denkt man, der will es wissen, und so zieht sich der Griff erwartungsfroh fester zu.

Tatsächlich stürmt der xDrive20d nochmals etwas nachdrücklicher als der bereits energisch anfahrende GLC auf Tempo 100 und hastet in die nächste Kurve. Das wirkt leichtfüßig und begierig, man legt Tempo nach, bis die Hinterachse auf der kurvenäußeren Seite scheinbar leicht wegsackt, das kurveninnere Vorderrad Last einbüßt und das ESP den Übermut einbremst. Wobei selbst dann die Fahrsicherheit hoch bleibt, was für alle drei Allradler gilt.

Aufbaukontrolle priorisiert

BMW X3 XDrive20D
Achim Hartmann

Auf Tempo 100 ist der X3 minimal schneller als seine beiden Konkurrenten, im Durchzug jedoch etwas verhaltener.

Nichtsdestotrotz spürt man schnell, dass es der SUV doch nicht ganz so doll treiben kann. Zumal seine Motivation nach vorwiegend sorgfältig eingeebneten Straßen verlangt; jenseits davon lässt sich die Lenkung zur Spurensuche anregen. Und das adaptive Fahrwerk für 700 Euro priorisiert ganz klar die Aufbaukontrolle – vor dem Einhegen von Bodenwellen. Erneut stellt man fest, dass Agilität in dieser Klasse aufgesetzt wirkt, weil sie sich an der Bauhöhe und dem Fahrzeuggewicht abarbeiten muss. Und man erkennt, dass Masse querdynamischen Ambitionen zwar im Weg steht, für den Langstreckenkomfort hingegen förderlich sein kann.

Dennoch kanalisieren nur wenige SUV ihre Tatkraft in diese Richtung; die anderen versteifen lieber ihre Knie, als das Gewicht für sich arbeiten zu lassen. Schon will man den Stempel "klassentypisch" ins Kissen drücken, da reklamiert der Mercedes und lädt zu einer Runde über abgelegene Strecken ein.

Hier spielt die Luftfederung des Testwagens ihre Kompetenz vor allem auf schlechten Straßen aus: Mit ihr bügelt der Mercedes alles nieder, was sich den Rädern in den Weg stellt. Nicht einmal langhubige Bodenwellen im Scheitelpunkt hebeln ihn aus oder lenken ihn von der eingeschlagenen Linie ab; Ähnliches fiel bereits auf der Fernstraße auf, hier vor allem der stabile Geradeauslauf. Zuvor, in der Stadt, begeisterte, wie behänd der GLC um enge Biegungen huscht. Ein Blick auf die Messdaten des Wendekreises bestätigt den Eindruck. Hierfür gibt es Pluspunkte im Kapitel Fahrverhalten.

Über jeden Zweifel erhaben

Mercedes GLC 220 d, BMW X3 XDrive20D, Genesis GV70 2.2 D, VT, ams0124
Achim Hartmann

Trittsicher auch auf Herbstlaub, das sind alle drei Allradler.


Freilich will die fahrwerkseitige Bravourleistung erst einmal konfiguriert werden. Im Falle des Testwagens kommt die Hinterachslenkung mit Luftfederung für 3.320 Euro hinzu. Erst damit zeigt sich der schwere Wagen über jeden Zweifel erhaben, bewegt sich so elegant wie kultiviert, nimmt Kurven schnell und ohne Aufhebens, vermittelt sein Können als beruhigendes Gefühl bis hinein in die Lenkung. Liefe sein Vierzylinder noch etwas verhaltener, so hätte der Mercedes GLC einen rundum nachahmenswerten Komfort-Maßstab in dieser hochpreisigen Klasse gesetzt – wobei das Gebotene eigentlich Standard sein sollte und doch zur Ausnahme zählt.

Man merkt dem Genesis an, dass seine Ingenieure das hohe Niveau von Mercedes anpeilen. Auch der GV70 will seine Masse nicht kleinreden, schwingt über lange Bodenwellen hinweg. Indes softet seine Adaptiv-federung vor allem kurze Stöße nur an und gibt Querfugen ratternd weiter – die montierten 19-Zoll-Räder schwächen diesbezügliche Neigungen nicht gerade ab. Trotzdem entsteht ein guter Gesamteindruck, zumal sich das Fahrwerk in seiner Konzeption zu einer konsequenten Auslegung bekennt. 
Obwohl der Testwagen in der Linie Sport vorstellig wird, hält er sich von dynamischen Bemühungen fern. Das beginnt mit dem verhaltenen Antritt seines 2,2-Liter-Diesels, der ohne E-Boost auskommen muss. Und es geht weiter über sein wiegendes Kurvenverhalten: Zwingt man ihn zur Eile, tanzt der Genesis raumgreifend Tango über die Landstraße.

Beim schnellen Umsetzen verhärtet seine Lenkung sogar, sperrt sich gegen das geforderte Tempo. Ebenso zeigt das etwas indifferent ansprechende Bremspedal, dass es wenig von Aktionismus hält. Fürs Verzögern gilt Ähnliches. Hier gibt sich der GV70 mit recht durchschnittlichen Werten zufrieden, was ihm genauso erhebliche Punkteverluste im Kapitel Sicherheit einbringt wie die eingeschränkte Auswahl an optional verfügbarer Scheinwerfertechnik. Zudem liegt seine Verkehrszeichenerkennung auf der Prüfstrecke noch häufiger daneben als jene der Konkurrenten.

Daraus resultierende Punkteverluste addieren sich zu einem erklecklichen Abstand zum Mercedes GLC. Dieser wiederum verdankt seinen Vorsprung zum X3 in der Eigenschaftswertung nicht alleine seinem penibleren Federungsverhalten. Stark fallen ebenso die nützlich gespreizten Modi seiner Luftfederung in Verbindung mit dem Offroad-Programm ins Gewicht. Sein Mini-Wendekreis. Und das authentischere Lenkgefühl mit der distinguierteren Ansprache.

Anders als der BMW steht der Mercedes zu seiner Größe, ist schnell, ohne sich an der Geschwindigkeit zu berauschen, lässt gefühlt stets Luft zum Limit, selbst wenn es im Scheitelpunkt eng zugehen sollte. Wieder einmal beeindruckt die Kompetenz im Abstimmen von (Options-)Fahrwerken, die sich wie ein roter Faden durch die hochpreisigen Modelle der Marke zieht.

Hinzu kommt das Austarieren von Vortriebsmacht mit Effizienz: Der GLC 220 d erledigt den auf der abgesperrten Strecke simulierten Überholvorgang von 80 auf 120 km/h nochmals etwas schneller als der xDrive20d, verbraucht dennoch weniger Diesel. Der potentere E-Boost des Startergenerators wirkt sich zweifach positiv aus – er bringt mehr Drehmoment beim Unterstützen des Vierzylinders und rekuperiert entsprechend mehr ins 48-Volt-System.

Traditionell teuer

Mercedes GLC 220 d, BMW X3 XDrive20D, Genesis GV70 2.2 D, VT, ams0124
Achim Hartmann

Die allradgetriebenen Testwagen buhlen vor allem um die Gunst der anspruchsvollen Kunden.


Etwas hintan steht der Genesis, dessen 2,2-Liter das höchste Fahrzeuggewicht antreiben muss. Das sorgt unter anderem für den höchsten Spritkonsum. Als Punkteäquivalent berücksichtigen wir das ebenso wie die Tatsache, dass GV70 und X3 in den USA gefertigt werden, während der GLC in Deutschland vom Montageband rollt. Auch dies ist ein Vorteil für den Mercedes, der sich längst genug Punkte für den Gesamtsieg verdient hat. Theoretisch könnte ihm der BMW im Kostenkapitel noch gefährlich werden – doch praktisch sind beide Marken ähnlich teuer. Zumal wir auf den bewerteten Testwagenpreis alle Optionen addieren, die bei der Bepunktung eine Rolle spielen.

Wie es günstiger gehen kann, zeigt der Genesis GV70. Wenn man so will, dann fährt er am Ende der Bewertung einen Achtungserfolg ein. Denn er zeigt das Kunststückchen, Luxus-Appeal mit der besten Serienausstattung und dem niedrigsten Preis zu verbinden.

Mehr noch: Genesis wirft das längste Garantieversprechen in die Waagschale und kombiniert es mit der beachtlichen Ansage, fünf Jahre lang für Wartungsarbeiten keine Rechnung zu stellen, den Wagen zum Kundendienst abholen zu lassen sowie während der Ausfallzeit einen Ersatz zu stellen.

Mag das auch nicht für einen Sieg im Vergleichstest reichen – das Interesse einer serviceverwöhnten Klientel gewinnt man damit auf jeden Fall.

Fazit

1. Mercedes GLC 220 d 4Matic
611 von 1000 Punkte
2. BMW X3 xDrive20d
592 von 1000 Punkte
3. Genesis GV70 2.2 D AWD
554 von 1000 Punkte
Technische Daten
Mercedes GLC 220 d 4Matic BMW X3 xDrive20d M SportpaketGenesis GV70 2.2 D Sport
Grundpreis62.416 €63.300 €51.400 €
Außenmaße4716 x 1890 x 1640 mm4708 x 1891 x 1676 mm4715 x 1910 x 1630 mm
Kofferraumvolumen620 bis 1680 l550 bis 1600 l542 bis 1678 l
Hubraum / Motor1993 cm³ / 4-Zylinder1995 cm³ / 4-Zylinder2151 cm³ / 4-Zylinder
Leistung145 kW / 197 PS bei 3600 U/min140 kW / 190 PS bei 4000 U/min148 kW / 201 PS bei 3800 U/min
Höchstgeschwindigkeit219 km/h213 km/h215 km/h
0-100 km/h7,9 s7,7 s8,4 s
Verbrauch5,2 l/100 km5,8 l/100 km7,2 l/100 km
Testverbrauch6,8 l/100 km7,2 l/100 km8,1 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten