Mercedes GLA 220 d 4Matic (2020) im Test
Schluss mit Crossover. Hallo SUV!

Der nutzwertige Mercedes GLB ist schon da, nun folgt der kleine Bruder: der neue GLA. Im Test des 190 PS starken Diesel-SUV checken wir, was er alles zu bieten hat.

Mercedes GLA 220 d 4 Matic, Exterieur
Foto: Achim Hartmann

Gedacht für die Wildnis. Wie gemacht fürs Leben" – mit diesen Worten werden Interessenten in der 85 Seiten dicken Preisliste auf den neuen GLA eingestimmt. Also greifen wir den Gedanken mal als Einstieg in den ersten Test der zweiten Modellgeneration auf und fragen uns, an welches Dickicht oder Flussbett die Mercedes-Leute wohl gedacht haben. Schließlich dürfte es jedem klar sein, dass ein hochbeiniger Kompaktwagen mit 14 Zentimetern Bodenfreiheit in der freien Wildbahn kläglich scheitert. Selbst wenn der getestete GLA 220 d 4Matic dank vier permanent angetriebener Räder plus Offroad-Fahrprogramm mehr kann als viele andere.

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Mercedes GLA 220 d 4 Matic, Exterieur
Achim Hartmann
Mit seinem agilen Vorgänger hat der nun zehn Zentimeter höhere GLA nicht mehr viel gemeinsam.

"Wie gemacht fürs Leben" – das passt dafür schon ganz gut. Denn die Neuauflage hat mit dem 2014 eingeführten Vorgänger nur wenig gemein, der GLA hat sich stattdessen quasi neu erfunden, technisch wie optisch. Mit 4,41 Metern ist das neue Modell etwas kürzer als eine B-Klasse, aber fünf Zentimeter höher. Zudem überragt es die A-Klasse um 17 und – alle Achtung – seinen Vorgänger um rund elf Zentimeter. Dank frecher Optik und launig-sportlichem Fahrverhalten hatte der durchaus seine Fans, mehr als eine Million Exemplare rollten vom Band. Einigen bisherigen GLA-Fahrern dürfte der Umstieg schwerfallen, denn der Neue verabschiedet sich vom Crossover-Dasein, entwickelt sich mehr zum klassischen SUV mit viel höhrem Nutzwert – eben wie gemacht fürs Leben.

Wie in der günstigeren B-Klasse erhöhen im GLA eine um 14 Zentimeter verschiebbare Rückbank (428 Euro) und ein vorklappbarer Beifahrersitz (179 Euro) die Variabilität, die dreigeteilte Fondlehne ist Serie. Das Ladevolumen liegt zwischen 425 und 1.420 Litern (B 220 d 4Matic: 430 bis 1.515). Kein grandioser Wert also. Auch Konkurrenten wie ein BMW X1 liegen mit 505 bis 1.550 Litern drüber. Praktisch hingegen: die um fünf Zentimeter abgesenkte Ladekante und ein verstellbarer Ladeboden. Dazu gibt es eine ansehnliche und sauber eingesetzte Gepäckraumverkleidung.

Mercedes GLA 220 d 4 Matic, Kofferraum
Achim Hartmann
Der nahezu ebene Laderaum fasst mit 425 bis 14.20 Litern lediglich vier Liter mehr Gepäck als sein Vorgänger. Dafür erleichtert eine dreigeteilte Lehne den Transport von langen Gütern, und der Fußraum im Fond hat deutlich zugenommen.

Natürlich fallen angesichts der nun höheren Sitzposition der Zustieg sowie der Rundumblick leichter, und die Insassen freuen sich über ein großzügiges Raumangebot. Auf allen Plätzen ist nun spürbar mehr Luft für Arme und Schultern. Im Fond legt die Beinfreiheit um beachtliche zwölf Zentimeter zu. Zusammen mit der bequemen, nicht zu kurzen Rückbank und den bequemen Komfortsitzen vorn mit ausziehbarer Beinauflage (Serie beim getesteten Progressive) ergibt sich so schon mal ein geräumiger und gemütlich eingerichteter SUV.

Schönheit hat ihren Preis

Schick zu sein, das vermag der Mercedes natürlich auch – zumindest gegen ordentlich Zuzahlung. Gutes Beispiel sind die sauber eingepassten Holzelemente vor dem Beifahrer, hier aus offenporiger Linde, oder die hochwertigen Lederbezüge, die dem Benz schon sehr gut stehen. Schade nur, dass insbesondere im Fond nicht mit harten Kunststoffen gegeizt wird.

Schließlich ist so ein GLA kein Schnäppchen. Das Basismodell 200 mit dem 163 PS starken Benziner kostet bereits 37.271 Euro. Der günstigste Diesel, ein 180 d mit 116 PS, ist 24 Euro teurer. Immer an Bord ist dafür das aufwendige MBUX-Infotainment mit zwei Bildschirmen, Touchpad und ausgereifter Sprachbedienung. LED-Scheinwerfer und Zweizonen-Klimaautomatik kosten dagegen extra. Für den vollausgestatteten Testwagen in der Progressive-Variante rechnet der Konfigurator einen Preis von 67.782 Euro aus.

Viel Kraft und Komfort

Okay, für diese Summe bauen die Bandarbeiter und Roboter im Werk Rastatt auch den zwei Liter großen OM 654q in seiner höchsten Leistungsstufe, ein Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe, Allradantrieb, größere Bremsscheiben vorne und ein Fahrwerk mit adaptiv verstellbaren Dämpfern ein und packen 19 Zoll große Räder in die Radhäuser. Das ergibt einen 190 PS starken SUV, der Fahrspaß anders als bisher vorwiegend über Komfort und Schubkraft definiert.

Agilität ist ihm hingegen nicht allzu wichtig, dazu ist der 1,72 Tonnen schwere SUV zu behäbig unterwegs. Kurven nimmt er mit leichter Seitenneigung und durcheilt sie auch bei flotter Fahrweise neutral, aber ohne sportliche Ambitionen – selbst im Sportmodus, wenn die feinfühlig-unauffällige Lenkung etwas direkter anspricht und 30 statt 20 Prozent des Drehmoments an die Hinterachse wandern.

Macht aber nix. Zum glücklichen Miteinander passt ein komfortbetontes Fahrwerk sowieso viel besser. Und federn kann der GLA schon ziemlich gut. Lediglich kurz aufeinander folgende Wellen bringen den SUV in Unruhe. Ansonsten meistert er alle Unebenheiten geschmeidig. Selbst mit einem sanften Wogen im Stile einer E-Klasse und ohne Schaukelei kann er dienen.

Mercedes GLA 220 d 4 Matic, Exterieur
Achim Hartmann
35,6 Meter benötigt der Testwagen für eine Vollbremsung aus 100 km/h mit kalten Bremsen. Ein guter, aber kein überdurchschnittlicher Wert – trotz größerer Bremsscheiben vorne.

Zufrieden sind wir auch mit der Antriebseinheit. Natürlich passt ein laufruhiger Selbstzünder, der schon ab 1.600 Touren mit einem Drehmoment von 400 Nm aufwartet, gut zu so einem SUV. Traktionsprobleme gibt es ohnehin nicht; sollte es doch in die Wildnis gehen, lässt sich das Drehmoment auch gleichmäßig (50 : 50) mittels Offroad-Modus auf Vorder- und Hinterachse verteilen.

In jedem Fall zieht der 190 PS starke GLA überaus kraftvoll und ohne Anfahrschwäche davon – erst leise, bei Drehzahlen ab 2.500/min durchaus kerniger. Entsprechend bemüht sich das Doppelkupplungsgetriebe um niedrige Drehzahlen. Diesen Job erledigt es gekonnt und ohne Hektik. Vielmehr wechselt es die Gänge ganz im Stile eines Wandlers sanft und geschmeidig, stört nicht mit unnützen Manövern. Bis auf ein gelegentliches Rucken beim flotteren Anfahren fällt es nicht negativ auf. Stimmig ist auch der lange achte Gang, der bei schnellen Autobahnfahrten für angemessene Ruhe sorgt.

Überhaupt ist der GLA ein leises Auto. Eigentlich stört nur der ungebührlich laut klickende Blinker die Ruhe. Sonst gibt es wenig auf die Ohren. Das Fahrwerk poltert kaum, und die Windgeräusche halten sich selbst über 180 km/h noch zurück.

Mercedes GLA 220 d 4 Matic, Interieur
Achim Hartmann
Neu ist auch der aus dem GLS bekannte Waschstraßenmodus, bei dem der SUV beispielsweise alle Fenster schließt, die Außenspiegel einklappt und den Regensensor unterdrückt.

Gemäßigt gibt sich der 220 d auch an der Tankstelle. Trotz aller Kraft und Allradantrieb liegt der Testverbrauch bei 6,7 Litern je 100 Kilometer. Auf der Eco-Runde belässt es der bereits nach Euro 6d schadstoffarme Diesel sogar bei 5,1 Litern.

Extras aus dem Bilderbuch

Aus dem Bereich Infotainment und Sicherheit gibt es im Vergleich zu den bekannten Schwestermodellen wenig Neues zu vermelden. Die Auswahl ist mehr als üppig, und die teuren Systeme arbeiten meist vorbildlich. Frisch dabei ist ein via Touchscreen bis 20 km/h aktivierbarer Waschstraßenmodus, der beispielsweise alle Fenster schließt und die Scheibenwischer vom Arbeiten abhält.

Bleibt also festzuhalten: Mit dem neuen GLA hat Mercedes einen schicken Allround-SUV am Start, der einem BMW X1 oder Audi Q3 ganz sicher Kunden wegschnappen wird. Viel spannender ist aber die Antwort auf die Frage, wie er sich mit dem größeren und praktischeren GLB verträgt – denn der ist nicht mal 500 Euro teurer. Gut gemacht und durchdacht sind alle beide.

Vor- und Nachteile
Karosserie
Mercedes GLA 220 d 4Matic
gutes Platzangebot
hohe Variabilität
verbesserte Rundumsicht
aufwendiges Infotainment
tolle Kartendarstellung
clevere Sprachbedienung
gut ablesbare Instrumente
gute Verarbeitung
vergleichsweise kleiner Kofferraum
Fahrkomfort
Mercedes GLA 220 d 4Matic
für diese Klasse erfreulich guter Federungskomfort
bequeme Sitze mit viel Beinauflage
kaum Windgeräusche
Antrieb
Mercedes GLA 220 d 4Matic
starker, kultivierter Diesel
ausgewogene Automatik
aufwendiger Allradantrieb
bei höheren Drehzahlen etwas kerniger im Klang
Fahreigenschaften
Mercedes GLA 220 d 4Matic
sehr gute Traktion
sicheres Fahrverhalten
präzise, feinfühlige Lenkung
sehr spurstabil
etwas träges Handling
Sicherheit
Mercedes GLA 220 d 4Matic
umfangreiche Auswahl an Sicherheits-Assistenzsystemen
ordentliche Bremsleistung
Umwelt
Mercedes GLA 220 d 4Matic
niedriger Test- und Eco-Verbrauch
Motor erfüllt bereits die Euro-6d-Norm
Kosten
Mercedes GLA 220 d 4Matic
hoher Grundpreis, gepaart mit magerer Ausstattung
teure Extras
erhöhte Unterhaltskosten

Fazit

Vier von fünf Sternen: Der neue GLA überzeugt mit mehr Platz, verbesserter Variabilität, effizientem Antrieb und beachtlichem Federungskomfort. Sein hoher Preis und sein träges Handling verhindern den fünften Stern.

Technische Daten
Mercedes GLA 220 d 4Matic Progressive
Grundpreis44.782 €
Außenmaße4410 x 1834 x 1611 mm
Kofferraumvolumen425 bis 1420 l
Hubraum / Motor1950 cm³ / 4-Zylinder
Leistung140 kW / 190 PS bei 3800 U/min
Höchstgeschwindigkeit219 km/h
0-100 km/h7,4 s
Verbrauch5,1 l/100 km
Testverbrauch6,7 l/100 km
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

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