Honda Civic Type R und VW Golf R im Vergleichstest
Über-Golf oder Power-Japaner, wer fasziniert mehr?

Heute machen wir blau und fahren den Honda Civic Type R sowie den VW Golf R einfach mal mit- und gegeneinander. Und jeden einzeln und ... Das Leben kann so wunderbar sein mit zwei 300-PS-Kompakten.

Honda Civic Type R, VW Golf R 2.0 TSI 4 Motion, Exterieur Heck
Foto: Achim Hartmann

„Earth Dreams Technology“ steht auf dem Ladedruckschlauch des 320 PS starken Honda Civic Type R. Diese Verheißung lässt sich schwer wörtlich übersetzen, klingt aber nach technikromantischer Träumerei. Und damit nach einem selbstbewussten Gegenkonzept zur Elektro-Hybrid-Vernünftelei (auf die man sich bei Honda durchaus auch versteht). Schlicht „TSI“ schreibt dagegen VW auf die Motorabdeckung des Golf R. So, als müssten sie seine 310 PS mit Verharmlosungsrhetorik abschwächen. Sagt das bereits viel über die beiden Kompaktsportler aus?

Honda Civic Type R, Motor
Achim Hartmann
Drehfreudig bis in den Begrenzer: Der Zweiliter-Vierzylinder pumpt maximal 400 Nm auf die Kurbelwelle.

Mit einem Golf kann man ja bekanntlich nichts falsch machen … ist man immer gut angezogen … gerüstet für alle Eventualitäten … Aber selten am Euphorie-Limit unterwegs. Auch beim R fehlt eine überwölbende Zuständigkeit für die Unvernunft – diese war bereits an den GTI Clubsport delegiert. Sozusagen als ausgemachten Bad Boy innerhalb der vorbildlichen Familie. Beim R dagegen sind die vier Endrohre schon das Höchstmaß der Unvernunft.

Spoiler-Schürzen-Schweller

Dennoch wird er häufig Über-Golf genannt, was seinem Charakter nicht ganz gerecht wird, weil er weniger Über als vielmehr Golf ist. Weshalb wir uns für die Kennzeichnung „überragend“ entscheiden: Der R überragt bei Preis und Leistung alles, was man sich so gemeinhin unter einem Golf vorstellt. Wobei wir schon wieder seltsam sachlich vor uns hin verbalisieren. Das würde beim Honda nicht so schnell passieren.

Der Type R ist nämlich ein echter Karacho-Kracher. Zumindest war er das bis zur jetzigen Neuauflage – und die gibt schon optisch wenig Anlass zur Spekulation, dass sie in Richtung Vernunft abdriften würde. Das Ganze sieht nach einem rollenden Spoiler-Schürzen-Schweller aus, weil man kaum erkennen kann, wo das eine anfängt und das andere aufhört. Und über allem schwebt der Flügel wie ein Motorsportdenkmal.

Der Auftritt ist gewaltig und will erst einmal verarbeitet werden. Hat man die Aerodynamik schließlich ausgiebig studiert, die Türe geöffnet und sein Popometer über die hohe Seitenwange in den teilelektrisch verstellbaren Sitz gehoben, geht das wissbegierige Begutachten weiter. Erste Feststellung: Im Gegensatz zum Vorgänger ist die Sitzposition deutlich niedriger. Und im Gegensatz zur bisher verschachtelten Instrumentenlandschaft geriet der aktuelle Armaturenträger geradezu konservativ. Keine Anzeichen von Playstation-Gimmicks. Dafür viele Lenkradtasten sowie Untermenüs.

Erst nach einigem Klicken finden sich Rennsport-inspirierte Zusatz-Instrumente wie Laptimer, Schaltblitze oder G-Force-Meter. Ein Navigationssystem gibt es dagegen nur für die Ausstattungslinie GT – oder, als Notlösung, via Smartphone-Kopplung.

VW Golf R 2.0 TSI 4 Motion, Interieur
Achim Hartmann
Kurve sichten, sondieren und analysieren. Es geht etwas weniger emotional zu im Golf R – aber auf der Landstraße kaum langsamer.

Und wie sieht es im Golf aus? Eben wie in einem Golf, da macht R kaum Unterschiede. Und Golf zu sein, heißt auch, in einem Vergleichstest Punkte an unauffälligen Stellen zu sammeln. Typischerweise mit mehr Platz, besserer Übersichtlichkeit, höherer Zuladung, griffsympathischeren Kunststoffen. Nicht mehr unbedingt aber mit einer traumwandlerischen Bedienung: Sie hat gelitten, seitdem VW beim großen Infotainment-System den zweiten Dreh-Drück-Knopf eingespart hat. Außerdem erhält der R Abzüge bei der Funktionalität, da er hier nur als Zweitürer antritt – immerhin erleichtert das Easy-Entry-System das Zusteigen nach hinten.

Wenn wir schon bei unsportlichen Pluspunkten sind – hier noch weitere, damit wir’s hinter uns haben: Natürlich brilliert der Golf bei den Assistenzsystemen (was ihn das Sicherheitskapitel gewinnen lässt). Natürlich kommt er mit mehr Multimedia-Möglichkeiten (was ihm das Komfortkapitel zuschanzt). Natürlich erhält er hierfür Punkt für Punkt.

Und dann holt der Hersteller die Semislicks (2.910 Euro im Paket) aus der Trickkiste, um auch beim Bremsweg einen Pflock ins Terrain zu hauen – was mit warmen Reifen, Scheiben und Belägen gelingt. Beim Spätbremsen auf der Landstraße (kalt aus Tempo 100) ist allerdings der Civic im Vorteil. Weshalb er im Sicherheitskapitel nicht so stark zurückfällt wie zunächst befürchtet.

Zwischen Hain und Schonung

Spätbremsen? Schon verlagern wir die Diskussion mitten hinein in die Botanik, in den Wald, zwischen Hain und Schonung. Da liegen die besten Kurven herum. Die rechte Hand lauert bereits am hochgebockten Schaltknauf. Kupplungspedal treten. Klack. Heruntergeschaltet. Bevor wir einkuppeln, gibt der Honda selbstständig Zwischengas. Der Gang flutscht hinein, die Anschlussdrehzahl sitzt. Der Zweiliter brandet auf, seine Abgase blasen das Laderrad an, dann schwellt die Leistung aus dem Nichts an – und es reißt den Type R nach vorn. 4.000, 5.000, 6.000, 7.000/min. Klack, nächster Gang. OMG (Oh my God, Jugenddeutsch)!

Erstaunlich dabei: Der Fronttriebler lässt sich sein Traktionsmanko gegenüber dem Allrad-Golf kaum anmerken (im Winter wäre das anders). Die Vorderräder rammen ihre Blöcke in den Teer, stoßen sich mit der idealen Dosis Schlupf aus dem Scheitelpunkt, dozieren wortgewandt über Haftungsfragen. Ganz ohne schönfärbende Sportreifen – ein mechanisches Sperrdifferenzial genügt, um den Type R beim Gasgeben in die Kurve zu ziehen. Dabei bleibt das Chassis unnachgiebig und fest. So, wie man das von versteiften Tourenwagen kennt. Spaßpotenzial? Höchstwertung!

Honda Civic Type R, VW Golf R 2.0 TSI 4 Motion, Exterieur Seite
Achim Hartmann
Kurven nimmt der Honda einen Hauch enger als der VW, lässt sich von einer Frontsperre helfen.

In technoiden Japan scheinen die Ingenieure ihre antibürgerlichen Impulse vollumfänglich in Projekten wie dem Type R zu kanalisieren. Und in Deutschland? Boxenstopp, Autowechsel. Hey Golf, alter Kumpel, alles klar? Ja, und zwar von der ersten Minute an, denn selbst der R oszilliert im Routinetakt. Motor? Wie im Honda: Zweiliter-Vierzylinder, aufgeladen. Man muss sich im Power-Golf schon aktiv vergegenwärtigen, dass da bis zu 310 PS anschieben, so ruhig summt er gerade vor sich hin. Wechseln wir also in den R-Modus, um die Emotion wachzurütteln.

Es knurrt wohlig beim Gasgeben, was Macht durch Hubraum suggeriert. Dass es künstlich generiert wird, stört nicht. Im Gegenteil: Wo der Honda rein mechanisch gegen den Begrenzer krakeelt, artikuliert der VW ein erfrischendes Ansauggeräusch. Es korreliert nicht ganz mit dem Schub; der setzt turbo- typisch bedächtig ein, nutzt dann im mittleren Drehzahlbereich sein ganzes Potenzial auf einmal – um sich jenseits der 5.500er-Marke wieder reserviert zu geben. Entsprechend bleibt der R beim Beschleunigen auf Tempo 100 im Windschatten.

Rückkehr zur rau-teerigen Teststrecke von Lahr: Die Semislicks sind warm gelenkt und schmatzen klebrig. Effizient saugt sich der R durch die Pylonen, abgeklärt, beherrscht, distanziert. Carvt routiniert mechanisch hindurch. Setzt kaltblütig die Pace. Fängt erst am Limit an, mit der Hinterachse zu pumpen, bleibt dabei dennoch beherrschbar. Hier ist der R ganz Volkswagen – es liegt ihm fern, die Gemüter zu erhitzen.

Grobschlächtig? Sanftmütig!

Das gilt genauso für die schnelle Runde auf der Landstraße, wo er ganz bei sich bleibt, das hohe Kurventempo des Honda mitgeht, allenfalls auf welligem Untergrund etwas zurückfällt – weil das Heck wieder pumpt.

Erstaunlicherweise nimmt das Fahrwerk des grobschlächtig auftretenden Type R Unebenheiten sanftmütiger in sich auf. Der Komfort-Modus seiner adaptiven Stoßdämpfer macht aus dem Heißsporn einen aufrechten Alltagskumpel. Auch das ist neu am Honda.

Dass er die Eigenschaftswertung dennoch verliert, liegt eher an rationalen als an emotionalen Kriterien; die Punktewertung berücksichtigt eben nicht nur die Spielwiese Fahrspaß, sondern auch das Biotop Alltag. Und das ist Golf-Land.

Noch einmal bietet der scheinbar Unvernünftige alle Vernunft auf. Seinen minderen Grundpreis bei gleichzeitig besserer Ausstattung. Seine längere Garantie. Und den niedrigeren Verbrauch (9 statt 9,3 l/100 km), wobei der Unterschied hierbei zu gering ist, um sich in Punkten niederzuschlagen. Das alles bringt dem Honda einen Kapitelgewinn ein – und verkürzt doch nur den Abstand zum Sieger.

Wobei eines anzumerken wäre: Selten verlässt ein Unterlegener so aufrechten Hauptes die Auseinandersetzung wie der Type R.

Fazit

1. VW Golf R 2.0 TSI 4Motion
441 von 1000 Punkte

Er ist schnell, bleibt dabei zurückhaltend und zeigt sich damit mehrheitsfähig. Zum Sieg verhilft dem R die umfangreiche Sicherheits- und Multimedia-Ausstattung. Allerdings ist der VW teuer.

2. Honda Civic Type R
430 von 1000 Punkte

Der nachdrücklich auftretende Type Rist ein Fall für Kenner,die keinen Punktesieger suchen, sondern einen radikalen und engagierten Tourenwagen für die Straße. Spaßlevel? Zehn von zehn.

Technische Daten
Honda Civic Type R 2.0 Type RVW Golf R 2.0 TSI R
Grundpreis38.550 €41.175 €
Außenmaße4557 x 1877 x 1434 mm4263 x 1790 x 1465 mm
Kofferraumvolumen420 bis 786 l343 bis 1233 l
Hubraum / Motor1996 cm³ / 4-Zylinder1984 cm³ / 4-Zylinder
Leistung235 kW / 320 PS bei 6500 U/min228 kW / 310 PS bei 5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit270 km/h250 km/h
0-100 km/h5,6 s5,8 s
Verbrauch7,7 l/100 km7,8 l/100 km
Testverbrauch9,0 l/100 km9,3 l/100 km