Honda Civic Type R im Gebrauchtwagen-Check
Hot Hatch auf japanisch

Ein gebrauchter Honda Civic Type R soll es sein? Zur Wahl stehen der klassische Hochdrehzahl-Sauger aus der alten Welt und der moderne Turbo. Zeit für einen Generationenvergleich.

Honda Civic Type R FN2, Exterieur
Foto: Arturo Rivas

Bevor Sie sich jetzt, liebe Leser, wundern, wieso die von sport auto Äpfel mit Birnen vergleichen, muss klar gesagt werden: Die Frage, ob Sauger oder Turbo, stellt sich beim Neuwagenkauf fast gar nicht mehr. Doch wer mit einem gebrauchten Civic Type R flirtet, hat die Qual der Wahl. Fünf Generationen haben die Japaner mittlerweile auf Kiel gelegt: Den ersten Type R gab es nur in Japan, den zweiten dann auch bei uns. Heute stehen die Generationen drei und vier im Mittelpunkt. Genau bei diesen beiden vollzog Honda eine Kehrtwende bei der Antriebsphilosophie. Der letzte Sauger mit 201 PS aus zwei Litern Hubraum kam 2007 auf den Markt und musste 2010 schon wieder gehen. Sein hochdrehender VTEC-Vierzylinder schaffte die EU-5-Abgasnorm nicht mehr.

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Der Nachfolger? Na ja, für diesen ließ sich Honda Zeit. Fünf Jahre mussten Type-R-Jünger auf Erlösung warten, während Ford, VW, Seat, Audi und alle anderen munter weiter ihre Hot Hatches unters Volk streuten. 2015 erst kam der erste Turbo in einem Type R: Mit 310 PS erreichte er das Level der Konkurrenz. Was kostete so etwas? Nun, der Civic Type R Generation drei (intern FN2 genannt) beginnt mit etwas Glück schon bei 5.000 und endet bei 16.000 Euro. Mindestens 5.000 Euro mehr kostet der Nachfolger FK2: Das Angebot startet bei 21.000 Euro und reicht bis 28.000 Euro. Aktuell stehen nur knapp 200 Type R zum Verkauf – darunter alle Generationen inklusive des aktuelllen FK8 mit 320 PS und Tageszulassung. Tja, ein Top-Civic ist eben kein Massenauto wie ein Golf GTI bzw. R oder ein Audi S3, sondern etwas für echte Fans.

Honda Civic Type R FN2, Exterieur
Arturo Rivas
Der in Deep Bronze Pearl lackierte 2008er FN2 von Patrick Merker ist bereits 148.506 Kilometer gelaufen.

Einen der aktuell nur 25 angebotenen FN2 treffen wir im schwäbischen Mönsheim. Patrick Merker möchte seinen in Deep Bronze Pearl lackierten 2008er veräußern. Der junge Ingenieur arbeitet gleich in der Nähe bei Porsche in Weissach und wird auf einen geleasten Panamera umsteigen. Aha! Obwohl er zugibt, "absoluter Saugmotorfan" zu sein. Kein Wunder, er beschäftigt sich beruflich mit den GT3-Triebwerken. "Ich habe den Type R 2014 mit einem Kilometerstand von 34.000 gekauft. Seitdem ist das Fahrzeug bei mir 114.000 Kilometer hauptsächlich auf der Langstrecke gelaufen." Aktuell steht das Display bei 148.506 Kilometern. Patrick hat sich bereits mit einem Interessenten auf einen Preis von 7.900 Euro geeinigt. "Die Anzahlung ist auf meinem Konto, am Sonntag kommt der Käufer und holt ihn ab." Sein Civic hatte einen Front- und einen Vandalismusschaden, beides wurde in der Honda-Werkstatt repariert.

Zuletzt war er noch bei einem Aufbereiter, allerdings gibt es an der Front noch ein paar typische Langstrecken-Steinschläge. Sonst ist nicht viel. Die nachgerüsteten TBC-Bremsen halten wie auch die Goodyear Eagle F1 noch eine Weile durch. Anstatt auf Serienrädern steht Patricks Civic auf hübschen Tomason-TN1-Felgen. Die letzte Inspektion war bei Kilometerstand 140.000, der TÜV ist neu. "Die hinteren Dämpfer klappern manchmal etwas, die muss man bald tauschen."

Gitarrensolo by VTEC

Jetzt aber hinters Lenkrad. Auch innen sieht alles gepflegt aus. Man spürt, dass der Besitzer etwas von Autos versteht. Zunächst muss der Motor warm gefahren werden. Schon bei niedrigen Drehzahlen macht die spezielle Ansaugluftführung von TSS auf sich aufmerksam. Sonor, aber nicht zu heftig röhrt der Vierzylinder – das sind gut investierte 189 Euro. Eine Viertelstunde später das erste Mal "pedal to the metal". Die Nadel des Drehzahlmessers huscht über die 4.000, 5.000 – und jetzt, bei 5.500/min, das Gitarrensolo: VTEC lässt schön grüßen! Die scharfen Steuerzeiten sind aktiv, dank TSS mischt sich das noch schärfere Ansauggeräusch mit Auspufftrompeten der Extraklasse.

Honda Civic Type R FN2, Motor
Arturo Rivas
Blick zurück mit Wehmut: Ein Jammer, denn so einen Motor wie den drehzahlgierigen Sauger des FN2 wird es neu wohl nie wieder geben.

Bei 8.400/min kommt der Begrenzer, nächster Gang reingedrückt, und das Heavy-Metal-Konzert geht weiter. Schnell kommen Erinnerungen an die alte DTM mit ihren 190 Evo II und M3 E30 hoch – aber natürlich geht es im Civic nicht ganz so brutal vorwärts. Es stehen ja nur 201 PS und 193 Newtonmeter parat. Und der Dreitürer wiegt 1.340 Kilo mit Sprit.

Daher war seine Vorstellung beim Rennstreckentest nicht so überragend. Erstens schwächelte die Bremse. Und zweitens erreichte er auf dem kleinen Kurs Hockenheim nur eine Zeit von 1.21,2 Minuten – das konnte der leichtere, PS-gleiche Vorgänger fast genauso gut. Und ein Golf V GTI war deutlich schneller. Doch abgesehen davon macht der FN2 gerade auf der Landstraße diebischen Spaß. Dank Sperre passt die Traktion, das Fahrwerk bietet einen guten Mix aus Sport und Komfort.

Nach dem Fotoshooting lächelt Noch-Besitzer Patrick leicht gequält: "Heute ist das erste Mal, dass ich ihn von außen mit gut 8.000 an mir vorbeifahren höre! Eigentlich bereue ich es schon, dass ich ihn hergebe." Doch Patrick hat vorgesorgt. Gegen den Phantomschmerz besitzt er noch einen Opel Kadett C Rallye, ebenfalls mit 200 Sauger-PS.

Kein Flugbetrieb

Honda Civic Type R FK2, Exterieur
Arturo Rivas
Der FK2 ist aus anderem Holz geschnitzt. Nur noch als Viertürer zu haben, wirkt das Auto massiger, bulliger als der FN2. Das Wachstum von 4.270 auf 4.390 Millimeter bringt ein Plus auf der Waage: Sie zeigt 1.413 Kilogramm.

Jetzt aber Sauger ade und hallo Turbo. Bei Soos Sportscars in Schwäbisch Gmünd parkt ein in Brilliant Sporty Blue Metallic lackierter FK2. Inhaber Christian Soos: "86.600 Kilometer, unfallfrei, erste Hand, Baujahr 2016. Preis 23.990 Euro." Der Händler ist auf sportliche Kompakte spezialisiert, fährt auch privat nur Sportliches: "Früher unter anderem Mitsubishi Evo, heute ist es ein roter Golf VII R." Seine Autos stehen in einer Halle auf einem Sportflugplatz – und wir dürfen die Start-und-Lande-Bahn benutzen. "Aktuell kein Flugbetrieb", so Christian. Danke!

Beim gemütlichen Hin- und Herrollen für Fotograf Arturo fällt sofort auf: Der FK2 ist aus anderem Holz geschnitzt. Nur noch als Viertürer zu haben, wirkt das Auto massiger, bulliger als der FN2. Das Wachstum von 4.270 auf 4.390 Millimeter bringt ein Plus auf der Waage: Sie zeigt 1.413 Kilogramm. Zum extrovertierten Äußerem mit Flügel, Flaps, Flics, angedeuteten Luftöffnungen und vier fetten Endrohren passt der eigensinnig designte Innenraum: Er weicht genauso von der Norm ab wie der des Vorgängers. Doch hier wie da gilt: Schnell findet man sich zurecht, und auch ergonomisch passt hier alles – bis auf das Infotainment.

Honda Civic Type R FK2, Motor
Arturo Rivas
Der Turbomotor hat ab 2.500 Touren richtig Qualm an der Kette – hier stehen volle 400 Newtonmeter an. Schön auch, dass der Zweiliter trotz Aufladung nicht das Drehen verlernt hat. 7.000/min gehen ihm locker von der Welle.

So! Fotos im Kasten, ab auf die Berg-und-Tal-Bahnen links und rechts des Flugplatzes Hornberg. Der Turbomotor hat ab 2.500 Touren richtig Qualm an der Kette – hier stehen volle 400 Newtonmeter an. Bei 4.500 folgt ein zweiter Wind. Schön auch, dass der Zweiliter trotz Aufladung nicht das Drehen verlernt hat. 7.000/min gehen ihm locker von der Welle. Sicher, es mag gleichmäßiger ziehende Turbos geben, doch dafür gibt sich die Charakteristik des Honda-Motors überzeugend sportlich. Immer wieder schön, wie er anreißt, sobald die Turbine in Schwung gerät.

Es grüßt der S2000-Driver

Der Sound: bassig und mit einem deutlichen Pop-off-Schnauben, aber leider auch einem lästigen Dröhnen im Schiebebetrieb um die 4.000 Umdrehungen. Im Vergleich zum metallisch-kernigen Sauger klingt der Turbo eigentlich nur banal und laut. Dafür gibt sich der Type R dank steifer Vorderachse und Sperre auch bei sehr flotter Gangart keine Blöße und liefert einfach ab. Traktion top, Lenkung top, Handschaltung top. Herz, was willst du mehr? Vielleicht etwas mehr Fahrkomfort, denn der FK2 Type R ist wirklich straff abgestimmt. Die 19-Zöller mit 35er-Querschnitt tun ein Übriges. Auf Tastendruck noch den +R-Modus ausprobiert: Jetzt stellen sich die Dämpfer komplett taub. Okay, +R ist wirklich nur etwas für die brettlebene Rennstrecke. Am Ende der Testrunde eine überraschende Begegnung mit einem Honda S2000 – und natürlich grüßt der Fahrer breit grinsend!

Noch ein kurzer Blick zurück auf den sport auto-Supertest. Die eher enttäuschende Rundenzeit von 8.15 Minuten auf der Nordschleife lag wohl am PS-Schwund. Statt 310 hatte der Testwagen nur gemessene 276 PS. Auf dem kleinen Kurs Hockenheim gelang dem FK2 eine mittelprächtige Zeit von 1.15,8 Minuten, damit war er jetzt gut fünf Sekunden schneller als der FN2. Und: Der Turbo-Civic ist nicht begrenzt, sondern läuft auf freier Bahn echte 270 km/h.

Honda Civic Type R FK2, Plakette
Arturo Rivas
Wer sich mit beiden Civic Type R beschäftigt, stellt fest: Es sind komplett unterschiedliche Charaktere. Gemeinsamkeit: Beide Honda stehen nicht an jeder Ecke.

Turbo oder Sauger: Nicht nur eine Glaubensfrage, sondern auch eine Frage des Budgets – siehe die Preise für die jeweiligen Gebrauchten. Beim Blick auf die laufenden Kosten zeigt sich jedoch, dass der aufgeladene Motor trotz über 100 PS Mehrleistung nicht mehr Sprit konsumiert als der Sauger. Hier wie da kommt man im Schnitt mit rund elf Litern Super Plus aus. Sollte ein Werkstattbesuch fällig sein, so darf man hoffen, dass weder der Anlasser noch die Lima hopsgehen, denn diese Ersatzteile fallen bei beiden Kandidaten preislich komplett aus dem Rahmen.

Ventilspielkontrolle klassisch

Was kann kaputtgehen? Wer beim FN2 die Ventilspielintervalle vertrödelt, riskiert einen Motorschaden. Ja genau, es gibt keine Hydrostössel (auch nicht beim FK2), das hält Honda für vertretbar. Zu wenig Öl im Saugmotor ist ebenfalls gefährlich, denn das VTEC-System wird vom Öldruck gesteuert.

Probleme können die elektrisch anklappbaren Außenspiegel bereiten. Beim jüngeren FK2 kann der Motor in den Notlauf fallen, wenn der Tank fast leer gefahren wird. Grund: Die Schwallbleche sind wohl falsch konstruiert, und bei Kurvenfahrt saugt die Benzinpumpe Luft.

Auch die Synchronringe des zweiten Ganges sind auffällig, beim sport auto-Dauertestwagen sorgten sie bei 40.000 Kilometer für Ärger. Werkstattbesuche machten zusätzlich die Klimaanlage und die Reifendruckkontrolle nötig. Und Rost? Ist bei beiden Honda Civic Type R kein Thema. Unterm Strich lohnt es also, genau hinzusehen – und mal wieder Äpfel mit Birnen zu vergleichen.

Fazit

Eine Frage des Charakters: Wer sich mit beiden Civic Type R beschäftigt, stellt fest: Es sind komplett unterschiedliche Charaktere. Anders als beim Golf GTI, der sich im Lauf der Jahre evolutionär veränderte, ist der Sprung vom FN2 zum FK2 eine Revolution. Hier der Turbo-Civic, ein gnadenloser Vollstrecker mit bärenstarkem Motor und einem top Fahrwerk. Dort der Saugmotor-Civic, der seinen Fahrer mit Drehzahlexzessen und feinstem Motorsound unterhält. Gemeinsamkeit: Beide Honda stehen nicht an jeder Ecke.

Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten