Ford Focus 1.6 Ecoboost im Test
Angriff auf den Kompaktklasse-Thron

Mit dem neuen Ford Focus zaubern die Kölner statt einer noch dynamischeren Fahrmaschine eine rundum assistierte Mensch-Maschine-Schnittstelle aus dem Hut. Erster Test des neuen Kompakten mit dem 182 PS starken Turbobenziner.

Ford Focus 1.6 Ecoboost
Foto: Hans-Dieter Seufert

Ford-Chef Mulally setzt Prioritäten. Er schwänzt den Auto Salon in Genf, doziert stattdessen auf der weltgrößten Computermesse Cebit über Sync, die neue interaktive Schnittstelle zwischen Mensch und Auto. Sync wird zwar gemeinsam mit Microsoft entwickelt, aber insgeheim träumt Mulally vom Apple-Stil, möchte eine neue Epoche der Konnektivität einleiten. Doch, schade, die elektronische Bedien-Revolution mit toller Sprachsteuerung lässt beim neuen Ford Focus noch ein Jahr auf sich warten.

Design des neuen Focus erinnert an den Ford Fiesta

Ford Focus und Revolution – das hat bereits Tradition. Nummer eins profilierte sich als Fahrdynamik-Talent im New-Edge-Design, von dessen Handling Kenner noch heute schwärmen. Nummer zwei war schüchterner. Es blieb beim sauber abgestimmten Fahrwerk, hinzu kam eine fast Zenhafte Klarheit bei Außen- und Innendesign. Unauffällig, dienstbereit.

Nun, dienstbereit möchte der neue Ford Focus auch sein, unauffällig eher weniger. Vorn grüßen stilisierte Lufteinlass-Schlünde, dahinter spannt sich ein Dachbogen im Coupé-Stil. Von schräg hinten gemahnt der Focus flüchtige Betrachter an den Dodge Caliber, auf jeden Fall an eine Maxi-Version des Ford Fiesta.

16 Zentimeter länger als der Golf

An diesen erinnert auch die Innenarchitektur des gegenüber dem Vorgänger einen Tick längeren, jedoch etwas schmaleren und niedrigeren 4,36-Meter-Viertürers. Ein klarer Gegenentwurf zum 16 Zentimeter kürzeren Germanen-Primus VW Golf. So kommt das expressiv gestaltete Armaturenbrett des Ford Focus regelrecht auf die Insassen zu. Freundliche Umarmung oder zu große Nähe – eine Frage des persönlichen Geschmacks. Genau wie die scheinbar zerfließenden Uhren-Ränder, die an Motive von Picasso erinnern, was nichts an der guten Ablesbarkeit im Test ändert. Das farbige Mittendisplay informiert etwas kleinteilig, aber hochauflösend und detailliert. 
 
Bei der Verarbeitung ging es im Ford Focus ebenfalls einen Schritt vorwärts. Weiche Kunststoffe im oberen Bereich des Armaturenträgers ergänzen ordentlich gemachten Hartkunststoff im unteren Bereich. Okay, einige Spaltmaße könnten präziser ausfallen und der Dachhimmel vorn liebevoller eingepasst sein, dafür changiert die optionale Ambientebeleuchtung nach Wunsch in psychedelischen Farben. Vielleicht haben die Ford-Jungs ja mal einen spirituellen Abend mit der Mini-Truppe verbracht, die solche Licht-Spiele auch pflegt.  

Innenraum gefällt mit guter Ergonomie

Sicher ist: Im neuen Focus verbringt man gern seine Zeit. Bequeme Sitze vorn samt passender Ergonomie sowie ordentliches Platzangebot hinten ermöglichen trotz mäßiger Fond-Kopffreiheit beschwerdefreies Reisen. Unterstützt von Türablagen, die 1,5-Liter-Buddeln aufnehmen, und der umlegbaren Rückbank mit den leicht aufstellbaren Sitzflächen.  
 
Damit liefert der Ford Focus 363 Liter Standard-, jedoch nur 1.148 Liter Maximalvolumen. Für die meisten Alltagsaufgaben dürfte es reichen. Die Ladebodenmatte könnte etwas solider gemacht sein (Wendeboden: 75 Euro). Angenehm im Autofahrer-Alltag sind der deckellose Tankverschluss und die per Zughebel entriegelnde Motorhaube ohne das nervige frühere Extra-Schloss – aber auch ohne hydraulischen Aufsteller. In der Top-Ausstattung Ford Focus Titanium (mit 1.6 Ecoboost-Benziner für 24.350 Euro) gibt es dafür allerhand anderes. Sie empfängt mit Sportsitzen, startet den Motor schlüssellos per Knopf, klimatisiert mit einer wirkungsvollen Zweizonen-Anlage, hält Geschwindigkeit per Tempomat, unterhält mit einer problemlos bedienbaren Sony-Anlage.

Fernlichtassistent funktioniert nicht immer

Das System im Ford Focus kommuniziert zudem mit USB und i-Pod oder per Bluetooth sowie sprachgesteuert. Selbst die Klimaanlage gehorcht aufs Wort. Hinzu kommt die Bedienung per Lenkradtasten. Ach, die beiden Steuerkreuze dort genügen Ihnen nicht? Dann ein paar Kreuze bei den Optionspaketen machen, und schon können Sie beim Lenken mit 22 Tasten Klavier spielen.  Radargesteuerter Abstandsregeltempomat, Telefon und ähnliches warten auf geschickte Finger.

Halt: Fernlicht-Gefummel übernimmt eine Automatik. Manchmal bekommt der Gegenverkehr trotz Kamera-Kontrolle eine Überdosis Bi-Xenon ab – oder man selbst fährt überraschend ins Halbdunkel, weil die Technik im ungünstigen Moment selbsttätig abblendet. Hier könnte etwas Feintuning nicht schaden. 

Standfeste Bremsen, durchzugsstarker Motor

Anders beim Bremsen: Der Ford Focus verzögert im Test kräftig und standfest, bietet überdies ein schönes straffes Pedalgefühl. Ähnlich nett ist das Gefühl des Pedals ganz rechts, dort wo der 1,6 Liter große Turbo-Direkteinspritzer am Kabel hängt. Der Ecoboost getaufte Vierzylinder mit 182 PS spricht gut an, zieht willig durch und schiebt den 1,4-Tonner ohne Turbophlegma mit 240 Newtonmetern (Overboost: 270) schon aus niedrigen Drehzahlen ordentlich vorwärts.  Die satte und sanfte Drehmomententfaltung sowie der dezente Lauf sorgen im Ford Focus für stressfreies Fortkommen – egal ob auf der Autobahn, Landstraße oder im Stadtverkehr.
 
Erst in höheren Lagen meldet sich der Vierzylinder zu Wort. Obwohl die leichtgängige Sechsgangschaltung des Ford Focus auf absurde Overdrive-Charakteristik verzichtet, sind Verbräuche unter acht L/100 km drin; im Schnitt verlangt der Focus 8,7 Liter. Und es geht harmonisch weiter.

Gut abgestimmtes Fahrwerk im Ford Focus

Focus und Fahrwerk – eine Liebesbeziehung, seit Ulrich Eichhorn Nummer eins zur Handling-Ikone machte. Sicher, die Konkurrenz hat aufgeholt, doch der Ford Focus bleibt dran. Ohne adaptive, dafür mit kompetent abgestimmten Dämpfern rollt er mit den optionalen 17-Zöllern etwas straff ab, kassiert Unebenheiten aller Art im Test insgesamt sauber, ohne dabei störend in Wallung zu geraten.  
 
In Wallung geraten könnten Zartfühlende höchstens wegen der neuen, rein elektrisch unterstützten Lenkung des Ford Focus. Sie ist im Gegensatz zum Vorgänger nicht mehr im Charakter verstellbar. Bei Geradeausfahrten auf der Autobahn scheint sie bei bestimmten Tempi manchmal in der Mittellage festzustecken. Dann gehen die reduzierte Servounterstützung und das Losbrechmoment eine unangenehme Liaison ein. Wechselt das Tempo oder darf sich der Focus endlich in kurvige Passagen stürzen, passt wieder alles. Dort wo ein VW Golf gelangweilt-distanziert wirkt, gibt der Ford Focus alles. Seine Lenkung springt schon auf leichtes Kommando aus der Mittellage an, bleibt im Kurvenverlauf homogen und fein dosierbar, liefert stets klare Rückmeldung.

Focus parkt auf Knopfdruck automatisch ein

So nimmt der Ford Focus Kurven satt und sicher, ohne tumb zu untersteuern oder beim Gaswegnehmen zum fiesen Heckschwenk anzusetzen. Den Rest erledigt das aufmerksam regelnde ESP. Beim Herausbeschleunigen helfen dessen Sensoren per elektronisches Torque-Vectoring, die 182 PS des 1.6 Ecoboost effektiv auf den Asphalt zu bringen.
 
Wer sich bei der Ecoboosterei rechtschaffen müde gefahren hat, vielleicht per Assistent zur Pause ermahnt wird, kann sich automatisch einparken lassen. Der Ford Focus sucht auf Knopfdruck die passende Lücke und zirkelt selbst in enge Nischen. Schöne neue Welt. Passend zum Anspruch des Focus als Weltauto – das meistverkaufte war er schließlich schon mal. Vielleicht bekommt er das ja nochmal hin. Und Herr Mulally schaut wieder in Genf vorbei.  

Unterhaltskosten

Beim Thema Unterhaltkosten bewegt sich der neue Ford Focus allenfalls im Mittelfeld. Nicht genug, dass er bereits vor Markteinführung mit rund 20 Prozent Rabatt angeboten wird. Laut der Leasingfirma ALD soll er überdies nach drei Jahren und 45.000 Kilometern nur noch ein
Drittel seines Neupreises wert sein. Auch der vorgeschriebene jährliche Kundendienst belastet das Budget, die Versicherungskosten bewegen sich im Rahmen der Mitbewerber. Relativ günstig fallen dagegen der Verbrauch und die steuerliche Einstufung aus, die sich nach dem ebenfalls niedrigen ECE-Verbrauch bemisst.
 

Ford Focus als Weltauto

Einer für alle – so möchte Ford den Focus in 120 Ländern in Umlauf bringen. Unter dem Motto ONE Ford vereinheitlicht man interne Standards und Bauteile, verringert Kosten. Beim Focus variieren nur noch zehn Prozent der Teile wegen gesetzlicher Bestimmungen, zehn weitere wegen lokaler Geschmäcker – etwa in China, wo Ford ebenfalls produziert. Entwickelt wurde der neue Focus in Deutschland. Für den hiesigen Markt wird er in Saarlouis montiert.

Der Zweitürer entfällt zukünftig, etwa 40 Prozent der Kunden dürften den Schrägheck-Viertürer, 55 Prozent den Kombi (Turnier) wählen. Stufenheck: fünf Prozent. Bei den Ausstattungen sieht Ford die Topversion Titanium mit 50 Prozent vor Trend mit 45 Prozent. Die abgespeckte Ambiente-Variante spielt nur eine Rolle im Flottengeschäft. Der Dieselanteil soll 50 Prozent, der von Ecoboost-Motoren 20 Prozent betragen.

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Interessiert mich nicht.
Vor- und Nachteile
Karosserie
Ford Focus 1.6 Ecoboost
gutes Platzangebot vorn, befriedigendes hinten
angemessener Gepäckraum
ausreichende Ablagen
Einstieg, Raumgefühl und Übersichtlichkeit durch Coupéform beeinträchtigt
Fahrkomfort
bequeme Sitze
geschmeidige Federung
niedrige Innengeräusche
angenehme Klimatisierung
leichtes Achspoltern
Antrieb
homogene Kraftentfaltung
gute Fahrleistungen
angenehme Laufkultur
passend übersetztes, exakt schaltbares Getriebe
Fahreigenschaften
agiles Handling
sicheres Fahrverhalten
sauberer Geradeauslauf
Lenkung sehr spontan aus der Mittellage
Sicherheit
wirksame, standfeste Bremsen
gute Sicherheitsausstattung
umfangreiches Assistenzangebot (optional)
Umwelt
angemessener Verbrauch
Start-Stopp serienmäßig
Verbrauchstipps im Display
Kosten
angemessener Grundpreis
nur zwei Jahre Garantie
voraussichtlich erhöhter Wertverlust

Fazit

Hurra, ich bin kein Golf. Der Ford Focus pflegt sein Fahrdynamiktalent, bolzt mit Assistenzoptionen und schiebt mit Turbokraft voran. Seine modische Karosserieform kostet ihn allerdings Innenraum und Übersicht.

Technische Daten
Ford Focus 1.6 EcoBoost Titanium
Grundpreis25.120 €
Außenmaße4358 x 1823 x 1484 mm
Kofferraumvolumen363 bis 1148 l
Hubraum / Motor1596 cm³ / 4-Zylinder
Leistung134 kW / 182 PS bei 5700 U/min
Höchstgeschwindigkeit222 km/h
0-100 km/h8,7 s
Verbrauch5,9 l/100 km
Testverbrauch8,7 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten