Jaguar XE P250 und Volvo S60 T5
Zwei klassische Mittelklasse-Limousinen im Test

Das haben Sie davon, dass Sie einen guten Geschmack zeigen und sich für klassische Limousinen interessieren: Hier erfahren Sie, warum Jaguar XE und Volvo S60 nicht nur für Individualisten eine gute Wahl sind.

Jaguar XE P250, Volvo S60 TS, Exterieur
Foto: Hans-Dieter Seufert

Haben wir Sie also erwischt: Als Gourmet interessieren Sie sich für elegante Limousinen – Sie wissen eben, was Freude bereitet. Dazu pflegen Sie Ihre ganz eigene Meinung, lassen sich nicht in Richtung Mainstream drängen; das geht uns übrigens genauso. Wir hätten hier für Sie den Jaguar XE P250, der kürzlich renoviert wurde, und den Volvo S60 T5, der im Sommer ganz neu an den Start ging. Gerne helfen wir Ihnen mit unserer Bewertung bei der Entscheidungsfindung.

Unsere Highlights

Figurbetont oder leger?

Erstes augenscheinliches Merkmal des neuen Volvo: Verglichen mit seinem Vorgänger wurde er größer. Das liegt daran, dass er sich die Plattform mit der 90er-Baureihe teilt. Und das sorgt endlich für ein limousinenwürdiges Raumangebot – auch auf den Rücksitzen. Bislang passte der S60 den Fahrgästen eher figurbetont, jetzt ist er legerer geschnitten. Fehlte nur noch etwas mehr Oberschenkelauflage, und man könnte sich selbst im Fond für die Langstrecke gemütlich einrichten.

Der Jaguar bietet die vermisste Oberschenkelauflage, verfolgt aber noch das stramm sitzende Package-Konzept früherer Tage. Kenner der jüngeren Modellhistorie dürfte das nicht wundern, zählt doch die eng anliegende Karosserie zum sportlichen Teil des Markenkerns. So fühlt man sich im XE als integraler Bestandteil der Limousine, was einen instinktiven und direkten Bezug zum Fahrzeug herstellt.

Jaguar XE P250, Interieur
Hans-Dieter Seufert
Durch die coupéhafte Karosserie des Jaguar sind die Platzverhältnisse im Fond etwas eingeschränkt.

Allerdings sorgt die Kompaktheit auch dafür, dass der Himmel den hinten Mitfahrenden ein klein wenig näher als im Volvo kommt. Und dass die coupéhafte Anmutung der Dachlinie nicht nur die rückwärtige Sicht beeinträchtigt, sondern auch beim Einsteigen zu spüren ist. Der Fond dient hier also eher als Unterkunft denn als Residenz.

In der sprichwörtlich ersten Reihe sitzt man eben nur auf den Vordersitzen. Dort ist der XE seit der jüngsten Modellpflege gastlicher ausstaffiert, einige Kunststoffteile wurden durch hochwertiger wirkende ersetzt. Als Kaufansporn taugt das alleine natürlich noch nicht, eher schon die beeindruckenden Ledersitze mit abgesteppten Ziernähten. Da schaut man gerne hin, streicht mit dem Finger darüber und ertastet dabei leider, dass die Fäden schon leicht haaren.

Entdecker spielen

Ohnehin sollte man sich am XE besser in Gänze erfreuen und nicht an Details. Gerade im Bereich des Kofferraums sei ein generöses Hinwegblicken angeraten. Wer hier dem haptischen Erleben von Formteilen frönen möchte, kann sie nämlich durchaus ungewollt demontieren. Und wer gerne Entdecker spielt, wird blank liegende Schrauben erkunden.

Dem setzt der S60 ein Soliditätsempfinden entgegen, das sich nicht etwa aus dem Schwedenstahl-Mythos speist, sondern schlicht aus achtsamer Verarbeitung. Selbst der Motorraum wirkt aufgeräumt.

Volvo S60 TS, Interieur
Hans-Dieter Seufert
Dank der achtsamen Verarbeitung erfüllt der Volvo seinen Soliditätsanspruch nicht nur im Innenraum.

Stilsicher ist auch der Innenraum durchdesignt, ohne sich über optische Gags zu profilieren. Wobei der Verzicht auf Taster zwar den Controller jubeln lässt (Bildschirme sind im Einkauf günstiger als fein rastende Schalter), nicht aber den Bediener. Der müht sich an kleinen Touch-Feldern mit noch kleinerer Beschriftung ab. Andererseits dürften sich Volvo-Fans damit trösten, dass die Bedienung im Jaguar sogar noch mehr Aufmerksamkeit vom Verkehrsgeschehen abzieht.

Übrigens fällt der Ablenkungsfaktor der digitalen Bedienwelt auch deshalb so unangenehm auf, weil man sich im XE dem bedachtsamen Fahren prinzipiell gerne widmet und aus diesem Zustand nur sehr ungern herausgerissen werden möchte.

Man könnte nun argumentieren, dass Jaguar der Ablenkungsgefahr immerhin eine Reihe von servilen Assistenten gegenüberstellt, die im Notfall Schlimmeres verhindern wollen. Doch beim Thema Sicherheit kommt der Jaguar am Volvo nur mit besseren Bremswerten vorbei.

Schon bei der Fahrsicherheit gibt es Punktabzüge, weil der XE beim schnellen Ausweichen auf der Teststrecke ein unerwartet locker sitzendes Heck pflegt – was andererseits auf der Landstraße, also bei deutlich niedrigerem Tempo, einen authentischen Reiz hat: Auch dank ihres rückmeldungsfreudigen Fahrwerks dreht die Limousine bereitwillig in die Kurve ein, wirkt beschwingt, was ihr Fahrspaßpunkte einbringt.

Jaguar XE P250, Exterieur
Hans-Dieter Seufert
Auf der Landstraße fühlt sich die aus der Mittelage spitz reagierende Lenkung des XE noch unterhaltsam an.

Auf der Landstraße fühlt sich die aus der Mittellage spitz reagierende Lenkung noch unterhaltsam an, auf der Autobahn jedoch eher nervös. Weiterer Kritikpunkt: Trotz adaptiver Stoßdämpfer spricht die Federung auf Unebenheiten nur unwirsch an.

Insgesamt umhegt der Volvo seine Fahrgäste jedenfalls fürsorglicher, zumal er nicht nur Bodenwellen gekonnter absorbiert, sondern auch effektiver gegen Windgeräusche gedämmt ist und den hinten Sitzenden auf Wunsch sogar ein über vier Zonen getrennt steuerbares Mikroklima beschert. Oder dem Fahrer im Stau nicht nur wie der Jaguar das Anfahren und Bremsen, sondern auch das Lenken abnimmt, ihm mit seinen serienmäßigen Sportsitzen auf langen Strecken den Rücken effektiver stützt und ihn bei aufkommender Langeweile mit dem endlosen Repertoire der Musik-Streamingdienste unterhält. Das alles mündet in eine klare Punktedominanz im Komfortkapitel.

Es boxert in Reihe

Dem digitalen Klangangebot stellt der XE den rhythmisch expressiven Sound seines analogen Vierzylinders entgegen: Obwohl in Reihe angeordnet, boxert er leicht. Das bezieht sich übrigens nicht nur auf den bollerigen Unterton, sondern auch auf unterschwellig grieselnde Vibrationen bei mittleren Drehzahlen. Passend dazu hängt er vordergründiger am Gas als der matt loslegende Volvo-Vierer, den zudem beim Herausbeschleunigen aus Kurven häufig das etwas ratlos wirkende Getriebe hemmt.

Immerhin schaltet es die Gänge bei maximalem Vorwärtsdrang rasant durch; den Zwischenspurt hakt der S60 etwas schneller ab als der XE – obwohl er 53 Kilogramm mehr auf die Waage bringt. Letzteres dürfte zum minimal höheren Verbrauch des Volvo beitragen und beschert ihm einen leichten Nachteil im Umweltkapitel. Dennoch fährt er den Sieg in der Eigenschaftswertung ungefährdet nach Hause.

Volvo S60 TS, Interieur
Hans-Dieter Seufert
Den Zwischenspurt hakt der Volvo etwas zügige ab.

Ergebniskosmetik könnte der Jaguar im Kostenkapitel betreiben. Tatsächlich zeigen sich die Briten da generöser, indem sie drei statt zwei Jahre für ihr Produkt geradestehen und dem Käufer die ersten drei Inspektionen schenken, was die Wartungskosten niedrig hält. Und in der Variante S ist er sogar günstiger in der Anschaffung.

Doch der Volvo S60 tritt als T5 im R-Design an und bietet ein höheres Ausstattungsniveau – auch damit dürfte er Gourmets etwas besser als der Jaguar XE ansprechen.

Fazit

1. Volvo
417 von 1000 Punkte

Mit seiner umfangreicheren Sicherheits- und Multimedia-Ausstattung sowie dem besseren Komfort sichert sich der S60 den Sieg. Schwächen zeigt er beim Bremsen.

2. Jaguar
399 von 1000 Punkte

Der XE gefällt mit agilem Fahrverhalten, löst allerdings sein Premium-Versprechen beim Komfort nicht ein. Positiv: drei Jahre Garantie und drei kostenlose Wartungen.

Technische Daten
Jaguar XE P250 SVolvo S60 T5 R Design
Grundpreis46.655 €46.200 €
Außenmaße4678 x 1850 x 1410 mm4761 x 1850 x 1431 mm
Kofferraumvolumen285 bis 439 l442 l
Hubraum / Motor1997 cm³ / 4-Zylinder1969 cm³ / 4-Zylinder
Leistung184 kW / 250 PS bei 5500 U/min184 kW / 250 PS bei 5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit242 km/h240 km/h
0-100 km/h7,5 s7,0 s
Verbrauch6,7 l/100 km6,6 l/100 km
Testverbrauch9,3 l/100 km9,4 l/100 km