Corvette Z06 im Test
US-Querdynamikheld mit V8-Motor in Hockenheim

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Die häufigste Leserbrieffrage seit 15 Monaten: Wann kommt die Corvette Z06 im Supertest? Warum bisher alle Anläufe auf der Nordschleife scheiterten und wie sich der US-Sportler in Hockenheim schlägt, verraten wir Ihnen jetzt.

Chevrolet Corvette Z06, Generationen
Foto: Hans-Dieter Seufert

Rückblick, 18. April 2016, 6.32 Uhr – das bassige V8-Bollern ersetzt heute jeden Wecker in Nürburg. 5,7-Liter-Sauger trifft auf 6,2-Liter-Kompressor. 196 versus 659 PS. Jahrgang 1981 begegnet Jahrgang 2016. Die historische Corvette der Baureihe C3 genießt den Sonnenaufgang mit der Z06 der aktuellen C7-Generation. Anlass für den frühmorgendlichen Fototermin: der zweite Anlauf, den lang ersehnten Supertest der Corvette Z06 zu vollenden.

Zwei Tage später ist die Idylle verflogen. Während der V8-Oldie von Besitzer Jürgen Schumacher wieder sicher in der heimischen Garage weilt, wird die Z06, mit Corvette-Testfahrer Jim Mero am Steuer, ein Opfer der Nordschleife. Anders als Jim hat die Corvette Z06 den Unfall nicht unbeschadet überstanden.

Nordschleife: bisher nur Fotos mit der Corvette

Nach den offiziellen Corvette-Testfahrten wollten wir mit genau jener Z06 eine Nordschleifenzeit in den Asphalt brennen, um die lange Wartephase auf den Supertest nun endlich zu beenden. Warum wir das hier so lang und breit erklären? Glücklicherweise werden Leserbriefe heute meist nicht mehr per Post, sondern per E-Mail geschickt. Andernfalls hätten wir für die Flut an Leserbriefen wohl zusätzliche Redaktionsräume anmieten müssen. Von höflichen Anfragen, wann der Corvette Z06-Supertest endlich veröffentlicht werde, bis hin zu lächerlichen Unterstellungen war alles dabei.

Die Chronologie des Wartens: Ursprünglich wollten wir den Z06-Supertest in Ausgabe 7/2015 veröffentlichen. Der erste Testwagen in der Lackierung „Corvette Racing yellow“ rückte im April 2015 in der Redaktion an. Neben der Leistungs- und Achsvermessung sowie den Fahrdynamikdisziplinen auf unserem Testflugplatz wurde die Rundenzeit auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim absolviert.

Chevrolet Corvette Z06, Heckansicht
Rossen Gargolov
In 3,5 Sekunden maschiert die Z06 auf Tempo 100, in 11,2 Sekunden stehen schon 200 km/h auf dem Tacho.

20. April 2015, erster Besuch mit der Corvette Z06 auf der Nordschleife. Mehr als eine Fotorunde war jedoch nicht möglich. Drei Wochen zuvor hatte der Rennunfall in der VLN mit tödlichen Folgen die Nordschleifenwelt auf den Kopf gestellt. Schnell galt es auch für uns, Fragen über Fragen zu klären: Muss auch im Supertest das eilig für Rennveranstaltungen verordnete Tempolimit eingehalten werden? Darf der Supertest überhaupt weiterhin auf der Nordschleife durchgeführt werden?

Supertestrunden auf der Nordschleife scheitern unverschuldet

Es folgten E-Mails, Telefonate und ein Treffen mit der Capricorn Nürburgring GmbH. Das bekannte Ergebnis: Der Supertest durfte, unter Beachtung des Tempolimits, weiter auf der Nordschleife produziert werden. Bis diese Entscheidung gefallen war, gingen jedoch Wochen ins Land – die Z06 hatte da bereits ihre Rückreise zum Hersteller angetreten.

Sowohl Zeitfenster auf der Nordschleife als auch Z06-Testwagen sind ein sehr rares Gut. Eine gemeinsame Schnittmenge der Terminplanung von beiden konnte 2015 nicht mehr gefunden werden. Wie bereits in Ausgabe 11/2015 berichtet, ging die Corvette Z06 nach dem Testbesuch bei sport auto weiter auf Europatournee, „... erst nach Goodwood, dann nach Le Mans und in die Schweiz, wo man sie zu allem Überfluss in eine Leitplanke bohrte“.

GM verfügt in Europa exakt über zwei testfähige Z06-Pressetestwagen – eine Automatikversion und einen Handschalter. Da wir bereits sämtliche Messwerte des Supertests mit der Automatikversion produziert haben, hätte es keinen Sinn gemacht, für die Nordschleifenzeit plötzlich einen Handschalter zu bestellen.

Nachdem der erste Nordschleifen-Anlauf 2015 und der einleitend beschriebene zweite Versuch im Frühling 2016 gescheitert waren, wurde uns nun die Corvette Z06 erneut für Oktober versprochen. Damit die neuerliche Wartezeit bis zum Supertest etwas schmackhafter ausfällt, lüften wir das Geheimnis um die Längsdynamik und die Hockenheim-Rundenzeit.

Kompressor ersetzt Sauger

Statt des bisherigen Siebenliter-V8-Saugmotors (LS7) mit 512 PS reißt nun der LT4, ein 6,2-Liter-V8-Kompressor mit 659 PS, den US-Sportler bärenstark vorwärts. 3,5 Sekunden auf Tempo 100, 11,2 Sekunden auf 200 km/h – mit ihren Beschleunigungswerten lässt die Z06 nicht nur ihren Vorgänger (0–100: 4,4 s; 0–200: 13,2 s), sondern auch die bisherige Kompressorversion ZR1 (0–100: 4,1 s; 0–200: 11,7 s) lässig stehen. Überragend auch die Verzögerungswerte: Mit optionaler Keramikbremsanlage steht das Corvette-Topmodell aus 100 km/h nach nur 31,0 Metern.

Der US-Sportler präsentierte sich bei uns mit optionalem Z07-Performance-Package. Neben Aeroteilen beinhaltet das Optionspaket straffere Adaptivdämpfer und Keramik- statt der serienmäßigen Stahlbremsscheiben sowie die neu entwickelten Sportreifen Michelin Pilot Sport Cup 2 mit ZP-Kennung. Das Laufflächenprofil und die weiche Reifenmischung erinnern dabei fast mehr an einen Slick als an einen straßenzugelassenen Reifen.

Corvette Z06 mit Automatik schneller als handgeschaltet

Dank der Kombination aus hohem Gripniveau, einer sehr guten ABS-Abstimmung (was für herrlich späte Bremspunkte) und einer neutralen Fahrwerksabstimmung gelingen dem Preis-Leistungs-Helden im Test querdynamische Meisterleistungen. So präzise wie bei der Vorderachse der Corvette Z06 lenkt derzeit kaum ein Sportler ein. Auch die Traktion unter Last ist phänomenal. Währenddessen gibt die neue elektromechanische Servolenkung im Track Mode mit kernigen Haltekräften eine ehrliche und präzise Rückmeldung.

Chevrolet Corvette Z06, Team
Hans-Dieter Seufert
Frühaufsteher mit guter Laune: Fototermin mit der Corvette Z06.

Gusseiserne Corvette-Fans müssen jetzt stark sein: Auf dem Kleinen Kurs ist die Z06 mit der erstmals optional erhältlichen Achtgangautomatik schneller als mit serienmäßigem Siebengang-Handschalter. Neben den kürzeren Gangübersetzungen punktet die Automatik mit schnellen Schaltvorgängen.

US-Sportler lässt die Konkurrenz hinter sich

Der Gewichtsnachteil der Automatik ist mit vier Kilo gegenüber dem manuellen Getriebe dabei verschwindend gering. Theoretisch könnte man im manuellen Modus an den Schaltwippen die Gänge anwählen, doch für die schnellste Rundenzeit überlässt man das Hoch- und Runterschalten lieber der Automatik. Die Corvette schaltet im Grenzbereich so perfektionistisch im Automatikmodus wie sonst nur die Porsche-Doppelkupplungsgetriebe – mehr Lob geht kaum.

Mit einer Rundenzeit von 1.07,3 Minuten lässt die Corvette Z06 nicht nur ihr Vorgängermodell (1.08,7 min), die Corvette ZR1 (1.08,3 min) sowie alle bisherigen Porsche-GT-Helden, sondern fast die ganze aktuelle Sportwagenszene hinter sich. Nur der Lotus 3-Eleven (1.06,2 min), der Porsche 918 Spyder (1.06,3 min), der Gumpert Apollo sowie der McLaren 675LT (beide 1.07,2 min) umrundeten den Kleinen Kurs schneller als das Corvette-Topmodell. Da mag man dem Ami auch verzeihen, dass er sich gegenüber dem letzten Z06-Testwagen der C6-Vorgängerversion (1.480 kg, siehe sport auto 5/2012) satte 150 Kilo mehr auf die Rippen gefuttert hat.

Fazit

Liebe Corvette-Fans, vielen Dank für die zahlreichen Leserbriefe und euer Durchhaltevermögen, was den Supertest der Corvette Z06 betrifft. Glaubt mir, nach der sensationellen Rundenzeit in Hockenheim brenne auch ich seit über einem Jahr darauf, endlich eine schnelle Runde mit dem US-Sportler auf der Nordschleife zu drehen. Unglückliche Umstände verhinderten das jedoch bisher. Für Oktober 2016 ist uns der Testwagen erneut versprochen worden und es wird nun der dritte Anlauf unternommen, den Z06-Supertest endlich fertigzuproduzieren. Neben dem nahezu unschlagbaren Preis-Leistungs-Verhältnis des 659 PS starken V8 dürfte es dabei einige Überraschungen aus querdynamischer Sicht geben.

Technische Daten
Chevrolet Corvette Z06 Coupé 6.2 V8 Z06 3LZ
Grundpreis122.500 €
Außenmaße4514 x 1965 x 1239 mm
Kofferraumvolumen287 l
Hubraum / Motor6162 cm³ / 8-Zylinder
Leistung485 kW / 659 PS bei 6000 U/min
Höchstgeschwindigkeit315 km/h
0-100 km/h3,5 s
Verbrauch14,1 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten