Datenvergleich Lotus Eletre vs. BMW iX M60
Der Lotus liegt meist leicht vorn

Lotus Eletre gegen BMW iX M60: Lange, bevor beide Elektro-SUV auf den Markt kommen, treten sie hier zum Daten-Duell an – mit überraschenden Ergebnissen.

Lotus Eletre BMW iX Vergleich Aufmacher Collage
Foto: Hersteller / Patrick Lang

Nun ist er also enthüllt, der Lotus Eletre. Und mit ihm ein Automobil, das für den früher als reine Sportwagenmarke bekannten Hersteller in vielerlei Hinsicht Neuland betritt. Der Eletre ist der erste SUV von Lotus. Es ist das erste Elektroauto der Briten. Er wiegt über zwei Tonnen und bietet bis zu fünf Sitzplätze – beides wahrlich keine Normalität für die Engländer. Und er bietet allerlei Hightech und verschiedenen Bereichen, während Lotus ja bisher eher dafür bekannt war, vor allem in der Kunst des Weglassens absolute Spitze zu sein.

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Anfang 2023 – für diesen Termin sieht Lotus die Markteinführung des Eletre vor – beginnt für die Briten also eine neue Zeitrechnung. Um den Elektro-SUV in sein Konkurrenzumfeld einzuordnen, wollen wir aber natürlich nicht so lange warten. Und haben uns als Gegner eines Datenvergleichs ein Modell ausgesucht, das ein paar Monate früher zu den Händlern rollt: den BMW iX M60, dessen Marktstart für den Sommer 2022 geplant ist.

Leichte Leistungsvorteile für den BMW – wahrscheinlich

Wobei einschränkend vorausgeschickt werden muss: Nicht in jeder Hinsicht liegen für den Lotus bereits finale Werte vor; bei einigen technischen Daten handelt es sich um vorläufige oder Zielwerte. Dennoch kommt allein vom technischen Grundkonzept her nur das Topmodell der iX-Baureihe als Widersacher infrage: Hier ergeben zwei Elektromotoren – jeweils positioniert an jeder Achse – einen 455 kW (619 PS) PS starken Allradantrieb. Auch der Eletre tritt mit einem Motoren-Doppel und vier angetriebenen Rädern an. Sein Leistungswert zum jetzigen Zeitpunkt: "ab 447 kW (608 PS)". Wobei noch nicht klar ist, ob er auch das maximale Drehmoment des iX M60 – 1.015 Newtonmeter im Sportmodus, 1.100 Newtonmeter bei Einsatz der Launch Conctrol – matchen kann.

SPERRFRIST 29.3.22 - 21 Uhr Lotus Eletre Neuvorstellung
Lotus
Die finalen technischen Daten des Lotus Eletre kennen wir noch nicht. "Über 608 PS" sollen es auf jeden Fall werden.

Ein Blick auf die Fahrleistungen lässt vermuten, dass sich diese Frage mit "ja" beantworten lässt. Lotus stellt für den Eletre einen Null-auf-Hundert-Wert von unter drei Sekunden in Aussicht. Dieselbe Übung soll der BMW in 3,8 Sekunden absolvieren. Langsamer sprinten trotz etwas mehr Leistung? Die Ursache dafür dürfte im Leergewicht liegen, das BMW für den iX M60 mit heftigen 2.659 Kilogramm angibt. Lotus sieht dagegen seine Leichtbau-Kompetenz auch vom Eletre repräsentiert und will den Elektro-SUV bei rund zwei Tonnen halten. Und das größerer Dimensionen im Vergleich zum BMW (5,10 statt 4,95 Meter Außenlänge) aufweist. Beim Radstand herrscht übrigens fast Gleichstand (3,02 Meter beim Lotus vs. 3,00 Meter beim BMW).

Der Brite ist etwas schneller

Auf der Autobahn hat der Brite seine breite Nase ebenfalls leicht vorne: Er heizt mit bis zu 260 km/h über die linke Spur, während beim BMW bei Tempo 250 elektronisch abgeregelt wird. Von Dauer sind solche Geschwindigkeiten angesichts dann rapide schrumpfender Restreichweiten freilich nicht. Apropos: Etwa 600 Kilometer soll der Aktionsradius des Eletre mit seiner mehr als 100 Kilowattstunden großen Batterie betragen. Den iX M60 soll sein 111,5-Kilowattstunden-Akku (105,2 davon sind tatsächlich nutzbar) je nach Ausstattungs-Konfiguration zwischen 502 und 561 Kilometer weit tragen.

Zudem verspricht Lotus schnellere Ladezeiten. Die Eletre-Energiespeicher lassen sich mit bis zu 350 Kilowatt aufpumpen; in dieser Hinsicht profitiert er von seinem 800-Volt-Bordnetz. Ein solches hat der Top-iX nicht zu bieten, weshalb er sich mit maximal 200 Kilowatt Ladeleistung begnügen muss. Bedeutet: Bis eine leere Batterie beim iX M60 auf 80 Prozent ihrer Kapazität geladen ist, was im Idealfall 449 Kilometern entspricht, vergehen 39 Minuten. Lotus zufolge sollen beim Elektro-Erstlingswerk der Marke nur 18 Minuten vergehen, bis die Reichweite wieder 400 Kilometer beträgt. Und auch das Laden an der innerstädtischen Säule oder daheim an der Wallbox geht beim Briten schneller: Er zapft Wechselstrom mit bis zu 22 kW; beim Bayern ist nur die Hälfte möglich.

Fahrdynamik-Hightech bieten beide

Hochentwickelte fahrdynamische Qualitäten gehören zum Markenkern beider Hersteller. Deswegen geben sich sowohl BMW als auch Lotus größte Mühe, ihre schwersten Modelle mit allerlei technischen Dreingaben zur Leichtfüßigkeit zu erziehen. Sowohl der iX M60 als auch der Eletre treten mit Fünflenker-Hinterachsen, Luftfederung und aufpreisfreier adaptiver Dämpfung an. Im Fall des Briten kommen optionale Goodies wie eine Hinterachslenkung und Torque Vectoring on top. Die aktiven aerodynamischen Elemente sind hier wie da jedoch eher dazu da, die Windschlüpfigkeit und das Kühlverhalten zu optimieren; fahrdynamische Effekte spielen eher eine Nebenrolle.

BMW iX M60 Premiere
BMW
Aktive aerodynamische Elemente wie der Nierengrill des iX M60 sollen die Energie-Effizienz optimieren.

Umfassende automatisierte Fahrfunktionen haben die Elektro-SUV natürlich ebenfalls zu bieten. Beide Hersteller sprechen zum jetzigen Zeitpunkt vom Autonomie-Level 2+: Fahrerinnen und Fahrer können in bestimmten Situationen zwischendurch mal die Hände vom Lenkrad oder die Füße von den Pedalen nehmen. Beispielsweise auf der Autobahn bei konstantem Tempo nehmen ihre Autos ihnen die meisten Aufgaben ab. Als der BMW iX noch als sich ständig verändernde Konzeptsudie iNext firmierte, wurde in dieser Hinsicht durchaus mehr versprochen. Die Realität hat die Münchner inzwischen eingeholt. Perspektivisch soll der iX aber zu Level 3 fähig sein; Chauffeurin und Chauffeur können sich also auch mal vom Verkehr abwenden, müssen das System aber kurzfristig übernehmen können. Lotus will den Eletre unter anderem mit vier Lidar-Sensoren sogar für Level 4 vorbereitet haben. Hier werden alle Insassen zu Passagieren, das Auto agiert komplett eigenständig. An diesem Versprechen werden sich die Briten freilich irgendwann messen lassen müssen.

Der BMW dürfte etwas praktischer sein

Das praktischere der beiden Autos dürfte der BMW iX M60 sein. Er ist als klassischer fünfsitziger SUV konzipiert und bietet einen Kofferraum, der sich von 500 auf 1.750 Liter erweitern lässt. Ein vorderes Gepäckabteil gibt es im Gegensatz zum Lotus Eletre allerdings nicht. Er bietet unter der vorderen Haube ein Volumen von rund 77 Litern, während hinten ungefähr 400 Liter zur Verfügung stehen (exakte Werte sind noch nicht bekannt). Neben einer fünfsitzigen Konfiguration will Lotus den Eletre auch mit zwei Einzelsitzen im Fond anbieten. Statt Leder gibt es hier übrigens ausschließlich nachhaltig erzeugte oder recycelte Materialien. Im BMW sind Überzüge aus Tierhäuten dagegen noch gegen Aufpreis erhältlich.

Unterschiedliche Anlagen präsentieren die Kontrahenten auch in Bezug auf ihr Anzeigen-Konzept. Beim Bayern türmt sich hinter dem Lenkrad ein mit 12,3 Zoll üppig dimensionierter Instrumenten-Screen auf, der im Zentrum des Armaturenbretts von einem 14,9 Zoll großen Curved-Display flankiert wird. Mit seinen schmalen Informations-Monitoren auf der Fahrer- und Beifahrerseite, die in der Mitte von einem 15,1-Zoll-Touchscreen unterbrochen werden, geht der Eletre konzeptionell einen völlig anderen Weg. In Sachen natürlicher Spracheingabe, Head-up-Display und Augmented-Reality-Funktionen herrscht – zumindest auf dem Papier – weitgehend Gleichstand. Das gilt auch beim Thema Konnektivität. 5G-kompatibel sind sowohl der BMW als auch der Lotus, und Software-Updates kommen in beiden Fällen durch die Luft in die Autos.

Ob der Lotus wirklich günstiger ist, muss sich noch zeigen

Im Kostenkapitel können wir bislang eher spekulieren als bewerten. Das liegt nicht am iX M60: Er kostet 135.500 Euro und hat serienmäßig viele Ausstattungsdetails an Bord, für die BMW bei den günstigeren und schwächeren Versionen xDrive40 und 50 noch Aufpreise verlangt. Beim Lotus kennen wir noch nicht einmal den Grundpreis. Bei dessen Vorstellung wurde ein Zielwert von etwa 100.000 Pfund genannt, was aktuell umgerechnet gut 118.000 Euro entspricht. Wir gehen davon aus, dass die Preisunterschiede ausstattungsbereinigt eher gering sein werden.

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Der Lotus Eletre. Die britische Avantgarde liegt einfach in zu vielen Punkten vorne.Der BMW iX M60. Da weiß man, was man hat - und praktisch und solide ist er obendrein.

Fazit

Nur aufgrund technischer Daten lässt sich natürlich kein eindeutiger Sieger in diesem Daten-Duell zweier neuer Elektro-SUV küren. Zumal im Fall des Lotus Eletre erschwerend hinzukommt, dass viele seiner Werte nicht nicht final feststehen. Doch auf dem Papier hat der Brite seine Nase gegenüber dem BMW iX M60 überraschend oft vorne. Manchmal nur knapp, manchmal etwas eindeutiger. Nun muss er die theoretischen Vorteile nur noch in die Praxis überführen. Bis sich das überprüfen lässt, vergeht aber noch eine Menge Zeit.

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