Mercedes-AMG GT C Roadster im Test
Cabrio und Supersportwagen

Mercedes-AMG bietet den GT C jetzt auch als Roadster. Wir haben den Oben-ohne-Schwaben auf Herz und Nieren getestet. 557 PS, kein Dach und Sonne klingen schon einmal vielversprechend.

Mercedes-AMG GT C Roadster
Foto: Daimler AG

Doch, doch, sie haben schon Kurven in den USA. In den Bergen rund um Phoenix sprießen sie sogar besonders artenreich. Dort, im voraussichtlich größten Markt, hat uns Mercedes-AMG den GT C Roadster überlassen. Das Auto sonnengelb, der Himmel tiefblau, der Asphalt griffig, die Landschaft filmreif. Und das Verkehrsschild ein Albtraum – 25 Meilen, also Tempo 40 erlaubt. Autowandern.

Mercedes-AMG GT C Roadster
Daimler AG
Fotoshooting vor schöner Kulisse. In der Sonne Arizonas kommt das Sunbeam-Gelb des GT C besonders gut zur Geltung.

Wir haben uns damals aufs Fotografieren beschränkt, um Ihnen, liebe Leser, diese pittoresken Bilder nicht vorzuenthalten. Die Beurteilung des offenen Sportwagens nehmen wir lieber zu Hause vor. Im deutschen Hier und Jetzt überwältigen uns die schieren Ausmaße des Zweisitzers. Zum Vergleich: Der Roadster ist etwas kürzer als ein SL, aber rund zehn Zentimeter breiter als ein S-Klasse Cabrio.

Der AMG ist ein Kerl von einem offenen Sportwagen. Und wer kein Baum von einem Mann ist, sieht daneben verloren aus, verschwindet im Schatten des automobilen Egos. Man kann sich auch im Inneren verlieren, weil der GT die gelernte Halbierung aus Fahrer/Beifahrer gegen eine gefühlte Drittelung tauscht: Fahrer/Mitteltunnel/Beifahrer.

Eine Menge Auto

So muss man sich nicht nur an die lange Motorhaube gewöhnen, sondern auch an die Menge an Auto rechts von einem. Das ist deshalb so essenziell, weil diese zwei Drittel schließlich auf der Straße untergebracht werden wollen. Die ersten Kurven in der Stadt dienen also dem vorsichtigen Austarieren zwischen Mittelstrich und Bordstein.

Bei heutigen (Super-)Sportwagen ist das nicht ungewöhnlich, denn sie sind alle (zu) breit; der Ferrari 488 Spider bringt es auf 1.952 Millimeter. Unser GT C mit der Hinterachse des GT R beansprucht von Radlauf zu Radlauf sogar 1.996 Millimeter.

Alles dreht sich um den V8

Ihn unter der Bezeichnung Supersportwagen laufen zu lassen, wäre kein Fehlgriff in der Klassifizierung: Der GT Roadster liefert genau jenen großen Auftritt, den man von einem Supersportler erwartet. Und er hat motorische Allmacht.

Mercedes-AMG GT C Roadster - Sportwagen - Biturbo-V8 - Test
Rossen Gargolov
Egal ob Sound oder Leistungsdaten, der V8 überzeugt in allen Belangen. Außer vielleicht beim Verbrauch, aber der ist hier nebensächlich.

Es ist kein Zufall, dass dem V8 etwa die Hälfte des Autos zusteht: Um ihn dreht sich alles – er definiert den Charakter des AMG. Vor allem beim Roadster. Mehr noch als jedes Coupé lebt ein Cabrio von seinem Sound. Wer den GT in einem Parkhaus startet, öffnet am besten vorher das Verdeck. Ein V8-Donnerhall wie aus der US-Car-Szene entlohnt fürs elfsekündige Warten. Schon in der leisen Stellung lässt der serienmäßige Performance-Klappenauspuff den V8 tiefbassig pulsieren. Es klingt einschüchternd nach feistem Drehmoment aus gewaltigem Hubraum.

680 Nm Drehmoment ab 1.900/min

Die Sache mit dem Drehmoment stimmt: 680 Nm reißen ab 1.900/min an der Kurbelwelle. Hubraum erzeugt der AMG dagegen eher virtuell – mittels zweier Turbolader, die das Vierliter-Triebwerk gefühlt zum Riesen machen. Er bigblockt aus dem Keller. Vollgas entspricht im GT C keinem furios erdribbelten Tor, sondern einem Gewaltschuss vom Sechzehner aus in den Winkel. Da durchbricht schiere Kraft die Abwehrkette der Massenträgheit.

Enorme Traktion an der Hinterachse

Wenn so viele Newtonmeter allein auf die Hinterräder losgehen, verendet Überschwang meist in der Traktionskontrolle. Doch die Ingenieure haben ihre Bauklötzchen geschickt verschoben: den V8 hinter die Vorderachse und das Getriebe ins Heck. Das Gravitationszentrum liegt traktionsfördernd zwischen den Achsen.

Bei trockener Straße reicht Vollgas keinesfalls aus, um die Hinterräder zucken zu lassen; besessen krallen sie sich in die Teerfurchen. Sollten die Gummis kurz über schmieriges Bitumen rubbeln, so verrät das die Lenkung sofort den Handflächen.

Genauso hält man die endlos weit entfernte Vorderachse an kurzen Zügeln, was nicht nur als Metapher stutzen lässt: Es will einfach nicht zusammengehen, dass sich dieser grimmige Autoriese so treuherzig anvertraut. Man hat das Fahrwerk voll im Griff, während die Karosserie zu entgleiten droht.

Die Breite ist eben nicht Teil der Gefühlswelt, sondern höchst real. Und sie erlaubt bei ihrer Beurteilung keine Unschärfen, sonst schrammt die Felge oder splittert der Außenspiegel. Das Abschätzen des GT C ist deshalb so komplex, weil man nicht direkt im Zentrum sitzt, sondern etwas zu weit links – und rechts davon mehr Auto folgt, als einem auf der engen Hausstrecke lieb ist.

Liegt das Weit und Breit dagegen einsam und verlassen in einem Mittelgebirge, dann kennt der Spaß im AMG kaum ein Limit. Egal, wie morsch die Asphaltdecke auch sein mag: Der GT C bolzt adaptivgedämpft darüber hinweg, bremst sich tief in den nächsten Scheitelpunkt und schmettert wieder heraus.

Traumkombination: Cabrio und V8-Sound

Natürlich sind Verdeck und Klappenauspuff geöffnet, was den Sound maximiert: Statt dumpfen Grollens dringt metallisches Schreddern ans Ohr. Und im Schiebebetrieb jenes Patschen, das alle AMG kennzeichnet. Um es häufiger zu hören, greift man zu den Lenkradpaddeln und schaltet fleißig hinauf und herunter, denn so fehlzündelt es besonders intensiv.

Man wählt also schon deshalb kurvige Strecken aus, um häufig schalten dürfen zu müssen (frei nach Karl Valentin). Und man schlägt sich in die Wälder, weil die Baumreihen den Schall wirkungsvoll zurückwerfen. Und weil es dort im Frühsommer besonders würzig duftet.

Mercedes-AMG GT C Roadster Verdeck
Daimler AG
Mit Betätigen des elektrischen Verdecks und Einfall der Sonnenstrahlen klettert der Spaßfaktor nochmals einige Stufen nach oben.

Obwohl die Frontscheibe flach im Wind steht, spült der Fahrtwind genügend Duftmoleküle in den Innenraum. Stets weht ein angenehmes Lüftchen, es bläst kein unangenehmer Sturm. Man sitzt weit hinten, der Po klebt fast an der Hinterachse – ein sensitiver Vorteil des Frontmotor-Layouts. Und der AMG Roadster lebt es zutiefst traditionell aus.

Trotz seiner Modernitätsbekundungen, des spritsparenden Segelns bei konstantem Tempo, des Start-Stopp-Prozederes an roten Ampeln sowie der zahlreichen Multimedia- und Sicherheitsassistenten, feiert der GT die gute alte Zeit. Er ähnelt dem Football-Defense, der seinen wachsenden Bauch mit zusätzlichem Brusttraining ausgleicht.

Das hohe Gewicht kaschiert er mit seinen fixen Turboladern – zulasten des Verbrauchs (im Schnitt 13,2 Liter auf 100 Kilometer). Die überdimensionierte Breite verschleiert er mit der hyperagilen Vorderachse, die sich ohne zu zögern in die Kurve einhakt. Glücklicherweise arbeitet die Lenkung nun etwas zentrierter, ruht stärker in sich – anders als die ersten GT Coupés mit ihrem sehr fahrigen Geradeauslauf.

Es braucht Zeit, bis man mit dem GT C warm wird, bis die Passagen flutschen, bis man ihn wirklich in der Hand hat. Manche werden den Roadster alleine deshalb als Cruiser missdeuten, weil sie zu seinem wahren Charakter nicht durchdringen. Weil sie unter dieser bräsigen Schale keinen ambitionierten Kern vermuten. Doch für einen Gleiter wäre die Federung schon in der Comfort-Stufe zu straff; diesen Part übernimmt der SL überzeugender.

In erster Linie Sportwagen

Wenn er die nötige Straßenbreite vorfindet, dann ist der GT C – serienmäßig mit Sportfahrwerk, Klappenauspuff und elektronisch geregeltem Sperrdifferenzial – in erster Linie Sportwagen und erst in zweiter ein Cabrio. Zumal, wenn er wie der Testwagen noch das Handling-Paket samt aktiver Motorlager (2.202 Euro) sowie die Kohlefaser-Bremsanlage (8.271 Euro) mitbringt.

Es wird ja immer teurer, stellen Sie desillusioniert fest? Ja, leider. Aber es gibt wie schon beim Coupé einen heißen Tipp: Machen Sie doch mal eine Probefahrt mit der abgespeckten Basisversion. Die hat nur 50 Nm weniger, ist aber über 30.000 Euro billiger – und 57 Millimeter schmaler.

Vor- und Nachteile
Karosserie
Mercedes-AMG GT C Roadster
steifes Chassis
hochwertige Verarbeitung
gute Ergonomie
ordentliches Raumangebot
einfache Bedienung
schlechte Übersichtlichkeit (vor allem nach hinten)
enorme Karosseriebreite
kleiner Kofferraum
weit zurückversetzter Getriebewählhebel
Fahrkomfort
Mercedes-AMG GT C Roadster
einfacher Einstieg
ausreichender Federungskomfort
verschliffen schaltendes Doppelkupplungsgetriebe
zugfreier Offenfahrspaß
Antrieb
Mercedes-AMG GT C Roadster
satter Durchzug
gutes Ansprechverhalten
hohes Drehvermögen
animierender V8-Sound
Fahreigenschaften
Mercedes-AMG GT C Roadster
spontanes Einlenkverhalten
neutrale Abstimmung
weich einsetzender Grenzbereich
präzise Lenkung
stabiler Geradeauslauf
Sicherheit
Mercedes-AMG GT C Roadster
enorme Traktion
hohe Bremsleistung
LED-Scheinwerfer
viele Assistenzsysteme
Umwelt
Mercedes-AMG GT C Roadster
Getriebe mit Segelfunktion
hoher Benzinverbrauch
Kosten
Mercedes-AMG GT C Roadster
niedrige Versicherungsprämie (nur Haftpflicht)
hoher Anschaffungspreis
nur zwei Jahre Garantie
teure Optionen
jährliche Inspektion nötig

Fazit

Die Cabrio-Version übernimmt die Nachteile des AMG GT: die überdimensionierte Breite sowie den hohen Verbrauch. Doch sie bietet enormen Offenfahrspaß und mitreißende Leistung bei einfacher Fahrbarkeit.

Technische Daten
Mercedes AMG GT C Roadster C
Grundpreis161.364 €
Außenmaße4551 x 2007 x 1260 mm
Kofferraumvolumen165 l
Hubraum / Motor3982 cm³ / 8-Zylinder
Leistung410 kW / 557 PS bei 5750 U/min
Höchstgeschwindigkeit316 km/h
0-100 km/h3,7 s
Verbrauch11,4 l/100 km
Testverbrauch13,2 l/100 km