Vier getunte Porsche 911 Turbo im Test
Tuning-Turbos im Vergleich

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Cargraphic, Gemballa, Speedart und Techart zeigen, welche Möglichkeiten das Thema Porsche 911 Turbo zulässt. Vier Tuning-Interpretationen als Coupé oder Cabrio mit bis zu 600 PS im Test.

Tuning-Turbos im Vergleich
Foto: Gemballa

Mischen possible; denn das Tuning-Spiel mit dem Porsche 911 Turbo als Joker birgt vielerlei Facetten. Die Branche hat die unterschiedlichsten Trümpfe in der Hand, um die Themen Leistung und Individualität auf die Spitze zu treiben.

Ob Cabrio mit Schaltgetriebe oder oben ohne und unten mit Tiptronic und auch mit festem Dach über dem Kopf spielt keine Rolle. Die hier offerierten Modifikationen der Schnellmacher Cargraphic, Gemballa, Speedart und Techart sind im Ergebnis ebenso unterschiedlicher Couleur wie die jeweiligen Basis-Turbos selbst.

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Den Einstieg in diese eloquente Welt von Laderpfeifen und Brachialgewalt eröffnet der Cargraphic-997 Turbo RSC 3.6 - ein Coupé mit einem klassisch sportlichen Auftritt ohne unsachgemäßen Firlefanz.

Cargraphic-997 Turbo RSC 3.6 hat weniger Gewicht als die Basis

Eine Konstruktion, getrieben von dem Willen nach fahrdynamischer Höchstleistung. Weil im Fall des RSC 3.6 das Mehr aus weniger resultiert - im Vergleich zur Konkurrenz aus weniger Leistung, aber auch aus weniger Gewicht. Gut 80 Kilogramm hat der Cargraphic im Vergleich zu seiner Basis abgespeckt, mit relativ banalen Mitteln. Dass sich die aus dem GT3 stammenden Sitze nicht elektrisch verstellen lassen, stört in diesem zielgerichteten Umfeld ebenso wenig wie das Fehlen der Rückbank. Weitere Pfunde ließ der nunmehr 1.550 Kilo schwere Allradler durch den Einsatz geschmiedeter Leichtmetallräder und der speziellen Auspuffanlage liegen. Dem entgegen steht ein in Zusammenarbeit mit RS Tuning entwickeltes Triebwerk, das dem Elfer den Teufel auszutreiben scheint, indem es der Leibhaftige selbst ist, mit den lodernden Mächten in Gestalt von 544 PS und 798 Newtonmeter.

So lange ihn nur Standgas reizt, brodelt der Vulkan unnahbar dumpf grummelnd vor sich hin. Aber wehe, er wird von der Muse des rechten Fußes geküsst. Dann spuckt er Gift und Galle. Wen das scharfzüngige Zischeln der Lader am Ohrläppchen zupft, der sei gewarnt: Der giftige Biss kommt kräftig, der trockene Tritt gewaltig. Gottlob sind keine Ornamente in die Kopfstützen der engen Schalen eingearbeitet. Sie würden den Hinterkopf mit einer bleibenden Prägung zieren. Was an Eindrücken bleibt, prägt aber auch so. Während der Boxer achtern zischt und tobt, scheint das Messsystem Purzelbäume zu schlagen. Bei Tempo 100 blitzen am Display 3,3 Sekunden auf. Nach 10,4 Sekunden ist auch die Jagd nach der 200er-Marke Geschichte.

Das Ding schiebt wahrlich höllenmäßig - und zeigt dabei sogar noch Manieren. Schließlich fällt die Größe des Turbolochs äußerst überschaubar aus. Subjektiv sogar kleiner als beim Serien-GT2 und winziger als bei manch einer 600-PS-Version allemal. Der Motor des RSC 3.6 versteht es also im doppelten Wortsinn, überzeugend anzusprechen. Was das Ansprechverhalten des Clubsportfahrwerks betrifft, so ist dies ebenfalls manierlich. Auch wenn der grundsätzliche Anspruch, gekoppelt mit dem einstellbaren Stabilisatorensatz, nicht der einer Sänfte ist. Entsprechend feinnervig tastet der RSC 3.6 die Fahrbahnoberfläche ab, teilt eventuell auftretende Absätze aber akzeptabel gefiltert mit.

Was die daraus resultierenden fahrdynamischen Fähigkeiten betrifft, so gehen diese weit über eine lediglich akzeptable Einstufung hinaus. Wie an einem Kiel geführt pfeilt der Allradler durch die 180 Meter lange Pylonengasse. Die Michelin Cup-Reifen beißen in den Asphalt. Die Lenkung pariert maßgeschneidert. Das Heck steht wie ein Fels in der Brandung. Kein Aufschaukeln wie bei der Serie ist der Fall, sondern eine hervorragende Durchschnittsgeschwindigkeit von 72,5 km/h das blendende Resultat der Übung. Beim heißen Ritt auf dem Kleinen Kurs fällt die Arbeit am Volant jedoch verhältnismäßig schweißtreibend aus. Wie sich schon bei der Basis feststellen lässt, zeigt auch die Cargraphic- Komposition im Grenzbereich ein latent vorhandenes Wechselspiel zwischen Unter- und Übersteuern. Es ist also schon einiges an Übung und Eingewöhnungszeit erforderlich, wenn die großen fahrdynamischen Ressourcen auf der Rennstrecke voll ausgeschöpft werden sollen. Auch die mit härteren Belägen ausgerüstete Bremsanlage erfordert einen speziellen Umgang: Progressives Bremsen ist angesagt, um nicht in die plötzlich einsetzende ABS-Regelung zu stürmen.

Speedart BTR-XL 600 mit wuchtigem Auftritt

Wer ein dem Angebot des Landauer Tuners Cargraphic entsprechendes Angebot im Cabriolet-Bereich sucht, ist bei Speedart in Rutesheim an der richtigen Adresse. Minimal profilierte Sportreifen und ein manuelles Sechsganggetriebe gehören für den schwäbischen Porsche-Spezialisten, der Turbo- Updates in den verschiedensten Leistungsstufen anbietet, auch bei der Open-Air-Version zum guten Ton. Einzig bei der von der Pfälzer Konkurrenz vorgelegten Leistung von vergleichsweise moderaten 544 PS mochte man es in diesem speziellen Fall nicht bewenden lassen. Glatte 600 PS - da sind sich die allesamt nahe Stuttgart beheimateten Tuner Gemballa, Speedart und Techart einig – sollten es schon sein, wenn das schöne Kind auch schnell sein soll. Tatsächlich dürfte sich kaum jemand der Faszination, die sich im schwarz-weiß gekleideten Retro-Cockpit des Speedart BTR-XL 600 bei voller Leistungsanforderung einstellt, entziehen können.

Die Vehemenz, mit der der Porsche Turbo-Spross die Backen bläht, wenn die aufgebohrten VTG-Lader zum Angriff auf die Highspeed-Feste blasen, hat schon was. Beim ersten Beschleunigungsmanöver war der sich scheinbar aus dem nichts aufbauende, Fahrer und Beifahrer in den Sitz nagelnde Druck allemal dazu angetan, den bereits kurz nach dem katapultartigen Start erforderlichen Griff nach dem filigranen Schaltknauf vorübergehend in Vergessenheit geraten zu lassen. Keine Frage: Der XL-Porsche zieht ab wie von der Tarantel gestochen. Dass das Speedart-Cabrio dem mit 3,3 Sekunden schnellsten Cargraphic-Coupé die Sprintkrone dennoch nicht entreißen kann, liegt daran, dass den am oberen Limit der VTG-Lader operierenden 600-PS-Turbos nach dem Schaltvorgang vorübergehend die Puste ausgeht. Erst wenn die dicken Backen frisch gefüllt, sprich: die nunmehr deutlich größeren Querschnitte der Lader zur Gänze unter Druck gesetzt sind, geht es ungezügelt weiter.

Geradeaus kann er also, der Speedart BTR-XL 600, und andauerndes sicheres Halten kennt er auch. Letzteres ist schon deshalb besonders hervorzuheben, weil der Tuner aus Rutesheim die vom Gros der Konkurrenz bevorzugte, weil traditionell standfeste Serienbremsanlage in Stahl-Spezifikation, zu Gunsten des Gewichtskontos gegen eine vom italienischen Spezialisten Brembo beigesteuerte, leichter bauende Graugussanlage getauscht hat. Wie aber sieht es mit dem Handling und den Umgangsformen des dank einer aufwendigen und teuren Klappensteuerung der Auspuffanlage wahlweise aus allen Rohren tönenden oder moderat vor sich hingrollenden 600-PS-Monsters aus? Auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim erst einmal gut. Hier gefällt der Speedart-Turbo mit einem neutralen Einlenkverhalten, dem ein sanftes und daher gut beherrschbares Übersteuern folgt. Das Ansprechverhalten des hochgezüchteten Sechszylinder-Boxers passt, die Brembo-Bremse zeigt hier mehr als in der Standardprüfung, was sie wirklich kann.

Anders als beim Cargraphic, wo progressives Bremsen angesagt ist, wenn das ansonsten recht grob agierende ABS nicht zu viel Weg kosten soll, harmonieren die italienischen Stopper auch beim blinden Drauftappen perfekt mit dem Blockade-Assistenten. Das wenig Kraftaufwand erfordernde manuelle Getriebe, welches im BTR-XL 600 von einer verstärkten, aber leichtgängigen Kupplung unterstützt wird, rundet das positive Gesamtbild ab. Dass das für den Allround- Einsatz gedachte Feintuning des werksseitig verbauten aktiven Dämpfersystems PASM mittels Sportfedern und dickerer Stabis auch Kompromisse birgt, zeigt erst der Slalom. Die hierbei erforderlichen, kurz aufeinanderfolgenden Richtungswechsel quittiert das Cabrio mit zwar kontrollierbaren, letztendlich jedoch Zeit und Geschwindigkeit kostendenden Ausbruchsversuchen des Hecks. Mehr als 68,5 km/h waren auf Grund dieser charakterlichen Eigenheit für den Speedart-Turbo trotz Michelin Sport Cup-Pneus in der 180-Meter- Gasse nicht drin

Techart Turbo Cabrio mit eigenständigem Auftritt

Weniger für bekennende Hardcore-Sportler, denn für leistungshungrige Komfort-Cruiser gedacht, ist das 600- PS-Paket, das TechArt schnürt. Dezent im Auftritt, zeitlos schwarz gewandet, auf normalen Michelin Sport 2-Pneus im 20-Zoll-Format stehend und dank Tip-tronic für Menschen mit Neigung zum Laissez-Faire geeignet, zielt das Leonberger Turbo Cabriolet nicht primär auf Rekorde ab. Vehementes Beschleunigungsvermögen (3,5 Sekunden bis 100, 11,3 bis 200 km/h) und anlässlich der auto motor und sport-Highspeed-Prüfung in Nardo vom Firmenchef selbst unter Beweis gestellte 344 km/h Topspeed ja, Verzicht erfordernde Kompromisslosigkeit nein. Wer zwischendurch auch einmal arbeiten lassen will, kann dies im Tech-Art-Porsche dank Automatik-getriebe bedenkenlos tun.

Der Abroll- und Federungskomfort geht trotz des ohne Montage mit 4105 Euro zu Buche schlagenden Fahrwerksum-baus – auch in diesem Fall wurde auf das beim Porsche Turbo serienmäßige PASM draufgesattelt – absolut in Ordnung. Gleiches gilt für die Spurstabilität bei hohen Tempi. Den TechArt-Turbo bringt so leicht nichts aus der Ruhe. In Bezug auf das Handling und Fahrverhalten auf dem Kleinen Kurs gilt das für den Speedart Gesagte: Einem weit gehend neutralen Einlenkverhalten folgt unter Last ein gut beherrschbares Übersteuern. Auch der TechArt-Porsche strapaziert also die Fahrkünste des Piloten nicht über Gebühr. Die zwei Sekunden, die das Cabrio aus Leonberg-Höfingen beim Umrunden der 2,6 Kilometer langen Strecke im Badischen auf den Konkurrenten aus Rutesheim verliert, ist daher nicht etwa einem zickigen Charakter oder dem der Tiptronic zuzuschreibenden Mehrgewicht von immerhin 63 Kilo anzulasten.

Die Zeitdifferenz entspricht vielmehr exakt jener, die bei Vergleichsfahrten zu einem früheren Zeitpunkt mit Normal- und Cup-bereiften Autos identischer Spezifikation ermittelt wurde. Vor diesem Hintergrund ist die vom TechArt-Turbo im Slalom erzielte Durchschnittsgeschwindigkeit von 69,3 km/h besonders hervorzuheben. Meistert doch das auf Michelin Cup-Reifen angetretene mattschwarze Cabrio von Gemballa die Prüfung kaum schneller, weil seine Hinterachse ähnlich der des Speedart-Porsche BTR XL 600 bei dieser Prüfung mehr Eigenleben führt. Schnell ist, wer verlässlich ist – das gilt auch hier. Der im direkten Vergleich sehr geringe Durchschnittsverbrauch des starken Schwarzen sollte hingegen nicht überbewertet werden. Der TechArt-Turbo war schlicht früher und daher länger in der Redaktion als die anderen getunten Porsche, weshalb die Anzahl der Alltagsverbräuche in diesem Fall größer war als bei den drei Mitstreitern. Und jene braucht es natürlich, um die Vollgas- Gelage am Messtag zu relativieren.

Unterm Strich ist demnach davon auszugehen, dass der für das TechArt-Cabrio errechnete Durchschnittsverbrauch von 18,8 Liter Super Plus auf 100 Kilometern so oder ähnlich auch für die Konkurrenzmo-delle gilt – mit einem leichten Aufschlag der bei voller Leistungsanforderung durstigeren Cargraphic- und Gemballa-Porsche und einem geringen Abschlag des noch etwas maßvolleren Speedart-Turbo. Beim Leistungsgewicht liegen die beiden Leonberger Tiptronic-Modelle ein Zehntel hinter den Handschaltern aus Landau und Rutesheim, was auf Grund der Gewichtsdifferenz nur logisch erscheint.

Ein Vergleich der das Durchzugsvermögen innerhalb einer Fahrstufe beziffernden Ela-Werte drängt sich letztlich nur bei zwei Autos auf. Da die beiden handgeschalteten Turbos, das Cargraphic-Coupé und das Speedart-Cabriolet, gewichtsund leistungsmäßig zu weit voneinander entfernt liegen, bleibt der Blick auf die von Gemballa und TechArt geschärften Tiptronic-Porsche. Und hier hat der TechArt- Spross sein glänzendes Näschen nun deutlich vor dem matt gepuderten des Gemballa Avalanche GTR600 Roadster. Beim Durchmarsch von 80 auf 180 km/h liegt der Turbo aus Leonberg-Höfingen im vierten wie fünften Gang je eine volle Sekunde vor der im selben Ort ansässigen Konkurrenz.

Gemballa Avalanche GTR600 Roadster im Carrera GT-Look

Und die direkte Leonberger Konkurrenz? Für wen und welchen Einsatzzweck baut Gemballa das richtige Auto? Nun - erst einmal natürlich für all jene, denen das dezent gehaltene TechArt-Cabriolet und der mit etwas dickeren Backen aufwartende Speedart- BTR-XL 600 immer noch viel zu sehr nach Porsche Turbo aussehen. Design- und Sportwagenfans dürften die unverkennbare Nähe des folgerichtig vom 2 + 2- zum reinen Zweisitzer mutierten Avalanche GTR600 Roadster zum einst in limitierter Stückzahl ab Werk verkauften Supersportler Carrera GT gleichermaßen goutieren.

Keine Frage: Wer das Besondere mag, kommt bei Gemballa mehr als anderswo auf seine Kosten. Und im Vergleich zum seligen Werks-GT gehen die für den Avalanche zu berappenden 360.000 Euro auch immer noch als Schnäppchen durch. Wenngleich der ebenfalls Michelin Pilot Sport Cupbereifte GTR600 die Konkurrenz in der Preisfindung deutlich übertrumpft und dafür einen Punktabzug in der Preis-Leistungs-Kategorie der sport auto-Wertung kassiert. Im Gegensatz zum TechArt-Cabrio, bei dem die ab Werk installierte Dämpferverstellung des Porsche Active Suspension Managements trotz des montierten Bilstein-Fahrwerks erhalten blieb, haben die Gemballa-Ingenieure das System zu Gunsten eines 14-fach verstellbaren Sportfahrwerks mit Kugellagerführung und Doppelfeder-Einheit stillgelegt. Der Agilität beim Einlenken kommt dies zugute, der charakterlichen Ausgeglichenheit nicht.

Im Grenzbereich erfordert der Avalanche eine kundigere Hand am Volant als die Cabrios der Konkurrenz. Dies und die im oberen Drehzahldrittel fehlende Angriffslust des auf 600 PS gepushten 3,6-Liter-Turbo-Triebwerks lassen das Designerstück aus Leonberg auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim ins Hintertreffen geraten: Trotz Sportreifen ist der innen mit feinstem, farbig vernähten Alcantara ausgeschlagene Gemballa- Roadster mit 1.12,1 Minuten nur eine halbe Sekunde schneller als das normalbereifte Cabrio von TechArt.  

Technische Daten
Cargraphic 997 Turbo RSC 3.6 Gemballa Avalanche GTR 600 Roadster Speedart BTR-XL 600 TechArt 911 Turbo Cabrio
Außenmaße4450 x 1852 x 1300 mm4450 x 1852 x 1300 mm4450 x 1852 x 1300 mm4450 x 1852 x 1300 mm
Kofferraumvolumen105 l105 l105 l105 l
Hubraum / Motor3600 cm³ / 6-Zylinder3600 cm³ / 6-Zylinder3600 cm³ / 6-Zylinder3600 cm³ / 6-Zylinder
Leistung400 kW / 544 PS bei 6200 U/min441 kW / 600 PS bei 5900 U/min441 kW / 600 PS bei 6200 U/min441 kW / 600 PS bei 6400 U/min
Höchstgeschwindigkeit316 km/h320 km/h335 km/h339 km/h
0-100 km/h3,3 s3,7 s3,5 s3,5 s