E-Klasse All-Terrain, V90 Cross Country, Passat Alltrack
Welcher Allradkombi steigt auf den Thron?

Neben mehr Bodenfreiheit haben die drei hochgesetzten Allradkombis auch spezielle Kennlinien für Getriebe, Motor, Fahrwerk und Regelelektronik. Ach, Sie dachten, die bringen gar nichts? Wir erst auch. Test.

Mercedes E 220 d, Volvo V90 CC, VW Passat Alltrack 2.0 TDI
Foto: Hans-Dieter Seufert

In Schweden wohnen zehn Millionen Menschen. Was nicht viel ist, bedenkt man, was man alles so braucht in einem Land: Busfahrer und Leute, die Bus fahren, Schauspieler, Ärzte, Polizisten, und damit die etwas zu tun haben nicht nur Falschparker, sondern auch ein paar Verbrecher. Man braucht Makler und Journalisten, für jene wiederum Leute, die etwas tun, über das sie schreiben können, dazu Kanalreiniger, Bäcker und was weiß ich noch alles. Da kann man nicht immer alles neu erfinden. Hat man keine Schriftsteller, die Geschichten über fröhliche Polizisten erfinden können, sondern nur solche über trinkwütige Kommissare, dann wird das eben zum literarischen Standard. Oder wenn einer gern Regale herstellt, sich aber keiner findet, der sie zusammenschrauben mag, bietet man sie eben in Teilen an, verkauft hinter der Kasse noch Hotdogs und das Ganze als Lebensgefühl.

Volvo V90 CC D5 AWD, Frontansicht
Hans-Dieter Seufert
Was 1997 mit dem V70 Cross-Country begann und zwischenzeitlich XC70 hieß, geht heute in die vierte Runde. Höhergelegte und beplankte Volvo-Kombis haben Tradition.

Oder man baut Kombis – solche, mit denen die Leute seit dem Duett von 1953 kreuz und quer durch das Land karriolen, über Schotter, verschneite Waldwege und Straßen. Und wenn man ihn höherlegt, mit allen vieren kraxeln lässt und rundum beplankt, kann man ein neues Auto anbieten, ohne ein neues zu entwickeln. Wie Volvo 1997 mit dem V70 Cross Country.

Die Idee war so erfolgreich, dass viele Hersteller nachzogen: Subaru, Audi, später VW mit dem Passat Alltrack und letztens Mercedes mit der E-Klasse All-Terrain. Die treffen nun auf den jüngsten Nachkommen des V70 XC: den V90 Cross Country. Alle drei haben Diesel, Allrad, Automatik. Mal sehen, ob es hoch hergeht.

V90 CC mit Anfahrschwächeln

Ja, irgendwie geht das bei Volvo nie ohne Folklore. Dafür starten wir nun gleich. Also gleich, sobald wir uns in diesem Loft von Interieur eingefunden haben. Alles so gemütlich hier. So lässig richtet nur Volvo Autos ein: mit kuscheligen Sesseln, edlen Materialien, reduzierter Bedienung. Dabei sind allerdings zu viele Funktionen auf den Hochkant-Touchscreen ausgelagert, die Menüs verworren. Aber hast du es vollbracht, im Soundsystem die Akustik des Göteborger Konzerthauses einzustellen, ist alles gut.

Richtig geräumig allerdings ist es nicht, obwohl der V90 den Motor platzsparend quer im Bug trägt. Doch zwischen der langen Haube und dem eleganten Heck bleibt gar nicht mal so viel Platz übrig für Passagiere und Gepäck. Ja, es wird noch immer gut reichen, und auf der behaglichen Rückbank kommen drei Mitfahrer bequem unter. Beim Ladevolumen liegt der V90 aber nicht nur unter dem Niveau der Rivalen und der Klasse, sondern auch entfernt von dem, was man noch immer von einem großen Volvo-Kombi erwartet. Auch bei der Variabilität bietet der V90 nicht viel. Zwar klappt die Rücksitzlehne fernentriegelt zur Ebene, aber es gibt nur eine kleine Durchlade in der zweigeteilten Lehne.

Lehnen wir uns nun im Fahrersitz zurück, schalten den Motor per Drehschalter an und sparen uns das Gejammer, dass es nur noch diesen Vierzylinder gibt. In der stärksten Leistungsversion faucht dem Biturbodiesel ein Kompressor bei niedrigen Drehzahlen Ladedruck ein und hilft dem Selbstzünder zusammen mit der sachten Achtstufenautomatik über das Anfahrschwächeln hinweg. Entschlossen in Ton wie Temperament zieht der Zweiliter voran, die Automatik wechselt die Stufen derweil früh und mit Sorgfalt. Im Eco-Modus legt sie den Leerlauf ein, um die Effizienz zu steigern – wobei sich da bei einem Verbrauch von 8,4 l/100 km durchaus noch – wie heißt das jetzt so positiv – ja, Optimierungspotenzial ausmachen lässt.

Das gilt ebenso für den Federungskomfort. Auch der Test-CC kommt mit der optionalen Luftfederung an der Hinterachse, dazu den 20-Zoll-Rädern. Mit denen rollt er herb ab, stakst harsch über kurze Unebenheiten. Doch anders als beim Standard-Kombi federt das CC-Set-up lange Wellen besser weg. Das Handling dynamisiert es dagegen nicht. Auf 20 cm Bodenfreiheit hochgesetzt, wankt der Volvo stärker, fühlt sich schwerfälliger und sperriger an. Gleichzeitig verwischt noch mehr von der eh knappen Rückmeldung in der ausreichend präzisen Lenkung.

Dafür kommt der Cross Country abseits der Straße weit – wenn man es je ins Abseits schafft. Denn zum umfassenden Assistenzarsenal, das einem das Verunfallen sehr erschwert, zählt der Straßenverlassensschutz. Jedenfalls kümmert sich der Allradantrieb überall um trittfeste Traktion. Die elektronisch geregelte Lamellenkupplung von BorgWarner leitet bis zu 50 Prozent der Antriebskraft an die Hinterräder. So fährt der V90 sicher, könnte aber vehementer bremsen. Teuer ist er dazu, trotz festlicher Ausstattung samt LED-Licht. Überstrahlt er dennoch die anderen?

Ausgewogene Fahrwerksabstimmung im Passat Alltrack

Mal angenommen, man nähme dem Volvo alles an Glamour, übertriebener Stilistik, Lässigkeit und ersetzte es durch perfekt durchkonstruierte, hochwertige Pragmatik, dann, ja dann stünde da ziemlich genau ein Auto wie der VW Passat Alltrack. Als einzige Extravaganz leistet sich der Variant den Rempelschutz rundum und die Höherlegung um 2,8 cm. Die bringt abseits der Straße ein wenig mehr Boden- und Abenteuerfreiheit, ändern aber nichts an der ausgewogenen Fahrwerksabstimmung.

Während der Volvo mit Luftfederung hinten antritt und der Mercedes mit Luftfederung rundum, hat der VW serienmäßig Stahlfedern und Adaptivdämpfer. Auch weil er es bei optionalen 18-Zoll-Rädern (645 Euro) belässt, rollt der Alltrack sanft ab und federt sensibler an als der V90, steckt kurze Unebenheiten beladen sachter weg. Erst bei voller Zuladung verschafft sich der Volvo mit dem größeren Aufwand einen kleinen Vorteil, da rumpelt der Alltrack nämlich härter über lange und kurze Wellen.

VW Passat Alltrack 2.0 TDI 4Motion, Seitenansicht
Hans-Dieter Seufert
6,3 Sekunden auf 100 km/h - und damit verehrte Damen und Herren, begrüßen wir in der Nullhundert-Sprintdimension von Sportwagen diesen höhergelegten Passat Variant mit Dieselmotor.

Doch das VW-Set-up überzeugt auch mit der großen Spreizung – beflissen im Comfort-Modus, bissig auf Dynamic. Dann strafft der Passat Dämpfer, Lenkung und Gasannahme. So verbeißt er sich in die Ideallinie und kurvt mit hoher Präzision, aber etwas vernuschelter Rückmeldung um Biegungen, grippt sich mit Haldex-Allrad beim Herausbeschleunigen in den Asphalt. Und beschleunigen, das kann der Zweiliter-TDI in der stärksten Variante. Bei der Wucht von 240 PS und 500 Nm kann die Doppelkupplungsbox ihre sieben Gänge niedertourig sortieren, bestünde selbst im Sport-Modus kein Grund für Hektik, und es ginge noch immer voran wie in einem Golf GTI.

Dabei ist der Alltrack eben ein Passat Variant, raumwundert auf den knappsten Abmessungen die großzügigsten Platzreserven für Passagiere und Gepäck zusammen. Blöd nur, dass man zu hoch sitzt im Alltrack, auch hinter dem Lenkrad fühlst du dich nie so richtig integriert.

Und sonst? Die Bedienung ist eingängig, die Sicherheitsausstattung umfangreich, aber bei Weitem nicht umfassend, die Material- und Verarbeitungsgüte hoch, aber nicht derart erhaben wie bei Volvo und Mercedes. Den Alltag beherrscht der VW bestens mit allem, was wichtig ist – von großen Ablagen über bequemen Einstieg, dreigeteilt klappender Lehne, Luftausströmer im Fond bis zum verschiebbaren Ladeboden. Dazu ist er der Günstigste, kostet bei vergleichbarer Ausstattung rund 12.500 Euro weniger als der V90 Cross Country. Damit ist der Alltrack hier die günstigste Wahl. Aber auch die beste?

E-Klasse All-Terrain bietet viel Platz für Passagiere und Gepäck

Tante E mit Wanderstiefeln? Ja, das hätte es früher nicht gegeben. Was nur wieder zeigt, dass früher auch nicht alles besser oder alle schlauer waren. Denn als All-Terrain kann es das große T-Modell mit so ziemlich jedem SUV aufnehmen. Was auch darin gründet, dass die Entwickler eben nicht alles neu, sondern nur manches anders entwickelt haben – sie bereicherten die Talente des Kombis. An denen herrscht ja ohnehin kein Mangel. So ein T-Modell bietet immer enorm viel Platz für Passagiere und Gepäck. Ja, im Fond stört die stark geneigte Lehne, womit wir dann auch schon die größte Schwäche dieses Autos bloßgelegt hätten.

Denn sonst: makellose Verarbeitung, hochbequeme Sitze, bis auf das Infotainment und die fitzeligen Lenkrad-Tastflächen für den Bordcomputer eingängige Bedienung, modernste Sicherheitsausstattung – von hervorragenden Bremsen bis hin zum teilautonomen Autobahnpiloten mit Spurwechselfunktion zum Überholen –, dazu bequemer Einstieg und hohe Zuladung. Also alles wie bisher.

Weil sich eben nur wenig geändert hat: Der All-Terrain ist lediglich 2,9 cm höher: 1,5 kommen durch die geliftete Karosserie zustande, die anderen 1,4 cm durch Reifen mit höheren Seitenflanken, die nebenbei für mehr Komfort sorgen sollen. Mit der serienmäßigen Luftfederung lässt sich die Bodenfreiheit im All-Terrain-Modus von 12,1 auf 15,6 cm erhöhen. Dann verschafft die Federung dem E etwas mehr Geländetalent, während sie auf der Straße für oberklassigen Komfort sorgt. Leer wie beladen steckt der Mercedes Unebenheiten weg: große, kleine, kurze, lange – egal. Aber wankt der All-Terrain nicht etwas mehr als das normale T-Modell, meinen Sie? Och, also dann sind Sie schon ein Sensibelchen.

Und damit hätten wir es nun aber wirklich ganz nach oben geschafft, auf das höchste Niveau des Jammerns. Da können wir dann noch anbringen, dass dieses Set-up etwas am bemerkenswerten Handlingtalent kratzt, das sich die E-Klasse in dieser Generation angeeignet hat. Die Lenkung spricht noch immer geschmeidig an, bietet dabei hohe Präzision und feine Rückmeldung. Aber der Kombi neigt etwas früher zum Untersteuern und das ESP regelt ein wenig eiliger. Aber ehrlich, das sind Kleinigkeiten, die macht der All-Terrain allein mit der brillanten Traktion wett.

Fazit

1. Mercedes E 220 d All-terrain
462 von 1000 Punkte

Für alle, die hoch hinauf wollen: klarer Sieg mit brillanter Traktion, schmeichelndem Federungskomfort, dem kultivierten, sparsamen Motor und hervorragender Sicherheit.

2. VW Passat Alltrack 2.0 TDI
444 von 1000 Punkte

Für alle, die schnell hinaus wollen: Der wuchtige Antrieb und das vergnügliche Handling sind die Stärken des geräumigen, günstigen Passat. Bei der Sicherheitsausstattung liegt er zurück.

3. Volvo V90 Cross Country D5
425 von 1000 Punkte

Für alle, die groß rauskommen wollen: Trotz lückenloser Sicherheitsausstattung, gutem Komfort und viel Ausstattung reicht es für den elegan-ten, teuren und durstigen Schweden nur für Rang drei.

Technische Daten
Mercedes E 220 d All-Terrain 4Matic All-TerrainVolvo V90 Cross Country D5 AWD ProVW Passat Alltrack 2.0 TDI 4Motion Alltrack
Grundpreis58.280 €65.850 €48.150 €
Außenmaße4947 x 1861 x 1497 mm4939 x 1879 x 1543 mm4777 x 1832 x 1530 mm
Kofferraumvolumen640 bis 1820 l560 bis 1526 l639 bis 1769 l
Hubraum / Motor1950 cm³ / 4-Zylinder1969 cm³ / 4-Zylinder1968 cm³ / 4-Zylinder
Leistung143 kW / 194 PS bei 3800 U/min173 kW / 235 PS bei 4000 U/min176 kW / 240 PS bei 4000 U/min
Höchstgeschwindigkeit231 km/h225 km/h234 km/h
0-100 km/h8,7 s8,1 s6,3 s
Verbrauch5,2 l/100 km5,7 l/100 km5,7 l/100 km
Testverbrauch7,5 l/100 km8,4 l/100 km8,1 l/100 km