Mercedes-AMG A 35 4Matic im Test
Was kann der neue Baby-AMG?

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Der Mercedes-AMG A 35 4Matic schließt nicht nur die wohl letzte Lücke im AMG-Modellprogramm, er senkt auch die Einstiegshürde ins Firmament der Fixsterne. 47.529 Euro kostet er, 306 PS leistet er. Doch was kann er?

Mercedes-AMG A35, Einzeltest, Heck
Foto: Rossen Gargolov

Haben Sie in letzter Zeit zufällig auf der AMG-Website vorbeigeschaut? Falls nicht, machen Sie sich mal den Spaß, einfach um ein Gefühl dafür zu bekommen, was die in Affalterbach da mittlerweile für einen Output haben. 26 Modelle sind dort derzeit aufgelistet, von denen sich der Großteil auch noch in zwei Motorkonfektionen aufsplittet, die es bei manchen wiederum in verschiedenen Leistungsstufen gibt. In diesem Wust noch eine Nische finden? Eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit!

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Und doch klaffte an einer Stelle bis zuletzt ein riesiges Loch – am unteren Rand des Sternenhimmels, bei der A-Klasse. Ihrer hatte sich AMG in der vergangenen Modellgeneration zwar bereits angenommen, allerdings geriet der A 45 mit seinen 381 PS derart abgespact, dass ihm so ein bisschen die Bindung fehlte. Vor allem die nach unten hin, zum nächstkleineren Modell, dem über 160 PS schwächeren A 250 Sport – „Sport“ in Gänsefüßchen. Und diese Kluft wird nun geschlossen. Durch ihn hier, den Mercedes-AMG A 35 4Matic, der mit (deftigen) 47.529 Euro Grundpreis und 306 PS fortan auch die Basis im AMG-Kosmos definiert.

Mercedes-AMG A35, Einzeltest, Frontsplitter
Rossen Gargolov
Das Edition 1 Paket ist ein teueres Extra, bietet es aber viel wie die Verspoilerung und die Farbe.

Ansehen lässt er sich seinen niedrigen Dienstgrad allerdings nicht. Flaps an den Mundwinkeln, Dachspoiler, massiver Diffusoreinsatz – aber hallihallöle! Standard? Leider nein! Die dicke Hose ist Bestandteil der Edition 1, die auch die denimblau-techgoldene Lackierung mitbringt und 8.824 Euro extra kostet.

Relevanter ist aber das, was sich unterhalb des Clio-Williams-Gedächtniskostüms abspielt. Erst recht, weil dort bedeutend mehr los ist, als man vermuten würde angesichts der Modellflut, die die Entwicklungsabteilung zuletzt zu bewältigen hatte. Will sagen: Der A 35 ist nicht bloß eine A-Klasse, der man hoppladihopp einen dicken Motor zwischen die Backen gestopft hat – große Räder drunter, Sportsitze rein, Haken dran. Nein, seine Sportlichkeit sitzt tiefer, geht in die Substanz und entsteht aus ihr: Karosserieversteifungen am Vorderwagen, Fahrwerk mit erhöhtem Alu-Anteil und frischen Hausgemacht-Zutaten, eine starr gelagerte Lenkung und on top der – Zitat – „komplett neu entwickelte“ Vierzylinder-Turbomotor, der sich mit seinem flinken Ansprechverhalten gleich mal positiv in Szene setzt. Der Trick: Twin Scroll – das zweiflutig aufgebaute Turbinengehäuse, das die Strömungsverhältnisse im Aufladungstrakt optimiert und die Reaktionen verfeinert.

Dieser sensiblen Ader stehen 400 Nm gegenüber, die allerdings nicht ganz so präsent wirken wie der Lader selbst. Wie gesagt: Der Ansatz passt, in der Mitte jedoch fehlt dem Zweiliter das Feuer, die Wucht. Beides kommt erst im letzten Drittel auf, oben, wo nicht mehr viel Drehzahlband übrig ist, um Meter zu machen.

Maue Werte, viel Spaß

Und die Werte spiegeln diese leichte Enge in der Brust durchaus wider: 5,1 Sekunden auf 100, über 20 auf 200 – damit hängt der A 35 nicht nur hinter der Werksangabe her, auch die Konkurrenz macht ihm zu schaffen. Gegen den massiven M140i ist kein Kraut gewachsen, oookay, aber selbst alte Hasen wie der S3 und Golf R ziehen im Laufe der Beschleunigung vorbei.

Auch die Bremse ist nicht ganz da, wo AMG hinwill. Die Anlage stammt quasi eins zu eins vom ehemaligen 45er, wo sie eigentlich immer saubere Arbeit abgeliefert hat. Hier und jetzt? Gelingt ihr das nicht. Sprödes Pedalgefühl, viel ABS-Gekraspel und 36,3 Meter Bremsweg als harter Fakt.

Mercedes-AMG A35, Einzeltest, Innenraum
Rossen Gargolov
Die Sprachsteuerung begeistert. Mit "Hallo Mercedes" lässt sich jeder Wunsch an das Infotainmentsystem richten. Es lenkt zudem von der verschachtelten Menüführung ab.

Dennoch: Der Mercedes-AMG A 35 4Matic macht an. Und das liegt zum Teil auch an Dingen, die nullkommagarnix mit seiner Rolle als AMG zu tun haben. Allen voran: am MBUX, der Mercedes-Benz User Experience, jenem kunterbunten Digitalspielplatz, der viele andere Infotainment-Systeme ziemlich alt aussehen lässt. Ultrahochauflösendes Doppeldisplay, Navi-Anzeigen als Augmented-Reality-Einblendung im Frontkamerabild und eine Sprachsteuerung, die nicht nur auf bestimmte Vokabeln anspricht. „Mercedes“ lautet ihr Stichwort, dann hört sie zu. Und versteht. Bring mich zu Ikea! Mir ist zu kalt! Schalt um, auf Radiosender XY! Ruf Uwe Sener auf dem Handy an! Jede Ansage wird derart zuverlässig umgesetzt, dass es auch nicht juckt, ob das Touchpad jetzt zu hopsig reagiert oder die Menüstruktur vielleicht etwas verschachtelt ist.

Irgendwann hat man aber alle Scherzfragen, Beleuchtungsschemata und Instrumenten-Designs durchprobiert und will doch fahren. Richtig fahren – was sich ebenfalls als überaus unterhaltsam erweist. Der Klang hat Charakter, wird in den schärferen Fahrmodi von der Abgasanlage noch etwas aufgeraut und mit Runterschaltrabatz garniert; die straffe Bindung zwischen Fahrwerk und Karosserie spürt man im definierten Fahrbahnkontakt ebenso wie in der trockenen Lenkpräzision; und auch der Allradantrieb zeigt dank der elektromechanischen Steuerung nun Wirkung. 50 Prozent der Kraft gelangen maximal nach hinten, mehr ist konzeptionell nicht drin. Im Gegensatz zum A 45 bestimmt der 35er Zeitpunkt und Grad der Momentenverteilung nun aber selbst – anhand diverser Parameter. Die Hinterachse wird also nicht mehr nur dann angedockt, wenn die Vorderachse am Hudeln ist, sondern bevor es dazu kommt. Forsch rein ins Eck, ans Gas, schon merkt man Unterstützung im Heck. Nett, insbesondere auf der Landstraße.

Guter Anfang, dickes Ende

In Hockenheim ist der Benefit des Mitdenk-Allrads dann nicht mehr ganz so offensichtlich, indirekt unterstützt er das Handling aber enorm: keinerlei Füllegefühl trotz fülliger 1.584 Kilo, reichlich Wille beim Einlenken, kaum Untersteuern beim Rausbeschleunigen, richtig viel Drive dazwischen. In Summe: Querdynamik kann er vorzüglich, der A 35 – ablesbar daran, dass er den längsdynamisch überlegenen S3 auf der Runde deutlich distanziert. Was stört, ist allenfalls die Steuerung des Doppelkupplungsgetriebes. Während sie im Alltag aufmerksam und treffsicher ist, flutscht ihr im Eifer des Gefechts schon mal das ein oder andere Kommando durch. Folge: Man semmelt entweder in den Begrenzer oder hängt saft- und kraftlos im großen Gang herum. Doof!

Eines darf man angesichts dieser kleinen Unschärfen aber nicht vergessen: Der Mercedes-AMG A 35 4Matic ist erst der Anfang dessen, was AMG mit der W-177-Generation der A-Klasse vorhat. Das dicke Ende kommt noch, in Gestalt des neuen 45ers, der sich – sie können’s nicht lassen – fortan wohl auch in zwei Eskalationsstufen unterteilen wird. Eine halbwegs sozialverträgliche und eine wilde S-Version mit – so hört man’s zwitschern – über 400 PS und einem Allradsystem à la Focus RS. Drift Mode inklusive, eh klar.

Fazit

Eine sportliche Zwischenstufe zu entwickeln, ist eine verdammt heikle Sache. Der Entwicklungskorridor ist schmal, aber absolut maßgebend. Und zumindest dem Motor meint man diese Klemme anzumerken. Er wirkt einjustiert statt frei von der Leber weg, was den Mercedes-AMG A 35 4Matic aber nicht davon abhält, ein fetziger Kompaktsportler zu sein. Das Handling hat Pep, gerade auf der Landstraße, wo man die intelligente Kraftverteilung ebenso spürt wie die hohe Steifigkeit in Kinematik und Karosserie.

Technische Daten
Mercedes AMG A 35 Kompaktlimousine 4Matic Mercedes-AMG
Grundpreis47.432 €
Außenmaße4419 x 1796 x 1440 mm
Kofferraumvolumen355 bis 1195 l
Hubraum / Motor1991 cm³ / 4-Zylinder
Leistung225 kW / 306 PS bei 5800 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h
0-100 km/h5,1 s
Verbrauch7,4 l/100 km