Bentley Continental V8 S gegen Mercedes-AMG S 63
V8-Dampfhammer im Vergleichstest

Inhalt von

Sowohl das frische Mercedes-AMG S 63 Coupé als auch der in Würde gealterte Bentley Continental GT V8 S haben mächtig was vor der Hütte, dennoch fehlt ihnen in Dynamiker-Kreisen die Anerkennung. Bislang! Ein Duell um Ruhm trotz Schwere.

Bentley Continental GT V8 S, Mercedes S 63 AMG 4Matic Coupé
Foto: Rossen Gargolov

Neulich im Gespräch mit der Presseabteilung von AMG. Es ging um dies und das und jenes; darum, dass die A-Klasse nun 381 PS bekommt, um den Mercedes-AMG GT Black Series und wann man den endlich zugibt. Und schließlich kamen wir über fünf Ecken noch auf das Mercedes-AMG S 63 Coupé. Warum wir damit noch nichts gemacht hätten, wollte der Kollege wissen. "Na, weil wir sport auto sind!" – "Ja, ha ha ha, aber das Ding geht echt gut – gut ums Eck." – "Echt?" – "Echt!" Hin und her, Suppe eingebrockt.

Auslöffeln. Nun ist es nur so, dass du der Aussage eines Markenvertreters per se nicht traust, das ist nichts Persönliches, sondern schlicht Berufsethik. Im Falle der zweitürigen AMG-S-Klasse kommt noch hinzu, dass sie – wie drücke ich das diplomatisch aus? – rein vom Auftreten her nicht gerade den Eindruck erweckt, besonders beweglich zu sein: Ihre fraulichen Hüften, die wulstigen Sitze, der massige Armaturenträger mit seinen vielen Bäuchen – "a bisserl gwampert", würde man in Bayern sagen. Aber gut, die Basisdaten sprechen für sie: kürzerer Radstand als die Limousine, breitere Spur und – als Option – der besonders sportlich abgeschmeckte Allradantrieb.

Bentley Continental GT V8 S steinalt, aber ewig jung

Außerdem läuft auch der Bentley Continental GT zu keiner Zeit Gefahr, als zu grazil empfunden zu werden, bloß lenkt er charmanter von der Offensichtlichkeit seiner Gewichtsprobleme ab: mit kleinen Details wie den gelabelten Metallventilkappen zum Beispiel, dem malerischen Mobiliar oder mittels Schocktherapie: Monaco Yellow! Das sitzt! Und noch etwas gelingt ihm: Auch nach mittlerweile zwölf Jahren will er einfach nicht anfangen, alt auszusehen. Das mag zum einen an der gewissenhaften Körperpflege liegen: Ein umfassendes Lifting wurde 2011 vollzogen, ein weiteres, kleineres, das sich im Wesentlichen mit den Stoßfängern befasst, folgt kommendes Modelljahr. Zum anderen liegt es daran, dass er die Rolle, in die man ihn einst hineinentwickelt hat, immer noch beherrscht.

Vorausgesetzt, man respektiert, dass seine Möglichkeiten von Haus aus eher begrenzt sind. Denn nach wie vor basiert er auf dem VW Phaeton. Und ich weiß ja nicht, ob Sie so was je gefahren sind, aber unter fahrdynamischen Aspekten ist es schlicht fürchterlich. Bedeutet: Egal wie oder womit man versucht, Performance aus dem Bentley Continental herauszukitzeln, irgendwann gelangt man unweigerlich an einen Punkt, an dem es nicht mehr weitergeht. Und an diesem Punkt steht man jetzt.

Problem nur, dass sich Bentley damit nicht abfinden will und immer neue, noch "dynamischere" Varianten nachlegt. Die zahlreichen Speed-Modelle kann man ihnen ja noch durchgehen lassen, denn zumindest geradeaus waren und sind die alle richtig schnell. Alles andere jedoch – der Supersports etwa oder jüngst der GT3-R – zerbrachen entweder an ihren Ansprüchen oder kniffen gleich von vornherein.

2.324 Kilo für den Bentley Continental V8 S

Und auch ebenjener Bentley Continental V8 S, der mit seiner zartbitteren Note vielleicht der Stimmigste von allen ist, bekommt Versprechen aufoktroyiert, die er nie und nimmer halten kann. Von sportlicher Agilität wird da geschrieben, von Schärfe und gar von einer neuen Dimension. Absolut betrachtet ist nichts davon wahr, nicht mal der ach so legendäre Fahrkomfort. Erst wenn man ihn in Relation zu seinen Geschwistern setzt, zum normalen V8 und zu dem gediegeneren, aber kopflastigeren W12, erst dann begreift man ansatzweise, was gemeint ist.

Dabei ist das S-Modell alles andere als oberflächlich. Um 10 Millimeter wurde tiefergelegt, dazu alles Mögliche versteift: die Federraten, vorn um 45, hinten um 33 Prozent, die Motorlager um bis zu 70 Prozent und die Stabis um 54. Ganz ehrlich, jedes normale Auto wäre damit fahrwerksseitig ziemlich auf den Kopf gestellt, im Bentley Continental V8 S spürt man die Änderungen allenfalls in den Fingerspitzen: im etwas engagierteren Einlenken und in der konkretisierten Rückmeldung. Alles andere, was sonst noch daraus entstehen könnte, kommt entweder erst gar nicht zur Entfaltung oder wird von der schieren Masse schlicht zermalmt: Die 2.324 Kilo sind freilich allerhand – aber eigentlich nicht der K.-o.-Schlag für die Querdynamik – zumal Cayenne und Konsorten ja durchaus eindrucksvoll beweisen, was mit zweikommanochwas Tonnen so alles möglich ist.

Bentley Continental GT V8 S mit starken Wankbewegungen

Nein, das wahre, das grundlegende Problem des Bentley ist, dass er seiner Pfunde nicht habhaft wird. Will sagen: Statt sich irgendwie unter Kontrolle bringen zu lassen, mit Wanksystemen beispielsweise, schwappen sie – je nach Richtung der anliegenden Beschleunigung – nach links, nach rechts, nach vorn und nach hinten. Permanent, folgenschwer und nicht nur im Extrembetrieb.

Selbst im Alltag ist die Karosserie ständig in Bewegung: Bei härteren Bremsungen macht der Bentley Continental V8 S fast Kopfstand, beim Beschleunigen reißt es ihm die Schnauze hoch, in Kurven kippt er an der Hochachse weg. Bestimmt kennen Sie den "Musikantenstadl", das volkstümliche Geschunkel der Zuschauer. So ungefähr kommt man sich im Conti vor. Mit sachter Fahrweise lassen sich die Aufbaubewegungen der Karosserie noch einigermaßen im Rahmen halten, auf der Rennstrecke hingegen wird man von den Kilos nur noch herumgeschubst.

Dynamik geht jedenfalls ausschließlich vom Motor aus – einem Vierliter-Biturbo mit 528 PS, der den Allradler mit bis zu 680 Nm vorwärtswuppt, motorbootig klingt und damit auch stilistisch prima passt. Die Lader bauen im Vergleichstest zügig Systemdruck auf, spülen einen dann wuchtig voran, ehe die Automatik das imposante Schauspiel mit einem manierlichen Ruck von vorn beginnen lässt. Dabei zeigt der Bentley auch sein zweites Gesicht, sein gelöstes, unbeschwertes – das Gesicht eines GT. Und alle, die permanent mehr von ihm einfordern – Insider ebenso wie Außenstehende –, sollten einsehen, dass nichts anderes in seiner Typenbezeichnung geschrieben steht.

Mercedes S 63 AMG 4Matic Coupé mit distanzierter Dynamik

Anders der Mercedes: In ihm steckt mehr, viel mehr sogar, nur lässt er sich nicht gar so leicht durchschauen – in vielerlei Hinsicht. Der Begriff "Coupé" heißt jedenfalls erst mal gar nichts – erst recht nicht beim Daimler, wo man für diese Auszeichnung ja nicht mal Zweitürer sein muss. Und auch das AMG-Etikett steht nicht zwangsweise für hoch dosierte Fahrdynamik – wir erinnern uns mit Grauen an frühere CL-, ML- oder GL-Modelle. Hinzu kommt, dass der Mercedes-AMG S 63 alles tut, um jegliches Gefühl des Fahrens vom Fahrer fernzuhalten: Gehen Sie mal in ihr Schlafzimmer und wickeln sich in die Zudecke ein – genau so ist es an Bord.

Die Außenwelt wird von der Doppelverglasung und der dichten Dämmung fast restlos ausgesperrt; vom 585 PS starken 5,5-Liter-V8 vernimmt man selbst im Sportmodus bei offenen Auspuffklappen kaum mehr als ein wattiertes Brodeln, während sich Lenkung und Pedalgefühl stets um respektvolle Distanz bemühen. Und sogar wenn man diese ganzen Komfortpölsterchen mit entschlossenen Befehlen überwindet, die vollen 900 Nm (!) aus den beiden Ladern pumpt, dringt das Tempo nie so richtig nach innen durch. Mit anderen Worten: Trotz einer glatten Sekunde Vorsprung bis 200 km/h kickt ein Sprint im Bentley mehr.

Auch die Unterschiede in der Fahrdynamik, fühlen sich im Leder-Kokon des Mercedes-AMG S63 4Matic Coupé nicht halb so gewaltig an, wie sie tatsächlich sind. Der Continental mag um Welten pomadiger sein, behäbiger, ungeschickter, aber er ist spürbar: in der Lenkung, motorisch und im Fahrwerk. Den Mercedes hingegen drehst du – überspitzt gesagt – nur am Lenkrad der Ideallinie hinterher. Dabei bewegt er sich durchaus sportlich – wobei, sagen wir mal: ambitioniert. Die stark heckbetonte Kraftverteilung des Allradantriebs, die spezifische Vorderachskinematik mit erhöhtem Sturz, die für S-Klassen-Verhältnisse äußerst definierte Abstimmung – alles fruchtet, ohne dass man deshalb gleich völlig aus dem Häuschen wäre.

S 63 AMG schneller als man es ihm zutraut

In 1.15,5 min walzert das Mercedes-AMG S 63 Coupé im Vergleichstest um den Kurs. Damit liegt es weit vor dem Bentley und auch weit über dem, was man dem Mercedes zugetraut hat. Dennoch blieb er wohl ein gutes Stück unter seinen Möglichkeiten. Denn die Bedingungen am Testtag in Hockenheim waren alles andere als optimal: 35 Grad Celsius, Glutofen, das schmeckt weder den Turbos noch den Pneus, sodass man ihm – genau wie dem Bentley – in der Rundenzeit gedanklich noch mal einige Zehntel gutschreiben kann.

Und es ginge wohl noch mehr, wenn man das Mercedes-AMG S 63 Coupé nur seiner dienstgradmäßigen Verpflichtungen entbände. 2.111 Kilo wiegt er so voll ausgestattet, wie er dasteht. Das sind über 200 weniger als der kompaktere Conti GT, trotz Leichtbau-Kleinvieh wie Schmiederädern oder Lithium-Ionen-Batterie aber immer noch mehr als nötig. Denn vor allem Luxus wiegt: die Sitzmassage, die Burmester-Anlage, die Phalanx an Assistenzsystemen und so weiter. Bloß steht all das bei einer S-Klasse nicht zur Disposition, im Gegenteil, man erwartet es sogar bei ihr. Aber stellen Sie sich mal vor: Dieses Ding hier 100, womöglich 150 Kilo leichter, Sitzschalen statt Onboard-Orthopädie, Sportreifen und ein sattes Set-up dazu. Total gaga? Sicher, aber das war der SL 65 Black Series auch. Wir werden's auf jeden Fall mal vorschlagen beim nächsten Gespräch mit AMG.

Fazit

Der Continental ist fast genau das, was er sein muss: ein typischer Bentley, ein stimmungsvoller V8 und ein GT mit Wucht und Stil; nur das S für Sport geht über seine Fähigkeiten hinaus. Und auch wenn er sicherlich das Beste ist, was je aus dem VW Phaeton geworden ist, wird es langsam Zeit für einen Generationssprung, für einen richtigen, wie er Mercedes gerade gelungen ist. Das S 63 Coupé hat nichts mehr mit dem Halbwelt-Barock vergangener CL zu tun, sein Biturbo schiebt enorm und dank Allrad nun auch enorm an. Leider schottet er einen über die Maßen von seiner imposanten Fahrdynamik ab.

Technische Daten
Bentley Continental GT Coupé 4.0 V8 S 4WD SMercedes S 63 AMG 4Matic Coupé AMG
Grundpreis184.450 €172.134 €
Außenmaße4806 x 1944 x 1394 mm5044 x 1913 x 1422 mm
Kofferraumvolumen358 l400 l
Hubraum / Motor3993 cm³ / 8-Zylinder5461 cm³ / 8-Zylinder
Leistung389 kW / 528 PS bei 6000 U/min430 kW / 585 PS bei 5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit309 km/h250 km/h
0-100 km/h4,2 s4,1 s
Verbrauch10,6 l/100 km10,3 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten