Mercedes S450 4Matic und BMW 740i im Vergleichstest
Deutsche Premium-Limousinen

Wahrer Luxus, heißt es, sei unsichtbar. Deutsche Premium-Limousinen können damit nicht gemeint sein, denn BMW 740i und Mercedes S 450 4Matic tragen ihre Markenlogos selbstbewusst auf der Fronthaube. Welcher den feineren Luxus bietet? Lesen Sie selbst.

BMW 740i, Mercedes S 450 4Matic, Exterieur
Foto: Achim Hartmann

Vermutlich haben Sie noch nie darüber nachgedacht, doch „Luxus“ ist eines der wenigen gesamteuropäischen Wörter, in fast allen Sprachen des Kontinents wird das lateinische Lehnwort benutzt. Selbst auf Albanisch, Baskisch, Finnisch und Ungarisch heißt „Luxus“ genauso oder so ähnlich. Was freilich nicht heißen muss, dass das Wort überall das Gleiche bedeutet.Im automobilen Bereich sind sich die europäischen Völker dagegen ziemlich einig: Wer Luxusauto sagt, meint meist Mercedes. Was ja ein wenig unfair ist, denn BMW hat seit den frühen 50er-Jahren ein jeweils kaum weniger luxuriöses Konkurrenzmodell zum großen Benz im Programm.

BMW 740i, Mercedes S 450 4Matic, Exterieur
Achim Hartmann
Kommt mit einem neuen Facelift und vielen Innovationen: Der Mercedes S 450 4Matic. Optisch hat sich wenig verändert. Kennern aber fallen die geänderte Frontschürze und die neuen Scheinwerfer auf.

Weil fast nur die Leistung zählt

Vor 66 Jahren debütierte der BMW 501 auf der IAA, und obwohl er kein Bestseller wurde, prägte er in den Wirtschaftswunderjahren das Image der Marke. Der 7er von heute ist sieben Modellgenerationen vom Barockengel der 50er entfernt, zumindest eines hat er sich im 740i der Baureihe G11 von 2017 bewahrt: den Reihensechszylinder.

Aus dem 65 PS starken Zweiliter im 501 ist ein Twinscroll-Turbobenziner mit drei Litern Hubraum und 326 PS geworden. Der hört auf den Namen B58 und ist ein enger Verwandter der kleineren B48- und B38-Benziner, die in vielen BMW- und Mini-Modellen Dienst tun. Hierzulande ist es der Einstiegsbenziner in die 7er-Welt, der vierzylindrige 730i bleibt anderen Märkten (China und Türkei) vorbehalten.

In diesem Vergleich trifft er auf den frisch modellgepflegten Mercedes S 450, der den komplett neuen Sechszylinder M 256 samt zahlreichen Innovationen mitbringt: 48V-Bordnetz, integrierter Startergenerator, elektrisch angetriebene Nebenaggregate, Bremsenergie-Rekuperation und elektrischer Zusatzverdichter zeichnen den neuen Motor aus. Zugleich markiert er einen Paradigmenwechsel: Nach 20 Jahren V6 kehrt Mercedes zum Reihensechszylinder zurück.

367 PS leistet der Dreiliter-Turbo, zum Testzeitpunkt übrigens nur als allradgetriebener 4Matic verfügbar. 22 Zusatz-PS und 250 Extra-Nm Drehmoment liefert bei Bedarf der dann als elektrischer Booster wirkende Startergenerator. Der fällt zunächst einmal dadurch auf, dass er eben nicht auffällt, sondern die Start-Stopp-Funktion derart verfeinert, dass vom Anspringen des Verbrenners kaum etwas zu merken ist. Geschmeidig wirft der E-Motor den Sechszylinder an, von dem nur ein leises Grummeln zu vernehmen ist.

Das übrigens nur unwesentlich lauter wird, wenn das Fahrpedal in den Teppich versenkt wird. Dann geht es zügig nach vorn, in 5,4 Sekunden erreicht der schwere Wagen Tempo 100. Womit er die etwas optimistische Werksangabe um genau eine halbe Sekunde verfehlt. Was freilich gar nichts am Eindruck jederzeit verfügbarer und äußerst kultivierter Antriebspower ändert.

BMW 740i, Mercedes S 450 4Matic, Exterieur, Motor
Achim Hartmann
Imposanter Anblick: In beiden Limousinen verrichtet nun ein Dreiliter-Reihensechzylinder seinen Dienst. Auch Mercedes hat sich vom V6 verabschiedet. Beide Triebwerke zeigen vorbildliche Laufkultur.

Dieser Eindruck bleibt im Hinterkopf, wenn man aus der S-Klasse in den Siebener umsteigt. Der ist ja ein paar PS schwächer, schleppt dafür keinen Vorderradantrieb mit sich durch die Gegend und wirkt etwas spritziger. Die sämige Gewalt aus dem Keller, wie sie der Mercedes-Antrieb bietet, geht ihm etwas ab, dazu auch die überragende Laufkultur. Die Unterschiede sind minimal, doch der BMW-Antrieb ist akustisch präsenter und etwas rauer im Abgang. Immerhin geht er einen Hauch besser, beschleunigt eine Zehntelsekunde schneller aus dem Stand auf 100 km/h.

Damit wir gut und gerne leben

Ähnliches gilt für den Treibstoffverbrauch. Hier zeigt sich der Mercedes etwas weniger talentiert als erwartet. Im Testmittel fließen 11,1 Liter auf 100 Kilometer durch, zwei Schnapsgläser mehr als beim BMW. Dennoch ist das ein guter Wert, schließlich reden wir von einer über zwei Tonnen schweren Fünf-Meter-Limousine mit Fahrleistungen, die vor Kurzem noch in den Bereich der Supersportwagen gehört hätten.

Apropos Gewicht: Der getestete 740i ist genau 211 kg leichter als der S 450 4Matic, bei dem etwa 65 Zusatzkilos allein auf den Vierradantrieb entfallen. Das ist selbst in dieser Klasse ein nicht unerheblicher Unterschied, den der BMW in ein agileres Handling und mehr Leichtfüßigkeit im täglichen Umgang umsetzt. Beim Mercedes lässt sich das eher nicht so verzeichnen, doch auch hier ist der Vorsprung des einen Konkurrenten eher ein gefühlter als ein messbarer.

Der S 450 absolviert die fahrdynamischen Übungen jedenfalls ähnlich fix wie der 740i, obwohl der das Fahrdynamiksystem Executive Drive Pro (2.950 Euro) an Bord hat, das mit seiner aktiven Wankstabilisierung Karosseriebewegungen minimiert. Die vergleichbare Magic Body Control steht bei Mercedes für den S 450 4Matic nicht zur Verfügung.

Der wiederum profitiert von seiner fein austarierten, sauber ansprechenden Lenkung, die nur weniger direkt und zackig agiert als die aufpreispflichtige Integral-Aktivlenkung (1.450 Euro) des BMW. Viel Gespür für die Vorderräder vermitteln sie beide – mit leichten Vorteilen für den Mercedes. Sieht also so aus, als gäbe sich der S 450 wenig Blößen. Nur diese: Er bremst um einiges schlechter als der 740i. Scheinbar sind es nur ein paar Meterchen zugunsten des BMW, doch die addieren sich zu einem Punktevorsprung von fünf Zählern. Keine Kleinigkeit, denn wenn der BMW bei einer Vollbremsung aus 190 km/h bereits steht, ist der Mercedes noch 37 km/h schnell.

Nicht selten werden die Kunden freilich nicht am Lenkrad, sondern im Fond der beiden Limousinen sitzen, und da sind womöglich andere Qualitäten gefragt. Im Federungs- und Sitzkomfort macht dem Mercedes ja kaum einer was vor, das hat sich durch die Modellpflege nicht geändert. Die S-Klasse überknautscht souverän große und kleine Unebenheiten, und ihre Fauteuils sind so ziemlich das Beste, was es so an automobilen Sitzmöbeln gibt.

BMW 740i, Interieur
Achim Hartmann
Das können sie einfach bei BMW: cooles Ambiente und tolles Infotainment gepaart mit leichter Bedienung. Dazu kommt ein äußerst griffiger Wählhebel.

Zudem ist die Bewegungsfreiheit im S 450 etwas großzügiger bemessen als im etwas kürzeren 740i. Der verfügt ebenso serienmäßig über ein adaptives Luftfahrwerk, das sich aber etwas weniger flauschig gibt. Vor allem kurze Stöße verdaut es weniger gelassen.

Ungeduld ist auch eine Tugend

Erhöhtes Unterhaltungspotenzial bietet der S 450 vom Rücksitz aus ohnehin, jedenfalls wenn die optionale Energizing-Komfortsteuerung (238 Euro) und die Massagesessel hinten (Sitzkomfortpaket, 1.975 Euro) an Bord sind. Dann werden die Fondpassagiere von den Luftkissen ihrer Sessel geknetet und vom Duftspender mit Aromen umfächert, während sie sich entspannt dem Ziel entgegenchauffieren lassen.

Der Siebener ist das mehr fahrerorientierte Auto, auch das hat Tradition, ohne dass es im Rücksitzraum wesentlich unbequemer wäre. Nur findet man es vorn viel schöner. Ebenso traditionell ist ja das Phänomen, dass S-Klasse und Siebener mit vielen technischen Neuerungen auf den Markt kommen. So macht der Mercedes nun mit der streckenbasierten Geschwindigkeitsanpassung einen Schritt weiter zum autonomen Fahren. Dabei wird das Tempo per Distronic vorausschauend der Strecke angepasst. Der Wagen verzögert vor Kurven oder Kreuzungen selbsttätig und beschleunigt nach Hindernissen wieder, ein viel und gern genutztes Feature.

Was sich hingegen nicht geändert hat: Der Mercedes ist das teurere Auto. Preise, Garantieleistungen und Unterhaltskosten liegen auf etwas höherem Niveau. Auch hier sind es zwar nur ein paar Pünktchen, doch die bringen den 7er auf den letzten Metern an der S-Klasse vorbei. Dabei gehört es ja zum Wesen des Luxus, ihn sich leisten zu können.

Fazit

1. BMW 740i
478 von 1000 Punkte

Das etwas bessere Preis-Leistungs-Verhältnis und die kräftigeren Bremsen bringen dem 740i hier den Sieg. Dagegensind die Dynamik- und Verbrauchsvorteile äußerst gering.

2. Mercedes S 450 4Matic
474 von 1000 Punkte

Obwohl sie nur in der Eigenschaftswertung vorn liegt und am Ende auf Platz zwei, definiert die S-Klasse weiter das Segment: Sie federt gediegener und fährt insgesamt etwas feiner.

Technische Daten
BMW 740i Mercedes S 450 4Matic
Grundpreis94.200 €97.015 €
Außenmaße5098 x 1902 x 1478 mm5125 x 1899 x 1496 mm
Kofferraumvolumen515 l530 l
Hubraum / Motor2998 cm³ / 6-Zylinder2999 cm³ / 6-Zylinder
Leistung240 kW / 326 PS bei 5500 U/min286 kW / 389 PS bei 5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h250 km/h
0-100 km/h5,3 s5,4 s
Verbrauch6,8 l/100 km7,0 l/100 km
Testverbrauch11,0 l/100 km11,1 l/100 km