Dodge Challenger Hellcat und Geiger-Camaro im Test
16 Zylinder und 1.321 PS im Rennstreckentest

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Der eine ist mit über 700 PS etwas für den Dragstrip, der andere gehört mit über 500 PS auf die Rennstrecke. Was Dodge Challenger SRT Hellcat und Chevy Camaro Z/28 eint? Emotion pur!

Dodge Challenger SRT Hellcat, Geiger-Camaro Z/28, Frontansicht
Foto: Hans-Dieter Seufert

Aus der Cola-Dose im Cupholder schwappen Sturzbäche auf die Mittelkonsole, der Haustürschlüssel im Handschuhfach klimpert wie eine Kirchenkollekte und beim Fahrer stellen sich auch ohne Hochprozentiges die ersten Schwindelgefühle ein – willkommen im Epizentrum des Leerlauf-Erdbebens von Chevrolets Camaro Z/28.

Schon der Zündschlüsseldreh reicht hier für den automobilen Ausnahmezustand. Mit rotzendem V8-Gröhlen erwacht der Siebenliter- Sauger, um anschließend das US-Hub- raumschiff mächtig im Leerlauf-Auf-und-Ab schwanken zu lassen. Auch die Recaro-Sportsitze mit ausgezeichnetem Seitenhalt werden zuweilen die Seekrankheit in der Kunststoff-Leder-Alcantara-Höhle, pardon im Camaro-Interieur, nicht zu verhindern wissen.

Da fällt die Sitzprobe im Dodge Challenger SRT Hellcat sofort viel gemütlicher aus. Die breiten Ledersitze erinnern mit ihrer höheren Sitzposition und der bequemen Polsterung fast an ein Chesterfield-Sofa um die Jahrhundertwende. Statt Raubkatze mimt die Hellcat auf den ersten Metern schön das Schmusekätzchen – oder hätten Sie bei der martialischen Muscle-Car-Optik etwa eine Lenkradheizung erwartet?

Während im Camaro Z/28 trotz Adaptivdämpfern jede Bodenwelle knochentrocken auf die Bandscheiben einprügelt, federt der Dodge Challenger SRT Hellcat fast mit gediegenem Limousinen-Komfort dahin. Dabei lässt er sämtliche Spurrillen links liegen, während der Z/28 mit seiner aggressiven Achsgeometrie wie ein Hase auf der Flucht viele Haken schlägt. Schon 1967 stand bei einem Camaro Z/28 nicht die Längsdynamik im Vordergrund. Hinter dem Optionscode Z/28 versteckte sich damals ein spezielles Performance-Paket, welches das Pony-Car für den Einsatz bei Clubsportrennen fit machen sollte.

Dodge Challenger SRT Hellcat mit 717 PS

Fit für die Rennstrecke – das 2015er-Modell trägt nicht nur stolz den legendären Namen seines historischen Vorgängers, sondern lebt ein ähnliches Motto. 136 Kilo soll der Z/28 leichter sein als sein Camaro-Bruder ZL1. Keine Klimaanlage, eine leichtere Batterie, eine modifizierte Rücksitzbank, eine dünnere Rückscheibe, leichtere 19-Zoll-Räder und eine leichtere Keramikbremsanlage standen auf dem Diätplan. Am auffälligsten ist die Abspeckkur aber im Kofferraum. Statt auf preiswert verarbeitete Verkleidung fällt der Blick nur auf rudimentär lackiertes Blech, das beim Zuschlagen des Heckdeckels nachhallt.

Ein Leichtgewicht wird aber aus dem Z/28 dadurch genauso wenig, wie wenn Reiner "Calli" Calmund mal zehn Kilo abspeckt. Chevrolet kann von den 136 versprochenen Kilo Gewichtsvorteil gegenüber der bereits getesteten ZL1 (1.883 kg) auf unserer Testwaage immerhin 125 Kilo bestätigen. Trotzdem gilt es für den Rennstrecken-Camaro, 1.758 Kilogramm irgendwie zu vertuschen.

Der Dodge Challenger SRT Hellcat macht erst gar keinen Hehl aus seinen über zwei Tonnen Kampfgewicht. Trotzdem lässt er mit seinem Leistungsgewicht von 2,8 kg/PS den Z/28 knapp hinter sich. Hemi sei Dank.

Stolz erwähnen sie in der Performance-Abteilung SRT (SRT: Street and Racing Technology), dass der 6,2-Liter-V8 mit Kompressoraufladung und 717 PS der stärkste je gebaute Achtzylinder der Chrysler Group ist.

Hach, sind die Amis bei der Beschreibung ihres Atomkraftwerks erfrischend ehrlich: Da finden sich glatt Aussagen, die bei deutschen Herstellern sofort im Giftschrank verschwinden würden. Etwa jene, die dem V8 bescheinigt, dass die Einspritzdüsen so leistungsstark sind, um den 70-Liter-Tank unter Volllast in rund 13 Minuten leeren zu können.

Schwarz oder Rot? Nicht nur beim Roulette, sondern auch im Dodge Challenger SRT Hellcat spielen die beiden Farben eine entscheidende Rolle. Genauer, welche Farbe der Schlüssel trägt. Ausgeliefert wird der Muskel-Challenger mit einem schwarzen und einem roten Schlüssel. Der schwarze Schlüssel wählt ein gemäßigtes Motormapping. Gemäßigt heißt für Hellcat-Verhältnisse immer noch: alles andere als ein geeigneter Fahrschulwagen. Der schwarze Schlüssel reduziert die Motorleistung auf 500 PS und die Maximaldrehzahl auf 4.000/min.

Mit der Zwei-Schlüssel-Theorie schwingt ein bisschen Veyron-Feeling mit. Auch Bugattis 1.000-PS-Plus-Längsdyamiker wollte einst für den Vollbesitz seiner 400-km/h-Kräfte von einem zweiten Schlüssel entfesselt werden. Was bei Bugatti der sogenannte Speed Key war, ist für die Hellcat ein rotes Plastikteil, das den American Dream zur Realität macht.

Strafferes Fahrwerk für bessere Rundenzeiten im Z/28

"Red Key in Use", meldet das Kombi-Instrument und reißt das Gatter für das V8-Biest auf. Vollgas, doch der Dodge Challenger SRT Hellcat rührt sich wie ein Löwe im Tiefschlaf nicht vom Fleck. Bei all der PS-Träumerei drehen wir lieber noch eine Runde über den von uns regelmäßig genutzten Maha-Leistungsprüfstand.

Unter V8-Hardrock und Ladersirren bei Volllast malt die Hellcat eine Leistungskurve, die zur Schnappatmung führt. Siebenhundertachtundsechzig Komma acht – 768,8 – PS notiert der Prüfstandslauf für den Power-Challenger. Dabei handelt es sich um keinen gedopten Pressetestwagen, sondern um einen der ersten US-Importe von Ami-Spezialist Karl Geiger aus München. Laut Geiger stehen sämtliche Challenger SRT Hellcat so gut im Futter. In Amerika wurden wohl schon andere Serienexemplare mit fast 800 PS gemessen.

Und der Z/28? Wummerndes Leerlaufzittern verwandelt sich in donnerndes V8-Gewitter. Die Prüfstandshalle bebt erneut. 512 PS des LS7-V8, der einst auch in der Corvette Z06 mit herrlich bissiger Gasannahme sein Saugmotorunwesen trieb, waren der GeigerCars-Mannschaft wohl nicht genug.

Dank schärferer Nockenwelle, modifizierter Ansaugung und einer größeren Drosselklappe soll der Z/28 auf dem hauseigenen Superflow-Prüfstand von GeigerCars 590 PS leisten. Unser Maha-Prüfstand bescheinigt 552,2 PS. Superflow oder Maha – hier prallen zwei Prüfstandsweltanschauungen aufeinander.

Ein Uhrenvergleich beim Sprint auf 200 km/h zeigt eher, wie viel Leistung nun wirklich unter der Haube tobt. Der frisierte Camaro hechtet in 13,4 Sekunden, der giftgrüne US-Kontrahent Dodge Challenger SRT Hellcat in 12,0 Sekunden auf die genannte Tempomarke – wohlgemerkt beide emotional handgeschaltet und nicht synthetisch automatisiert. Schnell ein abgleichender Blick in die Datenbank: 11,4 Sekunden für BMW M5 Competition, 13,1 s Audi RS 6, 13,7 s BMW M4 DKG.

Genug der Geradeausbolzerei, allen letztgenannten deutschen Boliden verpasst der Camaro Z/28 auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim eine Abreibung. Mit einer Rundenzeit von 1.10,8 Minuten ist der Z/28 deutlich schneller als BMW M5 Competition (1.13,0 min), Audi RS 6 Avant (1.13,7 min) und BMW M4 mit DKG (1.12,8 min).

Neben dem Diätprogramm setzten die Chevy-Ingenieure auf verschiedene Fahrwerksmodifikationen. Dazu zählen unter anderem straffere Feder- und Dämpferraten sowie eine kompromisslosere Achsgeometrie. Aus der Spurrillen-Nachhechelei draußen im Alltag wird auf der Rennstrecke ein herrlich zackiges Einlenkverhalten, das man von diesem wuchtigen Pony-Car so gar nicht erwartet hätte.

Kennern fallen sofort die breite Spur sowie die Monster-Bereifung an der Vorderachse auf. Der Z/28 trägt seine Hinterachsbereifung auch stolz vorne: 305er-Räder vom Typ Pirelli P Zero Trofeo R quillen rundum aus den prall gefüllten Radkästen.

Dodge Challenger SRT Hellcat ohne Seitenhalt und Grip

Anders als der Camaro ZL1 mit 587-PS-V8-Kompressor (Kleiner Kurs: 1.13,9 min) verkneift sich der Z/28 Nick- und Rollbewegungen im Grenzbereich fast vollständig. Das hohe Gripniveau der Semislicks fördert das präzise Fahrverhalten. Ohne übermäßige Anfälle von Untersteuern oder Heckausbrüchen tobt der Z/28 über die Ideallinie. Reifen und Sperrdifferenzial machen einen sehr guten Job und bescheren dem Ami auch bei frühem Lasteinsatz im Kurvenverlauf überraschend viel Traktion – nicht selbstverständlich für ein Muscle-Car dieser Gattung.

Nur für die Brembo-Keramikbremsanlage gibt es Abzüge in der B-Note. Die ABS-Regelung variiert im Grenzbereich von "okay" bis "unterirdisch". Dabei verhärtet das Bremspedal schon mal mit taubem Pedalgefühl. Allzu späte Bremspunkte auf Bodenwellen gilt es daher im Track-Camaro zu vermeiden.

Auch wenn der Z/28 für Camaro-Verhältnisse mit Präzision glänzt, ist jeder Meter in dem V8-Helden mehr Muckibude als Entspannungsübung. Die Rückmeldung der Lenkung fühlt sich so wie die Schaltung an: knackig, straff und robust. Ein Schaltvorgang verlangt kein weichliches Klicken an einer Lenkradwippe, sondern einen kräftigen Zug in den kurzen Gassen des manuellen Sechsganggetriebes: anbremsen, einlenken, donnernd Vollgas geben – der Autor dieser Geschichte ist zwar noch nie einen Nascar-Boliden gefahren, aber der Z/28 transportiert lebhaft die Vorstellung, wie es sich anfühlen könnte.

Und der Dodge Challenger SRT Hellcat? Der fühlt sich auf der Rennstrecke so an, als ob man die Ledercouchgarnitur aus dem heimischen Wohnzimmer nach Hockenheim geschoben hätte. Seitenhalt, wo bist du? Nichts anderes fragt man sich beim Einlenken in die erste Kurve, wenn der Körper über die glatten Hellcat-Ledersitze gen Türverkleidung oder Mittelkonsole rutscht.

Auf der Mittelkonsole will ein Schaltknauf im Golfballformat durch die knorrigen, aber gut schaltbaren Gassen des manuellen Sechsganggetriebes gerissen werden. Anders als im Z/28 kann im Dodge Challenger SRT Hellcat gegen Aufpreis auch eine Achtgangautomatik gewählt werden. Wer auch immer unser giftgrünes Exemplar konfiguriert hat, wir sind froh, dass er sich für das manuelle Getriebe entschieden hat. Übrigens: Hellcat und Z/28 nutzen beide das Tremec-Getriebe TR6060. Im Challenger fühlt sich die Schaltung allerdings nicht ganz so knackig wie im Camaro an.

Auch wenn der Dodge-Musketier über sein Display die Wahl zwischen drei sogenannten SRT Drive Modes (Sport, Track, Default) offeriert, torkelt die Hellcat auch bei maximal gestraffter Kennlinie der Lenkung und der adaptiven Bilstein-Dämpfer durch den Grenzbereich. In die Kurve reinbremsen? Einfach den Gedanken bei diesem Zweitonnen-Powerbrocken vergessen. Auch die um die Mittellage gefühllose Rückmeldung der Lenkung wurde mehr zum Cruisen als zur Kurvenräuberei ausgelegt. Der bis zum ersten Eindrehimpuls dabei nötige Lenkwinkel erinnert eher an einen städtischen Linienbus als ein Über-700-PS-Monster. Wie ein Schiff auf hoher See kippt der Dodge mit viel Seitenneigung und präsentem Einlenkuntersteuern in die Kurven.

Anschließend hat der Kapitän die Wahl: entweder mit sensiblem Gasfuß leistungsübersteuernde Heckausbrüche in 1.14,1 Minuten auf dem Kleinen Kurs so gut wie möglich vermeiden – oder: sieben, sechs, fünf, vier, drei, zwei, 1,6 Millimeter. Selten hat sich einer nach getaner Arbeit mit herrlichen Driftwinkeln und Burn-outs so schnell der zulässigen Mindestprofiltiefe entgegengearbeitet. Es ist das qualmende 768-PS-Oder, für das der Dodge Challenger SRT Hellcat lebt – nicht das Entweder.

Fazit

Sie werden hier nichts von Verarbeitungsschwächen oder Spaltmaßen hören. Lieber mal eine kleine Schwäche zugeben und dafür richtig authentisch sein – dieses Motto beherzigen sowohl der Challenger SRT Hellcat als auch der von GeigerCars moderat getrimmte Camaro Z/28. Manch andere Sportler mögen sich perfektionistischer bewegen lassen, vergessen dabei aber leider ihre Emotionen auf dem Montageband. Unsere US-Muscle-Cars bieten Emotion pur ab Werk – und das zu einem Schnäppchenpreis von 59.995 USDollar (Hellcat) und 72.305 US-Dollar (Camaro). Hierzulande gibt's beide leider nur als inoffizielle Importe.

Technische Daten
Chevrolet Camaro Z28 Dodge Challenger Hellcat
Außenmaße4837 x 1917 x 1360 mm5013 x 1923 x 1450 mm
Kofferraumvolumen460 l
Hubraum / Motor7011 cm³ / 8-Zylinder6166 cm³ / 8-Zylinder
Leistung434 kW / 590 PS bei 6440 U/min527 kW / 717 PS bei 6200 U/min
Höchstgeschwindigkeit280 km/h
0-100 km/h4,6 s4,5 s
Verbrauch15,5 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten