Hyundai i10 und Renault Twingo im Test
Heiße Dreizylinder-Flitzer im Duell

Wo sich 100 PS noch nach 100 PS anfühlen? Und 93 nach 93? Beim Vergleichstest der Turbos von Hyundai i10 und Renault Twingo. Da finden wir einen Sieger und gewiss auch zu kleinen Verwegenheiten.

Hyundai i10 1.0 T-GDI N-Line, Renault Twingo Tce 90 Intens, Exterieur
Foto: Achim Hartmann

Nichts ist leichtsinniger als eine brave Jugend. Was du einst für ein Risiko hieltest, verstehst du heute als verpasste Chance. Eine aus jener Zeit, in der es darum ging, es keinem deiner Talente – sei es noch so gering – zu ermöglichen, verborgen zu bleiben. Und wo ließe sich das Talent eines künftigen Automobil-Weltmeisters besser entdecken als auf der Straße zwischen Dobelwiesen und Katzensteige. Freunde, wir sind nicht an denselben Orten groß geworden, aber auf gleichen Straßen: verschlungenen Strecken im weiten Draußen. Wir tobten in kleinen, gar nicht mal starken Autos herum. Es hat ja keiner im Elfer angefangen.

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Es ist die tollkühne Intensität solcher unwiederbringlichen Fahrten, nach der wir uns heute in jedem Auto sehnen. Werden die jetzt melancholisch, oder liegt es am 75. Geburtstag von ams, fragen Sie sich? Nun, beides wohl, vor allem aber liegt es am 10. Juni 2020. Da informierte Hyundai, nun gebe es den i10 als N-Line: 100 Turbo-PS stark, gut 1.000 Kilo leicht, an Schwellern, Schürzen und Grill aufgefescht – so ein Auto hat uns damals gerade noch gefehlt für unsere wilde Jugend (na, vielleicht fehlten da noch drei, vier weitere Sachen). Ja nun, jedenfalls ist der N-Line ein Auto, das uns auch heute begeistert. Das kommt so:

Dreht sich Leistung um PS?

Im i10 geht es beim Autofahren ums Autofahren. Klingt banal, ist es aber nicht, bedenkt man, wie viele Nebensächlichkeiten sich da inzwischen wie Hauptsächlichkeiten aufspielen: Infotainment, Bediensysteme, Assistenzausrüstung. Auch der i10 bringt viel davon mit – in einer bemerkenswerten Qualität. Mit seiner breit aufgestellten, gut funktionierenden Assistenzarmada setzt er bei den Mikro-Cars Maßstäbe.

Renault Twingo Tce 90 Intens, Interieur
www.achim-hartmann.com
Dass Format nichts mit Größe zu tun hat, zeigt der i10 im soliden, nett und üppig eingerichteten Cockpit.

Dass er auch sonst ein kleines Auto von großem Format ist, zeigt sich dadurch, dass er auf wirklich Überflüssiges verzichtet, alles Wesentliche auf 6,2 m² Grundfläche verdichtet. Er lässt sich leicht bedienen, beherbergt vier Erwachsene ungedrängt und auf ordentlichen Sitzen. Dazu räumt er sich für diese Klasse hochwertig und solide ein, auch an Ausstattung ist alles da – bis hin zum Navi samt Echtzeit-Stau-Infos. Sogar etwas Selbstironie treibt der i10 auf – so ernst wird es Hyundai doch nicht meinen, wenn sie sagen, die Gene des i30 N steckten im zum N-Line hochtoupierten i10.

Wäre dem so, na, dann können sie bei Renault die wilden Zeiten des R5 Turbo beschwören, wenn es um den Twingo geht. Immerhin steckt auch bei ihm der aufgeladene Motor hinten (klar, im R5 war es ein Mittel- und kein Heckmotor). Auf 93 PS bringt es der Dreizylinder-Turbo als stärkste Eskalationsstufe im Programm.

Ansonsten ist beim Twingo vor allem eins Programm: seine Idee. Anders als der i10 versucht er nicht, all die Talente eines großen Autos auf kleineren Abmessungen unterzubringen. Er will das wendigste Auto für vier sein. Allerdings weisen die Platzverhältnisse eine Beengtheit auf, die es ratsam erscheinen lässt, dass alle Insassen eine gewisse körperliche Vertrautheit sowie Enthaltsamkeit bei der Gepäckmitnahme eint.

Renault Twingo Tce 90 Intens, Interieur
Achim Hartmann
Die Platzverhältnisse weisen eine Beengtheit auf, die es ratsam erscheinen lässt, dass alle Insassen eine gewisse körperliche Vertrautheit sowie Enthaltsamkeit bei der Gepäckmitnahme eint.

Auch sonst enthält der Twingo seinem Fahrer einiges vor, was inzwischen selbst in der kleinsten Autoklasse Standard ist. Nein, damit meinen wir nicht das Navi, sondern eine Assistenzausrüstung, die über einen bimmeligen und konfusen Spurhaltewarner hinausreicht. Dass die Straße im schmalen Twingo so breit ist, es so geradezu Mühe bereitet, die eigene Spur zu verlassen? Können wir als Ausrede nicht gelten lassen. Eher jene für den fehlenden Drehzahlmesser: dass man nämlich auch so durchaus mitbekommt, was das Maschinchen im Heck so zusammentrommelt.

Fahren wie mit 18

Schon der aufmüpfige Klang des Motors lässt erwarten, dass Leistung absolut ist – absolut das, was du daraus machst. Der Twingo inszeniert sie kurzweilig: Zunächst dümpelt er durch eine Ladedruckflaute, um 2.000 Touren findet er zu kurzer, beherzter Vehemenz, in welcher er rackerig hochdreht. Kippt der herbe Ton des Motors ins Empörte, so gilt das als Hinweis, einen Gangwechsel anzubahnen. Die Fünfgangbox ist erstaunlich hakelig und zudem so lang übersetzt, dass dem Turbo im nächsten Gang wieder die Puste fehlt, worauf sich das Schauspiel wiederholt.

Derweil fühlt sich alles in seiner Kurzweil engagiert an, der Dreizylinder drückt wacker mit 135 Nm. Doch erlebt die Euphorie über die Rasanz des Temperaments durchaus eine Relativierung angesichts der Messwerte. Sie weisen selbst den stärksten Twingo als ein Auto aus, mit dem es bei eiliger Fahrt nur mühevoll gelingt, die Grenzen der Gesetzestreue zu erreichen. Doch genau darin liegt sein Zauber: Du kannst ihn fahren wie mit 18, jedes PS, jedes Newtonmeterchen spüren und nutzen. Beschleunigung und Geschwindigkeit fühlen sich stets fortgeschrittener an, als sie es sind.

Renault Twingo Tce 90 Intens, Interieur
Achim Hartmann
Die vorderen Sitzgelegenheiten integrieren ihre Kopfstützen geschickter als Pilot und Co.

So rabaukst du mit dem Renault Berge empor. Dabei lehrt er dich, rund zu fahren. Das ändert zwar nichts an der stumpfen Präzision und der schummrigen Rückmeldung der beeindruckend indirekten Lenkung. Doch zumindest regelt das ESP dann nicht bereits mit grober Radikalität, wenn der Grenzbereich noch nicht mehr ist als ein kleines Wetterleuchten am fernen Horizont. Wobei es nicht mal Kurven bedarf, um das ESP zu alarmieren. Da ein laues Seitenlüftchen genügt, den Twingo aus der Spur zu hauchen, regelt der Helfer selbst auf Geraden gegen Seitenwind an.

Die Strenge des Systems erklärt sich damit, dass Renault es so gar nicht auf Handlingbelange hin abgestimmt hat, sondern wegen des Heckmotor-Layouts ganz auf Sicherheit. Man könnte behaupten, das Konzept fordere eben Kompromisse. Treffender wäre: Es fordert Kompromisse geradezu heraus. Und das für ein einziges Ziel: grandiose Wendigkeit. Mit nur 8,9 Metern Wendekreis witscht der Viertürer in kleine Parklücken und durch die große Stadt, behänder als all die Cargobikes, die sich dauernd beim Wenden in engen Einbahnstraßen verheddern.

Ein N-Line steht im Walde

Ob wir uns da die, nun, Besonderheiten des Twingo nicht arg schöngeschrieben haben? Och, aber er liegt am Ende doch eh so weit hinter dem Hyundai i10 zurück, der das bessere Auto ist. Das so viel bessere. In allem. Denn obwohl sich der Renault nach dem Facelift ein Federungsverhalten angeeignet hat, mit dem er nicht mehr einem Motorboot auf schwerer See gleicht, sondern eine gewisse Reisebequemlichkeit ermöglicht, fährt der i10 trotz strafferem Set-up ausgewogener. Mitunter rempelt er über kurze Unebenheiten, aber langen Wellen schwingt er nicht nach, wankt viel weniger in Kurven.

Überhaupt: Kurven. Die sind zuallererst mal schneller da. Denn mit dem kleinen, zornigen Turbo erlangt die Fahrt im i10 eine Drangfülle, die sogar jene eines Golf III GTI übertrifft. Der Motor quirlt die Drehzahltausender empor, und wenn es Zeit wird für den nächsten der fünf enger gestuften, präzise schaltbaren Gänge, verliert der Triple ein paar Hundert Umdrehungen, doch nichts von seiner Tatkraft.

Hyundai i10 1.0 T-GDI N-Line, Exterieur
Achim Hartmann
Für ein ähnlich spektakuläres Verhältnis von Auspuffrohr und Zylindern bräuchte der Bugatti Veyron einen 10,7-Zoll-Auspuff.

Nun, so ein ganz großer Kurvenbezirzer ist auch der i10 nicht. Aber er durchfährt Biegungen mit schwungvoller Agilität, die ihm vor allem die präzisere, direktere und weniger rückmeldungsnuschelige Lenkung verschafft. Er bleibt länger neutral, untersteuert später, sein ESP muss kaum mal maßregeln – alles sicher, fix, vergnüglich.

Dazu kommen all die praktischen Stärken, die den Hyundai so ganz grundsätzlich zum besseren Auto machen: die einfachere Bedienung, noch vehementere Bremsen, der souveränere Geradeauslauf und überhaupt ein vorhandenes Langstreckentalent. Er verbraucht etwas weniger (6,1 statt 6,3 l/100 km), und der erhebliche Preisunterschied von 3.200 Euro reduziert sich ausstattungsbereinigt auf 1.200. Schließlich bietet Hyundai fünf Jahre Garantie, Renault nur zwei. Da wäre es geradezu leichtsinnig, den Twingo zu nehmen? Na eben.

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Ja, mit denen bin ich meistens sowieso nur in der Stadt unterwegs.Nein, ich fühle mich in größeren Autos einfach wohler.

Fazit

1. Hyundai i10 1.0 T-GDI
417 von 1000 Punkte

Ein kleines Auto mit großem Format, quirligem Motor, gutem Komfort und ohne Kompromisse bei der Sicherheit. Doch auch beim Preis hat der i10 ein durchaus stattliches Format.

2. Renault Twingo TCe 90
349 von 1000 Punkte

Dereinst werden wir bewundern, dass der Twingo einer Idee statt Erwartungen folgte. Bis dahin gibt es objektiv neben enormer Wendigkeit und fixem Antrieb wenig Stärken.

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