Spurhalteassistenten im Test
Nervig oder hilfreich?

Bei keinem Assistenzsystem gehen die Meinungen weiter auseinander als beim Spurhalter. Die einen finden ihn sinnvoll, um bei Unachtsamkeit nicht von der Straße abzukommen. Andere fühlen sich so bevormundet, dass sie den Knopf zum Ausschalten für das Beste am ganzen System halten. Wir haben sechs verschiedene Assistenten in der Praxis ausprobiert.

Spurhalteassistent, Symbolbild
Foto: Hans-Dieter Seufert

Audi A6: Active Lane Assist

So funktioniert das System: Der Active Lane Assist im A6 lässt sich ab 65 km/h aktivieren und erfasst Fahrbahnmarkierungen über eine im Innenspiegel untergebrachte Videokamera. Die Bildverarbeitungssoftware unterscheidet verschiedene Linienfarben, beispielsweise im Baustellenbereich. Wird eine Linie überfahren, ohne zu blinken, hilft das System über dezente Lenkeingriffe zurück in die Spur und warnt per Vibrationen im Lenkrad.

Das hat uns gefallen: Das Audi-System wurde von den Probanden überwiegend positiv beurteilt, weil es den Wagen schön mittig hielt und keinen Zickzackkurs zwischen den Linien einschlug. Zudem lenkte es sehr lange selbstständig, bis es den Fahrer zum Eingreifen aufforderte. Ebenfalls angenehm: Die Lenkradvibration ist separat deaktivierbar.

Das hat uns nicht gefallen: Einige Tester empfanden den Eingriff als zu stark und fühlten sich daher bevormundet. Darüber hinaus ließ der Audi manchmal ein Überfahren der Striche zu, ohne zu warnen oder gegenzulenken – selbst bei gut sichtbaren Linien.

Fazit: Zusammen mit der S-Klasse hinterließ der A6 den besten Eindruck. Mit aktiviertem Lenkeingriff, aber abgeschaltetem Vibrationswarner ergab sich ein großer Sicherheitsgewinn bei geringem Nerv-Faktor. Unerklärliche Aussetzer verhindern jedoch das Gefühl vollständiger Sicherheit.

Citroën C5: AFIL

So funktioniert das System: Sechs Infrarot-Sensoren im unteren Bereich der Frontschürze suchen die Fahrbahnoberfläche ab Tempo 80 nach Markierungen ab, die die Reflexion des Infrarotlichts verändern. Überquert der Wagen mit aktiviertem AFIL („Alarm bei Fahrbahnabweichung per Linienerkennung“) eine Markierung, ohne dass der Fahrer blinkt, lösen Elektromotoren auf der entsprechenden Seite im Sitz Vibrationen aus, die sich wie das Überfahren eines Rüttelstreifens anfühlen sollen.

Das hat uns gefallen: Eine einzige Taste in der Mittelkonsole stellt das System scharf – Bedienfragen lässt AFIL schon mal keine offen. Zudem fielen einigen Testpersonen die Vibrationswarnungen weniger lästig auf als Piepstöne.

Das hat uns nicht gefallen: Da das System auf Lenkeingriffe verzichtet, hielt sich der Sicherheitsgewinn in Grenzen. Darüber hinaus erfolgten die Warnungen ohne erkennbaren Grund mal früh, mal spät, mal gar nicht. Die versprochene höhere Trefferquote durch die Infrarot-Sensoren ließ sich im Test nicht reproduzieren.

Fazit: Bei der Einführung von AFIL vor zehn Jahren im Vorgängermodell gehörte Citroën noch zu den Pionieren der Spurhaltetechnik. Das System wurde jedoch nicht erkennbar weiterentwickelt und wirkt durch die fehlenden Lenkeingriffe inzwischen eher kurios. Hoher Abschalt-Reflex.

Ford Focus: Lane Keeping Aid

So funktioniert das System: Wie bei den meisten Konkurrenten späht auch beim Focus eine Kamera hinter der Windschutzscheibe nach Fahrbahnmarkierungen. Der Assistent reagiert ab Tempo 65 in zwei Stufen: Nähert sich der Wagen einer Linie, wird zuerst ein leichtes Lenkmoment zur Spurmitte angelegt. Wird die Linie überfahren, beginnt das Lenkrad als Warnung zu vibrieren.

Das hat uns gefallen: Das Ford-System versuchte mit engagierten Eingriffen, ein Verlassen der Spur zu verhindern. Zudem lassen sich Empfindlichkeit und Intensität von Warnung und Eingriff im Menü verstellen, sodass es für fast jeden Fahrer eine passende Einstellung gab, die nicht nervte.

Das hat uns nicht gefallen: An einer intuitiven Bedienung scheiterten die meisten Probanden. So sind beispielsweise 19 Klicks im Bordcomputer-Menü nötig, um die Vibrations-Intensität zu verstellen. Zudem fielen die Lenkeingriffe oft zu stark aus, weswegen der Ford zickzack zwischen den Markierungen fuhr.

Fazit: Funktion top, Bedienung Flop. Vor allem die Möglichkeit der Feinregulierung überzeugte die Tester beim Focus, zudem vermittelten die kräftigen Lenkeingriffe das Gefühl, von der Technik bei einer Unachtsamkeit zurück in die Spur gebracht zu werden. Das Bedienmenü des Bordcomputers sollte Ford jedoch unbedingt entschlacken.

Lexus LS: Lane Keeping Assist

So funktioniert das System: Eine Kamera im Bereich des Innenspiegels behält Fahrbahnmarkierungen im Auge, um ab Tempo 50 akustisch vor dem Verlassen der Spur zu warnen. Im Bereich 70 bis 170 km/h hilft der Lane Keeping Assist, den Lexus mit Lenkeingriffen auf Spur zu halten. Einstellungsmöglichkeiten gibt es nicht, allerdings berücksichtigt das System seit dem Facelift des LS auch die Fahrbahnneigung und den Seitenwind.

Das hat uns gefallen: Durch die fehlende Feinregulierung fällt die Bedienung sehr einfach aus: Wie beim Citroën lässt sich das System über eine Taste ein- und ausschalten, ein Kürzel im Kombi – Instrument klärt über den Betriebszustand auf.

Das hat uns nicht gefallen: Mit seinem aufdringlichen Gebimmel kam das LKA-System bei fast allen Testern negativ an. Darüber hinaus erfolgten Lenkeingriffe teils gar nicht, und wenn, dann spät und zaghaft. Nach Korrekturen an der Mittellinie lotste es den LS wiederum ab und zu in einem so breiten Winkel Richtung Seitenlinie, dass es mit dem Gegenlenken überfordert war.

Fazit: Das System funktionierte im Test sehr unzuverlässig und lenkte wenig gekonnt gegen. Zudem nervte der Warnton die meisten Tester so sehr, dass sie den Lane Keeping Assist am liebsten sofort ausgeschaltet hätten. Zusammen mit dem C5 liegt der LS damit am Ende des Testfeldes.

Mercedes: Lenkassistent/Distronic Plus

So funktioniert das System: In Kombination mit der Distronic Plus bietet der Lenkassistent in der S-Klasse mit Abstand die meisten Funktionen. Das System entscheidet bis 60 km/h selbstständig, ob es sich an den Markierungen orientiert, die die Kamera sichtet, oder einem vorausfahrenden Auto folgt, das per Radar erkannt wird (bis 200 km/h). Die reine Spurhaltefunktion (ohne Distronic) erfolgt nicht per Lenk-, sondern per Bremseingriff.

Das hat uns gefallen: Die Probanden lobten den großen Geschwindigkeitsbereich, in dem das System unterstützt, die Anzeige im Display sowie die harmonischen Lenkeingriffe in Kombination mit der Distronic, die den Wagen mittig in der Spur hielten. Zudem lenkte die S-Klasse verblüffend lang allein, bis sie den Fahrer aufforderte, die Hände ans Steuer zu nehmen.

Das hat uns nicht gefallen: Im reinen Spurhaltemodus ohne Radar wurden die Bremseingriffe teils als übermotiviert beschrieben. Zudem erfolgten sie mal früh, mal spät, ohne dass eine Logik erkennbar war. Die Erkennungsquote lag nicht bei 100 Prozent.

Fazit: In Verbindung mit dem Abstandsradar fährt der Mercedes-Lenkassistent in einer eigenen Liga und kombiniert Komfort im Kolonnenverkehr mit Sicherheit bei Unachtsamkeit. Ganz auf ihn verlassen darf sich der Fahrer jedoch nicht, denn die Fahrspurerkennung funktionierte nicht immer fehlerfrei.

Volvo V40: Lane Keeping Aid

So funktioniert das System: Der zum Fahrerassistenzpaket gehörende Spurhalter basiert auf einer Kamera mit Bildverarbeitungssoftware und funktioniert zwischen Tempo 65 und 200. Das System lässt sich über ein Menü in drei Stufen justieren (Vollfunktion, nur Lenkkorrektur, nur Vibrationswarner) und mit einer Taste in der Mittelkonsole an- oder ausschalten.

Das hat uns gefallen: Positiv bewerteten die Tester, dass das System ein Verlassen der Fahrbahn zunächst selbstständig über einen beherzten Lenkeingriff zu verhindern versuchte. Erst wenn dies nicht gelang, wurde der Fahrer mit Vibrationen im Lenkrad zur Mithilfe aufgefordert. Darüber hinaus erkannte die Kamera selbst stark ausgebleichte Fahrbahnmarkierungen.

Das hat uns nicht gefallen: Die Lenkeingriffe erfolgten nicht so harmonisch wie beim Audi A6 oder bei der Mercedes S-Klasse, weshalb der Volvo oft zickzack zwischen den Linien fuhr. Zudem beklagten einige Tester die verschachtelten Menüstrukturen mit ihren kleinen Schriften.

Fazit: Als Sicherheitssystem, das im Notfall mit Lenkeingriffen zur Seite steht, machte der Volvo-Spurhalter seinen Job gut. Da sich der Vibrationsalarm separat abschalten lässt, sinkt die Gefahr, dass das Gesamtsystem deaktiviert wird. Die Lenkeingriffe wirkten jedoch etwas grobmotorisch.

So haben wir getestet

Sechs Probanden aus unterschiedlichen Altersklassen zwischen Anfang 20 und über 60 fuhren auf einer ausgewählten Überlandstrecke im Stuttgarter Umland alle sechs Fahrzeuge. Nach jeder Fahrt mussten sie in einem Fragebogen kommentieren, wie harmonisch sie den Lenkeingriff fanden, ob die Warnungen zu stark oder schwach erfolgten und wie sie mit der Bedienung zurechtkamen. Zudem wurde abgefragt, ob sie das System als Unterstützung oder eher als lästige Bevormundung empfanden. Denn nur Systeme, die nicht nerven, werden benutzt und können ihr Sicherheitsplus im Falle eines Falles auch tatsächlich ausspielen. Nach der ersten Fahr- und Bewertungsrunde wurden sämtliche Autos ein zweites Mal gefahren, sodass jeder Tester die Chance hatte, nach dem Kennenlernen aller Autos seine ersten Eindrücke auf dem Fragebogen zu korrigieren.

Mercedes S-Klasse: Mehr als nur ein Spurhalteassistent

Die Kombination aus Radar- und Kamerasensoren verknüpft Mercedes zu einem komplexen Komfort- und Sicherheitspaket. Bei aktivierter Distronic hilft die S-Klasse ihrem Fahrer mit einem leichten Lenkmoment, in der Mitte der Spur zu bleiben. Im Stop-and-go-Verkehr bis Tempo 60 übernimmt der Mercedes neben Gas, Bremse und Gangwahl auf Wunsch komplett die Lenkung und entscheidet selbstständig, ob er sich an den Fahrbahnmarkierungen oder einem Vordermann orientiert. Durch das Zusammenspiel von Radar und Kamera erkennt das System sogar Fahrzeuge auf der Nebenspur, um auf der Autobahn beispielsweise verbotenes Rechtsüberholen bei höherem Tempo zu verhindern. Wo es erlaubt ist – etwa im Stau –, überholt die S-Klasse hingegen auf der rechten Spur mit maximal 20 km/h Differenzgeschwindigkeit.

Fazit

Das Wichtigste an einem Spurhalteassistenten ist, dass er benutzt wird. Und benutzt wird er nur, wenn er nicht nervt. Die Systeme von Citroën und Lexus scheiterten bereits an dieser ersten Hürde, da deren Sitz-Vibrationen beziehungsweise das Gepiepse überwiegend als lästig eingestuft wurden. Die elektronischen Schutzengel von Ford und Volvo schnitten besser ab, weil sich Warnschwelle und -intensität regulieren ließen und sie die Fuhre im Notfall mit kräftigen Lenkimpulsen zurück in die Spur holten. Gekonnter steuerte jedoch der Audi über die Teststrecke. Sein System war in der Lage, den A6 über viele Sekunden mittig auf der Fahrbahn zu halten. Noch weiter geht die S-Klasse, die im Stau bis Tempo 60 die Tür zum autonomen Fahren schon ein gutes Stück aufstößt. Auch beim Preis gab es große Unterschiede. Während Audi seinen Spurhalter separat anbietet, packen ihn die anderen in teils teure Pakete, so beim Lexus mit einem mehr als happigen Aufpreis von 8.700 Euro.