Ford Fiesta ST und Hyundai i20 N im Test
Zwei Zwerge zeigen Muskeln

Mit dem i20 N baut Hyundai seine sportliche Palette mit Rennsportanleihen nach unten aus. Im ersten Test gefiel die koreanische Pocket Rocket ziemlich gut, nun muss sie sich gegen die wildeste der kleinen Rennsemmeln bewähren, den Ford Fiesta ST. Mit welcher Knallbüchse lebt’s sich lustiger?

Ford Fiesta ST, Hyundai i20 N
Foto: Achim Hartmann

Irgendwo im Dunstkreis von Boxberg passiert, was passieren muss an diesem Tag: Wir haben uns gerade auf 50 km/h runtergebremst und rollen durch ein kleines Örtchen, als wir am Wegesrand Heinrich und Otto sehen. Sie stehen an Cabriolets der 500-PS-Klasse und diskutieren ihre Fahreindrücke. Hand hoch zum Gruß, kurz noch um die letzte Ecke vorm Ortsausgang, runter in den dritten Gang und los.

Fiesta ST und i20 N nähern sich schnell wieder Tempo 100, der Fiesta bissiger, aber früher ans Drehzahllimit klopfend als der i20. Die schmale Straße windet sich mutig ins Tal, um sich dann gefühlt wieder gen Himmel zu ziehen. Zweiter-Gang-Kurven mischen sich hier mit weiten Radien, die man locker mit weit mehr als 100 km/h nehmen könnte – wenn man nicht gesetzeskonform unterwegs sein müsste.

Unsere Highlights

"Wir haben hier sicher nicht weniger Spaß als Heinrich und Otto", beschließen Marcus und ich beim nächsten Autotausch. Denn die alte Weisheit stimmt ja, vielleicht heute mehr als noch vor zehn Jahren: Ein langsames Auto schnell zu fahren, macht mehr Spaß, als ein schnelles Auto langsam zu fahren. Mit 200 PS sind die zwei Kleinwagen, kaum mehr als 1,2 Tonnen schwer, beileibe nicht langsam. Aber man kann eben auch mal für mehrere Sekunden Vollgas geben, ohne dass gleich Ungemach mit den Ordnungskräften droht. Die Dickschiffe der Kollegen Heinrich und Otto sind im Grunde schon auf der Leerlaufdüse zu schnell – und zu breit sind sie ohnehin für diese schmalen Genießerstraßen. Nicht immer, aber meistens in den schönsten Kurven, wo ein entgegenkommender Lkw dann für eine Schrecksekunde sorgt.

Ford Fiesta ST
Achim Hartmann
Ford Fiesta ST: 1,5-Liter-Dreizylinder, 200 PS, 300 Nm, 230 km/h, 6,8 s, Basispreis 28.200 Euro.

Womöglich sitzen wir heute in den Sportwagen der Zukunft mit Testverbräuchen um die 7,5 Liter? Die ständig steigenden Spritpreise legen den Verdacht nahe. Solche Gedanken kommen uns in den Schalensitzen, die im Ford für stämmige Staturen schon arg auf Taille geschnitten sind. Denn fühlt sich ein Sportwagen bei Tempo 100 gelangweilt an, törnt das auf Dauer ab. Fühlt sich jemand allerdings in seinem Element, vermittelt diese Konstellation garantiert viel Spaß.

Sportlerwertung, klar

Hinzu kommt: Die zwei Spaßmacher der U-30.000-Euro-Klasse bieten Alltagstauglichkeit nicht nur in Spurenelementen. Fiesta und i20 sind ja Viersitzer, der Hyundai serienmäßig mit vier Türen, der Ford gegen moderate 400 Euro Aufpreis. Zugegeben, hinten sitzt es sich eher mäßig als gut, und das Platzangebot des Fiesta ist sehr überschaubar. Immerhin: Es geht zu viert, und genügend Gepäck darf auch mit (wobei die 292 Liter des Ford schon sehr mickrig wirken gegen die 352 Liter des Hyundai).

Doch darum geht es ja nicht in erster Linie bei diesen Pocket Rockets. Daher bewerten wir sie auch nach dem Schema für sportliche Alltagsfahrzeuge, in dem Fahrdynamik mehr und die Alltagsfunktionalität etwas weniger Gewicht hat.

Hyundai i20 N
Achim Hartmann
Hyundai i20 N Performance: 1,6-Liter-Vierzylinder, 204 PS, 304 Nm, 230 km/h, 6,6 s, Basispreis 24.990 Euro.

Dass sie es ernst meinen, zeigen beide nicht nur mit ihren kräftig anpackenden Motoren (der des Fiesta ist noch emotionaler und dabei sogar laufruhiger), sondern auch mit ihren Lenkungen und Vorderachsen: Beide folgen minimalen Lenkimpulsen mindestens willig (Hyundai) oder gar gierig (Ford). Manch einem ist die Lenkung des Fiesta ST sogar zu spitz ausgelegt, weil der kleine Kölner wirklich enorm zackig den Kurs ändert, auch wenn man nur wegen einer derben Bodenwelle einen Stoß abbekommt und den unbeabsichtigt auf die Lenksäule überträgt. Jedenfalls ist da wenig Raum fürs Trödeln – bei beiden: Die nicht übertrieben breiten Vorderreifen grippen dermaßen, dass das dynamische Duo in Kurven Tempi erreicht, die unvorbereitete Beifahrer ächzend nach Haltegriffen suchen lassen.

Anteil an dieser gnadenlosen Traktion haben auch die mechanischen Differenzialsperren, die der Hyundai als Performance (26.990 statt 24.990 Euro) serienmäßig, der Fiesta im Performance-Paket für 1.100 Euro mitbringt. Allein dieses Goodie zeigt schon, dass die zwei sich an Fahrer wenden, denen Performance wichtiger ist als Cupholder oder 100 verschiedene Ambiente-Beleuchtungen.

Speziell beim Fiesta sollte der Mensch am Lenkrad aber wissen, was er tut. Lastwechsel, Bodenwelle, Kurve? Kommt das alles zusammen, hängt der Ford das Heck heraus. Und zwar bis zum kräftigen Einsatz des ESP – weiter, als man es gemeinhin erwartet. Fixe Lenkbewegungen sind dann ein Muss, um auf Kurs zu bleiben. Extrem bewegt liefert auch der Hyundai diese Grenzbereichserfahrungen, bleibt dabei aber gesitteter, mit weniger lebendigem Heck und früher, sanfter eingreifendem ESP.

Agil und trotzdem stabil

Diese beim Fiesta ziemlich ungeschliffene, herausfordernde Agilität geht auf einigermaßen gut asphaltierten Autobahnen bei beiden einher mit tadellosem Geradeauslauf bis zur Vmax im Bereich von 230 km/h – keine Selbstverständlichkeit bei so kurzen Radständen. Dahin beschleunigt der Ford mit prägnantem, wohl kompionierten Dreizylinder-Grummeln nicht ganz so flott wie der Hyundai, dessen Vierzylinder trotz regelbarem Sportlersound etwas beliebig klingt.

Das ist aber abseits der Rennstrecke, wo beide immens viel Spaß machen, eine Marginalie. Denn fürs Geradeaus-Kilometerschrubben gibt es bessere Angebote als diese zwei. Nicht weil sie dann unerträglich laut würden, nein: Sie sind ganz im Gegenteil für diese Fahrzeugklasse bei konstantem Tempo erstaunlich leise. Sondern weil der Federungskomfort von der eher herben Sorte ist. Vor allem der Fiesta erweckt nicht den Eindruck, als versuche er ernsthaft, überflüssige Informationen zum Straßenzustand zu verschweigen.

Ford Fiesta ST, Hyundai i20 N
Achim Hartmann
Im Vergleich zum Hyundai mit seinem großen Dachkantenspoiler und den farbigen Linien kommt der Ford regelrecht dezent daher.

Überdies scheint er aus einer Ära zu stammen, in der die Generation Playstation als potenzielle Kundschaft noch nicht entdeckt war. Die kleinen Instrumente sind weit weniger frei konfigurierbar als die des Hyundai, und neben drei Fahrmodi gibt es als Spielerei nur die Launch Control für sinnlose Blitzstarts sowie die nette, aber nicht essenzielle Drehzahldeckelung kurz vorm Begrenzer: Dank ihr kann das Gas beim Hochschalten stehen bleiben, ohne dass es mechanisches Kleinholz gibt.

Nette Spielereien und mehr

Der i20 kontert das mit fünf Fahrprogrammen (davon einem frei konfigurierbaren), in denen Lenkkraftunterstützung, Auspuffklang, Motormapping und ESP beeinflussbar sind. Dazu gibt es eine sehr gute Zwischengasautomatik, die beim Runterschalten die Vorderräder vor störenden Schleppmomenten schützt und – für manche Käufer womöglich wichtiger – eine motorsportähnliche Klangkulisse liefert. Ach ja: Die Instrumente bieten auf Wunsch viel mehr Informationen, vom Ladedruck über den momentan anliegenden Bremsdruck bis zum g-Meter für Längs- und Querbeschleunigung.

Eine rollende Kirmesbude also? Erst recht wegen des wenig dezenten Spoilerwerks? Nein. Der i20 N ist ein konsequent und ernsthaft gemachtes kleines Power-Auto, das auch beim Bremsen nichts anbrennen lässt: Der Ford Fiesta ankert ja schon nicht schlecht, leistet sich keinerlei Fading. Der i20 N aber nimmt ihm aus 130 km/h warm wie kalt rund eine Wagenlänge ab. Auch bei der Assistenz verliert der Fiesta, unter anderem weil Ford ihm aus aktuellem Anlass – weltweiter Chipmangel – den Totwinkelassistenten streichen musste. Da hilft auch das tolle Matrix-LED-Licht nichts: Im ausgewogeneren i20 findet der bisherige Fahrspaß-Alleinunterhalter aus Köln seinen Meister.

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Fazit

1. Hyundai
649 von 1000 Punkte

Mehr Platz als der Fiesta hat der i20, mehr Komfort und mehr Assistenz. Dazu bremst er vehement. Das bringt ihm mit dem niedrigeren Preis und langen Garantien den Sieg.

2. Ford
600 von 1000 Punkte

Was aktiven Fahrspaß angeht, ist der dosiert ungeschliffene Fiesta ST nicht zu schlagen. Er fordert den Fahrer und zahlt in großer Münze zurück. Die Nummer eins der Petrolheads.

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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

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