Nun ist der neue Opel Astra für uns und für Sie als Leser ja fast schon ein alter Bekannter. Wir fuhren ihn außen und innen getarnt, wir durften ihn ungetarnt im Fotostudio erkunden, seine blitzgescheiten Konnektivitätslösungen rund ums OnStar-System ausprobieren und uns mit Matrix-LED-Licht die Nacht zum Tage machen. Opel tat kurz gesagt alles, um seinen kompakten Hoffnungsträger bekannt zu machen. Der Auftrag aus Amerika wurde ja zur IAA auch klar formuliert: „Jedes Segment in jedem wichtigen Land wollen wir am Ende auch anführen“, ließ GM-Chefin Mary Barra mit Blick auf die deutsche Tochter Opel verlauten. Dafür gab es frisches Geld für die Entwicklung einer neuen, leichten Fahrzeugarchitektur, neuer Motoren, neuer Sitze und so weiter. Nun muss Opel liefern.
Geliefert haben die Designer eine schmissige Viertürer-Limousine, deren Kontur dank abfallender Dachlinie, markanten Falten in der Flanke und – im Falle des getesteten Innovation-Modells – Chromschmuck um die oberen Türrahmen leicht wirkt und die Designlinie des Vorgängers fortschreibt. Der große Bruch bleibt also aus – zumindest im Exterieur. Innen sieht das schon anders aus, denn die Mittelkonsole unterm mit flüssiger Linie gezeichneten Armaturenbrett mit den vielleicht etwas zu kleinen Hauptinstrumenten ging ihrer vielen Knöpfe verlustig: Unterm berührungsempfindlichen Monitor des Opel Astra 1.0 Turbo sitzen einige wenige Tasten für Grundfunktionen, weiter unten die Knöpfe für Klimatisierung, Sitz- und Lenkradheizung sowie die Belüftung der Sitze.
Opel Astra mit drei Zylindern quicklebendig unterwegs
Ganz unten, vor dem nicht eben in Handschmeichler-Manier ausgeführten Schalthebel, finden sich einige wenige Knöpfe für Spurhalte- und Parkassistenz sowie die Start-Stopp-Automatik. Die unterstreicht das Streben nach möglichst geringem Verbrauch durch eine besondere Auslegung. Während andere Systeme den Motor schon anwerfen, wenn der Fahrer die Kupplung drückt, startet der Opel Astra 1.0 Turbo erst beim Lösen der Bremse. Klingt irgendwie clever, hat aber hin und wieder zur Folge, dass beim Ampelstart der erste Gang nicht reinwill, weil die Zahnrädchen falsch zueinander stehen.
Da kommt dann leicht Hektik auf, bis man sich angewöhnt hat, schon beim Einlegen des Gangs von der Bremse zu gehen, damit die Synchronisation tun kann, was eine Synchronisation tun muss. Als wollte er für diesen kleinen Aufreger um Entschuldigung bitten, legt der Einliter-Turbo mit 105 PS dann energisch los und schiebt den Testwagen, der trotz üppiger Ausstattung konkurrenzfähige 1.239 Kilogramm wiegt, flott an. Mit dunklem Grollen legt sich der Drilling spätestens ab 1.500 Umdrehungen ins Zeug und wirkt bis rund 5.500 Umdrehungen lebhaft und leistungsbereit. Dann verebbt das Temperament des Opel Astra 1.0 Turbo ein wenig – auch wegen der langen Getriebeübersetzung.
Doch 11,5 Sekunden bis 100 km/h sowie 200 km/h Spitze sind ja Werte, mit denen man sich nicht zu verstecken braucht. Unschöne Vibrationen gibt es nicht, lediglich unterhalb von 1.500 Umdrehungen klingt der kleine Direkteinspritzer schon sehr brummig, wenn er im größeren Gang unter Last ziehen muss. Und ein wenig besser gedämmt dürfte er auch sein, denn bei höherem Tempo ist sein sympathisches Knurren doch stets zu hören unterm leichten Rauschen des Windes.
Eine Kurve, oh wie schön
Das trübt ein wenig das Komforterlebnis, das ansonsten ein sehr gutes ist. Sieht man von einer leichten Polterneigung auf fein gerippten Autobahnabschnitten oder bei tiefen Schlaglöchern ab, ist der Federungskomfort rundum gut. Bei niedrigem Tempo meint man zwar anfangs, etwas weniger Straffheit täte diesem Opel gut. Doch nach vielen ohne Nachschwingen durchfahrenen Senken, ohne Wippen gemeisterten Wellen und sehr anständig geschluckten Kanaldeckeln oder Querfugen sagen wir: das passt.
Wirklich gelungen sind auch die teilelektrisch einstellbaren Ergonomiesitze (685 Euro), die eine tiefe Sitzposition erlauben und den Fahrer sauber ins Auto integrieren. Perfekt für Fahrspaß, den der von überflüssigen Pfunden befreite und von einer sehr direkt ansprechenden Lenkung geführte Opel Astra 1.0 Turbo vor allem auf kurvigen Straßen bietet. Erst bei sehr strammer Fahrweise zeigt sich ein Hang zum Untersteuern, und bis das ESP sanft die Zügel anzieht, ist es ein weiter Weg ins Reich der Querdynamik. Bis dahin zackt dieser Astra sehr willig um die Ecken, lässt sich sehr präzise lenken und macht schlicht und einfach Spaß.
Opel Astra begeistert mit Querdynamik-Talent
Der Ausflug auf die Messstrecke mit den rot-weißen Pylonen, die hin und wieder wegen der Suche nach der letzten Zehntelsekunde auch mal einen Salto schlagen, untermauert diese Eindrücke aus freier Wildbahn: Sehr gut beherrschbar absolviert der Opel Astra 1.0 Turbo die Querdynamiktests im Slalom und beim Spurwechsel, und selbst mit abgeschaltetem ESP wird er nicht zum Problemfall, den nur Könner beherrschen: Das Heck drückt nun ein wenig bei Lastwechseln und unterstützt so das Einlenken. Wird es zu wild, reichen eine Prise Gas und das Zurücknehmen der Lenkung.
Keine Enttäuschung auch auf der Bremse, die zwar nicht mit ultratransparentem Pedalgefühl brilliert, dafür aber solide Verzögerungswerte ohne das kleinste Anzeichen von Fading liefert. „Entscheidend is' auf'm Platz“, formulierte einst so schön und wahr die Fußballer-Legende Adi Preißler. Und wenn man das Testgelände als Platz versteht, lässt der Opel Astra 1.0 Turbo nichts anbrennen. Doch auf'm Platz, das ist ja auch das echte Leben zwischen Wohnung und Kindergarten, Arbeitsstelle und Jahresurlaub.
Für den Urlaub zum Beispiel ist wichtig, dass auch die Hintermänner nicht nach kurzer Zeit nörgeln, weil sie unbequem sitzen. Kein Problem, Leute: Die Rücksitzbank ist gut konturiert und trotz nicht zu üppig geratener Polsterung komfortabel. Reichlich Platz für lange Beine und genügend Luft bis zum Dachhimmel gibt es auch im Fond, selbst das Einsteigen gelingt ohne Mühe trotz der coupéhaften Dachlinie.
Stirnrunzler beim Thema Gepäck
Stirnrunzler zeigen sich dann aber beim Thema Gepäck. Die Ladekante zum Kofferraum, der mit 370 bis 1.210 Litern Volumen leicht unterm Durchschnitt seiner Klasse liegt, verläuft reichlich hoch, und mangels variablen Kofferraumbodens entsteht eine dicke Stufe, wenn die Rücksitzlehnen für den Transport von XXL-Kartons umgeklappt werden. Ohne Mühe umherschieben lässt sich schweres Gepäck nur, wenn für 70 Euro ein Notrad geordert wurde. Denn dann verläuft der Kofferraumboden deutlich höher. 60 Liter Stauraum sind dann aber perdu.
Was fällt noch auf in diesem neuen Opel Astra, der bei Materialauswahl und Verarbeitungsgüte trotz der billigen Cupholder zwischen den Vordersitzen einen klaren Fortschritt gegenüber dem Vorgänger markiert? Das Dauerfernlicht der Matrix-LED-Scheinwerfer arbeitet wirklich blendfrei und bietet große Reichweite, der Spurwechselwarner stellt bei 150 km/h den Dienst ein. Nervig daran ist nur, dass jedes Mal beim Überschreiten dieser Schwelle im Display zwischen Tacho und Drehzahlmesser eine Warnmeldung kommt und man diesen Nothelfer nur umständlich in einem Unter-Unter-Unter-Menü über den Touchscreen deaktivieren kann. Kleinigkeiten gewiss, und vielleicht auch Jammern auf hohem Niveau. Klar ist: Auf die wichtigsten Fragen des Kunden gibt Opel mit dem neuen Astra 1.0 Turbo ziemlich viele gescheite Antworten.
Fazit
Dieser Opel Astra 1.0 Turbo macht Spaß, obwohl er nicht üppig motorisiert ist. Er bietet mehr Platz und Komfort als bisher, dazu viel Fahrerassistenz und brillantes Licht. Kleine Patzer kosten ihn den fünften kompletten Stern.
Opel Astra 1.0 DI Turbo Innovation | |
Grundpreis | 22.670 € |
Außenmaße | 4370 x 1809 x 1485 mm |
Kofferraumvolumen | 370 bis 1210 l |
Hubraum / Motor | 999 cm³ / 3-Zylinder |
Leistung | 77 kW / 105 PS bei 5500 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 195 km/h |
0-100 km/h | 11,5 s |
Verbrauch | 4,5 l/100 km |
Testverbrauch | 6,5 l/100 km |