Honda Civic Type R vs. Renault Mégane R.S. Trophy-R
Kompaktkracher im Hockenheim-Shootout

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Sie sind die Bad Boys in der Hot-Hatch-Klasse, ihr Spielplatz ist nicht der Boulevard, sondern die Rennstrecke: Honda Civic Type R im Vergleichstest gegen Renault Mégane R.S. Trophy-R.

Honda Civic Type R, Renault Mégane R.S. Trophy-R, Frontansicht
Foto: Hans-Dieter Seufert

Nur missmutig tritt der Honda Civic Type R zum Fotoshooting mit dem Renault Mégane R.S. 275 Trophy-R morgens um sechs Uhr in Hockenheim an. Zu schlechter Stimmung gibt es trotz der frühen Stunde doch eigentlich gar keinen Anlass. Im Kampf um die Nordschleifen- Krone des schnellsten Serienfronttrieblers hetzte ein seriennaher Prototyp des japanischen Kompaktsportlers in 7.50,63 Minuten um die Nordschleife und entriss dem französischen Kompaktsportler seinen Rekord. Der stand bei 7.54,36 min (alle Nordschleifen-Rekorde).

Renault Mégane R.S. 275 Trophy-R gibt Richtzeit vor

Warum der Honda Civic Type R trotzdem so schlecht gelaunt ist? Blick zurück auf den Testtag zuvor. Boxenampel grün, der mit aggressivem Flügelwerk martialisch antretende Honda Civic Type R darf als Erster im Test auf den kleinen Kurs in Hockenheim stürmen. Wie gut, dass wir beide Kampfhähne nicht gleichzeitig auf die Strecke schicken, sonst würde es wahrscheinlich schon in der Nordkurve krachen.

Die zu erwartende Performance des Renault Mégane R.S. 275 Trophy-R ist, spätestens nach dem Vergleichstest in sport auto 3/2015, als der Franzose den Seat Leon Cupra 280 abservierte, jedem regelmäßigen sport auto-Leser bekannt. Das Mégane-Sondermodell ist schnellster Serienfronttriebler in der Testhistorie auf unserer Referenzstrecke in Hockenheim. Es gilt eine Rundenzeit von 1.14,0 Minuten zu schlagen.

Tür auf, rein in die rot-schwarzen Schalensitze des Honda Civic Type R, die zwar mit phänomenalem Seitenhalt punkten, aber für Personen um die 1,85 Meter etwas zu hoch montiert sind. Auch das Lenkrad würden Hochgewachsene gerne in der Horizontalen noch weiter verstellen können. So bleibt leider für größere Sportfahrer nur eine Froschhaltung hinter dem Lenkrad übrig. Einfach das Beste draus machen und sich an dem erfrischend futuristischen Design des Armaturenbretts erfreuen.

Die digitale Geschwindigkeitsanzeige im oberen Teil des Armaturenbretts liegt gut im Blick. Grüne, gelbe und rote Schaltlampen begleiten den Piloten heute bis zur Höchstdrehzahl. Ebenso emotional wie Schaltlampen: Die knackige Sechsgang-Handschaltung mit präzisen Gassen und kurzen Wegen.

Honda Civic Type R mit Vierzylinder-Turbo und 310 PS

Apropos hochdrehen und hoch drehen – während wir die brandneuen Conti-Sport-Contact-6-Reifen des aktuellen Honda Civic Type R für den Rennstreckeneinsatz auf Temperatur bringen, haben wir kurz Zeit für einen Rückblick auf das Type-R-Vorgängermodell. An den scharfen Civic der Baureihe FN2 (von 2007 bis 2010 gebaut) können wir uns noch gut erinnern. Er durchlief bei sport auto den 60.000-Kilometer-Dauertest nahezu ohne technische Probleme (sport auto 10/2009).

Nur der Verbrauch und die Performance des damals noch mit einem 201 PS starken Vierzylinder-Saugmotor samt zwei Litern Hubraum und VTEC-Ventilsteuerung antretenden Japaners ließen zu wünschen übrig. Mehrmals fanden sich in den Dauertestnotizen Sprüche wie "Der Motor ist eine Luftpumpe". Dabei war es nicht so, dass unter Volllast nichts passierte. Ganz im Gegenteil, der Civic schraubte sich immer wieder emotional kreischend auf bis zu 8.400 Touren hoch, aber es ging halt nicht erwartungsgemäß vorwärts. 0–100 km/h in 7,0 Sekunden, 0–180 km/h in 24,8 Sekunden und eine Rundenzeit von 1.21,2 min auf dem Kleinen Kurs waren nicht hitverdächtig.

Alles neu, alles besser? Ab sofort trägt der Honda Civic Type R einen Vierzylinder-Turbo mit zwei Litern Hubraum und 310 PS. Na, damit muss er doch zum Samurai-Krieger der Kompaktszene werden. R wie radikal – der Japaner lässt seine 400 Newtonmeter maximales Drehmoment ausschließlich auf die Vorderräder los. Wahnsinn, das traut sich kein anderer. Trotz der Kraft, die an der Antriebsachse angreift, und trotz seiner mechanischen Differenzialsperre halten sich die Antriebseinflüsse in der Lenkung im Alltag zurück. Ebenso lobenswert: Der Turbo im Honda Civic Type R darf noch wie ein Turbo klingen. Nicht laut, aber tief grummelnd mit allen Abblasgeräuschen, welche die Aufladungstechnik so mit sich bringt.

Beide Kompaktsportler mit mechanischer Sperre

Mit 6,1 Sekunden verpasst der Honda Civic Type R im Test beim Sprint von null auf 100 km/h seine Werksangabe um vier Zehntelsekunden. R wie Racing? Nach der veröffentlichten Nordschleifenzeit interessiert viel mehr, was der Honda Civic Type R querdynamisch leisten kann. Spätestens jetzt sollte man in den R-Modus schalten, der über einen Knopf links neben dem Lenkrad aktiviert wird. Lenkung, Dämpfer, Ansprechverhalten – im R-Modus schärft der Honda Civic Type R nicht nur die Sinne, sondern wechselt auch die Beleuchtung seiner Instrumente von unschuldigem Weiß hin zu feurigem Rot. Außerdem begleiten nun Zusatzanzeigen (u. a. Öldruck- und Öltemperatur) die Fahrt.

Während die straffe Federung auf so mancher Bodenwelle im Alltag für Aufmerksamkeit sorgt, glänzt der Honda Civic Type R mit seiner Fahrwerksabstimmung auf der Rennstrecke. Direktes Einlenken, eine präzise Lenkung, agiles Eigenlenkverhalten beim Anbremsen sowie bei Lastwechseln und dank der mechanischen Sperre eine satte Traktion unter Last zeichnen ihn aus. Nicht zuletzt das gute Gripniveau des neuen Conti-Reifens hilft dem Honda Civic Type R auf der schnellen Runde in Hockenheim.

Nur der Turbomotor könnte subjektiv irgendwie besser gehen – sind das wirklich 310 quer verbaute PS da vorn unter der Haube? Mit einer Rundenzeit von 1.15,9 Minuten umrundet der Honda Civic Type R den Kleinen Kurs auf dem Niveau des 300 PS starken Golf R, der aber 70 Kilo mehr wog als der Honda.

Honda Civic Type R deutlich schwerer als der Renault

Stichwort Gewicht: Mit 1.413 Kilo verliert der Honda Civic Type R schon das Duell auf der Waage gegen seinen aktuellen Widersacher. Keine Rücksitzbank, Recaro-Schalensitze, Lithium-Ionen-Batterie, Verzicht auf Dämmmaterial, Titan-Abgasanlage – gegenüber seinen Serienverwandten hat sich das Mégane-Sondermodell Trophy-R gewissenhaft runtergehungert. Mit 1.327 Kilo ist der aktuelle Testwagen allerdings 16 Kilo schwerer als der Trophy-R, der in sport auto 3/2015 zum Vergleichstest gegen Seat Leon Cupra 280 anrückte. Egal, 1.327 Kilo sind, für heutige Verhältnisse, immer noch ein sehr guter Body-Mass-Index.

Ebenso wie beim Honda Civic Type R lässt sich auch im Renault Mégane R.S. Trophy-R das ESP vollständig deaktivieren. Hosenträgergurte festzurren, turbofauchend rennt der Franzose auf den Kleinen Kurs. Auch die Akustikwertung geht heute wieder an Mégane. Im leergeräumten Innenraum herrscht unter Volllast wahres Markenpokalambiente. Neben dem fauchenden Vierzylinderturbo meldet sich die Akrapovič-Abgasanlage mit herrlich vulgären Hochschaltrülpsern zu Wort.

Mit seinen 273 PS stürmt der R mit französischen Wurzeln in 21,1 Sekunden aus dem Stand auf 200 km/h. Der R aus Japan benötigt für die gleiche Übung zwei Zehntelsekunden länger. Schlussfolgerung? Entweder hat der Renault Mégane R.S. Trophy-R zu viel Power oder der Honda Civic Type R zu wenig. Subjektiv ist Letzteres der Fall. Und auf der Bremse? Aus 100 km/h verzögert das Renault-Sondermodell in 35,3 Metern fast zwei Meter besser als der japanische Kompaktsportler.

Mégane R.S. jetzt mit Pirelli-Trofeo-R-Pneus

Doch uns interessiert brennend, was der enault Mégane R.S. Trophy-R heute in unserem Testepizentrum Hockenheim leisten kann. Statt der Michelin-Pilot-Sport-Cup-2-Bereifung beim letzten Test trägt der R.S. nun Pirelli-Trofeo-R-Pneus – laut Renault wird der Hardcore-Mégane ab sofort mit letzterer Bereifung ausgeliefert. Subjektiv lenkt der Renault Mégane R.S. Trophy-R im Test mit den neuen Pneus noch gieriger ein. Die Lenkung fordert im Vergleich zu der des Honda Civic Type R höhere Haltekräfte und wirkt insgesamt noch ehrlicher.

Serienmäßig trägt der Renault Mégane R.S. Trophy-R ein Cup-Fahrwerk mit mechanischer Sperre sowie in Zug- und Druckstufe einstellbaren Öhlins-Dämpfern. Beim Anbremsen und bei Lastwechseln punktet der Franzose mit noch agilerem Eigenlenkverhalten. Das Gripniveau der Trofeo-R-Bereifung ist erwartungsgemäß sehr hoch, trotzdem kann der Renault Mégane R.S. Trophy-R diesmal seine Kraft nicht ganz so gut auf den Asphalt bringen. Bei zu frühem Lasteinsatz in engen Ecken will das kurveninnere Vorderrad immer etwas Schlupf aufbauen.

Ungeachtet dessen kann der Renault Mégane R.S. Trophy-R seine Leistung bestätigen – mit einer Rundenzeit von 1.14,0 min bleibt er weiterhin schnellster Serienfronttriebler. Und das, obwohl er diesmal bei Außentemperaturen über 20 Grad längst nicht so gut ging wie beim letzten Test, als Temperaturen um den Gefrierpunkt herrschten. Spätestens jetzt ist klar, warum der Honda Civic Type R trotz seiner auffälligen Optik nur noch ungern zum Fotoshooting in Hockenheim antrat.

Fazit

Auf den Honda Civic Type R mussten wir sehr lange warten. Je länger die Warterei, desto mehr stieg die Spannung auf den neuen japanischen Kompaktsportler. Und dann stand er endlich in Hockenheim und glänzte hier mit kernigem und ehrlichem Fahrverhalten – was es in dieser kompromisslosen Ausprägung heute nur noch selten gibt. Trotzdem hatte ich mehr erwartet: Vor allem der Vierzylinder-Turbomotor scheint nicht ganz seine Leistungsangabe bestätigen zu können – oder der Renault Mégane R.S. Trophy-R hatte mehr Qualm unter der Haube als angegeben. Wir vermuten eher Ersteres und wollen hier die Leistung des Renault keinesfalls schmälern. Das Sondermodell Mégane R.S. Trophy-R ist seinem neuen Kompaktrivalen in allen Disziplinen überlegen und gewinnt den Vergleich hochverdient.

Technische Daten
Renault Mégane R-Trophy Renault Sport Trophy-RHonda Civic Type R 2.0 Type R GT
Grundpreis39.990 €37.850 €
Außenmaße4299 x 1848 x 1435 mm4390 x 1878 x 1466 mm
Kofferraumvolumen377 bis 1024 l475 bis 1404 l
Hubraum / Motor1998 cm³ / 4-Zylinder1996 cm³ / 4-Zylinder
Leistung201 kW / 273 PS bei 5500 U/min228 kW / 310 PS bei 6500 U/min
Höchstgeschwindigkeit255 km/h270 km/h
0-100 km/h5,9 s6,1 s
Verbrauch7,5 l/100 km7,3 l/100 km
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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten