Vier Hybridsysteme im Vergleich
BMW, Infiniti, Porsche und Lexus treten an

Wer stromert, spart und fährt am besten? Wir haben mit dem BMW X6, Infiniti M35h, Lexus RX 450h und Porsche Panamera vier sehr unterschiedliche Hybridmodelle zum großen Systemvergleich gebeten.

Lexus RX 450h, Infiniti M35h, Porsche Panamera S Hybrid, BMW X6 Active Hybrid, Front
Foto: Karl-Heinz Augustin

Es ist immer noch ungewohnt: Man schaltet die Zündung ein – und hört nichts. Wir sitzen am Steuer eines Hybriden, der Verbrenner verharrt in Hab-Acht-Stellung; die Parklücke wird er gleich nur mit der Kraft von Elektronen verlassen.

Der neueste Vollhybrid im Vergleich, der Infiniti M35h, kann das und einiges mehr, denn ihm dient als Stromspeicher ein Lithium-Ionen-Akku mit 1,4 kWh Energieinhalt. Damit stromert er bei vorsichtigem Gasfuß bis zu 100 km/h schnell rein elektrisch über die größten Strecken im Vergleich. Hier zeigt sich auch ein Vorteil dieses Akkus, der im Gegensatz zu den Nickel-Metallhydrid-Systemen bei den Konkurrenten größere Bereiche seiner Nennkapazität nutzen kann.

Infiniti M35h mit 364 PS und 8,3 Liter Verbrauch

Der High-Tech-Batterie steht ein einfach, aber clever aufgebauter Antriebsstrang gegenüber. An den 3,5-Liter-V6 flanscht Infiniti ein Gehäuse, in dem zwei Kupplungen den E-Motor und das Getriebe einklammern. Ölbadwandler? Unnötig. Allerdings ruckt es im Räder-Kupplungswerk, wenn der V6 erwacht oder der Wagen sanft auf eine Ampel zugebremst wird.

Größere Freude macht der Verbrauch. Schon in der Stadt lässt sich der Infiniti M35h mit 8,3 L/100 km für eine schwere Limousine mit 364 PS sparsam bewegen. Besonders in der Einstellung Eco, in der sich das Gaspedal gegen eine forsche Fahrweise wehrt. Dank effizientem Segel-Modus und guter Aerodynamik steigt der Verbrauch bei Autobahntempo nur um knapp zehn Prozent auf 9,1 L/100 km.

Wie dabei die Energie an Bord fließt, dokumentiert das Display. Leider wird der Durchschnittsverbrauch nicht als Zahl, sondern lediglich als schlecht ablesbare Balken angezeigt. Wer es genau mag, muss auf das Display zwischen Drehzahlmesser und Tacho schauen.

Gleich ausgestattet ist der Lexus RX 450 Hybrid übrigens 3.100 Euro teurer als das Basismodell. Mit Blick auf die Preise, die Porsche von seinen Kunden verlangt, eine eher geringe Differenz. Der Porsche Panamera S Hybrid kostet 26.002 Euro mehr als die Version mit Sechszylinder und Doppelkupplungsgetriebe. Kompressor-V6 und E-Motor sind per Kupplung und dahintersitzender Wandlerautomatik kombiniert. Der doppelte Antrieb steigert das Gewicht um 180 Kilogramm, doch auch die Kraft steigt um 80 auf 380 PS.

Tempo 85 rein elektrisch mit Porsche Panamera S Hybrid

Beim Segeln nutzt der aerodynamisch günstige Porsche Panamera S Hybrid die in seinen Pfunden gespeicherte kinetische Energie zum besonders langen Gleiten. In diesem Betriebsmodus schaltet sich der V6 ab, und die Kupplung trennt ihn vom Antriebsstrang, um die Schleppverluste auf ein Minimum zu reduzieren. Einen sanften Gasfuß vorausgesetzt reichen die 34 kW des E-Motors, um ein nicht zu hohes Tempo für eine kurze Strecke zu halten – laut Porsche bis zum Maximaltempo von 85 km/h.

Der erzielbare Autobahnverbrauch von 9,1 L/100 km liegt nur gut zwei Prozent über dem Stadtwert. Enttäuschend zaghaft kommt der schwere Porsche Panamera S Hybrid rein elektrisch aus dem Stand weg. Mit Rücksicht auf die niedrige nutzbare Kapazität des Nickel-Metallhydrid-Akkus bleibt die Leistung der E-Maschine zu großen Teilen ungenutzt. Auf der Autobahn bemerkt man sie hin und wieder, wenn sich die Motoren bei kräftiger Leistungsanforderung gemeinsam ins Zeug legen. Dann geht gelegentlich ein Ruck durch den Antriebsstrang, und es kommt ein wenig von jener Kernigkeit durch, die Porsche-Fahrer an ihrer Marke schätzen.

Mit kernig ist auch der 485 PS starke BMW X6 Active Hybrid gut beschrieben. Kein Antrieb ist aufwendiger als seiner: Hier werkeln V8-Benziner, zwei Elektromotoren und drei Planetenradgetriebe an einem Strang und schleudern den großen BMW X6 Active Hybrid mit solcher Macht nach vorn, dass es eine wahre Freude ist. Two-Mode-Hybrid nennt BMW das gemeinsam mit Mercedes und GM entwickelte Modul, das je nach Situation wie ein Hybrid mit festen Übersetzungsstufen (Porsche Panamera, Infiniti M35h) oder wie ein leistungsverzweigter Hybrid (Lexus RX 450h) arbeitet. Theoretisch soll es die Verluste im elektrischen Teil reduzieren und sowohl bei niedrigem wie hohem Tempo sehr effizient sein.

BMW X6 Active Hybrid kein einstelliger Verbrauchswert

In der Praxis ist es weder leicht (260 kg mehr als ohne Elektrifizierung), noch macht es den BMW X6 Active Hybrid zum Sparmobil. Selbst bei sehr zurückhaltender Fahrweise lässt sich der 2,5 Tonnen schwere Bolide nicht zu einstelligen Verbräuchen bewegen, was unter Verbrauchs-Gesichtspunkten eine enttäuschende Leistung ist. BMW verzichtet auf Anzeigen, wie viel Energie in den Nickel-Metallhydrid-Akku zurückfließt. Ebenso wenig gibt es eine Verbrauchshistorie durch ein Balkendiagramm. Nicht einmal elektrisch rangieren mag der Koloss. Wer den Startknopf drückt, weckt praktisch immer den Achtzylinder, wobei der Ladezustand des erstaunlich großen 2,4-kWh-Nickel-Metallhydrid-Akkus scheinbar keine Rolle spielt.

Rein elektrisches Fahren ist mit dem BMW X6 Active Hybrid bis 60 km/h zwar möglich, gelingt aber fast nur bergab, gesegelt wird dabei nicht. Bleiben als große Vorteile die ungemein lässige Kraftentfaltung und der angenehme Antriebskomfort. Angesichts des hohen Aufwands scheint der Two-Mode-Hybrid ein technischer Irrweg zu sein, der aus früher operativer Hybrid-Hektik geboren wurde. In Zukunft wird BMW jedenfalls keinen Two Mode mehr anbieten.

Das leistungsverzweigte System im Lexus RX 450h dagegen ist ein verdienter Veteran der Hybrid-Szene. Er entschleunigt seinen Fahrer auf sympathische Art und Weise. Technisch ist er ein Solitär, dessen Vorderachsantrieb von einem V6-Benzinmotor mit angeflanschtem Planetenradgetriebe und elektrischer Unterstützung, aber ohne jegliche Kupplung sichergestellt wird. Die Hinterachse spielt bei ihm ein Solo, ist mechanisch von der Vorderachse entkoppelt und läuft bei Bedarf rein elektrisch.

Elektrisches Fahren im Lexus RX 450h problemlos

Klingt kompliziert und aufwendig, verursacht aber nur 135 Kilogramm Mehrgewicht. Wie es funktioniert, spielt für die Passagiere freilich keine Rolle. Sie spüren nur, dass der Lexus RX 450h enorm sämig läuft und nur bei starkem Beschleunigen unschön aufjault. Kleinere rein elektrisch absolvierte Fahrstrecken sind problemlos möglich. Bei Geschwindigkeiten bis etwa 80 km/h segelt der Lexus RX 450h sogar für kürzere Momente, dann simuliert der direkt hinter dem Verbrennungsmotor angeflanschte Generator zusammen mit dem Planetenradgetriebe quasi eine Art Kupplung, um den V6 vom Antriebsstrang zu entkoppeln. Was aber nichts daran ändert, dass der Lexus-Hybrid vor allem im Niedrigtempobereich hervorragend spart: 6,4 Liter/100 km sind für solch einen schweren SUV ein Traumwert.

Auf der Autobahn werden dem Lexus RX 450h seine begrenzte Übersetzungsspreizung und sein höherer Luftwiderstand (cw × A) zum Verhängnis. Im Vergleich zum Stadtbetrieb konsumiert der Lexus RX 450h 36 Prozent mehr und liegt dann fast auf dem Niveau eines Porsche Panamera S Hybrid. Der Verbrauch auf der Autobahn müsste also noch optimiert werden.

Dynamische Naturen wird der Lexus RX 450h allerdings mit seinen Fahrleistungen nicht ganz zufriedenstellen. Schade, dass Lexus dieses exquisite, von immenser Erfahrung zeugende Zusammenspiel nur mit einer recht altbacken wirkenden Grafik in den Anzeigen illustriert. Denn die Kombination aus Sparsamkeit und völlig ruckfrei-cremigem Antriebskomfort macht den Lexus RX 450h einzigartig und zum derzeit überzeugendsten Vollhybrid.

Bei keinem Tempo sparsam

Mit drei Planetengetrieben sowie zwei Kupplungen und Elektromotoren hat der BMW X6 Active Hybrid das derzeit mit Abstand aufwendigste Hybridsystem an Bord, das in Zusammenarbeit mit GM und Mercedes entwickelt wurde. Der Name Two Mode weist darauf hin, dass es die Funktionsweise einer stufenlosen Übersetzung wie bei leistungsverzweigten Systemen (beim Anfahren sowie bei niedrigem Tempo) mit der von vier festen Übersetzungsstufen (bei hohem Tempo) vereint.

Je nach Fahrzustand schaltet der Two-Mode-Hybrid im BMW X6 Active Hybrid nicht nur die Übersetzungsverhältnisse hin und her, sondern setzt die beiden Elektromotoren auch wahlweise einzeln oder zusammen als Generatoren zur Energie-Rekuperation oder Leistungsverzweigung ein, um bestmögliche Effizienz zu erreichen. Die grobe Anwahl der Betriebsmodi erfolgt über zwei mittels Kupplung gesteuerte Planetenradgetriebe. Als Akku kommt ein Nickel-Metallhydrid-Speicher zum Einsatz, der über 2,4 Kilowattstunden Energieinhalt verfügt und über der Hinterachse sitzt.

Bei hohem Tempo niedriger Verbrauch

Beim Porsche Panamera S Hybrid werden der klassischen Antriebskonfiguration mit V6-Motor und Wandlerautomatik (anstatt des mehrheitlich bei Porsche verwendeten Doppelkupplungsgetriebes) noch ein Elektromotor und eine Kupplung zwischengeschaltet. Über die so genannte Trennkupplung lässt sich der Verbrennungsmotor für elektrisches Anfahren aus dem Antriebsstrang nehmen.

Auch im Segelbetrieb auf der Autobahn wird der Sechszylinder ausgestellt und abgekuppelt, um die Schleppmomente deutlich zu reduzieren. Bei normaler Fahrt und beim Boosten ist die Kupplung dann wieder kraftschlüssig. Läuft der Porsche Panamera S Hybrid im Modus der Lastpunkt-Optimierung, wird die Drehzahl des Sechszylinder-Direkteinspritzers in bestimmten Bereichen künstlich angehoben, um einen Arbeitspunkt mit höherer Effizienz zu erreichen. Die zusätzliche Kraft führt der dann als Generator agierende Elektromotor als Strom zur Speicherung in die Batterie ab. Als Akku kommt eine unter dem Kofferraumboden sitzende Nickel-Metallhydrid-Version zum Einsatz.

Temperamentvoll und ökonomisch

Der Infiniti M35h baut sein Vollhybridsystem technisch besonders einfach auf: Die erste Kupplung nahe am Verbrennungsmotor koppelt diesen an den Antriebsstrang. Dazwischen sitzt eine Automatikgetriebe-Einheit mit angeflanschtem 50-kW-Elektromotor. Die zweite Kupplung verbindet die komplette Antriebseinheit mit der Antriebswelle. Ist sie geschlossen und die am Verbrennungsmotor offen, beschleunigt der M35h rein elektrisch – oder er segelt. Allein mit dem Elektromotor kann der Infiniti M35h (sehr zurückhaltend) bis auf Tempo 100 beschleunigt werden. Wenn beide Kupplungen geschlossen sind, läuft der M35h im Boost-Modus.

Der Elektromotor des Infiniti M35h dient ebenso als Generator. Erstmals in einem parallelen Vollhybrid nutzt der M35h einen Lithium-Ionen-Akku. Dieser hat zwei Vorteile gegenüber den sonst verwendeten Nickel-Metallhydrid-Varianten: erstens einen relativ hohen Energiegehalt (1,4 kWh) und zweitens einen größeren Ladehub – von der Bruttokapazität lässt sich mehr Nettoenergie fürs Fahren verwenden.

In der Stadt der genügsamste

Im Lexus RX 450h sitzt ein V6, bei dem zur Erhöhung des Wirkungsgrads bei niedrigen Drehzahlen ein Teil der Luft in den Ansaugtrakt zurückgeschoben wird (Atkinson-Prinzip). Zur Leistungsverzweigung wird über den angedockten Elektromotor/Generator 1 (MG1) und das Planetengetriebe die Leistung des Elektromotor/Generators 2 (MG2) addiert. Dabei regelt Motor/Generator 1 nicht nur die internen Drehzahlverhältnisse, sondern wandelt auch einen Teil direkt in elektrische Energie um.

Die Systemleistung des Lexus RX 450h entspricht nicht der Addition aller Leistungen, sondern ist eine Kombination aus derjenigen des V-Motors und der Stromlieferfähigkeit des Akkus. MG2 steht in einer festen Relation zur Raddrehzahl und sorgt beim Bremsen für die Rekuperation. Wird MG1 als leerlaufender Motor genutzt und die Einspritzung ausgeschaltet, kann der RX bis etwa 80 km/h mit MG2 als Unterstützung segeln. An der Hinterachse sitzt ein eigener 50-kW-Elektromotor als Traktionshilfe für den Allradantrieb. Bei der Batterie setzt Lexus auf Nickel-Metallhydrid-Typen.

Fazit

1. Lexus RX 450h
4 von 1000 Punkte

Das leistungsverzweigte System ist leicht und effektiv, der Antriebskomfort hoch. Das Sparpotenzial überzeugt vor allem im Stadtverkehr, weniger bei Autobahnfahrt.

2. Infiniti M35h
4 von 1000 Punkte

Im Vergleich die neueste Technik, der Antriebsstrang ist einfach aufgebaut und clever abgestimmt – allerdings mit Komfortschwächen. Sehr gutes Sparpotenzial.

3. Porsche Panamera S Hybrid
3 von 1000 Punkte

Das schwere System ermöglicht einen erstaunlich niedrigen Verbrauch auf der Autobahn, und beim Segeln nutzt der Panamera seine Pfunde sogar positiv.

4. BMW X6 Active Hybrid
2 von 1000 Punkte

Das aufwendigste System liefert das schwächste Ergebnis. Rein elektrisches Fahren gelingt kaum, der Einspareffekt gegenüber einem reinen Verbrenner ist gering.

Technische Daten
BMW X6 ActiveHybrid Infiniti M35h GTLexus RX 450h Impression LinePorsche Panamera S Hybrid S
Grundpreis103.000 €56.740 €74.410 €107.196 €
Außenmaße4877 x 1983 x 1697 mm4945 x 1845 x 1500 mm4770 x 1885 x 1685 mm4970 x 1931 x 1418 mm
Kofferraumvolumen470 bis 1350 l350 l446 bis 1570 l335 bis 1153 l
Hubraum / Motor4395 cm³ / 8-Zylinder3498 cm³ / 6-Zylinder3456 cm³ / 6-Zylinder2995 cm³ / 6-Zylinder
Leistung300 kW / 407 PS bei 5500 U/min268 kW / 364 PS bei 6800 U/min183 kW / 249 PS bei 6000 U/min279 kW / 380 PS bei 5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit236 km/h250 km/h200 km/h270 km/h
0-100 km/h5,8 s6,0 s
Verbrauch9,9 l/100 km6,9 l/100 km6,2 l/100 km7,1 l/100 km
Testverbrauch11,2 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten