Ford Fiesta, Kia Rio und VW Polo im Test
Diese 3 Kleinwagen haben viel zu bieten

Man ahnt ja nicht, was man verpasst, wenn man meint, auf nichts verzichten zu können. Dabei beweisen der geliftete Ford Fiesta, Kia Rio und VW Polo, wie viel an Mehr-als-genug moderne Kleinwagen mit Effizienz, Platz und Vergnügen verbinden.

Ford Fiesta, Kia Rio, VW Polo
Foto: Achim Hartmann

Was sind wir damals jung, was sind wir talentiert, was sind wir schnell – wenngleich selten gleichzeitig. Doch fühlen wir uns so, in jener wie in vielen anderen Sommernächten, als wir mit den zwei schnellsten Autos der Welt auf der zweispurigen Ausfallstraße an der letzten – der ohnehin eher wenigen – Ampel der Kleinstadt neben einander zum Stehen kommen: auf der rechten Spur Stefan in Mami Elfis Fiesta 1.1, links "Seb" in Mama Bärbels Polo 1.0. Ja, Freunde, die schnellsten Autos der Welt, das sind freitagabends die Kleinwagen, die uns unsere Mütter ausleihen, mit der Auflage, keinen Unsinn zu treiben. Doch als die Ampel auf Grün springt, fahren wir los, als hätten wir sie gestohlen.

Unsere Highlights

Gleich vom Start weg führt der Fiesta – wegen 4 PS mehr Leistung und da er mit stufenloser Schubgliederautomatik ohne Anfahrschluckauf durch übermotiviertes Kuppeln loszischt. So erreicht er bis zum Ende der Ausbaustrecke – und der ganzen Veranstaltung – fast gar das erlaubte Maximaltempo von 100 km/h. Trotz beherztem Schalten samt Kuppeln-und-Durchreißen-ohne-Gaswegnehmen reicht es für den 45 PS mächtigen Polo nur für Rang zwei. Freunde, es ist wohl nicht dieselbe Stadt, in der wir vom Führerscheinbesitzer zum Autofahrer reifen, aber auf der gleichen Art von Straße und mit derselben Art von Auto. Eben: Kleinwagen.

Mit diesem sentimentalen Ausflug ins Früher: willkommen zum Vergleichstest zwischen alten Bekannten, die in den letzten Jahrzehnten weit vorangekommen sind! Auf der rechten Spur der modellgepflegte Fiesta, links der Polo. Mittenrein zwängt sich der Kia Rio. So, gleich springt die Ampel auf Grü… Los!

Fiesta: so heiter & so Ford

Ford Fiesta
Achim Hartmann
Ford Fiesta 1.0 E.B. Hybrid: 125 PS, 4.069 mm Länge, 292–1.093 l Kofferraum, 6,4 l/100 km Testverbrauch, ab 24.250 Euro.

Elfis Ford firmiert in der Historie als Fiesta ’84 und so als zweite von – je nach Zählweise – acht Generationen in 46 Jahren. Je nach Zählweise? Ja, denn mitunter genügte den Ford-Chronisten ein Facelift, um eine neue Generation begründet zu sehen (neben 1984 auch 1995 und 1999). Dass sie den Fiesta nicht zum IX emporbeziffern, kann man also als Hinweis deuten, dass sich bei der Modellpflege so wirklich viel nicht geändert hat.

Da wären zunächst die Üblichkeiten eines Facelifts: kleine Retuschen an Bug und Heck, ein paar neue Farben hier und Felgendesigns dort. An Bedeutsamem hätten wir: Die nun serienmäßigen LED-Scheinwerfer lassen sich mit Matrixfunktionen für Adaptiv- und blendfreies Dauerfernlicht aufrüsten – kostet 950 Euro. Das Infotainment organisiert sich neu auf dem Acht-Zoll-Touchscreen. Und die Instrumente flimmern digital auf einem Bildschirm – dabei bekam der Tacho nur zwei Zahlen auf die Skala programmiert: die Null und die 240, die man beide eher selten braucht.

Schließlich mahnt der Fiesta nun, sicherzustellen, nicht aus Versehen die Kinder oder die Oma auf der Rückbank zu vergessen, verlässt man überstürzt das Interieur. Dabei werden es viel eher die Passagiere auf der steillehnigen, kurzen Bank sein, die es drängen dürfte, der Enge des Fonds zu entkommen. Wie beim Ladeabteil zählt der Fiesta beim Passagier-Raumangebot weiter zu den Platzknappen.

Auf den Sportsitzen vorn sitzt es sich nicht nur bequemer, sondern auch viel ungedrängter und in solider, wenngleich nicht hochtrabend eleganter Umgebung. Doch die Bedienung gelingt leichter, zudem hat die Sprachassistenz an Verständnisbereitschaft gewonnen. Vor allem aber fährt der Fiesta, nun, vergnüglich.

Was ein wenig banal klingen mag, ist ein großes Kompliment – sogar an die Konsequenz, mit welcher der Fiesta in der ST-Line Komfortbelange außer Acht lässt. Mit der straffen Abstimmung rollt er herb ab, spricht stolperig auf Unebenheiten an, rumpelt auf der Autobahn über Querfugen. Wer sich derlei Härten und 1.000 Euro sparen möchte, bestelle den Ford als Titanium statt in der ST-Line.

Mit der packt er dafür sein großes Handling-Talent auf der Landstraße aus, biegt mit der spitz ansprechenden, präzisen, jedoch per Servo überinszeniert rückmeldenden Lenkung behände in Kurven. Da bleibt er neutral, rutscht spät ins Untersteuern, außer: Du gehst vom Gas. Dann gibt es vom Heck einen kleinen Lastwechselschubs, der das Handling anstachelt, ohne ins Gewagte abzudriften.

Der Trommelwirbel zu der Sause kommt vom Dreizylinder-Turbo. Seit ihm ein 48-Volt-Riemenstarter-Mildhybrid die Laderflaute beim Anfahren überboostet, quirlt er homogener, zupackender hoch – unterstützt vom passend abgestuften, präzisen Sechsganggetriebe. Der Antrieb verschafft dem Fiesta neben der besten Effizienz (6,4 l/100 km im Test) die fixesten Fahrleistungen. Damit wäre er heute beim Ampelstart wieder vorn. Aber lässt er hier die Rivalen hinter sich?

Rio: fährt mild drauflos

Kia Rio
Achim Hartmann
Kia Rio 1.0 T-GDI 120: 120 PS, 4.070 mm Länge, 325–1.103 l Kofferraum, 6,7 l/100 km Testverbrauch, ab 22.550 Euro.

Der Rio dagegen hat den Stau von gestern noch genau vor sich. Zur Berechnung der optimalen Route und Ankunftszeit berücksichtigt das Navi laut Kia "historische Verkehrsdaten". Das klingt erst, wie wenn alte Männer den großen Sommerstau auf der A 7 im Jahr 1984 beschwören. Tatsächlich beweist es, zu welcher Cleverness es der Rio gebracht hat.

Man neigt zunächst dazu, ihn zu unterschätzen, da er unscheinbar daherkommt, selbst als aufgeschwellerter GT-Line mit "Diffusor-Optik" (nicht verwechseln mit diffuser Optik). Dabei bringt er seit der Modellpflege 2020 ein umfangreicheres, gut aufgestelltes, teils aber nervöses Assistenzteam (da meinen wir dich, du reingrapschiger Spurhalter) mit. Das Infotainment bekam der Rio modernisiert, wobei sich das Acht-Zoll-Gerät in die eingängige tasten- und touchscreenkombinierte Einfachheit der Gesamtbedienung einfügt.

Vor allem haben die Techniker den Antrieb mildhybridisiert – mit dem 48-Volt-E-Werk aus Riemenstartergenerator und Lithium-Ionen-Akku. Nun besteht bei solch einem System die Möglichkeit, den Motor in Rollphasen auszuschalten, während der 48-Volt-Akku mit per Rekuperation gesammelter Energie die Bordelektronik bestromt. Dazu aber muss der Leerlauf eingelegt werden – das regelt bei einer Automatik die Getriebesteuerung, beim Schalter an sich nur der linke Fahrerfuß. Nun, an sich. Denn der Rio hat eine elektronisch gesteuerte Kupplung, die per Pedal oder vom Steuergerät ausgelöst werden kann. Dieses legt, wenn es ihm im Eco-Modus beliebt, selbstständig den Leerlauf ein und knipst den Motor aus. Bis zu zehn Prozent Kraftstoff soll das sparen. Im Test liegt der Rio mit 6,7 l/100 km knapp über dem unhybridisierten Polo, der beim Rollen nur den Leerlauf einlegt.

Dass der Rio trotz 10 PS mehr Leistung dem VW auch bei den Fahrleistungen leicht hinterherhängt, ist viel unerheblicher als die Aufdringlichkeit, in welcher der Dreizylinder seiner nicht gerade überbordenden Tatkraft Ausdruck verleiht. Seine Lautstärke schallt intensiv durch die dürre Dämmung – auch Wind- und Fahrwerk fauchen und rumpeln gut vernehmbar. Andererseits passt das zu dem Gefühl der Leichtgewichtigkeit, welche der solide verarbeitete Rio trotz des höchsten Gewichts vermittelt – beim Fahren im besten Sinn: Er biegt ohne Trägheit leichtfertig in Kurven, trotz der etwas indirekten und inkonsistent übersetzten Lenkung, die ihre Rückmeldung wohl auswählt. Dabei ist sie so verlässlich wie das ganze Fahrverhalten, das im Grenzbereich vom neutralen in ein üppig dimensioniertes Untersteuern schubbert, aus dem das ESP diskret zurück auf die Spur hilft.

All das klingt nicht so, als sei die Fahrt im Rio eine mitreißende Darbietung großen Frohsinns, meinen Sie? Stimmt, doch liegt das Wesen des Kia darin, dass er keinerlei Buhei veranstaltet, sondern so einfach funktioniert und so vollkommen genügt. Vier Erwachsene bringt er angemessen ungedrängt unter. Sein straff abgestimmtes Fahrwerk neigt nie zu Schmeicheleien – erst recht nicht bei kurzen, tiefen Unebenheiten –, teilt aber auch keine wirklich fiesen Rempeleien aus. Der Rio ist ein Auto, aus dem man nach einer Viertelstunde Probefahrt womöglich etwas uninspiriert aussteigt, das man aber nach einer Woche nicht mehr hergeben mag. Ein Auto ohne Allüren, dennoch modern, effizient, gut ausstaffiert, lange garantiegesichert und ausstattungsbereinigt gut 3.000 Euro günstiger als der Polo. Was den Rio dann hier noch ausbremsen könnte? Seine schwachen Bremsen.

Polo: aus dem Ervolk-Reich

VW Polo
Achim Hartmann
VW Polo 1.0 TSI: 110 PS, 4.074 mm Länge, 351–1.125 l Kofferraum, 6,6 l/100 km Testverbrauch, ab 24.835 Euro.

Und damit nun zum Endbeschlagstraffer. Jaha, das ist doch mal wieder ein neuer Begriff, um der eigenen Bewandertheit in technischen Belangen Ausdruck zu verleihen. Zugleich ist es ein gutes Beispiel dafür, wo sich der Fortschritt bei der Halbzeitmodernisierung im Mai 2021 abspielte: im Detail, aber dem entscheidenden.

So stattet VW den Polo seither nicht nur serienmäßig mit vorderem Mittelairbag, zum Matrix-Licht aufrüstbaren LED-Scheinwerfern und Digitalinstrumenten aus, sondern auch mit dem Endbeschlagstraffer. Der spannt den Gurt bei einem Unfall zusätzlich im Beckenbereich statt nur an der Schulter. Damit es dazu gar nicht kommen muss, erweitert VW die stattliche Assistenzabteilung um die aktive Spur- und Tempoführung. Auch sonst bringt der Kleinwagen an Komfort- und Infotainment Extras von beheizten Velourspolstern bis zum nachträglich freischaltbaren Navi vieles mit, womit er auch in der Kompaktklasse auftreten könnte. Das gilt erst recht für sein Platzangebot. Obgleich nur 4,07 m kurz, schafft der Polo ein Raumangebot, das etwa beim Normsitzraum im Fond sogar den Golf knapp übertrifft. Das Volumen des eben beladbaren Kofferraums liegt mit 351 Litern fast exakt auf dem Niveau des Golf VI.

Seit sich der Golf in Generation VIII darin gefiel, Materialsorgfalt und Bediengeschick zu reduzieren, schaut so ein Polo kein bisschen weniger wertvoll aus. Und selbst die an sich fitzeligen Tastflächen für die Regelung der Klimaautomatik sind noch besser als die Schiebetaster im Golf.

Dazu bremst der Polo hervorragend, fährt fast unerschütterlich sicher. Doch kurvt er bei aller Souveränität mit diskreter Vergnüglichkeit um Biegungen – wegen der präzisen, direkten und rückmeldungsstimmigen Lenkung. Das mit dem Federn erledigt er mit Sorgfalt, bleibt aber straff genug, um nicht ins Wanken zu kommen. Auch wegen großer, bequemer Sitze und guter Geräuschdämmung tourt man mit dem Polo locker über weite Strecken. Da stört nur die knappe Reichweite: Mit 40-l-Tank und einem Verbrauch von 6,6 l Super/100 km ist nach gut 600 km ein Tankstopp fällig für den 1.0 TSI.

Die stärkste Variante des Dreizylinder-Turbos verbindet VW nur mit Doppelkupplungsbox. Sie trägt mit mitunter zögerlichem Einkuppeln zu der Anfahrträgheit des Antriebs bei. Doch einmal in Schwung, wählt sie eilig, treffsicher und ruckfrei aus den sieben Gängen aus. Das DKG schreiben wir dem VW in der Ausstattungswertung gegenüber den Rivalen gut. Das und die gute Ausstattung (LED-Matrix, Parksensoren rundum) relativieren den hohen Preis, nun, etwas.

Denn fragt man sich nach der Fahrt im Polo, warum man ein größeres Auto kaufen sollte, so findet sich darauf leicht eine Antwort: weil es für die 27.300 Euro, welche VW für den Polo verlangt, eine üppige Auswahl an größeren Autos gibt. Doch wer das Format eines Autos nicht nach dessen Abmessungen, sondern Fähigkeiten bemisst, ist mit dem Polo ganz mit sich im Kleinen.

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Ja, mit denen bin ich meistens sowieso nur in der Stadt unterwegs.Nein, ich fühle mich in größeren Autos einfach wohler.

Fazit

1. VW Polo 1.0 TSI Style
620 von 1000 Punkte

Vielleicht für viele schon der bessere Golf, definiert der Polo derzeit seine Klasse mit sehr gutem Komfort, umfassender Sicherheit und hoher Effizienz – aber zum ambitionierten Preis.

2. Ford Fiesta 1.0 EcoBoost ST-LINE X
593 von 1000 Punkte

Vielleicht für viele der erreichbarste Beinahe-ST, definiert er sich über mitreißendes Handling, clevere Bedienung und den sparsamen, kräftigen Antrieb. Komfort? Kommt vor – in Maßen.

3. Kia Rio 1.0 T-GDI 120 GT-Line
581 von 1000 Punkte

Vielleicht für viele der erreichbarste Beinahe-ST, definiert er sich über mitreißendes Handling, clevere Bedienung und den sparsamen, kräftigen Antrieb. Komfort? Kommt vor – in Maßen.

Technische Daten
Ford Fiesta 1.0 EcoBoost Hybrid ST-LINE XKia Rio 1.0 T-GDI 120 GT-LineVW Polo 1.0 TSI Style
Grundpreis27.650 €23.690 €29.515 €
Außenmaße4069 x 1735 x 1484 mm4070 x 1725 x 1450 mm4074 x 1751 x 1451 mm
Kofferraumvolumen292 bis 1093 l325 bis 1103 l351 bis 1125 l
Hubraum / Motor999 cm³ / 3-Zylinder998 cm³ / 3-Zylinder999 cm³ / 3-Zylinder
Leistung92 kW / 125 PS bei 6000 U/min88 kW / 120 PS bei 6000 U/min81 kW / 110 PS bei 5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit200 km/h190 km/h187 km/h
0-100 km/h10,1 s11,0 s10,7 s
Verbrauch4,5 l/100 km
Testverbrauch6,4 l/100 km6,7 l/100 km6,6 l/100 km
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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten